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Der Fluch

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Der plötzliche, geheimnisumwitterte Tod von Sir Edward Travers in den achtziger Jahren löste nicht nur in seiner engeren Heimat, sondern im ganzen Land Verblüffung und zum Teil abenteuerliche Vermutungen aus.

Die Schlagzeilen der Tagespresse lauteten etwa so:

TOD DES BERÜHMTEN ARCHÄOLOGEN SIR EDWARD TRAVERS

IST ER DEM FLUCH DER PHARAONEN ZUM OPFER GEFALLEN?

Und in unserem Lokalblättchen stand:

Der Tod unseres verehrten Sir Edward, der kürzlich aufs neue zu einer Ausgrabungsexpedition ins Land der Pharaonen aufgebrochen war, wirft abermals die Frage auf, ob nicht etwas Wahres an dem alten Glauben ist, jeder, der die Totenruhe der altägyptischen Könige störe, setze sich ihrer Feindschaft und Rache aus? – Wie dem auch sei, Sir Edwards plötzlicher Tod führte zum vorzeitigen Abbruch dieses Forschungsunternehmens.

Sir Ralph Bodrean, unser Gutsherr und Sir Edwards vertrautester Freund, hatte die Expedition finanziell unterstützt. Daß er bei Erhalt der Todesnachricht einen Schlaganfall erlitt, trug natürlich zur Gerüchtebildung bei. Es war zwar schon sein zweiter, und er erholte sich auch diesmal, aber seine Gesundheit war zweifellos angegriffen, und die Abergläubischen sahen in dieser Tatsache eine weitere Folge des mysteriösen Fluches.

Das Begräbnis des toten Forschers fand auf dem heimischen Friedhof statt. Sein einziger Sohn Tybalt, der als Nachwuchs-Archäologe ebenfalls schon einige Aufmerksamkeit erregte, folgte dem Sarg als erster der Leidtragenden. Ihm folgten zahlreiche Vertreter der Wissenschaft, des Adels und – selbstverständlich – der Presse. Ich glaube kaum, daß unsere kleine, aus dem zwölften Jahrhundert stammende Dorfkirche je zuvor eine so illustre Trauergemeinde gesehen hat.

Ich war damals die sogenannte Gesellschaftsdame Lady Bodreans, der Frau des ebengenannten apoplektischen Sir Ralph. Die Stellung entsprach meiner Natur in keiner Weise; nur die Armut hatte mich genötigt, sie anzunehmen.

Während der Trauerfeierlichkeiten, wohin ich Lady Bodrean begleitete, konnte ich meine Augen nicht von Tybalt Travers losreißen. Seit unserer ersten Begegnung hatte ich hingebend, töricht und hoffnungslos für ihn geschwärmt, denn daß ich bei einem so vornehmen und gelehrten jungen Herrn keine Chance haben konnte, blieb mir voll bewußt. Für mich war er der Inbegriff aller männlichen Tugenden. Er war gottlob kein geleckter Schönling, sondern nur groß, sehnig und mittelbrünett von Haut- und Haarfarbe; er hatte eine durchgeistigte Gelehrtenstirn, verdächtig sinnliche Lippen, eine vorspringende, arrogant wirkende Nase und tiefliegende, verschleiert dreinblickende graue Augen. Man wußte nie so recht, was hinter seinem überlegenen und distanzierten Gebaren stecken mochte. Gerade deshalb sagte ich mir oft: Es dauert sicher ein Leben lang, bis man ihn versteht – aber welch aufregende und lohnende Forschungsaufgabe wäre das!

Nach der Beerdigung kehrten Lady Bodrean und ich unverzüglich nach Keverall Court, dem alten Familienstammsitz, zurück. Sie klagte und nörgelte noch ausdauernder als gewöhnlich, und ihre Laune besserte sich nicht, als sie erfuhr, daß inzwischen mehrere Zeitungsberichterstatter dagewesen seien, um sich nach Sir Ralphs Befinden zu erkundigen.

»Die reinsten Aasgeier!« schimpfte sie. »Natürlich können sie es kaum erwarten, daß auch er stirbt … Das würde so schön in ihre idiotischen Fluch-Stories passen!«

Ein oder zwei Tage später führte ich Lady Bodreans Hunde spazieren, wie es zu meinen täglichen Pflichten gehörte. Und ebenso gewohnheitsmäßig lenkte ich meine Schritte zur Villa Gizeh, dem Wohnsitz der Familie Travers. Ich stand, wie so oft, vor dem schmiedeeisernen Tor und blickte sehnsüchtig nach dem Haus. Darauf, daß Tybalt selbst herauskommen würde, war ich keineswegs gefaßt – aber zur Flucht war es zu spät; er hatte mich schon gesehen und kam auf mich zu.

»Guten Tag, Judith. Was machen Sie denn hier?«

Ich erfand rasch einen plausibel klingenden Grund.

