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Kapitel 2. Burg Lichtenstein

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Nachdem Sophie die Augen aufgemacht hatte, setzte sie sich und schaute sich nach allen Seiten um, sie versuchte zu verstehen, wo sie ist und ob sie überhaupt am Leben ist. Nach einigen Sekunden verstand Sophie, dass sie nirgendwo Patrick sieht. Auf die Beine aufstehend schaute sie sich nochmals nach allen Seiten um und bemerkte in der Nähe von ihr neben der alten Eiche Patrick, der ohne Bewegung lag. Er war nicht ein kleines Mäuschen wie früher, er wurde mindestens um zweifach höher als Sophie. Sie rannte zu ihm, ging auf die Knie und fing an ihn zu beleben. Nach einigen Sekunden öffnete Patrick ein wenig Augen, atmete Sophie tief mit Erleichterung, als sie verstand, dass er am Leben ist.

– Bin ich gestorben? Bin ich im Paradies? – fragte Patrick Sophie.

– Nein, es scheint, wir sind lebendig. Nur kann ich nicht verstehen, was ist mit uns passiert und wie sind wir hierher geraten? – sagte Sophie.

– Was ist los mit dir? Warum bist du so klein vom Wuchs? – Patrick stand auf die Beine und schüttelte sich ab.

– Ich weiß es nicht, – erwiderte sie, – ich glaube, dass du zum großen Mäuschen geworden bist.

Der Ort, wo Sophie und Patrick waren, war der anderen Seeseite gleich und jene alte Eiche, über den Patrick Sophie erzählt hatte, stand auch dort. Draußen war es sehr kalt und scheußlich schrecklich.

– Interessant, wohin sind wir geraten? – fragte Patrick Sophie.

– Ich möchte es auch wissen, – erwiderte sie. – Und was wir machen müssen, weiß ich auch nicht. Ich habe große Angst.

– Sieh mal, dort ist ein Pfad, vielleicht kann er uns zum Haus führen, – sagte Patrick.

Erschrocken und eingefroren gingen Sophie und Patrick durch den Pfad, der entlang dem See führte.

– Mir ist bange, – flüsterte Sophie.

– Mir auch, aber wir müssen gehen, – sagte Patrick.

Dem See entlang gegangen bogen sie auf den Pfad ab, der in die Waldinnere führte. Draußen war es so auch finster und kalt, Äste der Bäume knackten vor Wind, das Geräusch erinnerte gleichzeitig an Knacken und Kreischen, Kuckuckruf und Gekrächze der Vögel jagten Angst. Irgendwo hinter schien Sophie ein Geräusch im Busch, sie drehte sich um, aber niemand war dort. Nachdem sie ein wenig in die Waldinnere gegangen waren, hörte Sophie das Geräusch dem Knacken der Äste unter den Füßen gleich und einen Moment danach stürzte sich der Weg unter den Füßen, sie gerieten im Netz, das über das tiefe Loch hing. Hinter den Büschen her gingen Menschen, sie waren in schmutzige zerrissene Mänteln bekleidet, mit Äxten und Schwertern in den Händen.

– Guck mal, wen haben wir gefangen, – sagte der eine aus ihnen. – Und wer ist in unsere Gegend verschlagen worden? Ein Mädchen und eine Ratte-Spätentwickler.

– Ich bin keine Ratte, bin Mäuschen!!! – sagte Patrick empört.

– Wow, sie spricht auch noch! Ich bin sicher, man wird einen Haufen Gold für die sprechende Ratte zahlen.

– Wer seid ihr? – fragte Patrick sie.

– Ich heiße Edwin, und das sind meine Freunde. Und jetzt bin ich an der Reihe Fragen zu stellen, – sagte Edwin. – Wo kommt ihr her und was macht ihr in meinem Wald?

– Wir wissen nicht, wie wir hierher geraten sind? Wir überschwammen den See mit dem Boot, es fing an stark zu wehen und das Boot kippte um. Wir wurden wach am Ufer, sahen den Pfad und beschlossen, dass er uns nach Hause führen wird, antwortete Sophie.

– Hört auf uns zu volllabern! – sagte Edwin. – Und haben dich, Mädchen, die Mutti und der Vati nicht gelehrt, man darf den Erwachsenen nicht lügen? – wandte sich Edwin an Sophie.

