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Kapitel 1 – Die schrecklichen Minen von Diyu

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(Prolog)

Es war dunkel und kalt. Hier draußen, fernab von der verwüsteten Erde, gab es keine Sonne mehr, kein wärmendes Licht. Jegliche Hoffnung schwand dahin. Wir schrieben das Jahr 3068. Fast zehn Jahre zuvor war unsere Spezies, die Humanoiden – die gesamte Menschheit – von einer bis dato unbekannten, fremdartigen Spezies überrannt und unterjocht worden. Es waren zu viele Feinde gewesen, wir hatten keine Chance gegen die Invasoren gehabt. Sie haben uns alles genommen. Unser Zuhause, unsere Geliebten, unsere Hoffnung. Auch viele der Leute einer kleinen Rebellengruppe hatten die gnadenlosen Kämpfe damals mitansehen müssen. Doch heute waren es eben jene Freiheitskämpfer, welche den Angriff wagten. Den Angriff auf diese schwer befestigte Anlage, in der ihre Freunde und ihre Familien gefangen gehalten wurden wie Tiere. Die Leute dieses kleinen Sturmkommandos, unsere Leute, würden ihre Kameraden niemals solch einem Schicksal überlassen. In der Ferne erblickte man ein schwaches, rotes Blinken und die grauenvolle Silhouette des unheimlichen, äußerst gut bewachten Gefangenenlagers hinter dem scheinbar unendlichen Ozean dieses großen Mondes. Doch selbst, wenn unsere Rebellen in der Unterzahl waren, sie würden ihre Freunde, ihre Brüdern und Schwestern, Mütter und Väter befreien. Das hatten sie sich geschworen. Das grausame Tosen der Wellen dieses wütenden Ozeans würde sie nicht aufhalten, der bedrückende Anblick des schwarzen, unbeleuchteten Gasplaneten über ihnen würde sie nicht aufhalten, die verhassten Silizoiden würden sie nicht aufhalten. Und wenn diese Glanzhäute hundert paar Flügel gehabt hätten. Die vier schwarzen Hovercars, die den mutigen Kämpfern den einzigen Schutz vor den geradezu tödlichen Wetterbedingungen boten, näherten sich langsam, aber sicher der gefürchteten Feste über die unbändigen Wassermassen hinweg, durch die stürmische Atmosphäre dieses gigantischen Trabanten.

Charisa, das junge Mädchen, das diesen aussichtslosen Befreiungsversuch überhaupt erst durch ihren Mut und ihr Charisma ermöglicht hatte, blickte zu Kira, die neben ihr auf der Rückbank eines der kleinen, schwarzen Schwebefahrzeuge saß. Sie konnte die Angst in den Augen ihrer Freundin klar erkennen, aber auch den Mut, dieser Angst die Stirn zu bieten. Charisa selbst war ebenfalls durchflutet von Angst, aber noch viel mehr von Entschlossenheit. Niemand stellte sich ungestraft zwischen sie und ihren besten Freund. Und niemand würde ihr dabei im Weg stehen, ihn aus diesem schrecklichen Ort zu befreien. Sie strich sich nervös eine lange, dunkelblonde Strähne aus ihrem hübschen Gesicht und schluckte. Charisa wusste, dass dieses Verlies eines der Bestbewachten und Gefährlichsten der ganzen bekannten Galaxis sein musste. Vielleicht würden sie alle den morgigen Tag nicht mehr erleben. Das mutige Mädchen blickte wieder mit ihren grünen Augen zu dem bedrohlichen Schatten des Gefangenenlagers, der langsam und schleichend immer näher kam wie ein grauenhaftes Ungeheuer. Es schien ein hoffnungsloses Unterfangen zu sein; Charisa kannte nur einen einzigen Menschen, der ihre Chancen auf Erfolg drastisch hätte erhöhen können. Doch Barrex war nicht bei ihnen. Denn Jack musste ja unbedingt diesen verdammten Streit anfangen. Wie konnte dieser verdammte Gravianer in ihrer Situation nur so ein kompletter Vollidiot sein? Hätten die Beiden sich nicht miteinander angelegt, wäre der einstige Anführer einer Spezialeinheit noch bei Charisa und ihren Kameraden gewesen. Doch nun war Barrex fort. Nun war ihre Aussicht auf Erfolg noch weitaus schlechter, als zuvor. Doch wie waren die mutigen Freiheitskämpfer überhaupt bis hierher gekommen?

