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Gegenwart

Thea legte seufzend den Stift zur Seite und griff nach dem Wörterbuch. Periculosus war das nächste Wort in einer unendlich langen Liste an Begriffen, die sie nachschlagen musste. Schon seit Stunden brachte sie ihre Ergebnisse zu Papier und doch machte das, was dabei herauskam, einfach keinen Sinn. „Eine gefährliche“, murmelte sie und schrieb es nieder.

In diesem Moment wurde die Tür zu ihrem Badezimmer geöffnet. Thea zuckte zusammen und starrte auf den Mann, der mit einem süffisanten Grinsen nun ihr Wohnzimmer betrat.

Ihr Blick fiel auf seinen muskulösen, nackten Oberkörper. Sanft gebräunte Haut, geziert von glitzernden Wassertropfen, durchaus kein unangenehmer Anblick.

Thea schluckte, während ihr Blick wie hypnotisiert an einem Tropfen hing, der über seine Brust hinab bis zum Rand des Handtuches lief, das er nachlässig um seine Hüften gewickelt hatte.

„Dir gefällt, was du siehst“, sagte er und sein Ton ließ keinen Zweifel daran, dass er genau wusste, welche Wirkung er auf sie hatte.

Sie riss ihren Blick von ihm los und starrte wieder auf das, was sie eben geschrieben hatte. Gefährlich war das richtige Wort für diese Situation.

„Nein“, antwortete sie nach einer viel zu langen Pause. Sie musste ruhig bleiben. Die Kontrolle behalten, wenn sie das hier unbeschadet überstehen wollte. „Es ist nur überaus unangemessen, in diesem Aufzug aus dem Bad zu kommen“, fügte sie hinzu und klang dabei nicht so gelassen, wie sie es sich gewünscht hätte.

Er lachte. Es war ein sinnliches Lachen, voller dunkler Versprechungen. Thea atmete tief ein und griff nach dem Wörterbuch, um sich daran festzuhalten.

„Du bist eine miserable Lügnerin“, sagte er mit sanfter Stimme. Er bewegte sich. Thea blickte alarmiert auf. Er hatte ein schönes, sehr maskulines Gesicht umrahmt von schwarzen, nassen, Haaren. Doch es waren seine Augen, die Thea daran erinnerten, wie gefährlich dieser Mann – diese Kreatur – war. In ihnen flackerte ein violettes Feuer und offenbarte seine wahre Natur.

Thea beobachtete, wie er sich ihr näherte. Er bewegte sich wie ein Raubtier. Das Spiel seiner Muskeln unter der nassen Haut war schon fast hypnotisierend. In ihrem Nacken begann es zu kribbeln, während er Schritt für Schritt näherkam. Dann löste sich das Handtuch und fiel fast lautlos zu Boden, doch ihn schien das nicht weiter zu kümmern.

Thea schnappte erschrocken nach Luft und sprang auf. Mit einem lauten Poltern krachte der Stuhl um, während sie rückwärts auswich.

Er lachte. Es war ein arroganter Laut, der ihr unter die Haut ging. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken und sie griff das Buch fester, dass sie wie einen Schild zwischen sich und ihn brachte. Ihr Instinkt riet ihr, wegzulaufen, aber sie hatte nicht vergessen, was Manuela ihr geraten hatte. Sie durfte keine Furcht zeigen, denn jede Schwäche würde er gegen sie nutzen. Einfacher gesagt, als getan.

Ihre Augen fixierten sein Gesicht. Eine gerade Nase, sinnliche, volle Lippen und der Ansatz eines Bartes, der sicher leicht auf der Haut kratzte, dazu kamen strahlend weiße Zähne und rabenschwarzes Haar. Er war amüsiert und sie war sich sicher, dass er sie nicht ernst nahm. Er wusste um seine Wirkung und er spielte mit ihr.

Thea atmete tief durch und legte das Buch ab. Dann verschränkte sie die Arme vor der Brust. Seine dunklen Augen, in denen es violett loderte, fixierten sie und machten sie nervös. „Du wirst Abstand halten!“, sagte sie und bemühte sich, ihre Stimme fest klingen zu lassen. „Und du wirst dir etwas anziehen.“

In seinen Augen loderten die Flammen auf und sie spürte, wie etwas in ihr sich anspannte. Es war, als würde er an ihr ziehen und vermutlich tat er auch genau das. Er war an sie gebunden, das hatte Manuela gesagt. Sie hoffte nur, dass die Ketten, die ihn hielten, ihren Dienst tun würden, bis sie herausgefunden hatte, wie sie ihn wieder loswerden konnte.

