Читать книгу Maxillia - Veronique Larsen - Страница 6

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Zu Maxillias Glück, war die Wache vor ihren Gemächern eingenickt, als sie gerade in diese zurückkehren wollte. Der große Mann stand schlummernd an die Wand gelehnt und schnarchte leise vor sich hin. Sie hatte schon hin und her überlegt, wie sie es hätte anstellen sollen an ihm vorbei zu kommen, ohne dass sie in Erklärungsnot geraten wäre. Aber der Zufall hatte ihr in die Karten gespielt, so dass sie sich nichts hatte aus den Fingern saugen müssen. Leise schlich sie sich also an ihm vorbei, öffnete beinahe lautlos die Tür und schlüpfte zurück in ihre Gemächer. Ganz vorsichtig schloss sie die Tür wieder hinter sich und atmete erleichtert durch, als das leise Klicken des Schlosses zu hören war. Was für ein Tag, lächelte Max zufrieden, während sie nach oben in die zweite Etage ging. Sie hatte wohl mehr erlebt als sonst in einem ganzen Monat. Ach was. In einem ganzen Jahr. Mächtig stolz auf sich, dass alles so reibungslos geklappt hatte, war sie auf jeden Fall. Schließlich hatte sie sich vor ihren Eltern verstecken und an zwei Wachen des Hofes vorbei schleichen können. Und da sage mal noch jemand, sie sei zu nichts fähig. Nun musste sie sich aber umziehen und etwas sauber machen. Ihre Eltern erwarteten sie nämlich gleich schon zum Abendessen. Sie sollten auf keinen Fall Verdacht schöpfen. Also wusch sie sich den Dreck vom Körper, kämmte ihr Haar gründlich durch und zog sich das blaue Kleid an, das sie am Morgen getragen hatte. Prüfend schaute sie sich im Spiegel an, ob sie auch ja keinen verräterischen Fleck vergessen hatte und der Verband an ihrem Kopf auch richtig saß. Schnell rückte sie ihn noch einmal zurecht, auch wenn sie ihn eigentlich gar nicht mehr gebraucht hätte. Aber zur Tarnung musste sie ihn tragen. Und das genau an der Stelle, an der die Wunde gewesen war. Nun machte sie sich auf den Weg zum Speisesaal, wobei sie, beabsichtigt laut, die Tür ihrer Gemächer aufwarf, damit die Wache sie auch ja bemerken würde. Erschrocken zuckte der Mann zusammen und verbeugte sich hastig vor Max, als diese auf den Flur heraus getreten kam. Schlapp ließ sie ihre Schultern hängen und setzte ein müdes, wehleidiges Gesicht auf, während sie keine weitere Notiz von der Wache nahm, die seinen Posten verließ, um Max zu begleiten. Scheinbar kaufte der Mann ihr das gespielte Leid ab, wenn man den besorgten Blicken Glauben schenkte, die er ihr ab und zu zuwarf. Max gab sich auch alle Mühe, man sollte ihr ja auch bloß nicht anmerken, wie gut es ihr eigentlich wieder ging. Schließlich wollte sie nicht auffliegen und am Ende noch mehr Arbeit aufgebrummt bekommen, als sie es sonst, unter normalen Umständen, gehabt hätte. Seufzend betrat sie den Speisesaal, als sie diesen erreicht hatte, um ihrer Rolle der Verletzten noch einmal mehr Ausdruck zu verleihen und hoffte, dass sie es trotzdem aber nicht übertriebe. Ihre Eltern saßen schon am Tisch, der wieder einmal reich gedeckt war, so dass man von der hölzernen Platte kaum noch etwas sah. „Oh Max. Ich hatte gehofft du würdest zum Abendessen herkommen. Wie geht es dir?