Читать книгу Weihnachtsmärchenwald - Verschiedene Autoren - Страница 6

Das zweite Viertel

Оглавление

Der Brief, den Toby von Alderman Cute erhalten hatte, war an einen großen Mann in dem großen Distrikt der Stadt adressiert. Der größte Distrikt der Stadt. Er mußte es auch wohl sein, weil er allgemein von seinen Einwohnern die ›Welt‹ genannt wurde.

Der Brief kam entschieden Tobys Hand weit schwerer vor, als ein andrer Brief – nicht weil ihn der Alderman mit einem sehr großen Wappen und einer endlosen Lackverschwendung gesiegelt hatte, sondern wegen des wichtigen Namens auf dem Umschlag und der schweren Menge von Gold und Silber, an die er erinnerte.

„Wie ganz verschieden von uns!“ dachte Toby in aller Einfalt, als er die Adresse las. „Wenn man die zum Tod bestimmten Schildkröten durch die Anzahl der vornehmen Leute teilte, die sie kaufen könnten, würde er nur seinen eignen Anteil beanspruchen und würde es verachten, irgendeinem Menschen die Kuttelflecke vor dem Mund wegzuschnappen!“

Mit der unwillkürlichen Huldigung, die einem so hochstehenden Charakter gebührte, brachte Toby einen Zipfel seiner Schürze zwischen den Brief und seine Finger.

„Seine Kinder,“ fuhr Trotty fort, und ein Nebel legte sich vor seine Augen, „seine Töchter – vornehme Herren können kommen, ihre Herzen gewinnen und sie heiraten. Sie dürfen glückliche Weiber und Mütter werden – sind vielleicht schön, wie meine liebe M – e –.“

Er konnte den Namen nicht zu Ende bringen, denn der letzte Buchstabe schwoll in seiner Kehle zum Umfang des ganzen Alphabets an.

„Doch gleichviel,“ dachte Trotty. „Ich weiß, was ich meine, und das ist mehr als genug für mich.“

Und mit dieser tröstlichen Betrachtung trabte er weiter.

Es hatte an diesem Tag hart gefroren, und die Luft war stärkend, frisch und klar. Die winterliche Sonne gab zwar keine Wärme, blickte aber glänzend auf das Eis nieder, das sie nicht schmelzen konnte, und ließ darin ihre Strahlen spiegeln. Zu andern Zeiten hätte Trotty vielleicht dieser Wintersonne eine Lehre für den armen Mann abgewinnen können, aber er war jetzt darüber hinaus.

Das Jahr war sterbensalt an diesem Tag. Das geduldige Jahr hatte die Vorwürfe und Schmähungen seiner Lästerer überlebt und war getreulich mit seinem Werk zustande gekommen. Frühling, Sommer, Herbst, Winter. Es hatte sich durch den ihm angewiesenen Kreislauf gearbeitet und legte jetzt sein müdes Haupt nieder, um zu sterben. Abgeschnitten von aller Hoffnung, von allen starken Impulsen, von allem Lebendigen, und nur noch ein Bote vieler Freuden für andre, verlangte es weiter nichts, als daß man sich seiner vielen mühsamen Tage und geduldigen Stunden erinnere und es dann in Frieden hinscheiden lasse. Trotty hätte aus dem entschwindenden Jahr ein Sinnbild des armen Mannes lesen können – aber er war jetzt darüber hinaus.

Und nur er? Oder war vielleicht seit siebzig Jahren derselbe Aufruf zumal an jeden englischen Arbeiter ergangen, aber vergeblich?

Die Straßen waren sehr belebt und die Läden prunkhaft ausgestattet. Wie einem jugendlichen Erben der ganzen Welt sah man dem neuen Jahr mit Freude, Willkomm und Geschenken entgegen. Da lagen Bücher und Spielzeug für das neue Jahr, funkelndes Geschmeide für das neue Jahr, Anzüge für das neue Jahr, Glücksentwürfe für das neue Jahr; neue Erfindungen, um es um seine Zeit zu betrügen. Sein Leben war in Kalendern und Taschenbüchern haargenau eingeteilt; das Erscheinen der Monde, der Sterne und der Gezeiten war im voraus bis auf die Sekunde bekannt; ja sogar das Wirken der Jahreszeiten bei Tag und bei Nacht war mit ebenso großer Genauigkeit berechnet, wie Herr Filer aus Männern und Weibern Summen herausarbeiten konnte.

Das neue Jahr, das neue Jahr – überall das neue Jahr! Das alte betrachtete man schon als tot, und seine Effekten wurden spottbillig verkauft, wie die eines ertrunkenen Matrosen an Bord. Seine Moden wurden schon der Vergangenheit beigezählt und fielen als Opfer, ehe noch sein Atem ausgegangen war. Seine Schätze waren bloßer Schmutz neben den Reichtümern des neugeborenen Nachfolgers!

Trotty dachte für sich: „Du hast doch keinen Teil weder an dem neuen noch an dem alten Jahr.“

„Leg es ihnen, leg es ihnen! Tatsachen und Zahlen, Tatsachen und Zahlen. Gute alte Zeiten, gute alte Zeiten! Leg es ihnen, leg es ihnen!“ – sein Trab ging nach diesem Takt und wollte sich in keinen andern schicken.

Doch auch dieser, so traurig er war, brachte ihn endlich ans Ende seiner Wanderung nach der Wohnung des Sir Joseph Bowley, Parlamentsmitglied.

Die Tür wurde durch einen Portier geöffnet. Und noch dazu durch was für einen Portier! Kein Porter [Fußnote] von Tobys Rang. Etwas ganz andres. Und bei seiner Stellung konnte er die Botengänge wohl entbehren; nicht aber Toby.

Dieser Portier mußte zuvor schwer schnauben, ehe er sprechen konnte; denn er hatte sich außer Atem gehetzt, weil er unvorsichtigerweise von seinem Stuhl aufgestanden war, ohne daß er sich zuvor Zeit genommen hatte, darüber nachzudenken und sein Gemüt zu beruhigen. Als er endlich seine Stimme gefunden hatte – freilich dauerte dies eine geraume Zeit, denn sie war weg und unter einer Last Fleisch verborgen – begann er in fettem Geflüster:

„Von wem ists?“

Toby sagte es ihm.

„Ihr müßt es selbst hineintragen,“ sagte der Portier, nach einem Zimmer am Ende eines langen Ganges deutend, der an die Halle stieß. „An diesem Tag des Jahres geht alles direkt hinein. Ihr kommt nicht eine Sekunde zu früh, denn der Wagen steht schon vor der Tür, und sie sind ausdrücklich nur für ein paar Stunden nach der Stadt gekommen.“

Toby wischte sich sorgfältig die Füße ab, obschon sie ganz trocken waren, und schlug den ihm angedeuteten Weg ein. Während er durch die Halle trottete, bemerkte er, daß es ein schauerlich großartiges Haus war, aber alles so still und verhüllt, als befände sich die Familie auf dem Land. Er klopfte an die Zimmertür, und als er auf ein ›Herein!‹ eintrat, gelangte er in ein geräumiges Bibliothekzimmer, in dem vor einem mit Papieren bedeckten Tisch eine stattliche Dame im Hut saß.