„Macht dich mein Körper nervös? Stellst du dir vor, wie es wäre, wenn du ihn berühren würdest, wenn ...?“

„Nein!“, unterbrach ihn Thea, die nicht verhindern konnte, dass seine Worte Bilder heraufbeschworen, an die sie nicht denken wollte. Er sprach einen Teil von ihr an, der auf ihn reagierte. „Ich will, dass du dir etwas anziehst“, wiederholte sie angespannt. „Und ich will, dass du Abstand hältst!“

„Das ist nicht das, was du wirklich willst“, antwortete er, während das dunkle Versprechen, ihr das auch zu beweisen, in seinen Worten mitschwang.

„Doch, das ist es“, wiederholte Thea stur. Für einen Moment loderten die Flammen einmal richtig hoch, dann wandte er sich lachend ab und hob das Handtuch wieder auf. Er warf es sich mit einer lässigen Geste über die linke Schulter und blickte noch einmal zu ihr zurück. Ein triumphierendes Lächeln erschien auf seinen Zügen, bevor er schließlich wieder im Bad verschwand.

Thea atmete auf. Ihre Handflächen waren feucht geworden und ihr Atem ging schneller, als er es sollte. Diese Kreatur brachte sie vollkommen aus dem Konzept. Wieso musste es denn ausgerechnet ein scharfer Kerl sein? Ihr wäre etwas mit Hörnern und Dreizack lieber gewesen. Irgendetwas, dass eben weniger normal aussah und sie nicht vergessen ließ, dass es nicht aus ihrer Welt stammte.

Sie hatte sich kaum wieder gesetzt, als die Tür erneut aufging. Er kam zurück und diesmal trug er zumindest eine enge, schwarze Hose. Das weiße Shirt, das sie ihm besorgt hatte, warf er einfach vor sie auf den Tisch. Er selbst setzte sich.

Thea lehnte sich auf ihrem Stuhl etwas zurück und sah ihn an. Für ihren Geschmack war die andere Seite des Tisches viel zu nah, doch der gierige Blick, mit dem er sie musterte, ließ sie jede neue Anweisung direkt vergessen. Er war das Raubtier und sie seine Beute. Das war ein Gedanke, der sie nicht gerade beruhigte.

Sie erinnerte sich selbst noch einmal daran, dass Manuela ihr gesagt hatte, dass er ihr nichts tun konnte. Sie musste sich zusammenreißen. Thea schob das Shirt beiseite und wollte sich wieder an die Übersetzung machen, doch er kam ihr zuvor. In einer unglaublich geschmeidigen Bewegung hatte er sich den Zettel mit ihren Notizen und den Ursprungstext schon genommen.

Lässig lehnte er sich auf dem Stuhl zurück und begutachtete beides. Thea massierte sich die Stirn und warf ihm einen verärgerten Blick zu.

„Dein Latein lässt zu wünschen übrig“, kommentierte er, während er stirnrunzelnd ihre Aufzeichnungen mit dem Text verglich. Thea biss die Zähne zusammen und sagte nichts dazu. In diesem Moment griff er nach einem der Stifte und begann ihre Übersetzungen durchzustreichen und eigene Notizen über ihren zu machen, bevor er ihr den Zettel zurückreichte.

„Was soll das?“, fragte sie genervt und bemerkte den zufriedenen Blick, mit dem er sie musterte.

„Meine Übersetzung ist passender als deine“, sagte er.

Sie warf noch einmal einen Blick auf die merkwürdigen Striche, die er auf ihr Blatt gemalt hatte, griff sich dann einen Stift und schrieb ihre Notizen wieder auf.

„Sie sind falsch“, sagte er ruhig, aber bestimmt.

Thea hob den Blick und sah ihn an. „Und deins ist keine Übersetzung, sondern höchstens abstrakte Kunst und nun halt die Klappe.“

Sie hatte noch nicht ganz ausgesprochen, da stand er auch schon neben ihr. Thea hatte keine Ahnung, wie er so schnell um den Tisch gekommen war, doch nun beugte sich seine imposante Gestalt zu ihr herab und sah auf den Zettel. Thea erstarrte. Sie nahm seinen intensiven, aber nicht unangenehmen, Geruch nach Wald und Feuer wahr.