– Ich lüge nicht. Lasst uns gehen, bitte!!! – flehte Sophie Edwin weinend.

– Nehmt ihr ab und ladet, – befahl Edwin seinen Freunden, – bringen wir sie nach Hause, und morgen beschließen wir, was mit ihnen zu machen.

– Vielleicht kann ein schmackhaftes Abendbrot aus ihnen werden, – sagte ein einäugiger Mann mit großen Brandnarben im Gesicht, während er Sophie und Patrick vom Netz befreite, – oder es ist besser sie morgen im Markt in die Sklaverei zu verkaufen, – setzte er lächelnd fort.

Sophie und Patrick wurden an Beinen und Händen angebunden und in den pferdebespannten Wagen gelegt. Sophie war sehr erschrocken, sie weinte und bat sie gehen zu lassen. Patrick beruhigte sie und versprach, dass alles in Ordnung wird und sie sich unbedingt herausfinden werden. In einiger Zeit hielt der Wagen, Sophie und Patrick verstanden, dass sie irgendwohin gefahren waren.

– Jungs, entladet alles, und bringt dieses Mädchen und die Ratte in den Keller und schließt sie ein, lasst sie dort bis gegen Morgen sitzen. Vergesst nicht Wasser und Flachbrot zu geben, sonst sterben sie bis gegen Morgen vor Hunger, – befahl Edwin.

Sophie und Patrick wurden in ein altes schmutziges Haus geführt. Es war dem verwahrlosten Haus gleich, nicht dem Haus, wo man leben kann. Sie gingen durch das Gastzimmer, kamen zur Treppe, die in die zweite Etage führte. Unter der Treppe war ein Tür, der Mann mit der Narbe machte sie auf und brachte Patrick und Sophie in den Keller. Weggehend begann er zu murmeln:

– Warum müssen wir die schwerste Arbeit erfüllen… Und er macht nur eins, befiehlt: holt was hierher, entladet dorthin, bringt und schreit ewig auf uns: was für blöd sind wir und Unglückskinder. Halt́s Maul, Winsler!!! Vielleicht sagst du ihn das alles? Wenn dir Mut fehlt, halte den Mund und mach deine Arbeit.

Es schien, dass der Mann mit der Narbe mit jemandem sprach, doch niemand war daneben. Er verließ den Keller und warf hinter sich die Tür ins Schloss. Im Keller lag auf dem Fußboden eine alte Matratze mit der staubigen Decke und eine fast zur Neige gebrannte Kerze, die der Mann mit der Narbe vor dem Weggehen in Brand setzte. Sophie setzte sich auf die Matratze und brach in Weinen aus.

– Was werden wir machen? – fragte sie Patrick.

– Keine Ahnung, – erwiderte er. – Ich meine, wir müssen etwas erfinden, aber zuerst ein wenig essen und schlafen, und morgen beschließen wir, wie wir machen können und was zu tun ist.

Sophie brach ein Stückchen Flachbrot ab und reichte es Patrick, sie aßen ein wenig und legten sich auf die Matratze. Sophie konnte noch lange nicht einschlafen, überlegte daran, was sie morgen erwartet, und die Mutti und der Vater sorgen sich vielleicht für sie und suchen schon nach ihr. Patrick schlief kaum die ganze Nacht, dachte, wie man aus dem Keller einen Ausweg finden kann. Er besichtigte den Keller und fand ein Fenster mit dem Gitter.

– Können wir versuchen das Gitter abzunehmen und durch das Fenster zu kriechen?! – schlug er Sophie vor.

Da man das Fenster nicht erreichen konnte, suchten sie nach etwas, worauf man sich stellen kann, aber außer zwei Fässer, die an der gegenüberliegenden Wand standen, gab es nichts. Patrick beschloss zu versuchen, das eine der Fässer zu verschieben. Zum Glück stellte es sich heraus, dass ein Fass leer war. Patrick und Sophie gelang es an das Fenster zu verschieben. Jetzt war geblieben, etwas Kleines zu finden, worauf man sich stellen und auf das Fass klettern kann, doch gab es Nichts Passendes im Keller. Patrick schlug Sophie vor, ihm auf die Schultern zu klettern und sie versucht mit den Hände den Fassrand zu erreichen und sich festzuhaken. Patrick stellte Sophie auf seine Schultern und warf sie mit voller Wucht nach oben, aber leider konnte sich Sophie nicht festhaken.

