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Pressearbeit

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Ich hatte meine erste Nacht tief schlafend in einem ausrangierten Katzenkorb verbracht, der im Abstellraum neben der Tierarztpraxis gefunden wurde. Am Morgen fühlte ich mich schon wieder richtig gut. Ich war gerade bei meiner Fellpflege, als Rita ins Haus trat und mich

laut lachend begrüßte. „Na du Schlawiner, hast du Hunger?“ Was für eine Frage? Von meinen beiden Menschen war noch nichts zu sehen, und so folgte ich Rita in die Küche. Sie hatte wohl für mich eingekauft. Am Tag zuvor hatte ein bisschen Katzenmilch und die Aufbauspritze als

Nahrung gedient, heute musste es schon etwas Handfesteres sein. Aber auch Rita konnte nur Dosenfutter als Frühstück anbieten. Na ja, ehe ich verhungerte… Dankbar streifte ich um ihre Beine und schnurrte leise. „Paul, du bist der vollkommene Verführer“, sagte sie und stellte die kleine Schale vor meine Pfoten. Hm, was mit Fisch. Warum nicht ein echtes Katerfrühstück?

„Das fängt ja gut an“, beschwerte sich Micha, als er zur Küchentür hereinkam. „Da kriegt der Kater vor den Menschen sein Frühstück.“ „So wie sich das gehört. Erst die Tiere, dann die Menschen. Wart ab, wenn erst Miss Elly wieder da ist“, gab ihm Rita zu bedenken und ich fragte mich, wer wohl Miss Elly sei. Meine Anne kam mit der Zeitung in der Hand zu uns. Eigentlich war es nicht die richtige Zeitung, nein sie hielt mir unser Landblättchen vor die Nase. „Schau, du bist

schon ganz berühmt, Paul.“ Stolz hielt sie das Blatt über meinen Futternapf. Ich fauchte leise. „Was soll das? Du störst mein Frühstücksritual.“ Oh je, da gab’s noch viel für mich zu tun. Menschen waren ja so unsensibel.

„Paul auf der ersten Seite?“ Micha staunte nicht schlecht, und Rita wusste zu berichten, dass auf der Innenseite nur ein ganz kurzer Artikel stünde, aber bereits auf ein Interview mit meinen Menschen für die nächste Ausgabe hingewiesen wurde. „Rettung aus höchster Not vorm Ärztehaus“ so betitelt war der kleine Artikel schon eine echte Sensation für unsere Gemeinde. Bestimmt gab es niemanden, der sich den entgehen ließ. Nur gut, dass einen Kater so etwas weniger tangiert.

Es klingelte in den späten Abendstunden. Ich hatte es mir gerade auf dem Sessel am Fenster gemütlich gemacht, und keinen Protest für dieses Verhalten von meinen Menschen herauf beschworen. „Sie, Frau Goldbeck? So spät noch“, wunderte sich Anne. „Nun, ich dachte Sie und Ihr Mann haben doch auch immer spät Feierabend. Die Geschichte muss jetzt aber unbedingt geschrieben werden. Jetzt ist alles noch frisch, und die Erinnerungen noch nicht verblasst. Wir sollten die Gelegenheit nutzen, alles zu Papier zu bringen. Sie haben doch sicher meinen Artikel von heute gelesen?“ Nun erkannte auch ich die sprudelnde Stimme. Sie gehörte zu der Redakteurin vom Landblättchen. „Aber die nächste Ausgabe kommt doch erst in vierzehn Tagen, Frau Goldbeck. Glauben Sie dann interessiert noch irgendwen die Geschichte?“ Micha wollte lieber seinen Abend mit einem guten Buch verbringen, als plaudernd mit der Presse. „Ach was, Tiergeschichten ziehen immer.“ Frau Goldbeck war ihrer Sache sicher. Da war es an der Zeit, dass sie die Hauptperson mal ein bisschen besser kennen lernte. Mit einem Satz war ich von meinem Sessel aufgesprungen und streckte mich am Stuhl hoch, auf dem Frau Goldbeck saß. „Ach da bist du ja, du Feiner, “ säuselnd kraulte sie mich hinter den Ohren. Nicht schlecht die Presse. „Sie waren doch fast von Anfang an dabei. Was sollen wir Ihnen da noch groß erzählen?“ Anne hatte sich auch einen anderen Verlauf des Abends gewünscht. Wie kann man nur so negativ die Öffentlichkeitsarbeit angehen? Schließlich ging es um mich. Ich war ein Opfer. Die Welt musste davon erfahren.