“, begrüßte Isabella sie gleich mit ihrer manchmal etwas überfürsorglichen Art. „Bisschen besser“, antwortete Max träge und setzte sich auf den Stuhl, der für sie vorgesehen war. Schnaufend nahm sie erst mal einen Schluck aus ihrem Becher, da sie von ihrem Ausflug ziemlichen Durst hatte. Schließlich hatte sie zuletzt etwas zum Frühstück getrunken, was ja schon eine Weile her gewesen war. Trotzdem riss sie sich zusammen nicht zu hastig zu trinken, da auch dies sie zum einen hätte verraten können, aber es sich zum anderen für eine Prinzessin auch nicht geziemte „Was hast du denn heute alles schönes gemacht“, fragte ihr Vater Don, der sich eines der duftenden Brötchen nahm. „Ich habe mich ausgeruht und gelesen. Nichts Spannendes“, antwortete sie seufzend und nahm sich ebenso eines der Brötchen. „Morgen werde ich wohl auch nicht viel mehr machen“, ergänzte sie und schnitt das Brötchen auf. „Oh je. Dir scheint es wirklich nicht gut zu gehen“, stellte Isabella zu Maxillias Zufriedenheit fest und strich ihrer Tochter über den Arm. „Ja, das geht es mir wirklich nicht“, log Max, die innerlich regelrecht grinste. „Was hast du denn gelesen?“, wollte Isabella wissen und brachte ihre Tochter unbewusst in die Bredouille. Zum Glück verschaffte ihr der Bissen in ihrem Mund einen kurzen Moment zum Nachdenken. Angestrengt überlegte sie und kaute absichtlich besonders lange, um sich ein wenig mehr Zeit zu verschaffen. Was sollte sie nur antworten? Sie hatte sich nicht einmal die Titel der Bücher angesehen, die die Wache ihr auf ihre Gemächer gebracht hatte. Leider fiel ihr auch kein Titel ein, den sie schon einmal gelesen hatte. Das letzte Mal, dass sie einen Roman oder ein anderes Buch gelesen hatte, das nicht relevant für den Unterricht gewesen war, war schon ewig her. Auf jeden Fall war zu viel Zeit verstrichen, um sich noch an die Handlung oder gar an den Namen erinnern zu können. Vielleicht könnte sie es ja ausnutzen und die Frage als Vorlage missbrauchen, um das Thema auf die Rekruten zu lenken. Irgendwie musste sie ihren Eltern sowieso ihren Wunsch unterbreiten, dass die Rekruten mehr Freizeit bekämen und eine Erklärung dazu liefern, die nicht der Wahrheit entsprach. Sie konnte ja schlecht von ihrem Ausflug erzählen und von der Frau, der sie dazu noch ein Versprechen gegeben hatte. „Ich habe eine recht dramatische Geschichte gelesen, die mich zum Nachdenken angeregt hat“, begann Maxillia vorsichtig und wartete einen kurzen Moment ab, um die Reaktion ihrer Eltern war zu nehmen. Verwundert sahen diese zu ihr auf und runzelten die Stirn. Sie wussten, dass Maxillia keine Dramen leiden konnte und solche Geschichten lieber immer gemieden hatte. „Es war die Geschichte eines jungen Mannes, der sich hat rekrutieren lassen. Er ist von seiner Familie fortgegangen und hat sie nie wiedergesehen. Die Eltern wurden krank und starben, weil der Kummer sie zerfressen hatte. Als der Rekrut das erfuhr, bekam er ein so schlechtes Gewissen, dass er sich selbst das Leben nahm“, dachte Maxillia es sich spontan aus, der ihre blühende Fantasie dabei zugutekam. Sie hoffte mit dieser zugespitzten Dramatik die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen mit ihrem Vorschlag durchzukommen, den sie ihren Eltern unterbreiten musste. Denn nur so hatte sie den Hauch einer Chance der Frau aus der Schmiede helfen zu können. „Das ist ja furchtbar. Von der Geschichte habe ich aber noch nie etwas gehört“, wunderte Isabella sich räuspernd, der scheinbar ein Krümel im Hals stecken geblieben war. „Ja. Das ist es. Mich hat das so an unsere Rekruten erinnert, die nicht mal in ihrer freien Zeit das Burggelände verlassen dürfen. Ich will gar nicht wissen, wie viele Familien vom Kummer zerfressen sind. Ich habe jetzt ein richtig schlechtes Gewissen, wenn ich an die jungen Männer und Frauen denke, die ihre Familien für uns verlassen haben“, bohrte Maxillia weiter darauf herum. „Wo hast du denn nur eine solche Geschichte gefunden?