– Los, versuchen wir nochmals, – sagte Patrick Sophie.

Am zweiten Mal war es kaum gelungen, aber die Hände Sophies konnten sich nicht festhalten. Nachdem sie wider zu Atem gekommen waren, beschlossen sie nochmals zu versuchen. Patrick fasste Sophie um Beine und warf sie mit voller Wucht nach oben. Sophie streckte die Hände nach oben wie sie konnte und hakte sich am Fassrand fest.

– Los-los, ziehe dich herauf! – rief Patrick.

Sophie kletterte auf das Fass und begann das Gitter zu reißen. Obwohl das Gitter alt und rostig war, gelang es Sophie es nicht herauszureißen.

– Ich bin zu schwach, ich habe keine Kräfte das Gitter aufzumachen, – sagte Sophie.

– Versuch es kräftiger zu reißen, – rief Patrick mit dem Versuch Sophie Vertrauen einzuflößen.

Sophie riss mit aller Kraft, aber das Gitter gab ihr nicht nach.

– Sieh mal, Bolzen sind fast ganz aus der Wand herausgefallen. Bitte versuche noch kräftiger! – rief Patrick.

Der Schweiß perlte auf der Stirn Sophies, sie riss, wie sie es konnte. An diesem Moment hörte Patrick zuerst, dass jemand geht, und dann den Lärm der zu öffnenden Klinke. Es war Edwin. Sophie sprang von dem Fass aus auf die Matratze, sie legten sich und taten, als ob sie schliefen. Edwin stieg die Treppe herunter in den Keller.

– Steht auf! Es ist Zeit auf den Weg! – rief er Patrick und Sophie.

Edwin band ihre Hände an die lange Leine an und sie gingen ihm nach. Im Geschoss gingen sie nach draußen, dort stand ein pferdebespannter Wagen, und im Wagen stand ein mittelgroßer Käfig, Edwin stoß darin Sophie und Patrick.

– Es ist besser für euch still zu sitzen, wenn ihr am Leben bleiben wollt, – sagte Edwin Patrick und Sophie. – Wir sind bereit, los! – rief Edwin dem Kutscher.

Die Pferde schnellten wie besessen vor. Die Pferde führte der Mann mit der Narbe und die anderen saßen im Wagen neben dem Käfig, wo Sophie und Patrick waren. Sie fuhren sehr lange, zuerst bergauf, dann durch den Wald und wieder bergauf. Vorne zeigten sich Burgwände und ein riesiges Eisentor, sie fuhren durch ein kleines Dorf, das in der Nähe von der Burg lag. Neben der Burg weideten Schafe und Kühe. Zum Burgtor führte ein kleiner Pfad, er war mit den nicht gleichen Steinen gepflastert. Der Wagen mit den Pferden, wo Patrick und Sophie saßen, näherte sich dem Tor. Heute war ein Tag, wenn Händler zusammenziehen, und der Eingang in die Burg war möglich nur mit dem Sonderpassierschein, wo die Unterschrift und der Stempel des Ministers für Handel und des Sklavenhalters Albert stehen müssen.

– Halt! – sagte einer der Wächter, der am Eingang in die Burg stand. – Passierschein!

Edwin holte ein gerolltes Papierrolle heraus, die ihnen erlaubte die Burg zu betreten. Das Tor wurde aufgemacht und sie fuhren hinein. Sophie sah einen großen Handelsmarkt, es war aber nicht klar, wo er beginnt und wo er zu Ende ist. Es gab viele verschiedene Bauten: ein Rüsthaus, Häuser für Soldaten und Dienstleute, Gärten und schneeweiße Fontänen. Das Bewundernswerteste und märchenhaft Schöne war dies, dass diese Burg an Felsenrand stand, wo sich von der Aussichtsterrasse aus der schönste Übersicht über das Gebirge öffnete. Das war aber nicht alles, der Hauptteil sind der Turm und die Burg selbst, die auf einem gesonderten kleinen Felsen gebaut worden waren, zwischen zwei Felsen war eine kleine Holzbrücke, die sie verband. Den Bauern wurde verboten in der Burg zu leben, sie hatte nur das Recht hierher nur für den Handel hineinzugehen. Im Ganzen arbeiteten die Bauer auf den Feldern und Bauernhöfen, und mit der Bedienung der Burg beschäftigten sich Diener und Sklaven, die Albert dem König als Geschenk brachte. Die Sklaven lebten unter scheußlichen Umständen, sie aßen nicht auf, konnten sich selten waschen und erholten sich wenig, lebten in den Kellerräumen. Der Diener musste um vier Uhr morgens aufstehen und sich zu dem Hauptteil der Burg begeben, wo König Louis mit seiner Tochter Prinzessin Milena lebte, und zurück kehrten sie nur weit nach Mitternacht. Sie hatten kein Recht in der Nacht in der Burg zu gehen. Wenn die Wache irgendeinen aus den Dienern oder Sklaven kriegt, droht ihnen der Tod.

