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Kapitel 3
Das Leben und seine Herausforderungen

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Es sah so aus, als würde es mir an nichts fehlen: Ich hatte eine höhere Schulbildung, einen respektablen Beruf und Geld. Ich hatte eine Frau, Kinder und Freunde. Einen kräftigen, männlichen Körper und gute Moralvorstellungen. Mein scheinbar erfolgreicher Versuch, mich selbst zu erschaffen, war in Wirklichkeit jedoch gar nicht so erfolgreich, denn ich war nicht glücklich. Und ständig wurde ich daran erinnert, dass ich alles verlieren konnte. Ich war ein geachteter Pathologe, aber ich fühlte mich unzufrieden. Es gab noch andere Ziele, die ich erreichen musste. Damals leitete ich das Laboratorium noch nicht und war auch nicht landesweit bekannt. Um landesweit Anerkennung zu gewinnen, hätte ich jedoch meine Familie und mein gesellschaftliches Leben opfern müssen, und dazu war ich nicht bereit. Heute weiß ich, dass es auch nicht geholfen hätte, wenn ich diese Ziele erreicht hätte.

Meine Frau war klug und attraktiv, doch sobald ich mir ihrer sicher war, projizierte ich mein eigenes Gefühl der Unzulänglichkeit in sie hinein. Da sie mir gehörte, musste irgendetwas mit ihr nicht in Ordnung sein. Schon bald nach unserer Heirat hatte ich den Eindruck, als sei sie nur noch aus Pflichtgefühl mit mir zusammen. Mir fehlte dieses überwältigende Gefühl der Befriedigung, das mir eine andere, eine neue Frau durch ihre Bestätigung hätte schenken können. Und als ich langsam mit ihren eigenen Selbstzweifeln vertraut wurde, erschien es mir immer fraglicher, dass ich mein Selbstgefühl über sie beziehen konnte.

Bei der Unterminierung unserer Beziehung kam noch ein subtilerer Faktor ins Spiel. Unbewusst „wusste“ ich, dass ich meine Frau benutzte, um mich selbst definieren zu können, dass ich etwas von ihr nahm, um mich als vollständig empfinden zu können, und dass ich ihr herzlich wenig zurückgab. Dies war mit verdrängten Schuldgefühlen verbunden, die in ihrer Gegenwart an die Oberfläche kamen und sofort in Ärger übersetzt wurden. Ohne vernünftigen Grund reizte mich deshalb alles Mögliche an ihr - ihre Frisur, ihre Kleidung, wie sie sprach und was sie tat. Und ihr ging es mit mir genauso. So konnte unsere Ehe nicht glücklich werden, aber meine Moralvorstellungen hielten mich gefangen, und ich erfüllte meine Pflicht, so gut ich es konnte.

Die Kinder waren eine Quelle echter Freude, doch da mir so viel am beruflichen Erfolg lag und ich weniger Zeit mit meiner Frau verbringen wollte, stand ich weniger für Familienaktivitäten zur Verfügung.

Irgendwann ging es dann bergab. Meine Frau hatte die „Farce von einer Ehe“, wie sie es nannte, satt und verließ mich. Am Anfang fand ich das ganz gut. Da sie wieder studieren und Karriere machen wollte, ließ sie die Kinder bei mir zurück, was mir sehr angenehm war. Ich träumte davon, eine bessere Frau zu finden. Doch es gab ein Problem. Ich versuchte, mich auf der Basis meiner moralischen Korrektheit zu erschaffen, aber das hätte eine intakte Familie vorausgesetzt. Aus meiner Sicht kam eine Scheidung nicht in Betracht, doch meine Frau wollte sich scheiden lassen, und ich konnte daran nichts ändern. Ich empfand mich als unmoralisch, und meine Schuldgefühle verstärkten sich noch, weil ich mich über unsere Trennung freute. Meine neue „glückliche“ Situation auszukosten war also ein Ding der Unmöglichkeit.

Zwei der fünf Parameter, an denen ich mich gemessen hatte, hatten sich in Luft aufgelöst: Familie und Moral. Ich hatte meinen Beruf, doch das genügte mir nicht. Körperlich war ich noch immer fit, und auch die materiellen Aspekte meiner Welt genügten meinen Ansprüchen, doch glücklich war ich nicht in meiner Welt. Ich hatte eine akute Depression.