(Damals)

Es war nur einige Wochen her, da kannten die meisten unserer Leute sich noch nicht. Viele waren damals in einer einsamen Arbeitermine auf dem Wüstenplaneten Diyu gefangen, um dort das stabile Mineral Siliziumcarbid für die so fremden und mysteriösen Wesen abzubauen. Unsere Freiheitskämpfer hatten sich damals nur selten dort gesehen, geschweige denn miteinander gesprochen, bis auf eine kleine Gruppe, zu der auch Charisa gehörte. Die Arbeiten in der gruseligen, trockenen und dunklen Mine fanden im tiefsten Innern des Planeten statt, wo es kein Entkommen gab. Die Zeche weit unter der Oberfläche, in der sich die menschlichen Zwangsarbeiter befanden, bestand aus einer einzigen, steinernen Höhle, die einen hohen, bedrohlichen Schacht zur ersehnten Außenwelt umgab. Es gab nur einen einzigen Aufzug in jenem großen Aufwärtstunnel, eine riesige, runde Plattform aus einem silbernen Metall, die an stabilen, dicken Seilen von der Oberfläche aus herabhing. Nur über diesen Zugang konnte man in die unterirdische, künstliche Höhle gelangen, wo die knochenzermürbenden Arbeiten stattfanden. Der einzige Ausgang. Lediglich die Silizoiden waren dazu in der Lage, diese Plattform zu bedienen – die Menschen konnten schließlich die Schrift der Aliens nicht lesen, geschweige denn eine Tastatur der widerwärtigen Unterdrücker benutzen. Also konnte niemand entrinnen. Alle Sklaven – wir hassen das Wort, aber anders hätte man die Leute nicht bezeichnen können – trugen Fußfesseln und waren eng aneinander gekettet, sodass niemand seinen Standort verändern konnte. So sollten wohl Meutereien verhindert werden.

Und dann gab es da noch die gut ausgerüsteten Wachen der Silizoiden, die überall herum schwebten und die Arbeiten streng überwachten. Es gab also kein Entkommen. Für niemanden der Unseren. Es war das perfekte Gefängnis.

Die kalte, steinige Höhle selbst war ziemlich groß, aber nur spärlich beleuchtet. Die Arbeiter hatten diese Kaverne im Laufe des letzten Erdenjahres selbst in einem langen, anstrengenden Akt ausgraben müssen. Zwischen den vielen Säulen aus dem Höhlengestein, die die Leute hatten stehen lassen, damit dieser grässliche Ort nicht einstürzte, waren ab und zu einige lächerliche, dunkel schimmernde Stehlampen aufgestellt, die nur aus einem etwas rostigen, eisernen Dreibein und aus einer Leuchtdiode bestanden. Und an der Wand der großen, unheimlichen Felsgrotte standen in etwa 250 erholungsbedürftige, gebrochene Gefangene und gruben sich langsam, aber sicher mit monotonen Schwüngen ihrer Spitzhacken immer tiefer in das Gestein hinein, während andere Humanoiden das Geröll zum Schacht räumten, damit es dort abtransportiert werden konnte. Mit >>Humanoiden<< war jegliche, menschliche Lebensform gemeint: Die ursprünglichen Bewohner der Erde, bei denen die Männer >>Terrianer<< und die Frauen >>Terriani<< genannt wurden, sowie die Gravianer und die Nyoma, die evolutionären Nachfahren der einstigen Erdbewohner. Die Menschheit hatte vor mehr als 900 Jahren angefangen, den Weltraum zu besiedeln. Im Laufe der Jahrhunderte hatten sie sich mehr und mehr an die ungewohnten Bedingungen auf fremden Planeten angepasst, und so waren zwei neue, humanoide Spezies entstanden, die jede für sich ihre ganz eigenen Stärken und Schwächen aufwiesen: Die kräftigen Gravianer, erkennbar an ihrer Größe und ihren gelb-rötlichen Fasern in der Haut und die widerstandsfähigen Nyoma, deren Epidermis sich zu einer Lage aus mehreren hundert grünen, stabilen Schuppenplatten weiterentwickelt hatte. Zusammen mit den Terrianern und Terriani bildeten diese neueren Spezies die heutige Menschheit, oder eher das, was nach dem Krieg gegen die Silizoiden noch von der Menschheit übrig geblieben war.