Einmal räumte eine Sklavenfamilie, Mann und Frau, den Burghof von trockenem Gras und Unrat, sie sollten alles bis zum Einbruch der Finsternis sauber machen, weil es der Geburtstag der Prinzessin Milena war und es viele Gäste eingeladen worden waren. Der Mann und die Frau konnten alles zur festgesetzten Zeit nicht räumen und zur Strafe wurden sie in das Verlies geschickt, der im Turmkeller war. Die Familie ließ man zwei Wochen verhungern und man brachte dann und wann Wasser. Nach zwei Wochen wurden sie entlassen und in den Keller für die Sklaven geschickt. Die Eltern flehten die Wache ihnen ein wenig Brot für die Tochter zu bringen, sie kann doch sterben, aber die Wache prügelte die Mutter und den Vater dafür, dass sie sich erdreisteten, um Essen zu bieten. Es brach die tiefe Nacht herein und der Familienvater beschloss sich ins Gemüselager zu schleichen und etwas vom Essen für die Tochter und Frau zu stehlen. Er fand den Draht auf dem Fußboden und öffnete damit ein Anhängeschloss, trat nach draußen hervor und sah, dass die Straße leer war und es keine Wache gab, ging nach draußen, rannte bis zum Straßenende, wo sich das Gemüselager befand, kroch durch das kleine Fenster des Kellers, nahm die Augen in die Hand und erreichte die Treppe, die ins Lager führte und stieg hinauf. Er fand Gemüse, steckte es in den Sack so viel, wie er tragen konnte. Auf dem Rückweg beschloss er Sauerkraut und Gurken mitzunehmen, die in den besonderen Fässern im Keller gesäuert wurden. Nachdem er Kohl und Gurken genommen hatte, steckte er zuerst alles durch das Kellerfenster hinein, dann kroch er selbst. Als er fast herausgekrochen war, sah er im Angesicht Beine, er hob den Kopf und verstand, dass es Wächter waren, sie standen mit den schonungslosen Gesichtern und gleichzeitig grinsend. Die Wächter fassten ihn und warfen in das Verlies, am nächsten Morgen wurde er auf Befehl des Königs vor Augen aller Sklaven erhängt. Man zwang die Tochter und Frau es anzuschauen, damit jemand keine königlichen Gesetze verletzen dürfe.

Durch den ganzen Platz gefahren befahl Edwin zu halten und den Wagen zu entladen und ging selbst weg, mit den Worten, dass er Albert ausfindig findet und bald zurückkommt. Am Platz gab es viele verschieden Wesen, die Sophie auf den Bildern gesehen und über die in den Büchern gelesen hatte. Kleingewachsene Zwerge, nicht über ein Meter hoch, mit großen Ohren und riesigen Nasen stritten sie immer miteinander. Elfen, hochgewachsen, über Menschengröße mit den spitzen Ohren und langem Haar. Den Blick Sophies lockten schöne Kristallwagen an, darin waren nicht nur Pferde, sondern weiße Einhörner von atemberaubender Schönheit bespannt. Hexenmeister und Hexen standen und prahlten mit Besen und Stäbchen. Druiden standen um den großen Kessel, wisperten etwas, ihre Stäbe in den Himmel empor erhoben, einer der Druiden sah Sophie und Patrick an und lächelte. Feen flogen über den Platz, deren Flügel waren von unbeschreiblicher Schönheit, bunten Farben und Mustern, sie konnten so schnell fliegen, dass sie fast bemerkbar waren, man kann nur Staub sehen, der langsam vom Himmel auf die Erde sinkend. Die Wesen waren sehr verschieden und ungewöhnlich. Sophie hörte das Gespräch von drei Zwergen, die im Streit etwas besprachen.