“, wollte Don nun wissen, den das Ganze ein wenig an sich selbst erinnerte. Schließlich hatte auch er sich rekrutieren lassen und seine Familie in viel Kummer gestürzt. „Die Wache vor meinen Gemächern hatte die Bücher geholt. Er meinte er habe einfach irgendwelche Bücher aus den Regalen genommen und nicht ganz darauf geachtet was in ihnen steht“, antwortete Max in der Halbwahrheit. Mit gerunzelter Stirn nahm ihr Vater das so hin, schien ihr aber nicht zu hundert Prozent zu glauben. Doch jetzt durfte sie sich nicht beirren lassen und musste an ihrer Geschichte festhalten. Schließlich würde sie noch unglaubwürdiger werden, wenn sie sich selbst widerspräche. „Ich finde wir sollten den Rekruten mehr Freizeit geben. So viel, dass sie ab und zu ihre Familien besuchen können. Ich möchte nicht, dass so etwas wirklich irgendwann passiert. Wer weiß. Vielleicht ist es auch schon geschehen, ohne dass wir das so genau wissen. Ich kann mir das ehrlich gesagt sogar vorstellen, wenn ich daran denke, wie es Oma damals ging, als du dich hast rekrutieren lassen, Papa“, schlug Maxillia vor, die auf eine positive Reaktion hoffte, sich aber sehr weit in verbotenes Terrain begeben hatte. Das Thema war nämlich auch nach so vielen Jahren ihrem Vater gegenüber eigentlich tabu und brachte die Gefahr großen Zorns mit sich. Aber sie hatte irgendwie nicht viele Möglichkeiten das Thema sonst auf eine richtige Bahn zu bringen und musste so das Risiko eingehen. Es gab nun zwei Möglichkeiten der Reaktion. Die eine war Einsicht und Begeisterung über diese Idee, die andere jedoch furchtbaren Ärger. Dabei war letzteres doch deutlich wahrscheinlicher. Aber das musste sie jetzt in Kauf nehmen. „Was soll das, Max?“, fragte Don, dessen Miene sich verdunkelte. Erschrocken wich sie unwillkürlich zurück, auch wenn sie eigentlich schon darauf vorbereitet gewesen war. Sie hatte bei ihm aber den Nerv getroffen, den sie hatte treffen wollen, auch wenn es ihr anders lieber gewesen wäre. „Naja. Mir ist einfach aufgefallen, dass die meisten der Rekruten ihre Eltern seit Beginn der Ausbildung nicht mehr gesehen haben. Daher habe ich nun die Sorge, dass sich solch furchtbare Geschichte irgendwann bewahrheitet“, erklärte Max angespannt. „Willst du mich schlecht machen? Deinen Vater? Oder willst du unsere Entscheidungen in Frage stellen? Es gibt nunmal Dinge, durch die jeder Rekrut durchmuss. Und wenn jemand dies nicht verkraftet, hat er in der Armee auch nichts zu suchen“, entgegnete Don erbost mit einem wütenden Funkeln in den Augen. „Nein. Ich will dich nicht schlecht machen. Ich finde es ehrenwert, wenn man sich rekrutieren lässt, aber“, stotterte Maxillia angespannt, deren Satz Don einfach unterbrach. „Es wird sich nichts ändern. Wir haben ohnehin schon zu wenig Nachwuchs für die Armee, und deine Anspielung ist nicht akzeptabel“, donnerte dieser. In Maxillia brodelte der Zorn plötzlich auf, die es hasste, wenn man ihr nicht bis zum Ende zuhörte und sie einfach unterbrach. Besonders, wenn sie sich gerade erklären wollte, um die Situation vielleicht noch zu retten. Mit viel Mühe riss sie sich zusammen und versuchte noch einmal zu einer Erklärung anzusetzen, wurde aber sofort von ihrem Vater mit erhobenem Zeigefinger aufgehalten. Wie eine Explosion schoss die Wut durch ihren Körper, während unbewusst sich all der Frust, der sich über ihr Leben hinweg angestaut hatte, entlud. Wütend sprang sie auf, dass der Stuhl hinter ihr umfiel und alle Angst ihrem Vater gegenüber scheinbar gleich mit. „Lass es wegen meiner