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Kapitel 7

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Am frühen Abend klopft es an der Tür. Zuerst kennt sich Patrizia nicht aus, bis ihr wieder einfällt, wo sie ist. Sie versichert sich, dass Julius gut sitzt, springt auf und öffnet. Vor ihr steht Betreuerin Anita. „Sie wollten doch eine Nachttischlampe. Das war alles, was ich in unserem Lagerraum gefunden habe“, sagt sie trocken. Patrizia findet sie sympathisch.

„Kommen Sie doch rein. Wir haben es uns schon sehr gemütlich gemacht.“

„Das sehe ich.“

„Die Lampe ist großartig. Danke!“ Es handelt sich um eine ein Meter hohe Tischleuchte im alten Stil, sehr wuchtig und aus Email. Patrizia findet sie wunderschön. Ihre große, runde, milchige Glühbirne macht ein perfekt gedämpftes Licht.

„Sie ist wirklich toll. Da kann Julius bestimmt schlafen, und ich kann noch ein bisschen lesen.“

„Ich muss dann mal wieder. Bis morgen, und lassen Sie es sich gut gehen.“

„Danke, das werden wir.“

„Mein Schatz, es wird alles gut. Es ist alles gut. Immer positive Affirmationen und diese immer in der Gegenwart formulieren.“

„Dadada“, stimmt Julius zu.

„So, und wir beide gehen jetzt in die Badewanne“, sagt Patrizia und sucht die zwei Badeenten. Eine liegt unter Julius’ Gitterbett, eine unter der Couch. Sie geht ins Badezimmer, Julius krabbelt wie der Blitz hinter seiner Mama her. Gut, dass es hier so sauber ist, denkt sich Patrizia und lässt das Wasser ein. Sogar den Badeschaum hat sie eingepackt. Sie hat wirklich an alles gedacht. Wie muss es nur den Frauen gehen, die von einer Sekunde auf die andere flüchten und nichts Vertrautes mitnehmen können? Sie fegt diese Gedanken weg und zieht sich und ihren Sohn aus. Sogar Patrizia kann sich etwas entspannen während sie in der Wanne liegt und Julius zwischen ihren gegrätschten Beinen im Sitzen planscht. Sie ist froh, dass er keine Angst vor Wasser hat. Ihr fällt ein wie Mimmo sich immer die Badehose angezogen hat, wenn er mit Julius in die Wanne gegangen ist. Das ist aber nur dreimal vorgekommen. Sie selbst badet nackt mit ihrem Sohn. Sie findet Hautkontakt schön und wichtig für ihr Kind.

Entspannt, gemütlich im Flanellpyjama und hungrig marschiert Patrizia mit Julius auf dem Arm in die Küche. Die Frau mit dem Gips ist da, Yolanda rührt in einem ihrer Töpfe und Marianne raucht mit der hübschen Violetthaarigen im Raucherkabinett.

Als Patrizia sich mit Julius, seinem Brei und zwei Butterbroten an den Tisch setzt, stürmt Katarina aufgeregt mit dem schlafenden Kind im Arm herein. Verzweifelt blickt sie die anderen Frauen an.

„Kann ich dir irgendwie helfen?“, fragt Patrizia automatisch.

„Ich muss meinen älteren Sohn ins Jugendheim bringen und Viktor schläft schon. Könntest du kurz zu ihm rein schauen, wenn ich ihn rauf lege?“

„Sicher, nur nicht sofort, weil ich Julius noch füttern muss. Er ist schon so hungrig und der Brei kühlt sonst aus.“

„Warum steckst du nicht das Babyphone an“, mischt Marianne sich ein.

„Oh, ich wusste nicht, dass es das hier gibt.“

„Sicher. Dort drüben liegen sogar ein paar.“ Marianne geht zur Küchenzeile und schnappt sich ein Gerät. „So, das steckst du oben an und wir kontrollieren hier, ob es funktioniert.“ Patrizia findet sie richtig nett in diesem Augenblick.

