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Kapitel 2

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Am nächsten Morgen saß er ausgeruht und mit eingecremten Fußsohlen beim Frühstück. Er hatte länger als üblich geschlafen und war einer der letzten Gäste. Das Schaben der Löffel in den Näpfen mit einem nicht zu bestimmenden, faden Getreidebrei durchdrang die Stille. Dadurch lenkte sich Jakobs Aufmerksamkeit auf zwei Stimmen. Es schien sich um das Ehepaar zu handeln, das die Herberge führte und das im angrenzenden Raum diskutierte.

»Ich fasse es nicht! Wie konntest du nur?«, hörte Jakob den Vorwurf einer Frau hinter dem Vorhang, der den Gastraum vom Hinterzimmer trennte.

»Sollte ich sie abweisen?«, kam es von dem Mann zurück und seine Stimme wirkte unterwürfig und verzweifelt.

»Du weißt, dass ich solches Pack nicht dulde!«

»Es waren Soldaten Napoleons. Ich hätte sie beleidigt, wenn ich sie wegen ihres Gefangenen weggeschickt hätte.«

»Das ist mir gleich. Ich will keine Kriminellen hier haben. Die sollen ihre Verbrecher woanders unterbringen. Hättest sie ja zur nächsten Herberge schicken können!«

»Aber Sophie, sie waren müde und hungrig.«

»Das ist nicht unser Problem. Soll Napoleon doch ein Gefängnis in der Nähe Lyons bauen. Dann schleppen mir seine Soldaten dieses Lumpenpack nicht mehr in die Stube.«

Jakob horchte auf. In der Nähe liegt ein Gefängnis? Ist es möglich, dass der Findungszauber mich dorthin führt? Garantiert gibt es dort genug Menschen, die den Tod verdienen.

Die Stimmen entfernten sich, sodass Jakob nichts Weiteres erfuhr. Nachdenklich löffelte er den Rest des Breis aus.

Wenn der Zauber auf einen Häftling hinweist, muss ich einen Weg in das Gefängnis finden. Ich eigne mich nicht zum Wärter. Das sieht man von weitem. Ob ich dort als Arzt eine Anstellung bekomme?

Als er beim Herbergsvater Unterkunft und Verpflegung bezahlte, nutzte er die Gelegenheit, beiläufig nachzufragen. »Ich hörte, dass es in dieser Gegend ein Gefängnis gibt.« Sein Gegenüber begann zu husten, als habe er sich verschluckt. Jakob empfand kein Mitleid. Er bohrte weiter und übertrieb dabei maßlos. »Wo befindet es sich? Ich möchte auf meiner Reise lieber einen Bogen um diesen Ort machen. Nicht auszudenken, was passieren könnte, sollte dort jemand fliehen.«

Mit hochrotem Kopf räusperte sich der Mann ein letztes Mal und nickte. »Du musst dich nicht sorgen. Das Gefängnis liegt hinter Valence, über zwei Tagesmärsche von hier entfernt. Da läufst du keinem so schnell in die Arme.«

In Jakob breitete sich ein Hochgefühl aus. Den Wegweisern nach zu urteilen, die er am vergangenen Tag immer wieder studiert hatte, lag Valence in südlicher Richtung. Das musste es also sein. Er hatte das Rätsel um sein Ziel gelüftet. Der Rest würde sich ergeben.

Er nahm das Wechselgeld entgegen, dankte und wünschte dem Herbergsvater einen schönen Tag. Für ihn gestaltete sich bereits dieser Morgen als wunderbar, obwohl er nun wusste, dass seine Reise noch mindestens zwei Tage dauerte.

Tatsächlich zeigte sich Gott barmherzig mit Jakob und schickte ihm ein Fuhrwerk, das einem Händler gehörte, der Waren in Valence verkaufen wollte. Er ließ Jakob mitfahren und stellte sich als Pierre vor.

»Wohin soll es denn gehen?«, fragte er.