Kopfverletzung sein, die mich das jetzt trauen lässt, aber das was du tust ist nicht akzeptabel. Ich habe nicht auf dich anspielen wollen. Wenn du dich dabei erwischt fühlst, oder dich darin wiederfindest, ist das dein Problem. Die Regeln waren bislang nunmal so bekloppt, wofür du nichts kannst. Aber meinst du nicht, dass man vielen Familien dieses Leid ersparen könnte, wenn man einfach ein wenig an den Regeln schraubt? Du könntest jetzt derjenige sein, der den Familien hilft. Und meinst du nicht, dass es vielleicht sogar die Bereitschaft erhöht sich rekrutieren zu lassen, wenn man weiß, dass es kein Abschied von der Familie bedeutet? Ihr solltet vielleicht besser vorher darüber nachdenken, eh ihr wegen nicht bewältigter Konflikte gleich alles abblockt“, schimpfte Max in lautem Ton mit ihrem Vater, der sie ganz überrascht anstarrte. Auch die Wachen, die im Saal standen, schienen die Luft anzuhalten und wünschten gerade an einem anderen Ort zu sein. Eh noch einer etwas sagen konnte, stürmte Maxillia aus dem Raum und kehrte in ihre Gemächer zurück. Ein wenig Angst hatte sie schon vor dem was nun als Reaktion von ihren Eltern folgen würde. Schließlich hatte sie mit ihrem Vater geschimpft und war ihm gegenüber laut geworden. Das war eigentlich das Schlimmste, was sie als Prinzessin und Tochter hätte tun können. Denn so hat sie seine Autorität und Urteilskraft doch sehr in Frage gestellt. Und das auch noch vor anwesenden Wachen. Aber was hätte sie sonst tun sollen? Sie hatte der Frau versprochen sich darum zu kümmern. Und einen anderen Weg, als die bisherigen Regeln in Frage zu stellen, gab es nicht. Leider war es nur so, dass ihr Vater sich gleich angegriffen fühlte, wenn man dies tat, als ob er selbst diese Regeln aufgestellt hätte. Sicher lag es an den tiefen Wunden, die die Zeit als Rekrut bei ihm hinterlassen hatte. Er gab es nur nie zu. Aber leugnen konnte er es definitiv nicht. Vor ihrem geistigen Auge sah sie das traurige Gesicht mit den fahlen Wangen der Frau aus der Schmiede. Was wäre, wenn sie doch zu viel versprochen hatte? Was ist, wenn ihre Eltern auf stur schalten würden und Maxillias Wunsch ignorierten? Wie sehr würde es die Frau wohl noch zerbrechen, wenn sie feststellen müsste, dass ihre Hoffnung umsonst gewesen war und sie das Einzige, das sie von ihrem Sohn noch gehabt hatte, nun auch noch verloren war? Max wollte sich das gar nicht vorstellen. Sie wollte das nicht verantworten. Also musste sie wohl darum kämpfen und alles dafür tun ihren Plan durchzusetzen. Der Schmerz der Frau wollte sie nicht loslassen und brannte sich immer weiter in Maxillias Herz. Frustriert schmiss sie sich auf ihr Bett, während die Gedanken in ihrem Kopf weiter kreisten und der Ärger immer noch in ihr brodelte. Wie sollte sie nur ihre Eltern überzeugen und der Frau helfen? Davon abgesehen, stand sicher nicht nur die Mutter des Rekruten, Ian Amell, mit dieser Verzweiflung da. Schließlich gab es dazu sicher noch andere Familienmitglieder und andere Familien, mit denen sie nicht hatte sprechen können. Bei ihrem Vater hatte besonders seine Schwester unter dem Verlust und der Ungewissheit gelitten, ob sie ihn je wiedersehen würde. Er war damals ihre engste Bezugsperson gewesen, die plötzlich einfach weg war. Eine Weile verging, in der sie eigentlich nur grimmig die Wand anstarrte und sich weiter über ihre Eltern aufregte. Wobei sie mehr den Groll auf ihren Vater hegte. Schließlich hatte Isabella sie nur mit großen Augen angestarrt, als wäre sie zu Stein geworden. Aber sie hätte ja wenigstens auch mal