Ein nicht sehr stattlicher, schwarz gekleideter Gentleman schrieb, was sie diktierte, und ein andrer älterer und viel stattlicherer Gentleman, dessen Hut und Stock auf dem Tisch lagen, ging auf und ab, die eine Hand in die Brust steckend und von Zeit zu Zeit sein eignes Porträt in Lebensgröße, das über dem Kamin hing, betrachtend.

„Was ist dies?“ fragte der letzterwähnte Gentleman. „Herr Fish, wollen Sie nicht die Güte haben, sich darum zu kümmern?“

Herr Fish bat um Verzeihung, nahm Toby den Brief ab und überreichte ihn mit großer Ehrfurcht.

„Von Alderman Cute, Sir Joseph.“

„Ist dies alles? Habt Ihr sonst nichts, Austräger?“ fragte Sir Joseph.

Toby antwortete verneinend.

„Habt Ihr keinen Wechsel, keine Forderung an mich, von welcher Seite her es auch sein mag?“ sagte Sir Joseph. „Mein Name ist Bowley – Sir Joseph Bowley; wenn Ihr etwas habt, so gebt es her. Herr Fish hat ein Scheckbuch neben sich liegen. Ich lasse nichts ins neue Jahr hinübergehen. Jede Art Rechnung muß in diesem Haus am Schluß des alten beglichen werden, damit, wenn der Tod – wenn der Tod ...“

„Mich wegraffen sollte,“ ergänzte Herr Fish.

„Die Saite meines Daseins zerreißen sollte, Sir,“ erwiderte Sir Joseph mit großer Strenge – „meine Angelegenheiten hoffentlich im Zustande der Vorbereitung gefunden werden.“

„Mein teurer Sir Joseph!“ sagte die Dame, die viel jünger war als der Gentleman. „Wie entsetzlich!“

„Mylady Bowley,“ entgegnete Sir Joseph, der wie unter der ungeheuerlichen Tiefsinnigkeit seiner Bemerkungen hin und wieder stockte, „zu dieser Zeit des Jahres müssen wir an – an – uns selbst denken. Wir sollten Einsicht nehmen in – in unsre Rechnungen. Wir sollten fühlen, daß jede Wiederkehr einer so ereignisvollen Periode im menschlichen Leben Dinge mit sich führt – Dinge von tiefer Bedeutung zwischen dem Menschen und seinem – und seinem Bankier.“ Sir Joseph entledigte sich dieser Worte in einer Weise, als fühle er die volle Moralität derselben und wünsche, daß sogar Trotty Gelegenheit habe, sich an einem derartigen Gespräch zu erbauen. Vielleicht lag dies in seiner Absicht, weil er immer das Siegel des Briefes noch uneröffnet ließ und zu Trotty sagte, er solle noch eine Minute warten.

„Mylady, Sie wollten Herrn Fish schreiben lassen...“, bemerkte Sir Joseph.

„Herr Fish hat es, glaube ich, schon geschrieben,“ versetzte die gnädige Frau, nach dem Brief hinsehend. „Aber auf mein Wort, Sir Joseph, ich glaube nicht, daß ich es zulassen kann. Es ist so kostspielig.“

„Was ist kostspielig?“ fragte Sir Joseph.

„Dieser Wohltätigkeitsverein, mein Lieber. Sie gestatten nur zwei Stimmen für eine Unterzeichnung von fünf Pfund. Das ist in der Tat zu arg.“

„Mylady Bowley,“ entgegnete Sir Joseph, „Ihr setzt mich in Erstaunen. Steht der Hochgenuß des Gefühls im Verhältnis zu der Anzahl der Stimmen, oder steht er für eine edle Seele im Verhältnis zu der Anzahl der Bewerber und der ganzen Gesinnung, in die sie durch ihre Bewerbung versetzt werden? Liegt nicht Aufregung der reinsten Art in dem Umstand, unter fünfzig Personen über zwei Stimmen zu verfügen?“

„Ich gestehe, für mich nicht, denn man langweilt sich dabei,“ entgegnete die gnädige Frau. „Außerdem kann man sich keine Freunde verbinden. Doch ich weiß ja, Ihr seid des armen Mannes Freund, Sir Joseph, und denkt anders.“

„Ich bin allerdings des armen Mannes Freund,“ bemerkte Sir Joseph, nach dem anwesenden armen Mann hinblickend. „Als solchen mag man mich immerhin verhöhnen, wie man mich schon verhöhnt hat; ich verlange dennoch keinen ändern Titel!“

„Gott segne diesen edlen Gentleman!“ dachte Trotty.

„Mit Cute da zum Beispiel bin ich nicht einverstanden,“ sagte Sir Joseph, indem er den Brief ausstreckte. „Ebensowenig sagt mir Filers Partei zu. Ich will nichts von einer Partei wissen. Mein Freund, der arme Mann, hat nichts mit irgend etwas dieser Art zu schaffen, und solche Dinge gehen ihn auch durchaus nichts an. Mir liegt mein Freund, der arme Mann in meinem Distrikt, am Herzen, und kein Mensch und keine Parteigruppe, mögen ihrer auch noch so viele sein, haben ein Recht, sich zwischen mich und meinen Freund zu drängen. Dies ist das Feld, von dem ich nicht weiche. Ich stehe meinem Freunde in der – in der Eigenschaft eines Vaters gegenüber und sage zu ihm: „mein guter Bursche, ich will väterlich an dir handeln.“

Toby hörte mit großem Ernst zu – es wurde ihm nachgerade wohler zumute.

„Mein guter Freund,“ fuhr Sir Joseph fort, indem er zerstreut nach Toby hinblickte, „du hast in diesem Leben nichts – ganz und gar nichts zu tun, als dich auf mich zu verlassen, und brauchst dich nicht zu bemühen, über irgend etwas nachzudenken. Ich will für dich denken, denn ich weiß, was gut für dich ist, und bin stets dein Vater. Dies ist die Fügung einer allweisen Vorsehung! Du bist nicht dazu geschaffen, um zu schlemmen, zu trinken und wie das Vieh deine Lust im Essen zu suchen“ – Toby dachte mit Gewissensbissen an seine Kuttelflecke – „du sollst nur die Würde der Arbeit fühlen. Geh aufrecht hinaus in die erfrischende Morgenluft und – und bleibe daselbst. Lebe spärlich und mäßig, benimm dich respektvoll, übe dich in der Selbstverleugnung, erziehe deine Familie mit fast nichts, zahle deine Steuer so regelmäßig als die Uhr schlägt, sei pünktlich in deinem Verkehr – ich gebe dir darin ein gutes Beispiel, denn du wirst Herrn Fish, meinen Geheimschreiber, stets mit einer Geldtruhe vor sich sehen – und du kannst auf mich als auf deinen Freund und Vater bauen.“

„In der Tat, saubere Kinder, Sir Joseph,“ sagte die Dame mit einem Schauder. „Rheumatismen, Fieber, verkrümmte Beine, Asthma und dergleichen Schrecken.“

„Mylady,“ versetzte Sir Joseph mit Feierlichkeit, „nichtsdestoweniger bin ich des armen Mannes Freund und Vater. Nichtsdestoweniger soll er aus meinen Händen Ermutigung erhalten. An jedem Vierteljahrstag kann er sich mit Herrn Fish besprechen. An jedem Neujahrstag werde ich mit Freunden auf seine Gesundheit trinken. Einmal im Jahr werden ich selbst und meine Freunde tief empfundene Worte an ihn richten. Einmal in seinem Leben kann er vielleicht öffentlich und in Anwesenheit der Honoratiorenschaft sogar eine Kleinigkeit von einem Freund erhalten. Und wenn er, nicht mehr durch derartige Antriebe und durch die Würde der Arbeit aufrechtgehalten, in sein trostreiches Grab sinkt, dann, Mylady“ – hier blies Sir Joseph seine Nase auf – „werde ich unter denselben Bedingungen ein Freund und Vater sein – seinen Kindern.“

Toby fühlte sich tief bewegt.