„Danke.“ Katarina rennt dankbar mit Viktor und Babyphone in den ersten Stock. Sie wohnt in der Einheit vor Patrizia. Nach wenigen Minuten kommt sie atemlos hinunter und keucht: „Alles in Ordnung. Er schläft noch. Habt ihr mich gehört?“

„Nein“, sagen Patrizia, Marianne, Yolanda und die Frau mit Gips gleichzeitig. Die Violetthaarige ist noch immer im Raucherzimmer.

Katarina steht die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben, sie scheint ihre Nerven zu verlieren. „Mein anderer Sohn wartet im kalten Auto allein auf mich und sein Heim sperrt auch gleich zu. Wenn er nicht rechtzeitig kommt, kann er nirgends hin …“ Tränen stehen in ihren Augen und sie starrt die anderen an. Niemand rührt sich.

„Wir sind gleich fertig. Fahr los, bring deinen Jungen. Ich geh gleich rauf mit Julius und schau zu Viktor rein. Mach dir keine Sorgen. Geh“, sagt Patrizia und versucht so beruhigend wie möglich zu klingen.

„Wirklich?“

„Sicher. Hab keine Angst. Wir warten oben auf dich.“

Katarina schwankt einige Sekunden. Dann läuft sie los. „Ich mach so schnell ich kann“, ruft sie noch im Gang. Sie tut Patrizia so leid. Wenn sie sich vorstellt, Julius allein bei einer fremden Person, in einer fremden Umgebung allein zu lassen, kommen ihr schon wieder die Tränen. Nur bei der Vorstellung. Sie wischt ihrem Kleinen den Mund ab, hebt ihn aus seinem Hochstuhl und will die Teller schnappen.

„Lass nur“, sagt Yolanda hinter der Küchenzeile. „Darum kümmere ich mich.“ Ohne ihren Blick zu heben rührt sie weiter.

„Ich rauch noch eine mit Sandy“, sagt Marianne und gesellt sich wieder zur Violetthaarigen.

Patrizia eilt in den ersten Stock und sucht Katarinas Wohneinheit. Sie sieht fast gleich aus wie ihre eigene. Leise betritt sie das Zimmer, in dem auch ein Stockbett steht. Unten liegt Viktor zusammengerollt und friedlich schlafend in der oberen Ecke, die Katarina liebevoll ausgepolstert hat. Patrizia lässt das Licht brennen und zieht sich mit Julius in den Korridor zurück, um Viktor nicht aufzuwecken. Dort setzt sie sich auf die Kommode, auf der ein großer, länglicher Spiegel angebracht ist. Julius stellt sie davor und er grinst glücklich und aufgeregt sein Konterfei an. „Dadada“, brabbelt er und ein dicker Spuckefaden rinnt aus seinem rechten Mundwinkel. Patrizia wischt ihn gedankenverloren weg. Hoffentlich macht sich Katarina jetzt nicht krank vor Sorgen. Die Arme. Wie wird es ihrem älteren Sohn gehen? Wie alt ist er eigentlich, wenn er hier nicht mehr rein darf? Wird er ein Trauma davontragen von dieser ganzen Situation? Werden wir alle traumatisiert sein?

Völlig außer Atem stürmt Katarina nach geschätzten zehn Minuten in den Gang und bleibt keuchend vor Patrizia und Julius stehen.

„Beruhige dich. Viktor schläft gut. Er ist kein einziges Mal aufgewacht.“

Katarina setzt sich noch immer heftig atmend neben Patrizia und lässt ihren Tränen freien Lauf. Ihr korpulenter Körper schüttelt sich. Sie ist eine sehr weibliche Frau, mit einem ausgesprochen hübschen Gesicht, denkt sich Patrizia. Von den Schwangerschaften sind sicher ein paar Kilos zu viel drauf geblieben. Vielleicht ist es aber auch Kummerspeck.

„Danke“, schluchzt Katarina und blickt Patrizia an.

„Dadada“, grinst Julius sie an und fängt gleich darauf an zu protestieren.

„Ich geh dann mal. Schlaf gut.“

Müde nickt Katarina, und Patrizia kehrt in ihre Wohnung zurück.

„Bärchen, wir müssen noch Zähne putzen und dann geht’s ab ins Bett. Das war heute ein langer, aufregender Tag.“

Dancing Queen

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