Читать книгу Für immer im Traum - V. Tolentino - Страница 6
Kapitel 2
ОглавлениеIch erschuf eine schöne Blumenwiese. Immerhin wurde meine liebe Tochter 13 Jahre alt! Da musste dieser Traum was besonderes werden. Ja, es ist wahr, ich kann in Träume schlüpfen. Das gehörte zu meinem neuem Leben nach dem Tod.
Viele glauben es nicht, wenn sie mich sehen. Sie halten mich für ein Gespenst oder dergleichen. Nun, es ist so... sobald man stirbt, fängt man ein neues Leben an. Doch ist es nicht so, wie man es sich vorstellt. Man sitzt nicht auf Wolken herum und spielt Harfe. Wobei ich schon sagen muss, dass dieses Leben um einiges angenehmer ist.
Es gibt einen Ort, den man wirklich als Himmel bezeichnen kann. Dort war alles so strahlend hell und wir können essen und trinken was wir wollen. Wir können haben was wir wollten, durch bloße Vorstellungskraft. Wir können jeden Teil der Erde sehen, indem wir uns einfach dorthin wünschen.
Man kann sagen, dass im neuen Leben wirklich alle Träume und Wünsche wahr werden. Aber unsere eigene Persönlichkeit bleibt uns erhalten. Ich habe immer noch die gleiche Statur und die braunen Haare, wie in meinem vorherigen Leben. Meine Augen waren immer noch grün. Der Unterschied war nur, dass ich mich irgendwie erfüllter und glücklicher fühlte. Und unser Auftreten war strahlend hell. Nun war es aber so, dass wenn die Lebenden wach waren uns nicht sehen konnten. Sie konnten höchstens unsere Anwesenheit spüren, wenn sie sehr viel Feingefühl hatten. Aber dann war es so, als hätten sie gerade mal einen Windhauch gespürt. Die einzige Möglichkeit, um mit ihnen zu kommunizieren, war in ihre Träume zu schlüpfen.
So kam es, dass ich, wenn ich Zeit hatte in die Träume meines Mannes und meiner Tochter schlüpfte, um mit ihnen zu reden. Doch hatte ich nicht sehr viel Zeit, weil ich auch in diesem Leben meine Aufgaben hatte. Ich war sozusagen ein Schutzengel geworden und rettete kleine Babys vor dem Ertrinken oder (und das ging mir sehr nahe) Erwachsene vor tödlichen Unfällen. Leider kann ich nicht jeden retten, so viel wie auf der Welt passiert, war das kaum möglich.
Nach meinem Tod musste ich erfahren, dass mein Schutzengel zu spät kam, um mich zu retten. Naja...das war eben Schicksaal... an sich ist das Sterben an sich nicht so schlimm, wie viele denken. Das einzige schmerzhafte (und vergessen wir mal die Schmerzen, die der Körper durchmachen muss) ist, dass man einiges hinter sich lassen muss.
Ich trauere noch heute, dass ich meinen Mann und meine Tochter verlassen musste.
Nie wieder werde ich mit Felix ausgehen können. Nie wieder kann ich meine Tochter in den Arm nehmen. Abgesehen davon war ich nicht dabei, als Alison älter wurde. Jeden wunderbaren Entwicklungsschritt habe ich verpasst. Viel zu früh vom eigenen Kind getrennt zu werden ist das schlimmste, was einer Mutter passieren konnte. Deswegen war es schön, dass ich jetzt die Fähigkeit habe in Träume zu schlüpfen. Als meine kleine, nein besser gesagt große Alison 13 Jahre alt wurde, schlüpfte ich in ihren Traum. Ich lies eine Blumenwiese entstehen. Überall waren Blumen in allen nur erdenklichen Farben. Es war ein schönes Werk, was ich in ihrer Traumwelt erschaffen hatte. Das fand auch Alison, das sah ich ihr an. Ihre blauen Augen strahlten begeistert und ihre Wangen waren gerötet, als sie lächelte.
„Das ist wunderschön.“, sagte sie und kam auf mich zu. Es dauerte nicht lange, bis ich sie in meine Arme nahm. „Alles gute zum Geburtstag.“, flüsterte ich ihr liebevoll zu. „Ich wusste, dass du kommst.“, sagte sie, als wir uns lösten.
Dann setzten wir uns auf die Blumenwiese und redeten über alles mögliche. Das taten wir immer, wenn ich sie besuchen kam. Alison war offenbar ganz aufgeregt wegen ihres Geburtstags. Sie erzählte, dass Felix eine Grillparty auf der Rheinaue geplant hatte.
„Papa hat gesagt, er möchte mir eine Puppe schenken.“, berichtete Alison und schob die Unterlippe vor. Ihr gefiel der Gedanke offensichtlich nicht. Ich schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. Zufällig wusste ich, dass Felix ihr keine Puppe schenken wird. Ich habe ihn nämlich beobachtet. Ich habe gesehen, welche Mühen er auf sich genommen hatte, um ein schönes Geschenk zu finden. Und Felix hat es mir dann verraten, in seinem Traum. „Mach dir keine Sorgen, mein Schatz. Du bekommst keine Puppe geschenkt.“, sagte ich ihr und wuschelte durch ihr braunes Haar. Alison sah mich mit großen Augen an. „Du weißt also was ich bekomme?“, fragte sie neugierig. Ich nickte. „Verrate es mir!“, forderte Alison auf. Doch mehr als ein geheimnisvolles Lächeln bekam sie nicht von mir. „Es wird Zeit, dass du aufwachst. Happy Birthday, mein Schatz.“, hauchte ich leise und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Kurz darauf schlüpfte ich elegant und lautlos aus ihrem Traum, damit meine liebe Tochter aufwachen konnte.