„O! Da habt Ihr auch eine dankbare Familie, Sir Joseph!“ rief seine Gattin.

„Mylady,“ versetzte Sir Joseph in majestätischem Ton, „Undank ist bekanntermaßen die Sünde dieser Klasse. Ich erwarte keinen andern Lohn.“

„Ah! schon als schlecht geboren!“ dachte Toby. „Nichts kann unser verhärtetes Gemüt rühren.“

„Was ein Mensch tun kann, geschieht von meiner Seite aus,“ fuhr Sir Joseph fort. „Ich erfülle meine Pflicht als des armen Mannes Freund und Vater und bemühe mich, seinen Geist zu bilden, indem ich ihm bei allen Gelegenheiten die eine große moralische Lehre, die diese Klasse braucht, ans Herz lege. Das heißt, unbedingte Abhängigkeit von mir. Sie haben durchaus nichts mit – mit sich selbst zu schaffen. Aber auch wenn gottlose und hinterlistige Personen sie eines andern belehren wollen – wenn sie ungeduldig und unzufrieden werden, sich eines unbotmäßigen Betragens und schwarzen Undanks schuldig machen, was ohne Zweifel der Fall sein wird, bleibe ich dennoch ihr Freund und Vater. Es ist so von der Vorsehung verordnet und liegt in der Natur der Dinge.“

Mit diesem großartigen Gefühl öffnete er den Brief des Alderman und las ihn.

„In der Tat sehr höflich und aufmerksam!“ rief Sir Joseph. „Mylady, der Alderman ist so verbindlich, mich zu erinnern, daß er die ›ausgezeichnete Ehre‹ hatte – er ist sehr gütig – mich in dem Haus unsres gemeinschaftlichen Freundes, des Bankiers Deedles, zu treffen, und erweist mir die Gunst, anzufragen, ob es mir angenehm sei, wenn er Will Fern das Handwerk lege.“

„Höchst angenehm!“ versetzte Lady Bowley. „Der Schlimmste von allen! Hoffentlich hat er einen Raub begangen.“

„Ei nein,“ entgegnete Sir Joseph, in den Brief blickend. „Nicht ganz. Zwar nahe daran, aber nicht ganz. Es scheint, daß er nach London kam, um sich nach Arbeit umzusehen (sich zu verbessern, sagt er), und da wurde er denn nachts in einem Schuppen schlafend gefunden, in Haft genommen und am andern Morgen vor den Alderman gebracht. Der Alderman bemerkt (und zwar sehr richtig), daß er fest entschlossen sei, mit derartigen Vorkommnissen aufzuräumen, und wenn es mir angenehm sei, daß man es Will Fern endlich lege, so schätze er sich glücklich, mit ihm den Anfang zu machen.“

„Jedenfalls soll ein Exempel an ihm statuiert werden,“ entgegnete die gnädige Frau. „Als ich letzten Winter unter den Männern und Knaben des Dorfes als eine hübsche Abendbeschäftigung das Spitzen und Öhren der Nadeln einführte und bei dieser Gelegenheit den Vers

O laßt uns unsre Arbeit üben,

Den Squire und dessen Haus stets lieben,

Von unserm Tagsverdienste leben,

Uns unsres Stands nicht überheben

in Musik setzte, damit sie ihn dazu sängen, langte derselbige Fern – ich kann ihn noch sehen – an seinen Hut und sagten ›Bitt demütig um Verzeihung, Mylady, aber ist nicht doch noch ein Unterschied zwischen mir und einem großen Mädchen?‹ Natürlich erwartete ich dies, denn von dieser Klasse ist doch nichts als Unverschämtheit und Undank vorauszusehen. Doch warum sollte ich mich auch ereifern! Sir Joseph, laßt ein Exempel an ihm statuieren.“

„Hm!“ hustete Sir Joseph. „Herr Fish, wollen Sie so gut sein, aufzumerken ...“

Herr Fish ergriff augenblicklich seine Feder und schrieb, wie ihm Sir Joseph diktierte.

„Privat.

Mein teurer Sir!

Ich bin Euch für Eure Höflichkeit in der Sache dieses William Fern, von dem ich leider nichts Günstiges sagen kann, sehr verpflichtet. Ich habe mich ihm gegenüber stets im Lichte eines Vaters und Freundes gesehen, bin aber (wie es leider nur zu gewöhnlich der Fall ist) mit Undank und beharrlicher Opposition gegen meine Pläne belohnt worden. Er ist ein unruhiger, rebellischer Geist. Sein Charakter duldet kein Erforschen. Nichts wird ihn dazu vermögen, glücklich zu sein, da er es doch so gut könnte. Unter diesen Umständen gestehe ich, daß Ihr meiner Ansicht nach der Gesellschaft einen Dienst leisten und ein heilsames Beispiel in einem Land geben würdet – wo, sowohl um derer willen, die im guten oder im bösen Ruf eines Vaters und Freundes der Armen stehen, als auch mit Rücksicht auf die irregeleitete Klasse selbst, Beispiele so nötig sind – wenn Ihr diesen Mann für einige Zeit als Vagabunden einsperren ließet, falls sich derselbe, wie er Euch in dem Verhör versprochen hat (und ich zweifle nicht, daß er Wort halten wird), wieder bei Euch einstellen sollte. Ich verbleibe“ usw.

„Es kommt mir vor,“ bemerkte Sir Joseph, als er diesen Brief unterzeichnet hatte und Herr Fish ihn eben versiegelte, „als ob dies wahrhaftig eine Verordnung der Vorsehung sei. Am Schluß des Jahres kann ich sogar mit William Fern meine Rechnung begleichen und meine Bilanz aufstellen.“

Trotty, dem der Mut schon längst wieder ganz und gar entsunken war, trat jetzt mit einer Jammermiene vor, um den Brief in Empfang zu nehmen.

„Mit meinem Kompliment und meinem Danke,“ sagte Herr Joseph. „Halt!“

„Halt!“ wiederholte Fish.

„Ihr habt vielleicht gewisse Bemerkungen gehört,“ fuhr Sir Joseph orakelhaft fort, „zu denen ich mich durch den feierlichen Zeitpunkt, an dem wir angelangt sind, und durch die gebieterische Pflicht, in einem solchen Augenblick alle häuslichen Angelegenheiten zu ordnen, verleiten ließ. Ihr habt bemerkt, daß ich mich nicht hinter meine hohe Stellung in der Gesellschaft verschanze, sondern daß Herr Fish – dieser Gentleman da – ein Scheckbuch neben sich liegen hat und nur dazu hier ist, um mich in den Stand zu setzen, ein vollkommen neues Blatt aufzuschlagen, damit die neue Epoche mit einem vollkommen reinen Buche angetreten werden kann. Nun, mein Freund, seid Ihr gleichfalls imstande, Eure Hand aufs Herz zu legen und zu sagen, daß Ihr Eure Vorbereitungen für ein neues Jahr getroffen habt?“

„Ich fürchte, Sir,“ stammelte Trotty, ihn demütig anblickend, „daß ich mit der Welt ein – ein – wenig im Rückstand bin.“

„Im Rückstand mit der Welt?“ wiederholte Sir Joseph Bowley in einem Ton von erschreckender Deutlichkeit.

