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Vorwort zur 1. Auflage

Das hiermit vorgelegte Buch ist hervorgegangen aus Vorlesungen, die ich unter dem Titel „Neurosenlehre und Psychotherapie“ bzw. eben „Theorie und Therapie der Neurosen“ an der Universität Wien gehalten hatte. Sie wurden ergänzt aus den Manuskripten von Vorträgen, die ich anderwärts zu halten hatte.

Unter solchen Umständen sind Überschneidungen, ja Wiederholungen zwar unvermeidlich, aber – im Hinblick auf die didaktische Absicht – nicht einmal unerwünscht.

Auf der anderen Seite sind Vernachlässigungen unter solchen Umständen nicht weniger unvermeidlich; denn durch das „weite Land“ der Seele (Arthur Schnitzler) führen viele Wege. Der tatsächlich eingeschlagene ist weder ein willkürlich gewählter noch der einzig mögliche und allein notwendige; aber er führt über jene Standorte und Haltestellen, an denen sich sowohl die Problematik als auch die Systematik aller Neurosentheorie und -therapie auf eine mehr oder weniger neue und fruchtbare Art und Weise einsehen läßt. Videant collegae.

Jede Theorie und Therapie der Neurosen hat sich auf einer Himmelsleiter zu bewegen, die auf dem klinischen Boden steht und dennoch in den metaklinischen Raum hineinreicht. Aus heuristischen Gründen und zu didaktischen Zwecken muß dabei so getan werden, als gäbe es so etwas wie distinkte Sprossen dieser Jakobsleiter: eigentlich gibt es keine rein somatogenen, psychogenen und noogenen Neurosen, vielmehr bloße Mischfälle – Fälle, in denen sich je nachdem ein somatogenes, psychogenes oder noogenes Moment in den Vordergrund theoretischer Ansichten und therapeutischer Absichten schiebt. Solche Reservatio mentalis ist zwischen den Zeilen zu lesen.

V. E. Frankl

Theorie und Therapie der Neurosen

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