„Das ist keine abstrakte Kunst, sondern Keilschrift“, erwiderte er amüsiert. „Und meine Übersetzung ist treffender als deine, also solltest du dich daran halten.“ Er starrte sie an und Thea spürte, wie ihr heiß und kalt zur gleichen Zeit wurde.

In seinen Augen loderten die Flammen und sie war für einen Moment vollkommen in ihren Bann gezogen. Thea spürte seine warme Hand, die sich sanft auf ihre Wange legte. Sein Gesicht näherte sich ihrem. Kurz bevor seine Lippen die ihren berührten, sah sie das triumphierende Aufblitzen in seinen Augen.

Thea zuckte vor ihm zurück und versuchte, nach hinten auszuweichen. Der Stuhl kippte. Sie gab einen erschrockenen Schrei von sich und dann krachte sie schon auf den Boden.

Thea fluchte, während er sich zu seiner vollen Größe aufrichtete und auf sie hinabsah. Wie ein Raubtier, das sich seiner Beute sehr sicher war, blickte er sie an und ein weiterer kalter Schauer lief über ihren Rücken. Sie spürte das Adrenalin in ihrem Körper und den Drang, nur möglichst schnell von hier zu verschwinden.

„Verdammt! Ich habe dir gesagt, dass du Abstand halten sollst! Das war ein Befehl!“ Thea rappelte sich eilig wieder auf, dann griff sie nach dem Stuhl und stellte ihn zwischen sie beide.

Er war wenig beeindruckt von dem, was sie sagte. Er spielte mit ihr. Sie war dieser Situation nicht gewachsen. Er schien das genauso zu sehen, denn er lächelte sie auf eine Art an, die seine Überlegenheit deutlich widerspiegelte.

„Gut“, antwortete er und grinste dabei gelassen. „Ich kann das lesen.“

„Schön für dich“, gab Thea zurück.

Seine Züge veränderten sich, wurden weich und sein Lächeln war einladend und charmant. „Ich könnte es dir vorlesen, wenn du nett fragst“, sagte er leise. Er würde noch ganz andere Dinge tun, wenn sie nett fragen würde, dem war sie sich sicher. Sie schob diesen unwillkommenen Gedanken beiseite.

„Hör´ auf damit!“, forderte sie, doch ihrer Stimme mangelte es an Nachdrücklichkeit. Manipulierte er sie? Thea war sich nicht sicher.

Als er lachte, lief ihr eine Gänsehaut über den Rücken. „Nun, meine Hübsche, wenn du mir auch noch sagst, womit genau ich aufhören soll, werde ich das vielleicht sogar tun.“

Thea biss ihre Zähne zusammen. Was sollte sie sagen? Sie konnte nichts antworten, was er nicht direkt hätte gegen sie verwenden können. Dieser Kerl war die personifizierte Versuchung und er wusste, welche Wirkung er auf sie hatte. Sie musste ihn so schnell wie möglich wieder dorthin zurückschicken, wo er herkam.

Sie zählte im Stillen bis zehn, dann ging sie an ihm vorbei, nahm die Blätter, die Bücher und einen Stift und setzte sich ans andere Ende des Tisches. Sie spürte die ganze Zeit seinen Blick auf sich ruhen. Zu ihrer Überraschung ließ er sich ebenfalls wieder an dem Tisch nieder.

„Ich könnte dir den Text auch übersetzen, aber ich habe den Eindruck, du stehst mehr auf die harte Tour“, sagte er und klang dabei fast unschuldig.

Seine Worte lösten einen Schwall von Bildern aus, die sich in Theas Hirn einzubrennen schienen. Sie reagierte nicht und starrte haltsuchend auf die Buchstaben. „Ich merke schon, so verschieden sind wir gar nicht. Ich mag die harte Tour auch lieber.“

Es dauerte eine Weile, bis Thea die Bilder aus ihrem Kopf verbannt hatte und die Kraft fand, ihn anzusehen. Sie würde nicht auf seine Doppeldeutigkeiten reagieren, das nahm sie sich fest vor, zumindest würde sie es nicht eingestehen. „Es kann gut sein, dass du in der Lage bist das zu übersetzen, aber da es darum geht dich wieder loszuwerden, bist du nicht unbedingt das, was ich als zuverlässigen Mitarbeiter bezeichnen würde. Ich würde sagen, du gehst jetzt ins Gästezimmer, legst dich schlafen und lässt mich hier in Ruhe weiterarbeiten.“

In seinen Augen funkelte es und Thea hatte den Eindruck, dass sie schon wieder etwas Falsches gesagt hatte. „Dämonen schlafen nicht“, sagte er mit samtweicher Stimme. „Aber ich kann dich gern mitnehmen und dir zeigen, womit sich jemand wie ich so seine Zeit vertreibt. Du würdest es genießen!“

Thea stockte der Atem, als sie die Begierde in seinem Blick sah. Ihr wurde heiß und sie spürte, wie sich ihre Wangen färbten, während Bilder von nackten Körpern vor ihrem inneren Auge vorbeizogen.