„Ich fürchte, Sir,“ stotterte Trotty, „daß da noch zehn oder zwölf Schilling sind, die ich Frau Chickenstalker schuldig bin.“

„Frau Chickenstalker schuldig?“ wiederholte Sir Joseph in demselben Ton wie zuvor.

„Sie hält einen Laden, in dem alles zu haben ist,“ entgegnete Toby. „Auch ein – ein wenig fehlt noch an der Hausmiete. Nur sehr wenig, Sir. Ich weiß, wir sollten nichts schuldig sein, aber es ist uns wahrhaftig recht schlimm ergangen.“

Sir Joseph musterte zweimal seine Gattin, Herrn Fish und Trotty im Kreis, worauf er mit beiden Händen eine trostlose Gebärde machte, als gebe er die Sache ganz und gar auf.

„Wie kann ein Mann, sogar einer aus dieser unbekümmerten und unpraktischen Rasse – ein alter Mann, ein grauer Mann, einem neuen Jahre ins Gesicht sehen, während seine Angelegenheiten sich in einem solchen Zustand beenden! Wie kann er sich nachts zu Bett legen und am Morgen wieder aufstehen, während – da!“ fügte er bei, indem er Trotty den Rücken zuwandte – „nehmt den Brief, nehmt den Brief!“

„Wollte Gott, es wäre anders, Sir,“ sagte Trotty, der sich sehnlichst zu entschuldigen wünschte. „Aber wir sind bitter heimgesucht worden.“

Da Sir Joseph noch immer sein „Nehmt den Brief, nehmt den Brief!“ wiederholte, und Herr Fish nicht nur das gleiche sagte, sondern auch der Aufforderung dadurch einen weitern Nachdruck gab, daß er gegen die Tür wies, blieb dem armen Trotty nichts übrig, als daß er seine Verbeugung machte und das Haus verließ. Auf der Straße angelangt, zog er seinen alten, abgenützten Hut ins Gesicht, um den Schmerz zu verbergen, den er darüber fühlte, daß er nirgends dem Neujahr einen Halt abgewinnen konnte.

Er hob seine Kopfbedeckung nicht einmal, um an dem Glockenturm hinaufblicken zu können, als er auf dem Rückweg an der alten Kirche vorbeikam. Für einen Augenblick blieb er gewohnheitshalber stehen. Er wußte, daß es dunkel wurde und der Kirchturm schwach und undeutlich über ihm in die trübe Luft stieg; auch wußte er, daß die Glocken alsbald erschallen würden, und daß sie zu einer solchen Zeit wie Stimmen aus den Wolken in seine Ohren zu tönen pflegten. Aber er beeilte sich nur um so mehr, den Brief an den Alderman abzuliefern und ihnen aus dem Wege zu kommen, ehe sie anfingen, denn er fürchtete, in ihrem Bimmeln nichts andres als den ewigen Refrain „Freunde und Väter, Freunde und Väter“ zu hören.

Toby sputete sich daher nach Kräften, seinen Auftrag auszurichten, und trabte dann nach Hause. Sein Gang war aber im besten Fall linkisch und wurde durch den tief ins Gesicht gedrückten Hut nicht verbessert, weshalb er nach kurzer Zeit gegen jemand anprallte, der ihn taumelnd auf den Fahrweg hinausschleuderte.

„Ich bitte um Verzeihung !“ sagte Trotty, in großer Verwirrung seinen Hut in die Höhe ziehend, dessen zerrissenes Futter aber auf der Stirn sitzen blieb, so daß sein Kopf wie in einem Bienenkorb steckte. „Hoffentlich habe ich Euch nicht verletzt?“

Toby war kein so absoluter Samson, daß er möglicherweise irgend jemand hatte beschädigen können; dagegen lag die Wahrscheinlichkeit weit näher, daß er selbst Schaden genommen hatte, denn er war wie ein Feuerball auf die Straße hinausgeflogen. Dennoch hatte er eine so hohe Meinung von seiner eignen Kraft, daß er um den andern wirklich besorgt war und noch einmal fragte:

„Hoffentlich habe ich Euch nicht verletzt?“

Der Mann, gegen den er angerannt war, ein sonnverbrannter, muskulöser Bauer mit grauen Haaren und rauhem Kinn, stierte ihn einen Augenblick an, als glaube er, Toby wolle sich mit ihm einen Scherz erlauben. Sobald er jedoch dessen ehrliche Miene gesehen hatte, antwortete er:

„Nein, mein Freund, Ihr habt mich nicht verletzt.“

„Und auch das Kind nicht?“ fragte Trotty.

„Auch das Kind nicht,“ erwiderte der Mann. „Ich danke Euch sehr.“

Bei diesen Worten blickte er auf das kleine Mädchen, das er schlafend in seinen Armen trug, beschattete ihr Gesicht mit dem langen Ende seines zerrissenen Halstuches und ging langsam weiter.

Der Ton, in dem er sagte: „Ich danke Euch sehr,“ drang in Tobys Herz. Der Mann war so ermattet, von der Wanderung beschmutzt und sah so seltsam und betrübt umher, daß es ihm wohl ein Trost sein mußte, jemand danken zu können, für wie wenig es auch sein mochte. Toby blieb stehen und schaute ihm nach, wie er mit wunden Füßen weiter ging, während das Kind den Arm um seinen Hals geschlungen hatte.

Trotty hatte nur noch Augen für die Gestalt in den abgenutzten Schuhen – jetzt nur noch die Schatten und Gespenster einer Fußbekleidung – in den rauhen Lederhosen, dem Zwilchkittel und dem breitkrempigen Hute, wie sie, das an ihren Hals sich anklammernde Kind auf ihrem Arm, dahinglitt. Ehe der Wanderer in der Dunkelheit verschwand, machte er halt und blickte umher. Als er Trotty noch dastehen sah, schien er unschlüssig zu sein, ob er weitergehen oder umkehren sollte. Nachdem er zuerst das eine, dann das andre getan hatte, kam er wieder zurück, und Trotty ging ihm auf halbem Weg entgegen.

„Könnt Ihr mir vielleicht sagen,“ begann der Mann mit einem matten Lächeln, „wo Alderman Cute wohnt? Wenn Ihrs wißt, werdet Ihr mir gewiß Auskunft geben. Ich frage lieber Euch, als irgend jemand andern.“

„Ganz in der Nähe,“ versetzte Toby. „Ich will Euch mit Freuden sein Haus zeigen.“

„Ich sollte morgen an einem andern Ort mit ihm zusammentreffen,“ sagte der Mann, neben Toby hergehend, „aber man hat einen Argwohn auf mich, und ich möchte mich von ihm reinigen, damit ich frei ausgehen und mein Brot suchen kann, obschon ich nicht weiß, wo ichs zu finden habe. Er wird mir daher wohl vergeben, wenn ich heute abend in sein Haus komme.“

„Wie – nein, unmöglich!“ rief Toby zusammenfahrend. „Ihr werdet doch nicht Fern heißen?“

„He?“ entgegnete der andre, sich erstaunt gegen den Dienstmann umwendend.