Auch die kräftige, aber dennoch relativ schlanke Charisa und der muskelbepackte Barrex waren in dieser Mine gefangen und wurden zum Arbeiten gezwungen. Sie befanden sich Seite an Seite mit den anderen Menschen an der Höhlenwand und rammten lustlos die Spitzhacken in den harten Stein, wieder und wieder. Die Humanoiden an der Wand hatten durch die kalten Fußfesseln kaum Bewegungsfreiheit. Charisa und Barrex arbeiteten erst seit kurzem nebeneinander und kannten sich noch nicht, denn die Glanzhäute, wie viele von uns die Silizoiden verächtlich nannten, hatten vor einem Tag wieder einmal einige der Sklaven getötet, nachdem sie kraftlos zusammengebrochen waren und als „nicht mehr von Nutzen“ angesehen wurden – und dadurch verschob sich die Position einiger Gefangener, sodass nun andere Leute nebeneinander arbeiteten. Eine der mit Schusswaffen ausgestatteten Wachen schwebte die lange Menschenkette an der Wand zusammen mit ihrem Partner entlang. Wie alle Silizoiden sahen die beiden Wächter aus wie grausame Dämonen. Sie hatten einen Körper, der nach unten hin dünner wurde und am unteren Ende spitz zulief. Daran waren zwei Arme gewachsen, aber Beine hatten sie nicht. Ihre Köpfe waren wie bei den Menschen oben auf dem Körper angebracht und sie hatten jeder ein Paar Flügel, das am Rücken ansetzte. Das Exoskelett, das die Aliens umgab, bestand aus Silizium-Verbindungen, hauptsächlich Siliziumnitrid, daher auch das Schimmern der dunkelgrauen Glanzhäute. Auf ihrem Rücken waren verschiedene Muster aus abwechslungsreichen Linienanordnungen zu sehen. Diese Verzierung war bei jedem der Aliens einzigartig und hatte tatsächlich eine gewisse Ästhetik.

Aber das war wohl auch das Einzige an diesen Bastarden, was man als >>schön<< hätte bezeichnen können. An den blauen Linien und an der Tiefe der Farbe konnte man die mysteriösen Wesen am besten unterscheiden. Und wie alle Silizoiden schwebten auch diese zwei Wachen einfach so in der Luft und stießen sich mit ihren Flügeln nach vorne, entlang der vielen Arbeiter an der Wand. Warum die Aliens jedoch schwebten, wusste niemand so genau. Während dem Krieg wurde vermutet, dass die Invasoren irgendein leichtes Gas nutzten, wahrscheinlich reinen, elementaren Wasserstoff, um in der Luft zu bleiben, so ähnlich wie ein Heliumballon. Charisa schluckte, als sie die Wachen bemerkte. Die Arbeiter begannen auf einmal, noch schneller zu arbeiten. Sie wussten, dass sie vor den Wachen produktiv genug erscheinen mussten. Sonst hätte das ihren Tod bedeuten können. Für jeden Abschnitt der langen Menschenkette wurde ein Team von zwei Aufsehern eingeteilt, und diese beiden Wachen waren ganz besonders auf Ärger aus. Langsam schwebten die Silizoiden an den Menschen entlang, vorbei an Barrex und Charisa. Eine der zwei Glanzhäute blieb hinter dem Mädchen stehen und musterte sie kurz mit den drei hellblauen Pigmentfeldern in seinem Gesicht, die bei den Silizoiden als Augen fungierten. Aber die junge Terriani durfte sich davon nicht ablenken lassen. Sie musste weiterarbeiten. Der Schweiß lief ihr über die braungebrannte Stirn, doch nicht nur wegen der Anstrengung. Die Wache beäugte Charisa noch genauer. Dann drehte sich die Glanzhaut fies grinsend zu ihrem Artgenossen um und rief ihm etwas in der Sprache der Silizoiden zu. Dabei hatte der Alien immer die gleiche Stimmlage, nur ab und zu wechselte er den Ton und dann auch nur bei einzelnen Vokalen. Dann hatte er noch diesen fiesen metallischen Klang beim Reden - die Sprache klang unheimlich und chaotisch.

Sprache der MenschenJamân (Sprache der Silizoiden)
„Hey, guck dir die an! Der Mensch ist ja richtig gut!“„Ich seh schon... Mal gucken, ob wir den Menschen noch besser machen können!“, entgegnete sein Artgenosse gehässig.„Was hast du vor?“„Ein bisschen Lärm würde sie bestimmt noch schneller werden lassen...“ Die zweite Glanzhaut grinste, zog ihre Waffe und richtete sie zwischen Charisa und ihren anderen Nachbarn auf der rechten Seite.„Da bin ich mir sicher!“„Ij, Eso~wril or Bad! Had Jâmenchu~ Dil Chechênob Chwap!“„Ngsawil usi... Rso~wril, is Jâmenchu~ Rtiesil Maronal Chwad!“„Uso Lardil Maronal?“„Chrwob Jrajrom Wsurkîl Had Ujwrod iw Chrubwad Marknal...“„Chuchwab Nil Choimp!“