– Ich habe nicht ganz verstanden, – sagte einer der Zwerge, – aber warum hat König Louis alle in die Burg eingeladen?

– Ich weiß nicht genau, – erwiderte der andere Zwerg, – aber König Louis sollte seine Tochter Prinzessin Milena zur Frau geben, doch wem, niemand weiß Bescheid davon.

– Und ich habe gehört, dass der König die Prinzessin Milena dem Rat Florin zur Frau geben will, – sagte der dritte Zwerg, – dem, der durch seine Brutalität berühmt ist, ebenso ist er sein Hauptrat.

Prinzessin Milena war ein einziges Kind des Königs Louis. Der König vergötterte sie. Prinzessin Milena war eine hochmütige selbstgefällige Egoistin. Ihre Mutter Königin Navina starb bei der Geburt. Nach dem Tod der Frau verheiratete der König nicht mehr, seine Liebe war sehr groß zur Mutter Milenas, deswegen beschloss er nur der Tochter sein Leben zu widmen. Milena verstand, sobald sie aufzuwachsen begann, dass der Vati ihr alles erlauben und verzeihen wird. Einmal, als der Vati auf Jagd war, befahl Milena sie in die Nachbarkönigreich zum Ball zu bringen, gewiss wurde es ihr abgelehnt, doch niemand könnte Mut fassen, gegen den König zu verstoßen. Der Grund lag darin, dass der König verboten hatte, während seiner Abwesenheit dürfe Milena die Burg nicht verlassen. Wenn er erfahren würde, dass Prinzessin Milena doch die Burg mit Hilfe von jemandem verlassen hat, so würden alle erhängt werden. Prinzessin war nicht gewohnt, dass man ihr widersprach und ihre Befehle nicht erfüllte.

– Ich bin Prinzessin! Sie dürfen meine Befehle erfüllten! – rief sie.

Als sie verstanden hatte, dass niemand gegen den Befehl des Königs verstoßen wird und sie in der Burg verbleiben muss, um sich ein wenig zu beruhigen, rief Milena nach der Wache und befahl alle Sklaven an den Platz zu führen und alle zu peitschen, bis sie nicht zum Halten befiehlt. Gegen diesen Befehl konnte niemand verstoßen. Alle Sklaven wurden an den Platz geführt, man riss ihre Oberkleidung weg und peitschte sie halbtot, und Milena stand und zählte Schläge. Als Schläge zwanzig gezählt worden waren, hielt die Prinzessin die Wache und begab sich mit Lächeln zu ihren Räumen.

Sophie und Patrick saßen im Käfig. Sie konnten daran nicht glauben, dass es wirklich mit ihnen passiert. Nach einiger Zeit kam Edwin zum Wagen, wo Sophie und Patrick saßen. Mit ihm war ein kahlköpfiger Mensch in goldener Rüstung und mit einer großen Schwertnarbe in seinem ganzen Gesicht. Er sah mit schonungslosem Blick auf Patrick und Sophie. Wie es sich herausgestellt hatte, war es Albert, der berühmte Sklavenhalter. Er fragte Edwin:

– Du hast gesagt, dass die Ratte sprechen kann.

– Ja, – erwiderte Edwin.

– So, lass sie sprechen.

Edwin kam näher zu dem Käfig und sagte:

– Nun, sag etwas! – befahl er dem Patrick.

Patrick wollte durch sein Schweigen zeigen, dass Edwin lügt und er keine sprechende Ratte ist. Edwin näherte sich dichter und flüsterte:

– Wenn du jetzt nicht sprichst, ich zerkleinere das Mädchen und lass dich das anehen.

– Ich bin keine Ratte, sondern eine Maus!!! – sagte Patrick laut.

– Wie viel Gold willst du für diese Ratte? – fragte Albert Edwin.

– Zehn Tausend Goldstücke, mein Herr. Und dieses Mädchen einfach gratis, – antwortete er.

– Gut! Ich nehme sie, – antwortete Sklavenhalter Albert.

Er gab Edwin zehn Tausend Goldstücke und befahl der Wache Sophie und Patrick ins Haus zu bringen, das in der Nähe von der Burg stand und sie dort einzuschließen. Sophie und Partick wurden in jenes Haus gebracht, wohin Albert befohlen hatte, im Keller eingeschlossen, nach einiger Zeit brachte man Wasser in der Kanne und einige härte Flachbrote.