etwas sagen können, auch wenn Max es nicht hätte hören wollen, wenn sie auf Dons Seite gewesen wäre. Also war es vielleicht tatsächlich besser gewesen, dass sie sich da rausgehalten hatte. Von unten drang plötzlich Isabellas Stimme in ihr Schlafzimmer, die sie aus ihren Gedanken riss. Zwar hatte sie nicht verstanden was ihre Mutter gesagt hatte, aber zumindest kündigte es sie an. So blieb Maxillia ein kurzer Moment, um ihren Verband zu überprüfen und rückte ihn erneut zurecht. Ein mulmiges Gefühl ließ ihren Bauch allerdings verkrampfen, da sie nicht wirklich abschätzen konnte, was nun geschehen würde. Würde sie nun furchtbaren Ärger bekommen? Oder wohlwollende Worte hören? Mit nachdenklichem Gesicht betrat Isabella das Schlafzimmer ihrer Tochter und setzte sich neben sie auf das Bett. Zumindest standen schon mal keine Zornesfalten auf ihrer Stirn, was Maxillia ein wenig hoffen ließ. Einen Moment lang hielt Isabella noch inne, als ob sie nach den richtigen Worten suchte, bevor sie im ruhigen Ton sagte: „Sei nicht böse auf deinen Vater“. „Bin ich aber“, nutzte Max gleich die Atempause ihrer Mutter. „Ich meine was soll das denn? Er kann doch wenigstens mal darüber nachdenken“, fuhr Max fort und wandte ihren Blick gleich wieder zur Wand. „Das mag sein, aber trotzdem ist er dein Vater. Es war also auch nicht richtig, wie du mit ihm geredet hast“, erwiderte Isabella mit sanfter Stimme. „Das stimmt, aber er hätte das ja nicht gleich persönlich nehmen müssen. Er hat mir ja gar nicht richtig zugehört. Hätte er das nämlich gemacht, wäre ihm gleich aufgefallen, dass ich ihn nicht für etwas verurteile, was er gar nicht erfunden hat“, erwiderte Maxillia anklagend. Seufzend ließ Isabella ihren Blick zu Boden sinken, die offenbar nicht genau wusste, was sie darauf sagen sollte. Max nutzte dies aus und machte ihrem Frust freie Bahn: „Ihr wollt doch auch, dass ich eure Nachfolgerin werde. Warum gebt ihr mir dann aber keine Chance das Ganze richtig zu lernen, damit ich das auch später hinbekomme. Und wenn ich eine Idee habe, zu der ich ja auch eine ziemlich gute Begründung habe, denkt ihr nicht einmal darüber nach, sondern blockt gleich alles ab. Wie soll mich das Volk bitte ernstnehmen, wenn ihr es nicht einmal tut? Es nimmt mich doch eh schon keiner ernst“, fuhr Max aufgebracht mit hochgezogenen Augenbrauen fort. „Wir nehmen dich ernst. Aber...“, „Vielleicht du. Aber damit bist du hier in diesem Land wohl die einzige Person“, unterbrach Max ihre Mutter gleich wieder, die sie besorgt ansah. „Das stimmt doch gar nicht“, seufzte Isabella, worauf hin Max sagte: „Dann verrate mir mal, worüber die Rekruten sonst ständig lachen, wenn sie mir beim Training zusehen“. „Ach Max. Du nimmst die Meinungen anderer zu ernst. Dazu kommt, dass nicht das Volk entscheidet wer du bist, sondern das Leben und du selbst. Was das andere angeht, rede ich nochmal mit deinem Vater. Er sah ziemlich mitgenommen aus, als du herausgestürmt bist. Ich denke, dass du da einen sehr wunden Punkt bei ihm getroffen hast. Aber jetzt beruhige dich erst mal. Schließlich habe ich nicht nein gesagt. Und mein Wort hat nunmal deutlich mehr Gewicht, als das von Don“, versuchte Isabella ihre Tochter zu beschwichtigen. Ein kurzes Lächeln huschte dieser über die Lippen. Denn scheinbar war ihre Mutter auf ihrer Seite und nicht auf der ihres Vaters. „Heißt das, dass du die Idee, den Rekruten mehr Freizeit zu geben, gut findest?