„Das schon, aber wie sehen Sie den ganzen Verlauf? Wie haben Sie den Kater überhaupt entdeckt?“ Frau Goldbeck gab nicht auf. „Unser Vorgarten ist ruiniert, und der Kater gerettet. Punktum.“ Micha eignete sich wirklich nicht als mein Pressesprecher. „Ja aber“, Frau Goldbeck setzte zum erneuten Versuch an, aus meinen Menschen mehr Einzelheiten meiner Rettung herauszuholen. „Schreiben Sie doch einfach, dass wir sein Miauen schon am Vorabend gehört haben und am nächsten Tag Familienzuwachs bekamen.“ Praktisch wie Anne veranlagt war, glaubte sie, genug gesagt zu haben. Was für ein Irrtum. Es war an der Zeit, dass ich mich selbst der Sache annahm. Mit einem Satz sprang ich auf den Tisch, an dem sie saßen und vertiefte meine Augen in die wässrig blauen von Frau Goldbeck. „Wie entzückend“, entfuhr es ihr. „Von wegen“, fauchte Micha mich an und gab mir einen Schubs, dass ich wieder auf dem Boden landete. „Hast du denn gar keine Manieren?“, schalt er mich. ‚Und du?’ hätte ich geantwortet, wenn ich hätte sprechen können. Der armen Frau keine Auskünfte geben zu wollen, wo alles so einfach war. Es ging noch ein wenig hin und her zwischen meinen Menschen und der Pressefrau. Ein paar Eintragungen in ihrem Notizblock und ein Foto von mir in ganzer Schönheit, schienen sie am Ende mit allen versöhnt zu haben. Ich hatte mich längst wieder in meinen Sessel zurückgezogen und beobachtete das Ganze aus sicherer Entfernung. Bei der Laune von Micha war ich hier besser aufgehoben. Er trauerte wohl immer noch seinem Vorgarten und der Eisenbahn nach. Dabei kann man fast alles im Leben wieder richten.

Ich lebte mich schnell ein in meinem neuen Zu- hause. Anne mochte ich am liebsten, wenn sie

mich auch viel zu oft auf den glatten Tisch ihrer Praxis setzte und mich mit allerlei Geräten untersuchte. Micha war in jeder freien Minute draußen mit dem Vorgarten beschäftigt. Schon bald erblühte er in voller Pracht samt Dampfloks.

Rita wurde zu meiner zweiten Lieblingsperson. Sie hatte nie schlechte Laune und begriff recht

bald, dass ich nicht unbedingt auf Dosenfutter stand. Mit dem Auslauf für mich klappte es auch

noch nicht so recht, sonst hätte ich ja sofort auf Selbstversorger umgestellt. Aber meine Menschen schienen mir noch nicht zu trauen und fürchteten wohl, dass ich auf meinen Streifzügen vergessen könnte, wo ich daheim bin. Was für ein eine unbegründete Sorge! Bei der Pflege und Liebe, da kam ich doch gern nach Haus. Aber auch das würde ich ihnen noch beibringen.

Als endlich das Landblättchen mit meiner Geschichte erschien, waren sie dann doch alle aus dem Häuschen. Sie waren ganz stolz auf mich. Micha war es, der den Artikel ausschnitt und ihn an eine Pinwand in den Flur hängte, durch den alle Patienten gingen. Das Foto war ein bisschen unscharf ausgefallen, aber vielleicht gab es ja noch eine Fortsetzung. Ich würde meinen Beitrag nur allzu gerne dazu beitragen.


Katerlogik


Gestatten, meine Name ist Paul

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