Читать книгу Heißer Heiligabend - Valerie Parker - Страница 6

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Endlich zu Hause angekommen, wirft sie ihren durchnässten Mantel auf einen Bügel und streift sich die Stiefel von den Füßen. Gerade hatte sie den Supermarkt verlassen, da fing es heftig zu schneien an. Ohne im Besitz eines Autos zu sein, ist sie auf Bus und Bahn angewiesen, die natürlich heute um diese Zeit nicht mehr normal, sondern nach einem Sonderfahrplan fahren. Auf den nächsten Bus musste sie zwanzig Minuten warten. Ganz toll. Jetzt verflucht sie zum ersten Mal, dass sie sich fernab der Stadt ein Haus gemietet hat. Oder eher ein Häuschen, denn es ist sehr klein. Unten gibt es nur eine winzige Küche und ein Wohnzimmer. Durch den Flur gelangt man über eine Mini-Wendeltreppe nach oben, wo es nur ein Bad mit Wanne und ein Schlafzimmer gibt.

Ausschlaggebend, das Haus zu mieten, waren der niedrige Preis und der offene Kamin im Wohnzimmer. Sie liebt das offene Feuer und die Wärme. Es erinnert sie an ihre verlorene Familie. In ihrem Haus gab es auch einen Kamin, und sie haben wunderschöne Abende dort verbracht. Haben viel geredet oder mal einen Gesellschaftsspielabend veranstaltet. Vor den alten Kamin hätte sie sich nicht setzen können, aber dieser ist ihr eigener, da kann sie die Erinnerungen besser aushalten und hat nicht das Bild vor Augen, mit ihrer Familie dort zu sitzen, sondern fühlt sich ihr nur sehr nahe.

Auf diesen geht sie jetzt zu, muss ihr kleines Wohnzimmer durchqueren, was sie mit einem gemütlichen Sofa, einem kleinen Tisch und einem flauschigen Teppich ausgestattet hat. An der Wand vor dem Sofa steht eine Wohnwand mit einem Fernseher. Daneben befinden sich Regale mit Unmengen von Büchern. Sie liebt es, zu lesen und in die Fantasiewelt einzutauchen, in dem letzten halben Jahr noch mehr als sonst. Deko hat sie keine herumstehen, weil sie dafür kein Händchen hat. Blumen gehen bei ihr immer ein, weil ihr der berühmte grüne Daumen fehlt. Ganz darauf zu verzichten ist die bessere Alternative. Eine Wand hängt aber voll mit Fotos ihrer Familie. Über dem Kamin hängt ein großes Bild, auf dem sie mit ihren Eltern und Schwestern abgebildet ist. Es wurde erst kurz vor dem Unfall aufgenommen, und sie ist froh, es zu haben.

Eine Weile schaut sie die strahlenden Gesichter an. Es dauert nicht lange, und Tränen treten in ihre Augen. Der Schmerz ist noch so groß, sie vermisst sie so sehr. Noch ist ihr nicht klar, wie sie die nächsten Tage überstehen soll.

Gequält seufzt sie auf und feuert den Kamin an. Die aufkommende Wärme trocknet ihre Tränen, und am liebsten würde sie sich in den Ohrensessel mummeln, den sie vor den Kamin gestellt hat. Aber vor Selbstmitleid und Traurigkeit möchte sie auch nicht vergehen, das würden ihre Eltern und Geschwister nicht wollen.

Mit hängenden Schultern geht sie nach oben ins Badezimmer und lässt warmes Wasser einlaufen. Es ist sehr beengend, am Eingang neben der Wanne ist die Toilette, und für mehr als einen Spiegelschrank über dem Waschbecken ist kein Platz.

Großzügig schüttet Lucie Badeschaum ins Wasser und würde jetzt schon gern in die verlockende Wärme schlüpfen. Vorher muss sie aber noch einmal hinunter in ihre gemütliche Bauernküche, die sie nach ihrem Ermessen renovieren durfte. Viel Platz gibt es nicht, das Mobiliar besteht nur aus einer kleinen Zeile. Für sie ist es völlig ausreichend. Dass es keinen Platz für einen Tisch gibt, stört sie nicht, sie isst halt im Wohnzimmer.

Lucie holt ihr Fertiggericht aus dem Kühlschrank und stellt es in den Backofen. Das Essen benötigt eine Stunde, Zeit genug, um ausgiebig zu baden.