– Was müssen wir machen? – fragte Sophie Partick.

– Ich weiß es nicht, wir müssen etwas erfinden und von hier aus einen Ausweg finden, – erwiderte er. – Ich bitte um Verzeihung bei dir, Sophie, – sagte Patrick, – ich habe dich darin hineingezogen, ich brauchte nicht dich zu überreden zum See zu gehen und ihn in diesem alten Boot zu überschwimmen. Wir finden unbedingt einen Ausweg und werden uns herausfinden, es ist nur geblieben zu verstehen, wie wir das machen dürfen.

– Niemand kann uns helfen, – sagte weinend Sophie, – wir werden hier für immer bleiben! Wie kommen meine Mutti und Vati ohne mich zurecht? – sagte sie noch stärker weinend.

Der Keller des Hauses war riesig, darin war kaum ein Licht, nur eine Kerze, kaum noch brennend, beleuchtete den ganzen Keller. Die Kellerfeuchte und hohe Feuchtigkeit, wegen dessen die ganze Kleidung nass war, ließen alle, die dort waren, bis in die Knochen durchfrieren. In einiger Zeit stieg die Wache in den Keller herunter, öffnete den Käfig, wo Sophie und Patrick saßen, und befahl ihnen aufzustehen und ihr nachzufolgen. Das grelle Tageslicht biss in den Augen, es war schwer zu gehen, ihre Beine waren in Eisen geschlagen worden, damit sie nicht fliehen konnten. Die Wache brachte sie zu einer kleinen Holzbrücke, die zum großen Eingangstor der Burg führte. Die Brücke verband zwei Felsen und dazwischen war eine tiefe Kluft. Einer der Wächter warnte vor, gesagt, dass sie Befehle erfüllen dürfen, wenn sie nicht wollen, dass man sie von dieser Brücke in die Kluft wirf. Sophie und Patrick sahen entsetzlich nach unten und traten zurück, indem sie sich dicht der Wache näherten. Am Burgeingang standen noch vier Wächter, sie waren riesig und stark, in ihren Händen waren Äxte und große Metallschilder. Die Wache machte die Tür auf, Sophie und Patrick betraten die Burg begleitet von der Wache. In einem langen engen Korridor hingen viele Porträts, darauf waren König Louis und seine verstorbene Frau Königin Navina dargestellt worden, auf einem anderen Porträt war Prinzessin Milena abgebildet. Die Rahmen dieser Porträts waren golden, die Wände waren aus rotem Schnittholz angefertigt worden und an der weißen Decke hingen dem ganzen Korridor entlang großen Kristallleuchten mit den Kerzenständern darin. Entlang den Wänden gab es viele Türen, aber Sophie und Patrick wurden zum Ende des Korridors zu jener Tür gebracht, die zur Wäscherei führte, dort wartete Hofmann Robert auf sie. Er war mittelgroß mit dem grauen Kopf und mit dem dichten schwarzen Bart, er war verantwortlich für alles in der Burg. Die Roberts Familie diente den Königen dieser Burg schon viele Jahrhunderte, seine Ahnen im Mannesstamm waren Hofmänner, Schmiede oder Tischler, und Frauen waren immer Dienstmädchen. Robert war sehr streng, für jeden Ungehorsam konnte er jeden in das Verlies für eine Woche ohne Essen stecken und der Wache erlauben, nur allein Wasser zu geben.

– Mir nach! – befahl Robert Sophie und Patrick mit überheblicher Stimme.

Die Wache legte ihnen Eisen ab und sie gingen nach dem Hofmann in eine kleine Stube, wo einige Holzwaschtröge von den großen bis zu den kleinen, lagen Bürsten und Lappen, und in der Ecke standen Besen.

– Eure Aufgabe ist die Tröge, Lappen und Bürsten zu nehmen, – sagte Robert im Befehlston, – ihr solltet alles in den Thronsaal bringen, diese Tröge mit dem Wasser einfüllen. Später erkläre ich, was weiter zu tun ist, – drehte er sich auf den Absätzen in Richtung der Tür um, drehte den Kopf und sah die Wache an, er befahl das Mädchen und die Maus in den Thronsaal zu bringen.