Am 10. April 1977 verlor ich einen weiteren Parameter meiner Selbstdefinition. Wie es der Zufall wollte, geschah es an einem Sonntag. Binnen weniger Stunden wurde aus einem robusten, gesunden Mann ein schmerzgebeutelter Invalider. Beim Aufwachen empfand ich in der Mitte meines Rückens einen merkwürdigen Schmerz, der mir völlig neu war. Im Laufe des Vormittags verflüchtigten sich die Rückenschmerzen allmählich, doch am späten Nachmittag schmerzte mein rechter Fuß. Der Schmerz wurde so übermächtig, wie ich es noch nie erlebt hatte. Ich konnte mich nur noch mit Krücken fortbewegen. Nach tagelangen Untersuchungen und Labortests erhielt ich die wohl niederschmetterndste Nachricht meines Lebens. Ich erfuhr, dass ich an einer Form von chronischer Arthritis litt, die als unheilbar galt. Man hoffte, die Krankheit mit Hilfe von Medikamenten unter Kontrolle bringen zu können, doch das wirksamste Medikament hatte potentiell tödliche Nebenwirkungen. Die Diagnose stand zweifelsfrei fest, als in meinen weißen Blutkörperchen ein anomales Gewebe-Antigen entdeckt wurde. Ich hatte einen genetischen Marker für diese Form von Arthritis. Die Krankheit ließ sich durch Medikamente nicht unter Kontrolle bringen und schritt im Laufe der nächsten Wochen fort, indem sie an verschiedenen Gelenken und Geweben auftrat.

Ich war inzwischen so deprimiert, dass mir meine Kollegen zu einer psychiatrischen Behandlung rieten. Das war der Anfang einer langen Reise, während der ich mich als kranker, chronisch deprimierter Mensch und als Patient der herkömmlichen Medizin und Psychotherapie erfuhr. Im Grunde war ich fast mein ganzes Leben lang deprimiert gewesen, aber jetzt war es mir nicht mehr möglich, vor diesem Gefühl davon zu rennen, auch wenn ich es immer noch verzweifelt versuchte.

Ich hätte gern mit einer anderen Frau eine Ersatzfamilie aufgebaut, aber die nun offen zu Tage liegenden Schuldgefühle ließen es trotz aller meiner Bemühungen nicht zu. Ich probierte sämtliche herkömmlichen medizinischen Heilmittel aus, die man für meine Krankheit kannte, aber keins brachte Linderung. Meiner Arbeit in der Pathologie ging ich jetzt noch eifriger nach, soweit meine Krankheit dies erlaubte. Auch um mein materielles Wohlergehen kümmerte ich mich, indem ich in eine ganze Reihe von Projekten investierte, die zu schnellem Reichtum verhelfen sollen. Viel Zeit widmete ich dem Versuch, meinen Töchtern Mutter und Vater gleichzeitig zu sein. Mit meiner Ex-Frau war ich weiterhin zerstritten, und dadurch versuchte ich, mich von meiner Schuld loszusprechen. Aber es half nichts. Meine Krankheit schritt fort, ich stand ständig unter Schmerzen, und meine Depression verschlimmerte sich, bis ich schließlich im Sommer 1981 damit begann, ein neues tri-zyklisches Antidepressivum an mir auszutesten. Doch seine Nebenwirkungen schienen meinen Körper nur noch mehr zu zerstören.

Meine Angst und meine Depression waren so heftig, dass ich drei Monate lang nicht schlafen konnte. Schlaftabletten zeigten keine Wirkung. Mein Körper fühlte sich an wie Blei, wenn ich mich bewegen wollte. Die Depression verlangsamte die gesamte Psychomotorik meines Körpers. Die einfachsten Aufgaben waren nur durch eine gewaltige Anstrengung zu bewältigten und waren mit großer Furcht verbunden. Das Zusammensein mit anderen Menschen wurde zur Last, und ich vermied es, wann immer ich konnte. Bei der Arbeit bewegte ich mich wie ein rostiger, nicht geölter Roboter.

Die Heilkraft der Liebe in der modernen Medizin

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