Nachdem sie den Ofen auf die richtige Temperatur eingestellt hat, geht sie wieder nach oben in ihr Schlafzimmer, in dem nur ein einfaches Futonbett mit Nachtschrank und ein großer Kleiderschrank stehen. Hinzu kommt ein wirklich stilvoller antiker Schminktisch, den sie vom Vormieter übernommen hat. Schnell zieht sie Jeans und Pulli aus und wirft sie auf das Bett. Die Baumwollunterwäsche folgt, genau wie ihre Kniestrümpfe.

Als sie zurück ins Bad geht, riecht es angenehm nach Lavendel, und der Schaum ragt schon fast aus der Wanne heraus. Ohne es noch länger aushalten zu können, steigt sie hinein und schließt genüsslich die Augen. Herrlich, wie das warme Wasser sie umschmeichelt. Laut stöhnend lässt sich Lucie nach hinten fallen, und sofort entspannen sich ihre Muskeln. Genau das hat sie jetzt gebraucht.

Eine Weile hängt sie ihren Gedanken nach, bis auf einmal grüne Augen darin erscheinen und sich ihre Lippen automatisch zu einem Lächeln verziehen. Mit einem Seufzer kuschelt sie sich tiefer in das warme Wasser und fragt sich, warum sie gerade an diesen Mann denken muss. Eigentlich ist es kein Wunder, so gut, wie er aussah. Lucie versucht, sich vorzustellen, was sich wohl unter dem Mantel verborgen hat, was er wohl trug. Bestimmt etwas, was seinen muskulösen Körper genau betont. Ein enges Hemd oder ein Longsleeve, oder ein eng anliegender Wollpulli. Wenn sie sich dazu noch seine stramm sitzende Jeans vorstellt, die seinen Knackpo, denn bestimmt hat er einen, gut zur Geltung bringt, läuft ihr ein Schauer den Rücken hinunter. Solche Gedanken, die sich so gut anfühlen, hatte sie schon lange nicht mehr. Demnach lässt sie es sich nicht nehmen, diesen noch ein wenig nachzuhängen.

Wie es sich wohl anfühlen würde, wenn er sie mit diesem Bart küsst? Kratzig oder weich? Würde es sie stören, wenn er damit an ihrem Hals entlangfährt und weiter hinab zu ihren Brüsten? Würden diese Haare über ihre Brustwarzen schaben?

Erschrocken reißt Lucie die Augen auf, als sie spürt, wie sich diese aufrichten. Zugleich fühlt sie es verlangend zwischen den Beinen pochen, wie es ihr schon im Supermarkt passiert ist. Stöhnend gleitet sie mit dem Kopf unter Wasser. So weit sollten ihre Gedanken nicht gehen, dass sie so ein starkes Verlangen empfindet. Gerade heute möchte sie sich eigentlich nur ihrem Fertiggericht hingeben und ganz viel Wein trinken.

Zügig wäscht sie ihre Haare, zieht den Stöpsel und steigt aus der Wanne. Vom Haken hinter der Tür nimmt sie ein Handtuch und wickelt ihre Haare darin ein. Mit dem daneben hängenden Badetuch umschlingt sie ihren Körper. Dann betrachtet sie im Spiegel ihr Gesicht. Ihre Wangen sind gerötet, und ihre blauen Augen blicken traurig, was sie verwundert nach den schmutzigen Gedanken, die sie gerade hatte. Aber der Verlust ihrer Familie überwiegt wohl.

Mit schwerem Herzen trocknet sie sich ab, wirft das Handtuch auf die Toilette und schnappt sich die Bodylotion, die auf dem Spülkasten steht. Fahrig cremt sie sich ein, denn ihr wird immer bewusster, was für ein beschissener Tag heute ist. Das Essen im Ofen riecht mittlerweile auch immer deutlicher, und sie ärgert sich, überhaupt so ein Gericht gewählt zu haben, denn mit ihrer Familie hat sie es auch immer gegessen. Nur frisch gekocht.

Über sich selbst wütend entwirrt sie ihre Haare von dem Handtuch, kämmt sie und cremt ihr Gesicht ein. Danach stapft sie ins Schlafzimmer, um sich in ihren kuscheligen Pyjama zu werfen. Diesen hatten ihre Eltern ihr letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt, und es ist Lucie wichtig, ihn heute Abend zu tragen, auch, wenn es sie noch trauriger macht.