„Fern? Will Fern?“ sagte Trotty.

„Das ist mein Name,“ versetzte der Mann.

„Dann, ums Himmels willen, geht nicht zu ihm!“ rief Trotty, ihn am Arm fassend und vorsichtig umherblickend. „Geht nicht zu ihm! Er wird Euch hopp nehmen, so wahr Ihr geboren seid. Da – kommt in dieses Gäßchen herauf; ich will Euch dann sagen, was ich meine. Aber zu ihm müßt Ihr nicht gehen.“

Der Mann sah Toby an, als halte er ihn für toll, folgte ihm aber demungeachtet. Sobald sie sich aller Beobachtung entzogen hatten, teilte ihm Trotty alles mit, was er im Hause des Sir Joseph Bowley über ihn vernommen und was man über seinen Charakter gesagt hatte.

Der Fremde hörte mit einer Ruhe zu, die unsern armen Trotty in Erstaunen setzte. Er widersprach auch nicht ein einziges Mal, sondern nickte nur hin und wieder, mehr wie zur Bekräftigung einer alten Alltagsgeschichte, wie es schien, als in der Absicht, sie von sich abzuweisen. Ein- oder zweimal schob er seinen Hut zurück und fuhr mit der sommersprossigen Hand über eine Stirn, wo jede Furche, die er gepflügt hatte, ihr Bild im kleinen abgedrückt zu haben schien. Doch dies war alles.

„Es ist in der Hauptsache wahr genug,“ sagte er. „Ich könnte zwar da und dort den Weizen von der Spreu sichten – aber lassen wirs lieber. Wozu auch? Ich habe gegen seine Pläne gehandelt, und das ist mein Unglück, obschon ich nicht anders konnte und es morgen wieder ebenso machen würde. Was den Charakter betrifft, so spähen und spähen diese vornehmen Leute und wollen ihn frei von allem Makel haben, ehe sie uns mit einem dürren, guten Worte aushelfen! Na, ich hoffe, daß sie ihren guten Leumund nicht so leicht verlieren als wir, denn ihr Leben wäre dann schlimm genug, und es verlohnte sich kaum der Mühe, es zu erhalten. Was mich betrifft, Herr, so hat diese Hand“ – er streckte sie vor sich aus – „nie etwas angetastet, das nicht mein Eigentum war, und ist nie zurückgeschreckt vor der Arbeit, wie schwer sie auch und wie ärmlich der Lohn sein mochte. Wer dies leugnen kann, der soll sie mir abhacken. Aber wenn mich die Arbeit nicht wie ein menschliches Geschöpf erhält – wenn ich so schlecht leben muß, daß ich in und außer dem Haus hungere – wenn ich sehe, daß ein ganzes Leben voll Tätigkeit so beginnt, so fortmacht und so endet, ohne eine Aussicht auf einen Wechsel, dann sage ich zu dem vornehmen Volk: ›Haltet euch fern von mir und laßt meine Hütte ungeschoren! Meine Türen sind dunkel genug, ohne daß noch euer Schatten dazu kommt. Von mir dürft ihr nicht verlangen, daß ich in dem Park die Schaustellung vermehren helfe, wenns da einen Geburtstag, eine schöne Rede oder weiß der Himmel was gibt. Führt eure Komödien ohne mich auf, und mögen sie euch wohl bekommen. Wir haben nichts miteinander zu schaffen, und ’s ist am besten, wenn man mich gehen läßt!‹“

Da er bemerkte, daß das Kind in seinen Armen jetzt die Augen geöffnet hatte und verwundert umhersah, hielt er inne, plauderte ein bißchen in seinem Kinderkauderwelsch mit ihm und stellte es neben sich auf die Erde. Dann wand er sich langsam eine der langen Locken des Mädchens wie einen Ring um den Finger, und während die Kleine sich an sein staubiges Bein anklammerte, sagte er zu Trotty.

„Ich bin, glaub ich, nicht von Natur aus widerhaarig und lasse mich leicht zufriedenstellen. Auch trage ich niemand einen Groll nach und wünsche nur zu leben, wie die andern Geschöpfe Gottes. Das kann ich nicht – das tu ich nicht, und so liegt denn eine tiefe Kluft zwischen mir und denen, die es können und tun. Es gibt noch viele, denen es geradeso ergeht wie mir, und Ihr könnt sie eher zu Hunderten und Tausenden abzählen als zu Einern.“

Trotty wußte, daß der Mann hierin die Wahrheit sprach, und nickte zustimmend.

„Ich habe dadurch einen schlimmen Namen erhalten“, sagte Fern, „und fürchte, daß ich wahrscheinlich nie zu einem bessern kommen werde. Es ist gesetzwidrig, unmutig zu sein, und ich bin wirklich unmutig, obgleich Gott weiß, daß ich weit lieber frohgemut wäre, wenn ichs sein könnte. Nun, ich weiß nicht, ob dieser Alderman mir weh tun könnte, wenn er mich ins Gefängnis schickte; aber falls nicht ein Freund ein Wort für mich spräche, so wär ers wohl imstande, und Ihr seht...!“

Er deutete mit dem Finger auf das Kind.

„Sie hat ein schönes Gesicht,“ sagte Trotty.

„Ei ja!“ entgegnete der Mann mit gedämpfter Stimme, indem er das kleine Gesichtchen mit beiden Händen sanft zu sich emporrichtete und es unverwandt anschaute, „Das habe ich mir schon oft gedacht. Daran dachte ich, wenn mein Herd sehr kalt und mein Schrank leer war. Daran dachte ich erst gestern nacht, als wir wie zwei Diebe aufgegriffen wurden. Aber sie – sie sollten das kleine Gesicht nicht zu oft vor Gericht bringen – meinst nicht, Lilian? Das ist kaum einem Mann erwünscht!“

Er dämpfte feine Stimme fast bis zur Lautlosigkeit und starrte das Kind so seltsam und ernst an, daß Toby, um seinen Gedanken eine andre Richtung zu geben, die Frage stellte, ob sein Weib noch am Leben sei.

„Ich habe nie ein Weib gehabt,“ entgegnete er mit Kopfschütteln. „Sie ist meines Bruders Kind – eine Waise – neun Jahre alt, obschon Ihrs kaum glauben würdet; aber sie ist jetzt müde und abgezehrt. Die Union wollte die Sorge für sie übernehmen und sie achtundzwanzig Meilen von dem Orte, wo wir wohnen, zwischen vier Wände einsperren, wie sie‹s auch meinem alten Vater machten, als er nicht mehr arbeiten konnte, obschon er ihnen nicht lange lästig fiel. Da hab denn ich sie zu mir genommen, und sie lebt bei mir. Ihre Mutter hatte einmal eine Freundin hier in London. Wir wollen versuchen, ob wir sie nicht entdecken und zugleich Arbeit finden können; aber ’s ist ein großer Platz. Nun ja, ’s ist auch recht – wir haben dafür um so mehr Raum umherzugehen, Lilly!“

Er sah das Kind mit einem Lächeln an, das Toby mehr als zu Tränen rührte, und drückte dann dem armen Austräger die Hand.