Der Alien zog den Abzug und es gab einen lauten Knall. Alle Arbeiter zuckten zusammen. War jemand erschossen worden? Zum Glück wurde niemand getroffen. Doch das wussten die verängstigten Arbeiter nicht, sie durften sich nicht umdrehen oder umsehen. Also fingen die Leute an, noch schneller zu arbeiten. Fast niemand wollte getötet werden, auch nicht unter diesen grauenhaften Bedingungen. Ebenso wenig Charisa. Ihr Puls klopfte bis zum Hals, sie konnte ihren eigenen Herzschlag regelrecht spüren. Ein weiterer Schuss fiel. >>Warum lassen sie uns nicht wenigstens in Ruhe arbeiten?<<, dachte sie sich, während sie sich schneller und schneller in den Stein hineinarbeitete. Der Schweiß tropfte der Terriani vom Kinn. Am liebsten hätte sie die Spitzhacke den Aliens in ihre verdammten Schädel gerammt, aber das hätte das junge Mädchen nicht überlebt. Es gab hier immerhin noch wenigstens zweihundert weitere, bewaffnete Glanzhäute, die sofort eingegriffen hätten. Und das waren nur diejenigen, die im Moment gerade in der Höhle waren, an der Oberfläche gab es noch mehr von diesen Monstern.

Schließlich meldete sich jedoch ein dritter Silizoid wütend, der Hauptaufseher, und stoppte die beiden sadistischen Wachen. Er wies sie in Jamân, der Sprache der Silizoiden, in offensichtlich strengem Tonfall zurecht, dass sie ihr Tun unterlassen sollten, sonst könnte die Höhle einstürzen und dann wäre die Produktivität dieser Mine nicht mehr gewährleistet. Das war es dann aber auch schon mit Argumenten. Ob Menschen starben oder nicht, war diesem Bastard völlig egal. Die beiden getadelten Wachen murmelten noch irgendetwas Unverständliches, dann stießen sie sich mit ihren Flügeln durch den trockenen Raum vorwärts und folgten weiter ihrer Patrouille. Dutzende weitere Teams, bestehend aus jeweils zwei Aliens flogen die Arbeiterreihe an der Höhlenwand entlang, um Alle zu überwachen und unter Kontrolle zu halten. Die anderen Wachen waren gleichmäßig in der Höhle verteilt und überwachten die Gravianer, die allesamt zusammen mit einigen wenigen Nyoma die Massen an Schutt wegräumen sollten, die durch das anstrengende Graben entstanden. Durch die große Kraft der Gravianer waren diese Humanoiden perfekt für so eine schwere Arbeit geschaffen. Und durch ihre große Kraft waren sie auch eine größere Gefahr für die Aliens. Doch die Glanzhäute schienen sich durch ihre große Zahl ziemlich sicher zu fühlen. Einige der Aliens redeten in ihrer eigenen Sprache über Belanglosigkeiten, manchmal auch über private Angelegenheiten. Die Silizoiden glaubten, die Menschen würden sie nicht verstehen. Schließlich war es den Humanoiden verboten, die Sprache der fremden Spezies zu sprechen. Während der Arbeit war es überhaupt verboten, zu sprechen. Aber wenn man zehn Jahre lang jeden Tag über Stunden hinweg eine Sprache hört, dann lernt man diese irgendwann. Die Menschen verstanden jedes Wort ganz genau.

Die Leute atmeten erleichtert auf, als die Wachen endlich weiterflogen. Aber sie hörten nicht auf, zu arbeiten. Niemand wollte noch mehr Ärger provozieren. Kaum waren die sadistischen Glanzhäute jedoch an den drei nächsten Arbeitern in der Menschenkette vorbeigeflogen, brach ein Nyoma, der etwas weiter rechts von Charisa stand, erschöpft zusammen und fiel auf den unebenen, harten Boden. Der nervenaufreibende Zwischenfall war wohl zu viel für sein ausgelaugtes Gemüt gewesen. „Hey, sofort Aufstehen!“, rief einer der beiden Silizoiden, dieses Mal in der Sprache der Menschen, zurechtweisend. Auch in unserer Sprache redete er in einer sehr monotonen Stimmlage. Es war schwierig, irgendeine Form von Emotion herauszuhören, aber nicht unmöglich. Man musste vor allem auf die Lautstärke und die Tonlage des Alien achten. Der überanstrengte Nyoma , der kurz vor der Bewusstlosigkeit stand, versuchte, sich wieder aufzurichten. Aber er konnte es nicht. Er brauchte dringend eine Pause. „Aufstehen, hab ich gesagt!“ Die gereizte Glanzhaut schob sich mit ihren Flügeln vorwärts zu dem Arbeiter, der immer noch am eiskalten Boden lag. „Entweder du stehst auf oder du bist tot. Sofort!“ Doch nun unterbrach Charisa ihre Arbeit und mischte sich ein. „Das würde ich nicht tun. Ihr braucht ihn noch. Der Mann braucht nur Wasser, dann kann er weitermachen.“, verteidigte sie den Nyoma mutig, an dessen Schuppenplatten der Schweiß hinablief. „Wer hat das gesagt?“, rief der Silizoid offenbar wütend durch die ganze Höhle, während er sich schlagartig umdrehte. „Ich.“, entgegnete Charisa, „Wenn ihr einen Arbeiter weniger habt, dann können wir auch weniger Ressourcen abbauen. Also lasst...“ Die Wache unterbrach Charisa in einem aggressiven Tonfall. Ihre Stimme überschlug sich dabei fast. „Geh sofort zurück an die Arbeit und halt dein verdammtes Maul!“ „Ich geh wieder an die Arbeit, wenn ihr dem Mann Wasser gegeben habt! Aber nicht vorher!“

