Читать книгу Closing Words - Valuta Tomas - Страница 6
Stage 3
ОглавлениеNeve atmete noch einmal tief durch, bevor sie die Tür zum Vernehmungsraum öffnete. Als sie diese aber schwungvoll aufriss, bekam ihre starke Fassade kleine Risse.
Ihre Augen schweiften zu Matt, der aufrecht und irgendwie erwartungsvoll am Tisch saß. Die Hände noch immer in Handschellen.
Er blickte hoch. Sein Blick traf Neve hart und unvorbereitet.
Anstatt sich die Beweise unter den Nagel zu reißen, suchte sie lieber den Kontakt zu ihrem Boss. Sie wollte ihn jetzt nicht alleine lassen. Sie wollte die bevorstehende Vernehmung selbst übernehmen. Etwas was ihr Trevor dankbar überlies.
Matt schaute seinen treuen Hund an. Kalt, beherrscht und irgendwie ausdruckslos. Neve konnte an seinen Gesichtszügen nicht erkennen, ob er sauer auf sie war. Im Augenblick konnte sie sich auch nicht darauf konzentrieren. Sie musste ihren Job machen und Matts Arsch hier ungeschoren rausholen.
Schmetternd warf sie eine Akte auf den Tisch, zog sich den Stuhl heran und setzte sich.
Mittlerweile war es kurz vor neun. Recht früh am Abend. Somit hatte sie genug Zeit um Matt zu vernehmen und ihn danach wieder zu seiner Familie zu lassen. Das hoffte sie jedenfalls.
»Sie wissen weshalb sie hier sind?«, begann sie scharf und kühl das Gespräch. Matt schaute sie an. Seine Augen funkelten belustigt. Allerdings verrieten seine Gesichtszüge nicht eines seiner Gefühle, die im Augenblick in ihm tobten.
»Ich gehe mal davon aus, dass ich nicht verhaftet worden bin, weil ich für das heutige Abendessen leider kein Bio-Hühnchen gekauft habe, oder?« Neve wusste nicht, ob sie lachen sollte oder nicht. Matt machte sich lustig über diese Situation. Irgendwie war ihr das allerdings auch willkommen. Sie wusste ja selbst noch nicht genau wie sie damit umgehen sollte.
Anstatt zu antworten, öffnete Neve die mitgebrachte Akte. Ohne Worte legte sie Matt mehrere Fotos auf den Tisch. Fotos die Nortons toten und misshandelten Körper zeigten.
Neve beobachtete ihren Boss ganz genau, während er sich die Fotos in aller Ruhe ansah.
»Wer«, er schaute noch einmal genau auf die Fotos »oder was war das?« Die FBI Agentin konnte einen Funken Sarkasmus in seiner Stimme vernehmen. Wenn sie gekonnt hätte, hätte sie laut losgeprustet. Matt konnte so herrlich aalglatt sein, ohne dabei lustig zu wirken. Das liebte sie schon immer an ihm. Egal wie stark ihr Blut mit der Polizei verbunden war, sie konnte nicht leugnen, dass sie Matt als Menschen und als Boss liebte. Er war ihr so vertraut, wie ein Seelenverwandter.
»Zwischen den Five Dogs und den Dead Rabbits herrscht schon seit Jahren eine heftige Fehde.« Auch wenn es keine Frage war, nickte Matt. Er brauchte sich keine Sorgen zu machen, dass er damit seine Identität verriet. Ganz San Francisco wusste wer er war.
»Wir haben noch keine eindeutigen Beweise, aber wir gehen davon aus, dass dieser Mann,« Neve schob eines der Fotos näher zu Matt hinüber. Sie zwang ihn somit, seine Arbeit noch einmal genauer zu betrachten. Sicherlich tat er das von Herzen gerne.
»der Boss der Dead Rabbits war. Ihr Rivale.« Matt stieß einen kurzen Pfiff der Begeisterung aus.
»Wie schön. Da hat mir jemand das Leben ja ungemein leichter gemacht.« Sein Mundwinkel zuckte kurz. Er unterdrückte sein Lächeln. Selbst hier war er so unberechenbar kontrolliert, dass es einem schon fast Angst machen konnte.
»Wo waren sie vergangene Woche von Dienstag bis Samstag?« Neve wollte die Vernehmung nicht unnötig in die Länge ziehen, sondern Matt lieber wieder zu seiner Familie lassen. Also fiel sie gleich mit der Tür ins Haus.
Matt schaute sie ausdruckslos an. Er blickte zu den Fotos zurück und dann wieder zu Neve. Jetzt grinste er tatsächlich.
»Sie glauben, dass ich das war?« Er deutete auf die Fotos. Bevor Neve antworten konnte, sprach er weiter.