»Ebenfalls nach Valence.«

»Geschäfte?«

»Nicht direkt. Ich hoffe, dort oder in der umliegenden Gegend einen Bekannten zu finden. Ich benötige seine Hilfe«, erklärte Jakob.

Pierre nickte verstehend. »Ein großer Bekanntenkreis ist viel wert«, meinte dieser tiefsinnig und Jakob stimmte ihm zu. »Was soll er denn für dich tun, Loup?«

»Ach«, antwortete Jakob und schüttelte bedauernd den Kopf. »Er soll für mich Fürsprechen. Ich bin Arzt.« Er überließ es Pierre, sich darauf einen Reim zu machen.

»Ein guter Arzt findet überall Arbeit. Sorge dich nicht.«

»Da sagst du was. Es wird langsam dringlich bei mir.«

Jakob verkniff sich mühsam ein Grinsen. Die Menschen verstanden zu gerne, was sie hören wollten. Das nutzte er mittlerweile häufig aus, um sich nicht in seinen eigenen Lügengebilden zu verstricken. Allerdings schätzte er Pierre als einen gutmütigen Mann ein. Wie hätte dieser auch sonst reagieren sollen?

Er wandte den Kopf nach hinten und betrachtete die Waren. »Das ist ein bunter Haufen«, stellte er fest und wechselte das Thema.

»Die Leute brauchen alles, vom Topf über wohlriechende Salben bis hin zum groben Sackleinen. Ich bringe ihnen, wofür sie bezahlen. Bisher bin ich nie auf etwas sitzengeblieben. Manchmal dauert es länger, aber es hat sich immer gelohnt.«

»Gute Kaufleute lassen Angestellte für sich arbeiten, damit sich ihr Geld mehrt.«

»Vorsicht, mein Freund. Das war ein gemeiner Seitenhieb.« Pierre lachte. »Eines Tages werde ich zu diesen Herrschaften gehören, deren einziges Kopfzerbrechen darin gründet, welche Weste sie heute tragen wollen.«

Jakob stimmte in das Lachen mit ein. »Du scheinst eine Nase für gute Geschäfte zu besitzen. Es würde mich nicht wundern, wenn es so kommt.«

Mit Pierre flogen die Stunden mit Neckereien und Erzählungen dahin, bis sie am Abend an der nächsten Herberge hielten.

Gemeinsam nahmen sie ihr Abendessen ein. Der kräftige Eintopf aus weißen Bohnen, Speck und Würstchen wärmte ihre Bäuche und Pierre versprach, Jakob bis Valence mitzunehmen, sollte er rechtzeitig bereit zum Aufbruch sein.

Das ließ sich Jakob nicht zweimal anbieten. In Gedenken an seine geschundenen Füße, die sich erst erholt hatten, fand er sich in der Gaststube ein, bevor die Sonne vollständig am Horizont zu sehen war.

Die Herbergsmutter bemerkte ihn und warf ihm einen verwunderten Blick zu. »Soll ich das Frühstück bereiten?«

Jakob nickte ihr dankend zu. Ihm stand erneut ein langer Reisetag bevor und er wollte ihn nicht mit leerem Magen beginnen.

Während er wartete, konzentrierte er sich auf den Findungszauber. Der sanfte Zug an seinem Brustbein drängte ihn weiterhin Richtung Süden. Zufrieden lächelte Jakob in sich hinein. So einfach sollte es immer sein. Wenn alles kam, wie er es sich vorstellte, würde es in Zukunft so bleiben. Er zweifelte nicht daran.

»Ah, Loup, du bist bereits auf den Beinen! Iss in Ruhe fertig. Ich möchte auch erst frühstücken, bevor wir weiterfahren. Wir haben noch eine knappe Tagesreise vor uns.« Pierre setzte sich zu ihm an den Tisch und winkte der Herbergsmutter zu, damit sie ihm eine Mahlzeit richtete.

Jakob nickte zustimmend und kaute zu Ende. Bald bin ich am Ziel.

Jakob Wolff - Die Teufelshand

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