“, hakte Max nach, da ihre Mutter immer noch nichts über ihre Meinung dazu gesagt hatte und sie nicht nur spekulieren wollte. „Das weiß ich noch nicht. Ich muss erstmal gründlich darüber nachdenken und Für und Wider abwägen. Schließlich ist es eine Änderung an den bisher bestehenden Regeln. Dazu muss ich prüfen, ob in den Bündnisverträgen etwas steht, was mich in meiner Entscheidung diesbezüglich einschränkt. Im ersten Moment fände ich das gar nicht schlecht. Aber, wie gesagt, muss ich noch ein paar Sachen prüfen, um mir eine endgültige Meinung bilden zu können und dann eben zu entscheiden“, antwortete Isabella zu Maxillias Freude und lächelte diese an. „Na gut. Dann muss ich wohl ein wenig abwarten und geduldig sein“, stellte Max fest, in der neue Hoffnung aufkeimte. „Genau. Und versuche bis dahin bitte nicht zu viel darüber nachzudenken“, stimmte Isabella ihrer Tochter zu. „Ist in Ordnung. Vor allem sollte ich nicht zu sehr über diese Geschichte nachdenken, die ich gelesen habe. Das macht mich sonst nur noch depressiv“, versprach Max lachend und lehnte ihren Kopf auf die Schulter ihrer Mutter. „Das ist gut. Wir schlafen einfach alle mal drüber und sprechen ein anderes Mal weiter“, entgegnete Isabella und streichelte ihrer Tochter über die Wange. Zustimmend nickte Max und richtete sich wieder auf. Sie fühlte sich schon gleich viel besser und der Gedanke an die Frau aus der Schmiede schmerzte gleich viel weniger. Zudem war sie unglaublich erleichtert, dass ihr der große Ärger erspart geblieben war, den sie eigentlich befürchtet hatte. „Jetzt lasse ich dich aber erstmal wieder allein. Der Tag war anstrengend und ich bin müde. Davon abgesehen habe ich dir gerade versprochen nochmal mit deinem Vater zu reden und ein paar Sachen zu prüfen. Versprich dir aber nicht gleich morgen eine Entscheidung“ lächelte Isabella mit hochgezogenen Augenbrauen und hob den Zeigefinger, um ihren letzten Satz physisch zu unterstreichen. „Vielleicht solltest du auch bald schlafen gehen. Schließlich bist du noch verletzt und brauchst Ruhe“, ergänzte sie und küsste ihrer Tochter auf die Stirn. „Schon gut“, seufzte diese mit einem leidenden Blick, als ginge es ihr schlecht. Sie musste in ihrer Rolle bleiben und weiter die Verletzte spielen. „Na gut. Dann schlaf nachher schön“, schnaufte Isabella, als sie sich erhob und ging in Richtung Treppe. „Ach so. Gib mir doch am besten das Buch mit, in dem die Geschichte steht. Vielleicht ist es besser, wenn du gar nicht erst die Gelegenheit hast erneut hineinzusehen“, drehte Isabella sich nochmal um. Kurz stockte Max der Atem. Was sollte sie nur sagen? Schließlich hatte sie nie ein Buch mit so einer Geschichte in der Hand gehabt und nur erzählt sie habe es in solch einem gelesen. Sie wusste noch nicht einmal, ob auch nur eine ähnliche Geschichte existierte. Denn dieses Problem war ja doch recht lokal, wenn auch schon viele Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte. „Ich habe es der Wache schon wieder mitgegeben. Ich wollte es nicht weiter bei mir haben, als ich die Geschichte zu Ende gelesen hatte. Es war mir zu dramatisch gewesen. Schließlich hatte ich immer auf ein positives Ende gehofft. Allerdings hatte es ein solches nicht gegeben“, stotterte sie und versuchte dabei ihre Unsicherheit zu überspielen. „Achso. Na, dann ist ja alles gut. Dann gehe ich jetzt. Gute Nacht“, entgegnete Isabella, der man anmerkte, dass sie ein wenig enttäuscht über diese Antwort gewesen war. Sicher wollte sie Maxillias Aussage überprüfen und selbst nachlesen was dort stand. Aber da diese Geschichte höchstwahrscheinlich gar nicht existierte, konnte Max ihr diese wohl auch nie zeigen. „Ja. Ist in