Sophie und Patrick nahmen Lappen, Bürsten und einen Trog und begaben sich zum Thronsaal. Als die Wache die Tür aufmachte, standen Sophie und Patrick mit aufgesperrten Augen und weit aufgemachtem Mund. Die Schönheit des Saals war schwer in Worten wiederzugeben, der Saal sah strahlend schön und hell aus, und zwar so, dass sein Glanz in den Augen biss. Die der Wand entlang angeordneten Doppelsäulen machten ihn einem Tempel gleich. Der Saal war mit Marmor in weißen, grauen, rosa und bläulichen Farben bekleidet. Überall waren vergoldete Elemente des Innenraumes und helle malerische Leuchtengläser. In der Thronnähe standen Statuen in den halbrunden Nischen. Der Thronplatz stellte ein gestuftes Podium mit dem Thron dar. Der Thron selbst war aus Gold mit der langen Lehne und den breiten Ellbogenlehnen angefertigt worden. In einigen Minuten kam Robert an und sagte, dass heute ein Ball der Verlobung der Prinzessin Milena zu Ehren stattfindet und alles hier zum Abend glänzen sollte.

– Hier glänzt alles nun ja, – sagte Sophie.

– Halt́s Maul! – sagte Hofmann Robert.

– Wie schaffen wir den so riesigen Saal zu waschen? – fragte Patrick Robert.

– Es sind eure Probleme, – erwiderte er, drehte sich um und ging weg.

– Ich glaube, wenn wir jetzt nicht anfangen und uns nicht beeilen, so fürchte ich, wir können bestraft oder hingerichtet werden, – sagte Sophie.

– Ich sage mehr, man kann uns hinrichten, wenn alles hier nicht glänzen wird, – sagte Patrick.

Sophie und Patrick holten Wasser und machten sich an die Arbeit.

– Patrick, – wandte sich Sophie an das Mäuschen, – ich meine, du brauchst mit dem Staubwischen anzufangen, und ich beschäftige mich mit dem Bodenwaschen.

Die Fußböden des Thronsaales waren auch aus Marmor gemacht. Er war weiß und ihn auszuwaschen war es sehr schwer. Einfach mit dem Lappen wurde der Schmutz nicht ausgewaschen, Sophie beschloss eine Bürste zu nehmen und damit den Schmutz auszuwaschen, doch der Schmutz verschwand langsam vom weißen Marmor.

– Wenn ich ein König wäre und so leben könnte, – sagte Patrick, – keine Sorgen für dich, du sitzt auf dem Thron und weist an, wer was machen soll.

– Ich möchte auch eine Prinzessin sein, – Sophie beschloss auch zu träumen, – ich würde prächtige und schöne Kleider tragen, jeden Tag Bälle veranstalten lassen, einen schönen Prinz heiraten und wir würden viele Kinder haben.

– Und noch würdet ihr lang und glücklich leben, – sagte Patrick lachend.

Nachdem Patrick das Lachen aufgehört hatte, wollte er einen Eimer holen und rutschte dort aus, wo Sophie den Fußboden gewaschen hatte. Sophie brach in lautes Lachen totlachend so laut aus, dass ein Wächter, der hinter der Tür stand, das gehört hatte. Danach trat er ein und sagte in schonungsloser Stimme:

– Hört aus zu plaudern. Und beeilt euch, bald wird man in den Thronsaal Tische und Stühle bringen.

Patrick wartete darauf, bis sich der Wächter gedreht hatte, und machte ihm eine Grimasse. Sophie lächelte und setzt fort mit der Bürste den Marmorboden zu reiben. Später begann man Tische und Stühle in den Saal zu bringen, die den Wänden entlang eingereiht und mit den weißen samtenen Tischdecken bedeckt worden waren, in die Tischmitte wurden Kristallkerzenständer und weiße Vasen mit den Blumen gestellt. Um diese Zeit hörten Sophie und Patrick auf Fußböden zu waschen und Staub zu wischen. Hofmann Robert näherte sich Sophie und Patrick mit demselben hochmütigen Blick und befahl ihnen in die Küche zu gehen und Hauptköchin Tante Dorothea zu finden, und sie sagt ihnen, was weiter zu machen.

– Wie es weiter? – rief Patrick aus. – Wir sind totmüde und haben Wolfshunger.

Worauf der Hofmann Patrick mit der Peitsche schlug, die er hinter dem Rücken her herausgezogen hatte.

Sophie und Thronerbe

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