Die Glanzhaut zog nun erneut ihre Waffe. „Geh sofort wieder an die Arbeit und sei still! Oder der nächste Schuss geht nicht daneben!“ Als die Wache jedoch ihre Drohung aussprach, unterbrach ein Gravianer, der eigentlich gerade eine schwere Metallkiste mit Geröll gefüllt hatte, ebenfalls seine Arbeit und stürmte genauso wütend auf Charisa und den Silizoiden zu. Dabei ließ er die Kiste einfach mit einem lauten Knall auf den Boden fallen und der Behälter kippte um. „Wenn du das machst, bist du tot, du dreckiger Bastard!“, rief er zornig. Seine Stimme hallte in der gesamten Höhle wieder. Charisa wurde auf einmal bleich im Gesicht. „Nein, Alectis! Vergiss es!“, rief sie erschrocken. „Okay, ich gehe wieder an die Arbeit und wir tun einfach so, als wäre nichts passiert! Dann sind alle glücklich! Und gib dem Mann bitte Wasser...“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und nahm ihre kräftezehrende Tätigkeit wieder auf. „Glück gehabt.“, murmelte Alectis, der wie jeder Gravianer sehr, sehr kräftig gebaut war. Er packte die herausgerollten Steine wieder zurück in die Kiste und ging weiter seiner Arbeit nach. Charisa wollte nicht, dass Alectis irgendetwas zustößt, schon gar nicht wegen ihr. Sie gab lieber klein bei und hoffte, dass die Wachen den Gravianer in Ruhe lassen würden. Sie stellte sich von Neuem mit dem Gesicht zur Wand und arbeitete weiter. Ihr Herz klopfte so laut wie nur selten. Aber das Nächste, was sie hörte, waren einige Sätze in der Sprache der Silizoiden. Die Wache sagte, dass jemand Wasser holen solle und dieses sollte der Nyoma, der nun erneut versuchte, wieder aufzustehen, bekommen. Charisa war erleichtert, dass sie Alectis in Ruhe ließen. Doch der Silizoid fügte in unterschwellig bösartigem Tonfall noch hinzu: „Is chichrsa Dseroc´hîl, Bad Arksail.“, was übersetzt soviel bedeutete, wie >>Wenn er nochmal umkippt, bringt ihn um<<. Das Wasser wurde gebracht, der Nyoma trank und machte sich schließlich wieder schnellstmöglich an die Arbeit. Die Wachen hatten kurz danach wohl einen Schichtwechsel, denn die fiesen Glanzhäute gingen und dafür kamen andere Silizoiden.

