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Kapitel 1
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Die Geschichte der Menschheit ist von Krankheit, Krieg und Leid geprägt. Welches sind die Gründe für diese negativen Erfahrungen? Liegt es in unserem Wesen, dass wir ständig durch Schmerz und Leid bedroht werden? Und worin besteht unser Wesen?

Um diese Frage zu beantworten, werden Unmengen von Geld, Zeit und Mühe aufgewendet. Wir geben Milliarden für die wissenschaftliche Forschung in Chemie, Physik und Biologie aus; Gesellschaftswissenschaftler unterschiedlichster Couleur sind auf der Suche nach der Wahrheit, und das gleiche gilt für die Psychologen. Theologen suchen ein Leben lang nach Antworten auf diese Frage. Etwas treibt uns an, und dieses Etwas ist das Gefühl, dass wir entdecken müssen, wer wir sind, wenn wir unsere Lebensbedingungen verbessern und glücklicher werden wollen. Dieses intuitive Gefühl ist in uns allen vorhanden. Schon in jungen Jahren dachte ich, ich hätte den Schlüssel zum Glück in der Hand, sobald ich nur wüsste, wer ich bin. Im Alter von drei Jahren war mir klar, dass ich nicht immer glücklich war, und im Lauf der Jahre wurde mir immer klarer, dass ich unglücklich war. Je größer mein Unglück zu werden schien, desto dringender wollte ich herausfinden, wer ich war.

Da ich davon ausging, dass ich ein physischer Körper bin, entwickelte ich ein lebhaftes Interesse an Biologie. Das Fach reizte meine Neugier, und ich erhoffte mir Erkenntnisse von ihm. Also beschäftigte ich mich am Gymnasium und am College mit Biologie. Dann entschied ich mich für ein Medizinstudium, damit ich mich eingehend mit der Biologie des Menschen befassen konnte. Ich hoffte, auf diese Weise mein Selbst zu entdecken, denn ich war ja ein gesunder Körper und manchmal auch ein kranker Körper. Durch die Sektion des menschlichen Körpers, seine Untersuchung unter dem Mikroskop, seine chemische Analyse und durch das Studium seiner Physiologie und Pathologie glaubte ich mich auch selbst am besten studieren zu können.

Meine Suche war jedoch nicht auf das Studiums des Körpers beschränkt. Ich war mir durchaus bewusst, dass ich auch einen Geist habe, und so studierte ich auch diesen. Schon als Schüler der Mittelstufe versuchte ich, meine Neugier zu stillen, indem ich die Psychologiebücher meines Vaters las. Aber das half mir nicht weiter. Die Bücher befassten sich ausschließlich mit den Anomalien der Psyche, und schließlich zog ich meine eigene Normalität in Zweifel und glaubte mich in einigen der geschilderten Neurosen wiederzuerkennen.

Außerdem studierte ich auch Theologie. Mein Vater war promovierter Theologe, und ich fand in ihm einen bereitwilligen Tutor. Es entging mir jedoch nicht, dass er in seiner stoischen Art nicht glücklich war. Auch am College belegte ich Theologiekurse, doch jede Antwort führte unweigerlich zu einer neuen Frage, bis mir schließlich nur noch Gottvertrauen weitergeholfen hätte. Doch das besaß ich nicht. Und viele meiner Kollegen, die es angeblich besaßen, kamen mir keineswegs glücklich vor.

Ich fand ein paar Leute, die durch persönliche Erfahrungen und unabhängig von einem Studium glücklicher als die meisten anderen geworden waren. Das erregte meine Aufmerksamkeit, und ich suchte die Nähe solcher Menschen. Ich hörte mir an, was sie zu sagen hatten, empfand es aber nicht als unmittelbare Offenbarung. Immerhin speicherte ich diese Information für spätere Zeiten.

Als Medizinstudent hatte ich auch Gelegenheit zu psychiatrischen Studien, die sich meist an Freud orientierten, mich aber nur noch mehr durcheinanderbrachten. Damals kam es mir in meiner beschränkten Sicht vor, als fühlten sich die Psychiater nur deshalb von der Psychiatrie angezogen, weil sie besonders verwirrt waren und herausfinden wollten, was mit ihnen selbst nicht in Ordnung war. Im Grunde suchten sie gerade so wie ich nach der Erkenntnis, wer wir sind.