»Glauben sie mir, auch wenn mich dieser Verlust nicht im geringsten berührt, sondern eher amüsiert, bin ich das nicht gewesen. Ich war die ganze vergangene Woche in New York. Von Montag bis Sonntagabend. Sie können es ja gerne überprüfen.«
New York? Wieso zur Hölle hast du dir New York als Alibi ausgedacht? Neve war überrascht.
»Und was haben sie in New York gemacht?« Matt lehnte sich entspannt in den Stuhl zurück. Er schaute Neve mit so einem deutlichen Blick an, dass ihr sofort bewusst wurde, die folgenden Worte würden an sie als Hündin gerichtet sein.
»Hier in Frisco führe ich eine Autowerkstatt. Wir werden expandieren und auch in New York eine Filiale eröffnen. Ich habe dort einen geeigneten Platz gesucht. Die Woche über habe ich in dem Hotel The James gewohnt, was sie natürlich auch gerne überprüfen können. Das,« Matt zeigte wieder auf die Fotos »kann also unmöglich ich gewesen sein.« Auch wenn er sicherlich gerne ein überhebliches Grinsen auf die Lippen gesetzt hätte, beherrschte er sich. Ausdruckslos schaute er seinen treuen Hund an.
»Ihnen ist klar, dass wir ihre Aussage überprüfen werden?« Matt nickte nur auf Neves Frage, deren Ausgang eh das preisgeben würde was er ihr eben erzählte.
»Natürlich. Ich habe nichts zu verbergen.« Plötzlich lehnte sich Matt etwas vor. Er schaute Neve direkt in die Augen. Mit ernster Miene riss er ihre volle Aufmerksamkeit an sich.
»Auch wenn euch FBI Fuzzis das nicht schmecken mag, bin ich ein ehrlicher Mensch geworden. Sowas«, er nickte wieder zu den Fotos zurück »mache ich nicht mehr. Diese Zeiten sind vorbei.«
Unfassbar wie köstlich du lügen kannst, grinste Neve in sich hinein.
Ohne auf diese Aussage einzugehen, kramte sie wortlos die Fotos zusammen, verstaute sie in der Akte, erhob sich vom Stuhl und verließ den Vernehmungsraum.
Kaum schloss sich hinter ihr die Tür, musste sie erstmal tief durchatmen. Die erste Hürde war geschafft.
***
Fast zwei Stunden später betrat sie den Vernehmungsraum erneut. Sie ging direkt auf Matt zu und schloss ihm die Handschellen auf.
»Wir haben ihr Alibi überprüft. Sie können gehen. Bleiben sie aber bitte für etwaige Fragen für uns erreichbar.« Neve kämpfte mit sich, Matt nicht in die Arme zu fallen. Sie wusste nicht wie ihr Boss das anstellte, aber sein Alibi war tatsächlich Wasserdicht. Die erste Recherche bestätigte, dass er vergangenen Montag nach New York flog und Sonntag wieder zurück. Auch das genannte Hotel bestätigte eine einwöchige Buchung unter diesem Namen.
»Aber natürlich, ich helfe doch gerne.« Matt konnte es sich nicht nehmen lassen, Neve diesen Spruch entgegen zu schmettern. Er triefte so vor Sarkasmus, dass Neve ihn flüchtig anschaute. Ihre Blicke trafen sich nur kurz, aber sie konnte in den Augen ihres Bosses Verständnis erkennen. Er wird ihr diese Nummer also nicht krumm nehmen.
Bevor er den Vernehmungsraum verließ, blickte er zu ihr zurück.
»Schönen Abend noch. Ich werde dann mal zu meiner Familie zurückkehren und meinen Kindern erklären, weshalb das versprochene zelten im Garten ausfällt.« Unbemerkt biss sich Neve auf die Lippen. Deshalb befand sich dieses verdammte Zelt im Garten, was nun in der Forensik liegt und nach Spuren untersucht wird. Sie konnte es ja aber auch nicht wissen. Woher denn? Neve wusste nichts davon, dass Precious und Damon an diesem Abend zelten wollten. Wahrscheinlich machten Matt und Sam das den Tag über aus. Sie bekommt ja kaum noch etwas vom Familienleben mit.
***
Auch wenn sie eigentlich viel lieber zu Sam nach Hause gefahren wäre, um diesen Abend zu erklären, befand sie sich kurz vor Mitternacht in der Gasse, die zu Sams alter Garage führte. Sie alle haben dort noch immer ihre getunten Fahrzeuge stehen, mit denen sie Rennen fahren.
Aus welchen Gründen auch immer, fühlte sich Neve dort schon immer wohl. In den zehn Jahren in denen Sam im Gefängnis saß, verbrachte sie dort oft Stunden.