Sie räusperte sich und bemühte sich, unbeteiligt zu klingen. „Ich bezweifle, dass das etwas ist, worüber ich nähere Informationen haben möchte.“

Er lachte. Es klang verlockend, ja beinahe schon unschuldig, auch wenn sich Thea sicher war, dass unschuldig zu diesem Mann in keinem Kontext passte. Es überraschte sie, dass er sich tatsächlich erhob und ihrer Aufforderung nachkam.

Erst als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, atmete Thea auf. Sie wusste nicht warum, aber ihre Reaktionen auf ihn waren merkwürdig. Ein hübscher Mann hatte sie noch nie so vollkommen aus der Fassung gebracht. Irgendwie schaffte er es, dass sie so stark auf ihn reagierte, und das beunruhigte sie wirklich.

Sie ließ den Blick über ihre Notizen wandern. Das, was da zu lesen war, machte keinen Sinn. Es ärgerte sie. Sie legte alles fein säuberlich übereinander, dann stand sie auf. Sie war müde. Die letzte Nacht war chaotisch gewesen und auch den Tag über hatte sie nicht gut geschlafen.

In der Küche schaltete sie den Wasserkocher ein, griff nach ihrem Smartphone und zog sich auf den kleinen Balkon zurück. Misstrauisch ließ sie den Blick noch einmal durch die Küche gleiten, bevor sie die Tür hinter sich zuzog.

„Wie läuft es mit dem superheißen Typen?“, wurde sie von ihrer Freundin begrüßt, die auf ihren Anruf gewartet zu haben schien. „Alles noch im Griff oder hat er dich schon um den kleinen Finger gewickelt?“ Saskia klang so unbeschwert und sorglos wie eh und je und Thea erwischte sich dabei, wie sich ihre Mundwinkel zu einem leichten Lächeln verzogen. Sie war froh darüber, denn die ständige Anspannung, die sie den Tag über verspürt hatte, ließ etwas nach.

„Alles im Griff, würde ich sagen. Der Typ oder das Ding oder was auch immer, ist eine Nervensäge sonder gleichen. Zum Glück ist er nicht mehr so aggressiv wie in der Nacht. Aber das Schlimmste ist, dass ich immer noch keine Ahnung habe, wie ich den wieder loswerden soll. Der Übersetzer hat nur Müll ausgespuckt und auch mit dem Wörterbuch wird es nicht besser. Ich glaube nicht wirklich, dass mich der Beschwörungstext oder das Buch viel weiterbringen.“

„Mit der Kontrolle über ihn hatte Manuela doch Recht, oder?“, fragte Saskia nach.

„Ja. Vermutlich schon, aber ich bin nicht sicher, wie weit diese Kontrolle wirklich reicht. Manchmal scheint es so, als würde er etwas austesten und das macht mir Angst.“

„Wie ein Tier, das seinen Käfig nach einer Schwachstelle absucht?“

„Genau so. Allerdings ist er echt nur schwer zu ertragen, ich habe immer den Eindruck, dass er auf der Lauer liegt. Und wenn es nicht das ist, dann wirft er mit doppeldeutigen Dingen um sich. Er kam quasi nackt aus der Dusche.“

Saskia kicherte. „Sicher ein sehr heißer Anblick. Vielleicht solltest du es genießen. Also mir würden eine Menge Dinge einfallen, wie man sich mit diesem Körper die Zeit vertreiben könnte!“

„Saskia!“ Thea schüttelte den Kopf, es war fast so, als hätte ihre Freundin die Nacht schon wieder vergessen.