Diese Aliens schienen ihren Job nicht so ernst zu nehmen, wie die vorherigen Beiden. Sie unterhielten sich einfach, blickten ab und zu zu den Humanoiden herüber, aber solange die Menschen bei der Arbeit waren, waren sie diesen neuen Glanzhäuten ziemlich egal. „Das war echt mutig von dir. Das hätte nicht jeder getan.“, sagte Barrex, der links von Charisa stand, leise zu dem jungen Mädchen, ohne den Kopf zu ihr zu wenden oder seine Arbeit zu unterbrechen. Die Terriani drehte sich für eine Sekunde zu der Ablösung der Aliens um, drehte ihren Kopf dann sofort wieder zurück zur Wand. Die Wachen unterhielten sich ganz locker und entspannt und beachteten die Menschen gar nicht. „Sie hätten ihn getötet, wenn niemand etwas gemacht hätte. Wir sitzen alle im selben Boot, wir sollten uns gegenseitig beschützen, so gut wir können.“, entgegnete Charisa dem Nyoma mit leiser Stimme und in einem Ton, als wäre ihr Handeln selbstverständlich gewesen. Die Spitzhacken der Beiden krachten auf das beige Gestein, in dem kleine, rot schimmernde Kristalle zu sehen waren – kleine Rhodoniten. Aber immer noch kein Siliziumcarbid. „Da hast du verdammt Recht.“, stimmte Barrex seiner neuen Nachbarin zu. Sein Äußeres hatte die typischen Merkmale eines Nyoma: Er sah aus wie ein Mensch, dessen Haut mit harten, dunkel-grünlichen, kleineren Schuppenplatten ersetzt wurde. Nur Haare hatte Barrex nicht – wie es bei keinem Nyoma der Fall war, dafür längliche Erhebungen der Schuppen auf dem Kopf, längliche Kämme, die über den gesamten Schädel bis nach hinten zum Nacken liefen und dabei ein einzigartiges Muster erkennen ließen, wie eine Art individuelle Frisur. Sie liefen alle in einer Spitze auf seiner Stirn zusammen, wo bei Terrianern der Haaransatz wäre und schlängelten sich dann nach hinten, in Richtung seines Rückens. Zwei dieser Schlangenlinien vereinten sich in der oberen Mitte seines Kopfes zu einer einzigen, dickeren Linie. Außerdem hatten die Erhebungen auf seinem Haupt als einzige Strukturen des Nyoma-Körpers einen bläulichen Farbton. Er hatte zudem grobe Gesichtszüge und einen selbstbewussten Blick.

Man sah Barrex also auf den ersten Blick an, dass man sich lieber nicht mit ihm anlegen sollte. Aber er wirkte auch nicht unfreundlich, er machte eher einen professionellen Eindruck. „Wie heißt du?“, fragte er. „Charisa. Und du?“ „Mein Name ist Barrex. Ich komme von... Ich meine, ich habe vor langer Zeit auf Xibal gewohnt. Bis zum Angriff der Glanzhäute.“ Xibal war ein Planet, der vor sehr langer Zeit im Jahre 2015 vom Weltraumteleskop Kepler entdeckt worden war. Damals hatte er nur die furchtbare Bezeichnung Kepler-452b. Weil er 1400 Lichtjahre von der Erde entfernt lag, ist er erst im 25. Jahrhundert besiedelt worden, als die Überlichtgeschwindigkeitsantriebe der Menschheit schnell genug geworden waren, um in weniger als einem Viertel Jahr diesen Planeten von der Erde aus zu erreichen, denn solange konnten die lebenserhaltenden Systeme damals von den Raumschiffen in Betrieb gehalten werden. Im 21. Jahrhundert hielt man Xibal für einen erdähnlichen Planeten, was nicht ganz falsch war; aber er wies auch große Unterschiede auf. Es gab viele Säuremeere neben den Wassermeeren auf dem Planeten und dementsprechend fand man auch oft stinkende, säurehaltige Dämpfe in der Luft. Dadurch hatten sich die Nyoma entwickelt. Ihre harte Schuppenhaut hielt nicht nur einem großen Druck stand, sondern war vor allem sehr resistent gegen ätzende Stoffe und viele andere Chemikalien. Wenn sie atmeten, passierte die Luft einen Filter, der schädliche Stoffe herausfiltern konnte, bevor der lebenswichtige Sauerstoff in die Lungen der Nyoma gelangte und so waren sie auch gegen ätzende oder giftige Dämpfe weitestgehend resistent.

„Hast du die Kämpfe miterlebt?“, fragte Charisa weiter. „Nicht nur das. Ich hatte mitgekämpft. Ich war damals der Kopf einer Spezialeinheit der Polizei. Uns haben sie auch zum Kämpfen angefordert. Jeder kampffähige Mann und jede kampffähige Frau wurde herangezogen. Aber wir hatten keine Chance gegen die Angreifer. Es waren viel zu viele Feinde. Die Silizoiden waren der Menschheit damals 25 zu 1 überlegen.“, erklärte der Nyoma betroffen, aber hart. Er rammte seine Spitzhacke mit besonders viel Kraft und Wut in die Steinwand und ein größerer Brocken wurde herausgeschlagen. Viele Gefangene hatten ihr Schicksal als Arbeitssklaven bereits akzeptiert; Barrex offenbar nicht, wie sein Tonfall offenbarte. Charisa´s Blick wurde etwas trauriger. „Und... Deine Einheit? Was ist mit deinen Kollegen passiert?“ Barrex blieb kurz still, bevor er antwortete. „Ich weiß nicht bei Allen, was sie mit ihnen gemacht haben. Viele wurden getötet, aber Einige wurden auch gefangen genommen. Ich weiß nur, dass eine meiner Kameradinnen auch hierher gebracht wurde. Ihr Name ist Jenny. Sie müsste irgendwo weiter links neben uns sein.“ Charisa neigte den Kopf neugierig für eine Sekunde nach links zu den anderen Arbeitern, doch in der Dunkelheit der Höhle konnte sie außer den Silhouetten der anderen Menschen kaum etwas erkennen. Die Terriani drehte sich also schnell wieder zurück, während Schlag auf Schlag gegen die felsige Wand folgte. „Was ist mit dir? Wo kommst du her?“, fragte nun Barrex interessiert. „Ich komme von Cibola. Ich kann mich nur noch dunkel an meine Heimat erinnern. Es ist Alles so lange her... Ich war elf, als unsere Siedlung angegriffen wurde. Es war eine kleine Siedlung in einer Steppe, die auf einem Berg errichtet war. Wir hatten nicht viel, aber es ging uns gut. Ich hatte damals viele Freunde... Bis wir angegriffen wurden.“