»Lady Bodrean wollte gern wissen, wie es Ihnen geht.«

»Danke, gut. Aber kommen Sie doch herein.«

Sein unerwartetes Lächeln war beglückend. Lächerlich! Wie hatte ich, die sonst so vernünftige und stolze Judith Osmond, in eine derart alberne und aussichtslose Verliebtheit verfallen können?

Er führte mich zwischen ziemlich verwildertem Gebüsch den Gartenweg hinauf und öffnete die schwere Haustür, an der ein exotischer Metallklopfer in Form einer grinsenden Dämonenfratze angebracht war. Hatte Sir Edward beabsichtigt, damit ungebetene Besucher abzuschrecken?

Drinnen schluckten dicke Orientteppiche jeden Schall. Unsere Schritte wurden lautlos. Tybalt geleitete mich in einen vorwiegend in Dunkelblau und Gold gehaltenen Salon, der ebenfalls durch schwere Vorhänge und Teppiche wie gepolstert war. Sir Edward hatte jeglichen Lärm verabscheut. Dafür sprangen einem überall Beweise seiner Forschertätigkeit ins Auge – in diesem Zimmer waren es die rarsten fernöstlichen Fundstücke. Nur der Konzertflügel brachte einen Hauch unseres viktorianischen Englands hinein.

Tybalt bot mir einen Sessel an und setzte sich mir gegenüber.

»Wir bereiten eine neue Expedition an die Stelle vor, die mein Vater vorzeitig im Stich lassen mußte«, erzählte er mir nach wenigen Einleitungsfloskeln.

»Oh … halten Sie das für klug?«

»Aber Judith! Glauben Sie etwa an die Gerüchte um den Tod meines Vaters?«

»N-nein, natürlich nicht.«

»Es stimmt schon, daß er kerngesund war oder schien – und trotzdem hat es ihn erwischt. Das kommt vor. Ich glaube, er war gerade einer ganz großen Entdeckung auf der Spur.«

»Man hat doch eine Obduktion vorgenommen?«

»Ja, aber erst hier in England. Die Todesursache ließ sich nicht mehr mit Sicherheit ermitteln – Grund genug für alle möglichen Spekulationen. Und dazu noch Sir Ralphs Schlaganfall …«

»Sie meinen, da ist schon ein gewisser Zusammenhang?« fragte ich.

»Ein ganz alltäglicher. Sir Ralph war natürlich erschüttert über den Tod seines alten Freundes. Dazu kommt sein zu hoher Blutdruck; er hatte ja schon mal einen Anfall ohne jeden mysteriösen Anlaß, und die Ärzte haben ihm seit Jahren empfohlen, ein bißchen mehr auf seine Gesundheit zu achten. Dennoch treibt es mich jetzt mehr denn je nach Ägypten. Ich muß wissen, was mein Vater beinahe entdeckt hätte und … ob dieses Vorhaben wirklich etwas mit seinem Tode zu tun hat.«

»Nehmen Sie sich in acht!« fuhr es mir heraus.

»Ich glaube, damit einen Wunsch meines Vaters zu erfüllen«, erwiderte Tybalt lächelnd.

Ich nahm wieder Haltung an. »Wann reisen Sie ab?«

»Die Vorbereitungen dauern wahrscheinlich noch ein Vierteljahr, und dann …«

In diesem Moment unterbrach uns das Hereinkommen einer Dame, die Tabitha Grey hieß und mich wie alles in der Villa Gizeh brennend interessierte. Sie war schön, aber auf eine so unaufdringliche Weise, daß man es erst nach mehrmaligem Sehen merkte. Ihr Charme war seltsam mit stiller Resignation gemischt. Mir war nie ganz klar geworden, welche Stellung sie eigentlich hier einnahm; wahrscheinlich die einer sehr privilegierten Hausdame.

»Judith läßt herzliche Grüße von Lady Bodrean ausrichten«, erklärte Tybalt, bevor ich zu Worte kam.

»Darf ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten?« fragte Tabitha.

Ich lehnte dankend ab: Meine Ausgangszeit sei ohnehin schon überschritten. Tabitha lächelte verständnisinnig. Jedermann wußte, daß Lady Bodrean keine sehr angenehme Brotgeberin war.

Tybalt begleitete mich zurück. Diese nie erwartete Höflichkeit warf mich fast um, und obwohl er nur von der bevorstehenden Expedition sprach, schwebte ich wie auf Wolken, besonders als er in ganz ernsthaftem Ton sagte:

»Ich wünschte, Sie könnten mitkommen.«

Es war wie ein Wunder, wie ein Traum, von dem ich damals noch nicht wußte, daß er sich tatsächlich erfüllen würde. Wie hatte dieses Märchen nur angefangen? Ich überlegte krampfhaft … Wahrscheinlich schon an meinem vierzehnten Geburtstag, als ich in einem frischausgehobenen Grab ein Bruchstück aus der Bronzezeit fand.

Die Rache der Pharaonen

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