Ich erinnere mich an eine schwer depressive Patientin in der Poliklinik. Die Schilderung ihrer Lebensumstände - ihr Mann hatte sie verlassen, ihre Kinder hatten sie im Stich gelassen, sie war mutterseelenallein, ohne Familie und Freunde - deprimierten mich selbst. Mir war klar, dass ich ihr nichts zu geben hatte außer einem Rezept für Antidepressiva, die sicherlich nicht viel mehr bewirken konnten, als den Schmerz zu betäuben. Doch obwohl ich nach dieser Begegnung recht niedergeschlagen war, verschrieb ich mir selbst kein Antidepressivum. Ich lenkte mich mit anderen Aktivitäten ab, um die Frau und die Gedanken an mein eigenes Leben zu vergessen, die sie in mir wachgerufen hatte.

Ich gab das Studium des Geistes auf und verlegte mich ausschließlich auf die Molekularmedizin. Ich hatte vorgehabt, Internist zu werden, da sich dieses Fachgebiet mit der „Wirklichkeit“ (dem physischen Körper) beschäftigt und die Erfahrungen des erwachsenen Körpers in den meisten Aspekten erfasst. Dadurch erhoffte ich mir, die Entschlüsselung meines Wesens weiter vorantreiben zu können.

Aber dieses Unternehmen ließ sich nicht besonders gut an. Wenn meine Erkenntnisse tatsächlich aussagekräftig sein sollten, dann befriedigten sie mich nicht sonderlich. Fast meine ganze Ausbildungszeit verbrachte ich auf der Intensivstation, wo hauptsächlich Schwerkranke lagen. Die meisten Patienten, die zum Internisten kamen, hatten chronische, stetig fortschreitende Krankheiten. Bei 80 Prozent der Patienten schien sich der Zustand kontinuierlich zu verschlechtern. Ich konnte die Verschlechterung lediglich hinauszögern und den Menschen das Leben vor ihrem unvermeidlichen Tod etwas erträglicher machen. Manchen schien die Therapie jedoch sogar zu schaden. Studium und Praxis der inneren Medizin standen für mich ganz unter dem Zeichen der Vergeblichkeit und deprimierten mich.

Frustriert suchte ich nach einem anderen Fachgebiet. Während meines Studiums war die Pathologie mein Lieblingsfach gewesen. Pathologie bedeutet wörtlich Lehre von den Krankheiten und ist die Wissenschaft der Medizin. Sie berührt sämtliche Spezialgebiete und ist die Basis für das Verständnis ihrer Praktiken. Somit schien mir die Pathologie die ultimative Herangehensweise zum Verständnis meiner selbst zu bieten, denn sie befasst sich ja höchst unmittelbar mit der anatomischen und molekularen Struktur und Funktion des Körpers. Außerdem bleiben ihr einige der in der inneren Medizin unvermeidlichen Enttäuschungen erspart. Der Pathologe ist immer erfolgreich. Er kann die Krankheit oder den anatomischen Befund benennen und somit eine Diagnose stellen. Wenn es kein Heilmittel für die diagnostizierte Krankheit gibt, muss der Internist damit zurechtkommen.

Die Praxis der Pathologie führte mich aber auch nicht zum ersehnten Ziel. Ich sezierte viele Herzen - und fand kein Gefühl. Ich sezierte und studierte viele Gehirne - und fand keinen Gedanken. Ich brachte einiges über Krankheiten und tote Körper in Erfahrung, aber meine Erkenntnisse waren im besten Fall entmutigend. Die schlimmsten Erfahrungen kamen nicht von den toten Körpern, sondern von den sterbenden. Im Krankenhaus sah ich leidende Menschen mit runzeligen Körpern und kaum bzw. gar nicht mehr funktionierenden Gehirnen. Mir war klar, dass auch sie einmal in ihren „besten Jahren“ gewesen waren - so wie ich es damals hätte sein sollen. Nun waren sie am Ende, und sie litten. Warum? Was für einen Sinn hatte das alles? Das Leben schien mir eine Art grausamer Posse zu sein.

Der Versuch, mich selbst zu entdecken, zeigte keine glücklichen Ergebnisse. Er deprimierte mich nur.

Die Heilkraft der Liebe in der modernen Medizin

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