Ordnung. Gute Nacht“, erwiderte Max mit pochendem Herzen. Sie versuchte sich die Aufregung nicht anmerken zu lassen, die durch ihre Adern pulsierte. Sie war sich nämlich nicht sicher, ob ihre Mutter ihr wirklich glaubte. Schließlich hatte sie sie schon oft durchschauen können. Nur die Sache mit ihren täglichen Ausflügen mit Seraphina, schien sie noch nicht bemerkt zu haben. Mit einem Lächeln wandte Isabella sich ab und stieg die Treppen herunter, während Max starr auf ihrem Bett sitzen blieb und den sich entfernenden Schritten lauschte. Erst als unten die Tür ins Schloss fiel, atmete sie durch und nahm den überflüssigen Verband von ihrem Kopf, der eigentlich nur störte. Mit beiden Händen wischte sie sich über das Gesicht, als wollte sie die Anspannung wegwischen. Was hatte sie nur getan? Erst jetzt dachte sie darüber nach, was passieren würde, wenn ihre Eltern ihre Geschichte wirklich überprüfen würden. Schließlich würde die Wache die Wahrheit sagen und so die Lüge entlarven. Gut. Sie könnte mit der Wache sprechen und ihn darum bitten ihre Geschichte zu bestätigen. Aber dann würde sie ihn mit in die Lügerei verstricken und ihn eventuell sogar in Schwierigkeiten bringen. Vielleicht sollte sie es doch einfach auf sich zukommen lassen und abwarten, was geschehen würde. Eine eventuelle Strafe sollte, wenn dann nur sie treffen und nicht den armen Mann, der den ganzen Tag vor ihrer Tür herumstehen musste. Schließlich war er es ja nicht, der der Frau ein Versprechen gegeben hatte, dessen Ausgang sie kaum vorhersehen konnte. Vielleicht war es eh schon zu spät und Isabella hatte ihn schon längst befragt. Müde stand sie von ihrem Bett auf und ging in den zweiten Stock ihrer Gemächer. Wenn es schon zu spät war, dann musste sie sich vielleicht doch noch eine andere Geschichte ausdenken. Oder sie sagte die Wahrheit. Nur dann würden sicher unangenehme Fragen auftreten, die Auswirkungen haben könnten, die die Verabredungen mit Seraphina betrafen. Grübelnd wusch sie sich das Gesicht und versuchte auf eine Lösung zu kommen, die ihr vielleicht keine Strafe einbrocken würde, aber auch glaubwürdig war. Etwas was ihre Eltern vielleicht nicht einmal nachprüfen konnten. Aber auch als sie endlich fertig zum Schlafengehen war, war ihr noch kein Gedanke gekommen, der sie hätte aus dem Schlamassel herausholen können. Der Tag war anstrengend gewesen und es war so viel passiert, dass sie kaum noch einen klaren Gedanken fassen konnte. Vielleicht nahmen ihre Eltern das alles auch einfach so hin und stellten keine weiteren Fragen. Max redete es sich mehr ein, als dass sie daran glaubte und begab sich wieder nach oben in ihr Schlafzimmer. Erschöpft kuschelte sie sich in ihr Bett und drehte sich auf die Seite, damit sie aus dem Fenster schauen konnte. Der Himmel war tiefschwarz, an dem die Sterne wunderschön funkelten, wie tausende Diamanten. Herrlich sah es aus, wie sie so hell neben den beiden Monden glommen, deren rote und weiße Sicheln dicht beieinanderstanden. Bis ihre Augenlider so schwer waren, dass sie von allein zufielen, starrte Maxillia auf die Kraterlandschaften, die die beiden Monde überzogen. Es sah beinahe aus, als hätte jemand mit der Fingerspitze immer wieder ihre Oberflächen berührt und große, kreisrunde Dellen auf ihnen hinterlassen. Wobei der rote Sand des näheren Mondes weniger stark gezeichnet war als der Stein des silbrig weißen Mondes. Schon bald schlief Maxillia ein und versank etwas unruhig im Land der Träume.




















Maxillia

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