Charisa schluckte. „Das ist das einzige Erlebnis, das ich noch genau erinnern kann... Dieser eine Tag... Es sind damals so viele Leute gestorben... Die Hälfte meiner Freunde, meine Mutter und mein großer Bruder wurden getötet, der Rest gefangen genommen, unsere Siedlung wurde zerstört...“ „Das tut mir Leid... Es muss schrecklich für ein elfjähriges Mädchen gewesen sein, so etwas mitansehen zu müssen. Wenn ich mich daran erinnere, wie es war, als wir die riesige Streitmacht auf uns zukommen sahen, wird mir heute noch mulmig. Aber für ein Kind...“ „Streitmacht...?“, lachte die Cibolani sarkastisch. Ihr Blick, ihre Stimme, ihre gesamte Körperhaltung verrieten ein tiefes Trauma. Ein schleichendes, hinterhältiges Gefühl der Angst machte sich in Charisa´s Bauchgegend breit. Sie begann, am ganzen Körper zu zittern. Allein die Erinnerung an dieses schreckliche Ereignis war die pure Hölle für sie. „Eine Streitmacht wäre wenigstens noch realistisch... Aber wir wurden von einem einzigen Feind besiegt...!“ „Was?“ Barrex hielt kurz inne, dann erinnerte er sich daran, das die Unterbrechung der Arbeit seinen Tod bedeuten konnte und er machte umgehend weiter. „Ein einziger Feind?“ „Ich würde es auch nicht glauben, wenn mir jemand so etwas erzählt... Wir hatten einige kampferprobte Männer und Frauen unter uns... Es war ein Kampf Zweihundert gegen Eins... Und der Eine hat gewonnen...! Ich erinnere mich noch genau daran, wie plötzlich Alles von diesem roten Schimmer durchflutet wurde, der einen regelrecht niederdrückte. Auf einmal konnte sich niemand mehr bewegen... Man konnte kaum noch atmen... Die Gebäude stürzten ein wie Kartenhäuser... Die Kämpfer Cibola´s wurden allesamt von diesem Monster getötet, nachdem er vor ihren Augen viele ihrer Angehörigen folterte oder tötete... Dann kamen erst die anderen Silizoiden, haben uns Fesseln angelegt und weggebracht...“ Barrex unterbrach Charisa. „Wir sollten nicht hier und jetzt darüber sprechen. Aber wenn du reden möchtest, kannst du nachher auf jeden Fall zu mir kommen.“