Als sie sich damals ihren Gefühlen Sam gegenüber sicher war und die Zeit ohne ihre Frau an ihrer Seite verstrich, zog sie sich oftmals hierhin zurück, um nachzudenken. Um einen klaren Kopf zu kriegen und sich die nächsten Schritte zu überlegen. Es war für sie ein kleiner Zufluchtsort, wo sie wieder Kraft und Zuversicht tanken konnte.
Neve war erstaunt aber auch skeptisch, dass das Tor zur Garage offenstand. Es war eigentlich nie offen. Sam und die anderen achteten immer darauf, dass es verschlossen war.
Konzentriert und mit einer Hand an der Waffe, ging sie langsam auf das Tor zu. Vorsichtig spähte sie in die Garage. Licht drang hinaus.
Ihr entwich ein lautes Keuchen, als sie Matt in der Garage stehen sah. Erleichterung keimte in ihr auf. Sämtliche Anspannung fiel mit einem Schlag von ihr ab.
Sie trat aus ihrer Stellung hervor und blickte zu Matt. Er lehnte gegen die Motorhaube seines Wagens. Die Scheinwerfer waren eingeschaltet. Dieses Licht erzielte bei Neve eine beruhigende Wirkung.
Matt blickte hoch und erfasste sie. Anstatt ein Wort zu sagen, hob er beide Hände. In der einen hielt er zwei Flaschen Bier, in der anderen eine Packung Zigaretten.
Neve wusste nicht wie sie darauf reagieren sollte. Wie erstarrt stand sie im Tor der Garage und schaute ihren Boss mit großen Augen an. Dann brach alles in ihr zusammen.
Mit schnellen Schritten eilte sie zu Matt, warf sich in seine empfangenden Arme und begann zu weinen. Die vergangenen Stunden raubten ihr so viel Kraft, dass sie ihre starke Fassade einfach nicht mehr aufrechterhalten konnte. Sie weinte wie ein kleines Kind in Matts Armen, die ihn fest umschlossen. Mit aller Kraft die er besaß, hielt er sie fest und drückte sie an sich.
Minuten verstrichen, in denen Neve weinte und Matt sie einfach festhielt.
»Bist du dir sicher, dass du das schaffst?«, flüsterte er fürsorglich. Neve wusste natürlich, dass er sie auf ihren gewagten Spagat ansprach. Sie wusste aber auch, dass sie das packen würde. Egal wie dieser Anblick im Moment wirken mochte.
»Ja Matt, ich schaffe das. Wir sind doch erst am Anfang. Das war unsere Bewährungsprobe und ich glaube, dass wir diese, trotz meiner jetzigen Heulattacke, gut gemeistert haben«, schniefte Neve. Matt lachte kurz. Zärtlich hauchte er ihr einen Kuss auf den Kopf und entließ sie seinen Armen. Liebevoll nahm er ihr Gesicht in seine Hände und betrachtete sie eingehend. Dann drehte er sich um, nahm das Bier und die Zigaretten, die er dort kurz vor der Umarmung ablegte und reichte Neve eine Flasche.
»Feierabendbierchen?«, lächelte er vertraut.
»Ist auch alkoholfrei«, fügte er zwinkernd hinzu. Dankend nahm Neve das Bier an und stieß mit ihm an.
»Es war echt mal interessant dich bei der Arbeit zu sehen. Du bist gut, verdammt gut. Du hattest die Festnahme und alles drum herum vollkommen unter Kontrolle. Ich bin wirklich beeindruckt. Die Sicherheit und gleichzeitige Eleganz mit der du dich bewegt und agiert hast, hat mir fast den Atem geraubt. Ich hatte ja keine Ahnung, dass du so scharfsinnig sein kannst. So präsent und autoritär. Du hattest eine Macht und einen Einfluss über diese ganze Situation, die einen echt überrannt hat.« Neve schluckte das Bier herunter und schielte zu ihrem Boss hinüber.
»Schleimer«, grinste sie. Zärtlich stieß er seinen Ellbogen in ihre Seite. Sie schmunzelte wegen dieser liebevollen Geste.
***
Auf Zehenspitzen schlich Neve durch das Schlafzimmer, hob vorsichtig die Decke hoch und glitt fast lautlos drunter. Kaum kam ihr Körper zum erliegen, drehte sich Sam zu ihr um. Ihre Augen waren wach und aufmerksam. Sie schien noch keine Sekunde geschlafen zu haben.
Neve drehte sich in ihre Richtung und schaute sie an. Ihr kam Sams verängstigter Gesichtsausdruck ins Gedächtnis zurück, als ihre Frau mit ansehen musste, wie sie Matt vor einigen Stunden abführte.
»Es geht ihm gut. Wir haben keine eindeutigen Beweise. Er ist wieder zuhause«, flüsterte sie beruhigend. Sam nickte.
Fast bewegungslos glitt sie auf Neves Körper und zog sie in einen Kuss, der solch eine dankbare und machtvolle Geste ausdrückte, dass sich Neve davon erschlagen fühlte.