„Ich kenne Euch zwar nicht einmal dem Namen nach,“ sagte er, „aber ich habe Euch mein Herz ausgeschüttet, denn ich bin Euch dankbar – und zwar aus gutem Grund. Ich will Euern Rat befolgen und mich fern halten von diesem ...“

„Friedensrichter,“ ergänzte Toby.

„Ah!“ fuhr er fort; „wenn dies der Name ist, den man ihm gibt. Von diesem Friedensrichter. Und morgen will ich versuchen, ob mir nicht irgendwo in der Nähe von London ein besseres Glück blüht. Gute Nacht. Ein glückliches Neujahr!“

„Halt!“ rief Trotty, die Hand des andern fest umklammernd, als sie sich losmachen wollte. „Halt! das Neujahr kann nicht glücklich für mich sein, wenn wir uns so trennen. Wie könnte ich auch von einem glücklichen Neujahr sprechen, wenn ich mit ansehen müßte, wie Ihr mit dem Kind weiter zieht, ohne zu wissen, wohin, und ohne ein Obdach für die Nacht. Kommt mit mir nach Hause! Ich bin zwar nur ein armer Mann und habe bloß ein elendes Quartier; aber ich kann Euch doch für eine Nacht ein Lager geben, ohne es zu entbehren. Kommt mit mir! So, ich will sie nehmen!“ fügte Trotty bei, indem er das Kind aufhob. „Eine hübsche Kleine! Ich wollte mir zwanzigfach ihr Gewicht aufladen lassen, ohne daß ich es besonders spürte. Sagt mir, ob ich vielleicht zu schnell für Euch gehe – ’s ist meine Gewohnheit zu eilen!“

Während Trotty dies sagte, mußte er stets sechs von seinen kurzen Trabschritten während eines einzigen langen seines müden Gefährten hopsen; und seine dünnen Beine zitterten unter der Last, die er trug.

„Ei, sie ist so leicht,“ sagte Trotty, dessen Worte ebenso rasch und stoßweise kamen, wie sein Schritt war, denn er wollte auf keine Danksagung hören und scheute sich, eine Pause eintreten zu lassen; „so leicht wie eine Feder, leichter als eine Pfauenfeder – viel leichter. So, da sind wir – jetzt geht’s da hinein, um die erste Ecke rechts, Onkel Will, an dem Brunnen vorbei und dann den Weg hinauf, dem Wirtshaus gegenüber. Jetzt über den Weg hinüber, Onkel Will, und dort auf den Nierenpastetenmann an der Ecke zu! Da wären wir! Nun an den Ställen hinunter, Onkel Will, und dann macht Ihr an der schwarzen Tür halt, über der ›Toby Veck, Dienstmann‹ auf einem Brett geschrieben steht. So, und jetzt sind wir da, jetzt sind wir wirklich da, und jetzt wirst du dich wundern, liebe Meg!“

Mit diesen Worten setzte der atemlose Trotty das Kind unten in der Stube zu den Füßen seiner Tochter nieder. Der kleine Gast sah Meg an und lief, da er in ihrem Gesicht nichts zweifelerregendes fand, vertrauensvoll in ihre Arme.

„So, da sind wir und da bleiben wir!“ rief Toby, keuchend im Zimmer umherlaufend. „Hier, Onkel Will – Ihr seht, hier ist ein Feuer! Warum kommt Ihr nicht ans Feuer? Ha, da sind wir und da bleiben wir! Meg, mein Herz, wo ist der Kessel? So – er wird augenblicklich kochen!“

Trotty hatte wirklich während seines wilden Hin- und Herrennens den Kessel aufzuheben gewußt und über das Feuer gesetzt, während Meg in einer warmen Ecke vor dem Kind niedergekniet war, um ihm die Schuhe auszuziehen und mit einem Tuch die nassen Füßchen zu trocknen. Ja, und sie lachte auch über Trotty – so vergnügt, so herzlich, daß Trotty sie augenblicklich hätte segnen mögen, denn er hatte ja beim Eintreten gesehen, wie sie in Tränen vor dem Feuer saß.

„Ei, Vater,“ sagte Meg, „du bist, glaube ich, diesen Abend ganz närrisch. Ich weiß nicht, was die Glocken dazu sagen würden. Die armen Füßchen – wie kalt sie sind!“

„O, sie sind jetzt wärmer!“ rief das Kind. „Sie sind jetzt ganz warm!“

„Nein, nein, nein,“ sagte Meg. „Wir haben sie noch nicht halb genug gerieben. Wir sind ja so fleißig! So fleißig! Und wenn sie ganz warm sind, dann wollen wir das feuchte Haar auskämmen. Sind wir damit fertig, so wollen wir mit ein bißchen frischem Wasser einige Farbe in das arme blasse Gesicht bringen, und dann wollen wir so froh, so heiter und glücklich sein!“

Das Kind umschlang in einem Anfall von Schluchzen ihren Hals, streichelte mit seinen Händchen ihre Wange und sagte:

„O Meg! o liebe Meg!“

Tobys Segen hätte nicht mehr tun können. Wer wäre auch imstande gewesen, mehr zu tun?

„Ei, Vater!“ rief Meg nach einer Pause.

„Da bin ich und da steh ich, mein Lieb!“ sagte Trotty.

„Gütiger Himmel!“ rief Meg, „er ist ganz von Sinnen! Setzt er da das Hütlein des lieben Kindes auf den Kessel und hängt den Deckel hinter die Tür!“

„Ich habe dies nicht mit Absicht getan, mein Lieb,“ entgegnete Trotty, indem er hastig sein Versehen wieder gutmachte. „Meg, mein Kind?“

Meg blickte nach ihm hin und sah, daß er sich mit Vorbedacht hinter den Stuhl seines männlichen Gastes gestellt hatte, wo er mit vielen geheimnisvollen Gebärden das Sechspencestück, das er eingenommen, in die Höhe hielt.

„Als ich hereinkam,“ sagte Trotty, „habe ich irgendwo auf der Treppe eine halbe Unze Tee liegen sehen; auch glaube ich wahrhaftig, daß ein Stückchen Speck dabei lag. Ich entsinne mich nicht mehr recht auf den Platz, will aber hingehen und sehen, ob ich’s nicht finde.“

Unter diesem unergründlich scharfsinnigen Vorwande entfernte sich Toby, um die besprochenen Lebensmittel für bares Geld bei Frau Chickenstalker zu kaufen. Er kam bald wieder zurück und sagte, er habe die Sachen anfangs in der Dunkelheit nicht finden können.