„Was denn?“ Saskia lachte. „Manuela hat gesagt, dass er tun muss, was du ihm befiehlst also ... wie schlimm kann er derzeit schon sein?“

Thea vergewisserte sich, dass es in ihrer Wohnung immer noch ruhig war, bevor sie antwortete: „Er ist extrem gefährlich. Er hat mich vorhin fast geküsst. Irgendwas Merkwürdiges umgibt ihn und verhindert zum Teil, dass ich klar denken kann. Ich habe Angst, dass er es schafft, mich in seinen Bann zu ziehen.“

Saskia lachte erneut. „Also ich übersetze das mal. Du findest den Kerl mächtig heiß, was er wohl sogar in zweifacher Hinsicht ist. Vorausgesetzt er ist wirklich, für was wir ihn halten. So, und du reagierst auf seinen heißen Körper und diesen Hauch von Gefahr. Wo ist denn bitte dein Problem? Vielleicht solltest du daraus eine Win-win Situation machen. Wenn er auch heiß auf dich ist. Was soll schon passieren?“

Thea runzelte die Stirn. Sie war sich nicht sicher, ob Saskia sie gerade auf den Arm nahm, oder das ernst meinte.

„Er ist ein Dämon? Ich meine: Hallo? Niemand hat wirklich damit gerechnet, dass irgendwas passiert, und nun haben wir hier irgendeine Art von Wesen, findest du nicht, dass du da ein klein bisschen zu leichtfertig bist?“

Erneut lachte Saskia. „Ja, das ist schon etwas grenzwertig, aber ich bleibe dabei. Du hast ihn an der Leine. Genieß die Zeit. Ich bin mir sicher, so etwas passiert einem nur einmal im Leben. Du hast die Kontrolle, hat Manuela gesagt und er ist echt heiß.“

Thea konnte sich des Eindrucks nicht verwehren, dass Saskia die Sache nicht ernst nahm und wirklich verdenken konnte sie es ihrer Freundin nicht. Der Dämon sah aus wie ein ganz normaler, wenn auch ziemlich gutaussehender, junger Mann. Das Einzige, was sie immer wieder dazu brachte zu glauben, dass er wirklich ein Dämon war, waren die Art seines Auftauchens und das violette Feuer in seinen Augen. Sie hatte auch nicht vergessen, wie er auf Manuela losgegangen war. Er war süßes Gift und das durfte sie nicht ignorieren. Ihre Freundin hatte sie eindringlich vor ihm gewarnt und Thea hatte die Worte sehr ernst genommen.

„Ganz sicher bin ich mir mit der Kontrolle nicht. Ich weiß nie, wann er etwas tut, weil er es will und wann er es tut, weil er es muss. Ich bin mir nicht sicher, wie viel Macht ich da wirklich habe. Ich sagte dir schon, ich habe den Eindruck, dass er austestet, wie weit er gehen kann. Ich glaube nicht, dass irgendwelche Ketten oder magischen Kontrollen ihn tatsächlich halten.“

Saskia fing wieder an zu lachen und in Theas Geist manifestierte sich das Bild eines auf ihrem Bett gefesselten, nackten Mannes.

„Verflucht Saskia, du weißt, was ich meine“, raunzte sie ihre Freundin an, die die Situation einfach nicht ernst nahm und sie war verärgert über sich selbst.

„Ertappt! Und da sagt man mir immer, ich würde meine Gedanken nur in der Gosse haben.“ Dann lenkte sie ein und wurde das erste Mal Ernst. „Thea, entspanne dich etwas. Wenn du ihn nicht in deiner Nähe willst, dann sperre ihn im Gästezimmer ein. Aber ich frage mich, ob du den Morgen einfach alleine lassen kannst, meinst du, es klappt, wenn du ihm sagst, er soll bei dir zu Hause warten?“

„Wovon sprichst du? Wieso sollte ich ihn ...“ Thea stöhnte auf, als es ihr wieder einfiel. „Das Treffen. Da muss ich absagen.“

„Da kannst du nicht absagen. Deine Schwester ist nur deinetwegen in der Stadt. Du glaubst doch nicht wirklich, dass du sie los bist, wenn du das Treffen abbläst.“

Thea lief es kalt den Rücken runter. „Wenn ich absage, steht sie hier vor der Tür. Verdammt. Wie soll ich das denn nun machen? Manuela sagte doch, der Dämon wird in meiner Nähe bleiben und nach dem wie ich ihn bisher erlebt habe, wird er nicht unbedingt diskret sein. Das geht nicht. Meine Schwester soll auf keinen Fall irgendwie in die Sache reingezogen werden.“

„Tja, das macht das Ganze nun wirklich etwas kompliziert.“

Saskia schwieg einen Moment, dann sagte sie: „Nimm ihn einfach mit. Er wird deiner Schwester und den Menschen dort nichts tun können, wenn du es ihm verbietest.“

„Und was genau erzähle ich dann meiner Schwester? Ach übrigens, dass hier ist ein Dämon. Wir haben da mit ein wenig Hokus-Pokus herumexperimentiert und nun klebt der mir am Arsch. Im Moment verbringe ich meine Zeit damit lateinische Texte zu übersetzen, um einen Weg zu finden, wie ich den Typen sicher wieder dorthin bekomme, wo er herkommt. Die lässt mich doch sofort einweisen.“

„Gib ihn als einen Freund aus. Deinen scharfen, etwas unhöflichen, merkwürdigen Freund“, schlug Saskia vor.