Bevor ihr das Essen noch anbrennt, geht sie in die Küche und holt das Gericht aus dem Ofen. Zügig stellt sie es auf die Arbeitsplatte, da die Hitze der Aluschale durch das Trockentuch dringt, was sie sich zum Rausholen geschnappt hat. Angewidert betrachtet sie das brutzelnde Essen. Es ist kein Vergleich zu dem, was ihre Mutter immer gekocht hat. Trotzdem schaufelt sie es auf einen Teller und legt Besteck darauf. Aus dem Vorratsschrank holt sie eine Flasche Wein, entkorkt sie und schüttet ihn großzügig in das bereitgestellte Glas. Unschlüssig betrachtet sie ihre Gaben, zuckt mit den Schultern und trinkt das Glas in einem Zug leer, um es direkt wieder aufzufüllen.

Es dauert nicht lange, bis der Alkohol in ihren Kopf steigt, weil sie den ganzen Tag noch nichts gegessen hat und sie sonst wenig bis gar keinen Alkohol trinkt.

Schon etwas leichter auf der Seele nimmt sie sich den Teller und das Glas und stellt es auf den Wohnzimmertisch. Noch einmal geht sie in die Küche, um sich die Weinflasche zu holen. Erst dann setzt sie sich auf das Sofa, nimmt die Fernbedienung und schaltet den Fernseher an. Genau zum richtigen Zeitpunkt, denn „Schöne Bescherung“ fängt gerade an. Jetzt schleicht sich doch ein Lächeln auf ihr Gesicht. Diesen Film schaute sie immer mit ihrer Familie zusammen. Sie lachten sich dabei kaputt, bis Tränen geflossen sind. Das möchte Lucie wieder erleben, diese Freude, auch wenn sie den Film allein ansehen muss.

Sie trinkt einen großen Schluck Wein und schaut gebannt zum Fernseher. Das Essen ist vergessen. Lucie lacht bei den lustigen Stellen, hat sich mittlerweile zurückgelehnt und nippt immer wieder an dem Glas, bis es leer ist. Sobald sie es bemerkt, füllt sie es wieder auf.

Schon nach der ersten Hälfte des Films ist die Flasche ausgetrunken, und Lucie torkelt in die Küche, um sich eine neue zu holen. Mit großer Anstrengung versucht sie, diese zu entkorken. Nach einigem Gefluche und Gefummel hat sie es endlich geschafft. Leichtfüßig geht sie ins Wohnzimmer zurück und plumpst auf das Sofa. Ein Auge kneift sie zu, damit sie besser sehen kann, ob der Wein auch wirklich im Glas landet. Die Zunge zwischen den Zähnen, beginnt sie zu schütten, freut sich über sich selbst, als der Wein da landet, wo er hinsoll.

Zufrieden lehnt sie sich mit dem Glas in der Hand zurück, muss sich aber direkt wieder aufsetzen, weil sich das ganze Wohnzimmer dreht. Es ist ihr total egal, und schulterzuckend blickt sie wieder zum Fernseher. Sie muss sich anstrengen, das Bild festzuhalten, denn sie sieht alles doppelt. Nippend am Wein beugt sich Lucie vor in der Hoffnung, besser sehen zu können. Aber auch das klappt nicht. Wieder zucken ihre Schultern nach oben, denn es ist ihr echt egal. Dann entdeckt sie das kalte Essen. Vielleicht sollte sie was essen, dann funktioniert es mit dem Ansehen des Films auch wieder besser, wenn der Wein in ihrem Magen aufgesaugt wird.

Mit der Gabel pikt sie einen Kloß auf und schiebt ihn sich in den Mund, um ihn angewidert wieder auf den Teller zu spucken. Bäh, eklig! Der Wein gefällt ihr eindeutig besser, und sie nimmt wieder einen Schluck. Aber dieser geht auch nicht mehr runter. Deswegen stellt sie ihn auf dem Tisch ab. Genauso wie ihre Füße. Dann überkreuzt sie die Arme und legt sie auf den Knien ab, um ihren Kopf darauf zu betten.

Da sie den Bildschirm nicht richtig erkennen kann und hin und her schwankt, schließt sie die Augen, denn auf einmal ist sie unheimlich müde. Auch wenn es sich dreht, driftet sie schnell in den Schlaf. Das Knistern des Kaminfeuers im Hintergrund tut sein Übriges. Lucie merkt nur noch aus weiter Ferne, wie sie zur Seite kippt.

Heißer Heiligabend

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