„Aber da sind sie endlich,“ sagte Trotty, das Teegeschirr aufsetzend – „alles richtig! Ich wußte es ja, daß es Tee und eine schöne Schnitte war. Da, seht selbst. Meg, mein Herzchen, wenn du den Tee zurichten willst, während dein unwürdiger Vater den Speck röstet, so wird alles bald fertig fein. Es ist eine kuriose Sache,“ fuhr Trotty fort, indem er mit Hilfe der Röstgabel seine Kochkunst betrieb, „kurios, aber allen meinen Freunden wohlbekannt, daß ich für meine Person mir niemals weder aus Tee noch aus Speck etwas machte. Ich sehe es nur gern, wenn andre Leute sich’s dabei wohl sein lassen,“ Sagte er in sehr lautem Tone, um seinem Gast die Tatsache recht bemerklich zu machen, „obschon diese Nahrung mir selbst durchaus nicht behagt.“ Doch schnüffelte Trotty den Wohlgeruch des zischenden Specks ein – ah! – als ob er mit Freuden selbst hätte zulangen mögen, und als er das kochende Wasser in den Teetopf goß, blickte er sehnsüchtig in dessen Tiefe hinunter und ließ sich gern den würzigen Dampf um die Nase kräuseln und den Kopf von einer dichten Wolke bekränzen. Aber trotzdem genoß er nichts weiter davon, als im Anfang der Höflichkeit halber einen einzigen Bissen, der ihm ungemein gut zu schmecken schien, obschon er erklärte, daß er sich nicht das mindeste daraus mache.

Nein, Trottys Beschäftigung bestand darin, Will Fern und Lilian essen und trinken zu sehen, und das gleiche war bei Meg der Fall. Und nie fand ein Zuschauer bei einem Stadt- oder Hofbankett einen solchen Hochgenuß darin, andre – ja, wäre es sogar ein König oder ein Papst gewesen – schmausen zu sehen, als unser Pärlein an jenem Abend. Meg lächelte zu Trotty hinüber, Trotty lachte Meg an. Meg nickte und tat, als klatsche sie mit den Händen, um Trotty ihren Beifall zu erkennen zu geben, während Trotty in stummer Zeichensprache Meg eine unverständliche Geschichte erzählte, wann und wo er seine Gäste gefunden hatte. Und sie waren glücklich – sehr glücklich.

„Obgleich ich sehen muß, daß Megs Verlobung gelöst ist,“ dachte Trotty bekümmert, als er Megs Gesicht betrachtete.

„Nun, jetzt werde ich Euch was sagen,“ begann Trotty nach dem Tee. „Die Kleine schläft bei Meg.“

„Bei der guten Meg!“ rief das Kind, sie liebkosend. „Bei Meg.“

„So ist’s recht,“ sagte Trotty. „Und es sollte mich nicht wundern, wenn sie Megs Vater einen Kuß gäbe. Was meinst du, Kind? Ich bin Megs Vater.“

Trotty war hochentzückt, als sich ihm das Kind schüchtern näherte, ihn küßte und dann wieder zu Meg zurückkehrte.

„Sie ist so verständig wie Salomo,“ sagte Trotty. „Da kommen und da gehen – nein, das meinte ich nicht – ich – was wollte ich denn sagen, meine liebe Meg?“

Meg blickte auf ihren Gast, der sich an ihren Stuhl gelehnt hatte und, während er das Gesicht von ihr abwandte, den in ihrem Schoß verborgenen Kopf der Kleinen streichelte. „Natürlich,“ sagte Toby. „Natürlich! Weiß ich doch wahrhaftig nicht, was ich heute abend treibe. Ich bin heute ganz zerstreut, glaube ich. Will Fern, Ihr kommt mit mir, denn Ihr seid todmüde und völlig erschöpft, weil Ihr so lange nicht geruht habt. Kommt mit mir.“

Der Mann spielte noch immer mit den Locken des Kindes, lehnte noch immer mit abgewandtem Gesicht an Megs Stuhl. Er sprach kein Wort , aber in seinen rauhen Fingern , die sich im Haar des Kindes ballten und wieder lösten, lag eine Beredsamkeit, die mehr als alle Worte sagte.

„Ja, ja,“ fuhr Trotty fort, der unwillkürlich die Frage beantwortete, die auf Megs Gesicht stand. „Nimm sie mit dir, Meg. Bring sie zu Bett. So! jetzt will ich Euch zeigen, wo Ihr liegen könnt, Will. ’s ist zwar nicht viel Platz, sondern nur Heuboden; aber ein Heuboden ist, wie ich immer sage, die größte Bequemlichkeit, wenn man in Ställen wohnt; und bis dieser Schuppen und der Stall besser vermietet werden, leben wir hier sehr billig. Droben ist viel vortreffliches Heu, das einem Nachbar gehört und ein so reinliches Lager bietet, als es Hände und Meg nur machen können. Frischauf! laßt’s Euch nicht nahe gehen. Für jedes neue Jahr ein neues Herz!“

Die Hand, die sich aus dem Haar des Kindes losgemacht hatte, war zitternd in die unsers Toby gefallen, und letzterer führte nun seinen Gast, in einem fort sprechend, so zärtlich hinaus, als wäre dieser gleichfalls ein Kind.

Da er vor Meg wieder zurückkam, so horchte er einen Augenblick an der Tür ihrer an die Stube stoßenden kleinen Kammer. Die Kleine murmelte ein einfaches Nachtgebet , mit dem sie auch den Namen der „lieben Meg“ in Verbindung brachte – dann hörte Trotty, wie sie innehielt und nach dem seinigen fragte.

Es dauerte eine kleine Weile, bis der törichte alte Knabe sich so weit fassen konnte, um das Feuer nachzuschüren und seinen Stuhl an den warmen Herd zu ziehen. Als es aber endlich geschehen war und er das Licht geputzt hatte, nahm er seine Zeitung auf der Tasche und begann zu lesen, anfangs gleichgültig, indem er rasch über die Spalten hinflog, sehr bald aber mit großem Ernst und trauriger Aufmerksamkeit. Denn diese schreckliche Zeitung lenkte Trottys Gedanken abermals auf den nämlichen Pfad, auf dem sie den ganzen Tag über, namentlich infolge der erlebten Ereignisse, gewandert waren. Sein Interesse an den beiden Wanderern hatte ihn zwar für eine Weile in eine glücklichere Stimmung versetzt; sobald er aber wieder allein war und die Verbrechen und Gewalttaten der Leute las, versank er wieder in die frühere zurück.

Endlich kam er zu einem Bericht (und es war nicht der erste derartige, den er las) von einer Frau, die verzweiflungsvoll Hand nicht nur an ihr eignes Leben, sondern auch an das ihres jungen Kindes gelegt hatte. Dieses schreckliche Verbrechen wirkte so empörend auf ihn, daß er, als er dabei an Megs Liebe dachte, das Zeitungsblatt fallen ließ und entsetzt in seinen Stuhl zurücksank.

„Unnatürlich und grausam!“ rief Toby. „Unnatürlich und grausam! Nur Leute von ganz verstocktem Herren, die schon schlecht geboren werden und auf Erden eigentlich nichts zu schaffen haben, können solche Taten verüben. Was ich heute den Tag über gehört habe, ist nur zu wahr, nur zu erwiesen. Wir sind schlecht!“

Die Glocken nahmen die Worte so plötzlich auf und ertönten so laut, so klar und voll, daß er meinte, ihre Stimme dringe aus seinem Stuhl hervor.

Und was sagten sie?

„Toby Veck, Toby Veck, wir warten auf dich, Toby! Toby Veck, Toby Veck, wir warten auf dich, Toby! Komm, besuch uns; komm, besuch uns! – Schleppt ihn zu uns, schleppt ihn zu uns – hetzt und jagt ihn, hetzt und jagt ihn! Soll nicht schlafen! Soll nicht schlafen! Toby Veck, Toby Veck, die Tür steht offen, Toby – dann begannen sie diesen Gesang wieder von vorn und klangen dermaßen, daß die Töne sogar aus den Ziegeln und dem Mörtel hervorzuquellen schienen.