„Ij, îak Asrokil Muisrenal!“ – „Hey, hört sofort auf zu quatschen!“, rief der Hauptaufseher. Barrex und Charisa waren sofort ruhig, doch dann fiel ihnen auf, dass in der Sprache der Silizoiden gerufen wurde und sie nicht gemeint sein konnten. „Ruiekil Hac´h unka ios Mrûrisknal! Is C´hardil Muiwrenal, îsor. Onôr iuo Aoaroil Twrsap ´Gac´h Pruskirân!“ - „Wir bezahlen Sie hier nicht für´s Herumstehen! Wenn Sie sich unterhalten wollen, bitte. Aber dann machen sie verdammt noch mal auch ihren Job!“, wies der Hauptaufseher die Wachablösung zurecht, als er das Geplauder seiner Artgenossen bemerkte. „C´hil iârka uolo Jrêwsrar un H-rôswn?“ - „Sind heute nur Idioten im Dienst?“, murmelte er noch vor sich hin. Die neuen Wachen schien das nicht weiter zu stören, sie starteten einfach ihre Patrouille und fuhren ganz gelassen mit ihrer Unterhaltung fort. Ab und an ermahnten sie nebenbei einige der Arbeiter, aber dann flogen sie einfach weiter. Der Rest des Tages verlief nun vergleichsweise ruhig. Es gab keine wirklichen Zwischenfälle mehr. Aber es wurde auch kaum noch Siliziumcarbid gefunden. Nach insgesamt 16 langen Stunden war der kräftezehrende Arbeitstag schließlich vorbei. Der Hauptaufseher redete mit irgendeinem Silizoiden, der gerade durch den großen Schacht in der Mitte der Kaverne hinuntergeflogen war. Dann schließlich ließ er die menschlichen Arbeiter zusammensammeln und überbrachte die guten Neuigkeiten. „Das hier ist alles an Siliziumcarbid, was wir heute gefunden haben.“ Der Vorgesetzte aller Wachen zeigte auf einen kleinen, unscheinbaren Stoffbeutel, der so leicht gefüllt war, dass man ihn mit einer Hand hätte hochheben können. Keine gute Ausbeute für einen ganzen Tag Arbeit. „Das ist uns zu wenig. Wir werden morgen den Standort wechseln. Diese Mine erbringt nicht mehr genug. Das bedeutet, dass in zwei Tagen woanders gearbeitet wird. Morgen werdet ihr in die Türme geschafft. Ich will keinen Aufruhr haben. Die Umsiedlung ist nervenaufreibend genug. Wenn irgendjemand Probleme macht, wird er weggebracht!“

Ein erleichtertes Raunen ging durch die Menge. Das bedeutete, dass die Menschen am nächsten Tag nicht arbeiten mussten. Endlich einen Tag frei, nach fast einem Jahr. Der Hauptaufseher winkte einige andere Glanzhäute hinter ihm, die sich noch auf der silbernen Plattform des Aufzugs befanden, heran. Die Plattform blieb den ganzen Tag über am Boden; so wurde der Schacht an der Oberfläche für die Silizoiden nicht versperrt und sie konnten jederzeit in die Mine hinein und aus ihr hinausgelangen, denn im Gegensatz zu uns Menschen konnten diese Wesen äußerst gut fliegen. Der riesige Lift war nur für die Arbeiter gedacht, um sie unter Tage oder zurück an die Oberfläche zu befördern. Drei der herbeigerufenen Wachen trugen einen großen Stoffsack mit trockenem Brot heran, drei Andere ein großes Becken mit Wasser, einer eine Kiste mit Batterien für die Lampen, wie jeden Abend. Die Nahrungsmittel, das Wasser und die Energiezellen waren gerade erst von den Wachen hinunter transportiert worden. Die anstrengende Knochenarbeit hatte die Leute hungrig gemacht. Die Humanoiden blickten mit leuchtenden Augen auf den prall gefüllten Stoffsack; sie freuten sich auf das Essen, auch wenn es nur langweiliges Brot war. Während der Arbeitszeit gab es kein Essen und nur selten etwas zu trinken. Auch die Batterien wurden nicht gewechselt, von den Arbeitern wurde erwartet, dass sie das in ihrer Freizeit taten. Dafür gab es immerhin 10 Stunden Pause jeden Tag nach der Arbeit. Bei dieser Umsiedlung waren die Aliens ausnahmsweise mal so nett, die Batterien für die Humanoiden auch am letzten Abend vor einem Standortwechsel hinunter in die Mine zu bringen, damit sie genug Licht hatten. Die letzten Male hatten sie das nämlich nicht gemacht. „Heute Nacht sammelt ihr alle Lampen ein, die ihr nicht benutzt, damit wir sie morgen mitnehmen können. Ich erwarte euch morgen hier am Schacht mit allen Leuchtdioden und ich empfehle euch, keine Verspätung zu riskieren.“, ermahnte der Vorsteher der außerirdischen Wachen die Menschen. Die Silizoiden legten den Terrianern und den Nyoma die klobigen, elektrischen Halsbänder an, die die Gravianer und die wenigen Nyoma, die ebenfalls den Schutt der Arbeiten entsorgen sollten, schon die ganze Zeit anstelle der Fesseln trugen. Während der Arbeiten in der Mine stellten die schweren Halsbänder ein Hindernis für die Arbeiter an der Wand dar, das erkannten sogar die Silizoiden. Doch am Ende eines Tages wurden den Gefangenen die Halskrausen wieder angelegt, um Meutereien vorzubeugen. Schließlich nahmen die Glanzhäute den Terrianern und Nyoma endlich die Fußschellen ab, schwebten zu der Plattform und fuhren nach oben. Der kalte, metallene Aufzug wurde von mehreren, dicken Siliziumcarbid-Seilen in die Höhe gezogen und nun waren die Arbeiter sich selbst überlassen.

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