Toby lauschte. Einbildung, Einbildung! Das waren wohl nur die Gewissensbisse, weil er ihnen diesen Abend entlaufen war? Nein, nein. Nichts der Art. Aber wieder und wieder, ja noch dutzendmal erklang es: „Hetzt und jagt ihn – schleppt ihn zu uns, schleppt ihn zu uns!“ die ganze Stadt betäubend.

„Meg,“ sagte Trotty leise, indem er an ihre Tür klopfte. „Hörst du nichts?“

„Ich höre die Glocken, Vater. Sie sind heute abend sehr laut.“

„Schläft sie?“ fuhr Toby fort, diese Frage als Vorwand benutzend, um hineinschauen zu können.

„So ruhig und glücklich! Aber ich kann sie noch nicht verlassen, Vater – schau nur, wie sie meine Hand festhält!“

„Meg!“ flüsterte Trotty. „Höre nur auf die Glocken!“

Sie kehrte ihrem Vater das Gesicht zu und lauschte; aber in ihren Zügen ließ sich keine Veränderung bemerken, da sie die Glockenstimmen nicht verstand.

Trotty entfernte sich, nahm wieder bei dem Feuer Platz und lauschte abermals allein. So verblieb er eine Weile.

Aber nein, unmöglich konnte er es länger ertragen; denn ihre Ausdruckskraft war zu schrecklich.

„Wenn die Turmtür wirklich offen ist,“ sagte Toby, indem er hastig seine Schürze beiseite legte, ohne jedoch an Seinen Hut zu denken, „was hindert mich dann, hinaufzugehen und mich zu überzeugen? Ist sie aber geschlossen, so brauche ich keinen weitern Beweis mehr. Dann ists genug.“

Er glitt ruhig auf die Straße hinaus, fest überzeugt, daß er die Turmtür geschlossen und verriegelt finden werde; denn er kannte die Tür wohl und hatte sie selten, vielleicht in seinem ganzen Leben nicht mehr als dreimal, offen stehen sehen. Es war ein niederes Bogenportal außerhalb der Kirche, das in einer dunkeln Nische hinter einer Säule stand, und hatte so schwere Eisenbeschläge und ein so ungeheures Schloß, daß von der Tür fast nichts zu sehen war.

Aber wie groß war sein Erstaunen, als er barhäuptig zu der Kirche kam, mit der Hand in die dunkle Nische tastete – wiewohl er gute Lust hatte, sie schaudernd wieder zurückzuziehen, weil er fürchtete, sie möchte unerwartet gepackt werden – und nun bemerkte, daß die Tür, die nach außen aufging, wirklich halb offen stand!

In der ersten Überraschung wollte er wieder zurückgehen oder doch ein Licht oder einen Begleiter holen; sein Mut kam ihm jedoch bald zu Hilfe, und er beschloß, allein hinaufzusteigen.

„Was habe ich zu fürchtend fragte Trotty. „Es ist eine Kirche! Außerdem sind vielleicht noch die Läuter da und haben vergessen, die Tür zu schließen.“

Er ging daher hinein und tastete sich weiter wie ein blinder Mann, denn es war sehr dunkel – dazu herrschte tiefe Stille, denn die Glocken ließen keinen Laut mehr vernehmen.

Der Straßenstaub war überallhin gedrungen und lag so dicht aufgehäuft, daß der Fuß wie auf weichen Samt trat. Auch hierin lag etwas Befremdliches. Ungleich befand sich die enge Treppe so nahe an der Tür, daß er auf der ersten Stufe strauchelte. Dadurch stieß er mit dem Fuß an die Tür, daß sie anprallte und schwerfällig in ihr Schloß zurückflog, und als er sie wieder zu öffnen versuchte, war all seine Bemühung vergeblich.

Dies war jedoch nur ein Grund mehr, weiter zu gehen. Trotty tastete sich vorwärts – hinauf, hinauf, hinauf – stets kreisend hinauf, hinauf, hinauf – höher, höher und höher hinauf!

Fürs Tasten war es ein sehr unangenehmes Treppenhaus, so niedrig und so schmal, daß die untersuchende Hand stets etwas berührte. Ja, es dünkte ihn oft, als stehe ein Mensch oder eine gespenstige Gestalt aufrecht da und mache Platz für ihn, damit sie unentdeckt an ihm vorbeigleiten könne. Dabei strich er mit der Hand an der glatten Mauer aufwärts, um deren Gesicht, und abwärts, um deren Füße zu suchen, während zugleich ein eisiger Schauer seinen Körper durchrieselte. Zwei- oder dreimal unterbrach eine Tür oder eine Nische die einförmige Oberfläche, und dann kam es ihm vor, als sei eine Öffnung da, so weit wie die ganze Kirche. Er meinte bei solcher Gelegenheit am Rand eines Abgrundes zu stehen, in den er kopfüber hinunterstürzen müsse, bis er die Mauer wieder gefunden hatte.

Dennoch ging es hinauf, hinauf, hinauf – im Kreis hinauf, hinauf, hinauf – höher, höher, höher hinauf!

Endlich begann die dumpfe, erstickende Atmosphäre frischer zu werden. Der Wind strömte durch und blies bald so stark, daß er sich kaum auf den Beinen halten konnte. Aber er gelangte an ein gewölbtes, brusthohes Fenster in dem Turm, hielt sich an demselben fest und schaute hinunter auf die Hausgiebel, die rauchenden Schornsteine und das Gewirr von Lichtern (in die Richtung, wo Meg sich jetzt vielleicht über seine Abwesenheit wunderte und nach ihm rief) – alles zu einer Teigmasse von Nebel und Dunkelheit zusammengeknetet.

Dies war der Teil des Glockenhauses, zu dem die Läuter kamen.

Er hatte eines der abgeriebenen Seile gefaßt, die durch Öffnungen in dem Eichendach niederhingen. Anfangs fuhr er zusammen, denn es kam ihm vor, als hätte er Haare ergriffen, dann aber zitterte er schon bei dem Gedanken, die tiefe Glocke zu wecken. Die Glocken selbst hingen höher, und auch Trotty tastete sich höher hinauf, dem Räuber folgend, der ihn lockte. Der Weg wurde jetzt mühsamer und führte auf steilen Leitern weiter, die dem Fuß keinen allzu sichern Halt boten.

Hinauf, hinauf, hinauf geht es, klimmend und kletternd; hinauf, hinauf, hinauf – höher, höher, höher hinauf!

Endlich kam er auf den obern Boden und gelangte, wie er den Kopf über das Gebälk erhob, unter die Glocken. Kaum vermochte er die großen Formen im Dunkel zu unterscheiden; aber da waren sie – schattenhaft, stumm und nachtumhüllt.

Ein banges Gefühl von Furcht und Einsamkeit bemächtigte sich seiner augenblicklich , als er in dieses luftige Nest von Stein und Metall hineinkletterte. Sein Kopf schwindelte – er lauschte und erhob dann seine Stimme zu einem wilden: „Hallo!“

„Hallo!“ schalle kläglich das gedehnte Echo nach.

Wirr, schwindlig, erschreckt und atemlos stierte Toby um sich her und brach dann ohnmächtig zusammen.

Weihnachtsmärchenwald

Подняться наверх