„Und das violette Feuer in seinen Augen erkläre ich mit einem seltenen Gendefekt?“ Thea hatte skeptisch die Stirn gerunzelt und dachte fieberhaft nach.

„Sonnenbrille!“, platzte es aus Saskia heraus.

„Das könnte klappen, aber ... verdammt Saskia, ich will den nicht in die Nähe meiner Schwester oder irgendeines anderen Menschen bringen. Wer weiß, was der da für einen Unsinn anstellt.“

„Du könntest versuchen, ihn in der Nähe irgendwo zu parken. So wie man einen Hund vor einem Laden anbindet.“

„Irgendwie fürchte ich, dass wenn ich das tue, der mir nur noch mehr Probleme machen wird.“ Thea seufzte. „Ich habe keine gute Idee, aber ich werde mir wohl bis morgen etwas einfallen lassen müssen.“

„Vielleicht siehst du das auch alles einfach nur zu verbissen. Solange du ihn unter Kontrolle hast, wird er schon nichts Schlimmes anrichten können und eher früher als später bist du ihn dann ja auch wieder los. Sieh es einfach als interessante Erfahrung an.“

„Auf die hätte ich gern verzichten können“, grummelte Thea. Sie starrte durch das Fenster in die Wohnung. Nichts regte sich.

„Ja, aber sieh es doch mal so: Es hätte schlimmer kommen können. Stell dir mal vor er hätte Hörner, Ziegenbeine und einen Teufelsschwanz oder gar Fledermausflügel in XXL. Das wäre dann kompliziert gewesen.“

„Du hast Recht. Okay, ich versuche, jetzt ein wenig zu schlafen. Vielleicht habe ich ja Glück und er ist morgen früh einfach verschwunden. Noch besser: Ich wache auf und das alles war nur ein vollkommen abgedrehter Traum.“

Saskia wünschte ihr eine gute Nacht und legte dann auf. Thea öffnete leise die Tür und trat ein. Sie horchte. Nichts war zu hören und niemand zu sehen. Wie ein Dieb schlich sie sich zu ihrem Zimmer. Mit der Hand tastete sie nach dem Lichtschalter. Misstrauisch ließ sie ihren Blick durch ihren Raum wandern. Sie hatte ihm zwar ausdrücklich und mehrfach verboten, dieses Zimmer zu betreten, aber, das er sich auch daran hielt, darauf würde sie nicht wetten. Erst als sie feststellte, dass er nicht in ihrem Zimmer war, verschloss sie die Tür und entspannte sich etwas.

Erneut fragte sie sich, ob Saskia wirklich so unbesorgt war und ob sie damit nicht vielleicht Recht hatte. Auf der anderen Seite hatte sie die Angst in Manuelas Gesicht gesehen und auch seinen ersten Auftritt nicht vergessen.

Dieser Mann oder besser dieses Wesen war gefährlich und dass seine Anwesenheit sie dermaßen aus dem Konzept brachte, machte die Situation komplizierter und unberechenbarer, als sie von sich aus schon war.

Beim Umziehen fiel Theas Blick auf den lilafarbenen Bettbezug. Die Farbe erinnerte sie an die merkwürdigen Flammen, die in seinen Augen tanzten. Sie glaubte, schon fast zu sehen, wie er triumphierend grinste. Schnell wischte sie diesen Gedanken beiseite. Morgen früh würde sie das Bett neu beziehen.

Noch lange lag sie wach. Sie lauschte in die Stille hinein. Thea erwartete fast, dass sich etwas regen würde, doch nichts geschah. Dämonen schlafen nicht, hatte er behauptet. Dieser Gedanke behagte ihr nicht, denn wer wusste, was er sonst gerade tat. Ich könnte dir zeigen, womit sich jemand wie ich so seine Zeit vertreibt, ging es ihr durch den Kopf und ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken.

Thea schüttelte verärgert den Kopf. Normalerweise ging ihr nichts so schnell unter die Haut. Auf der anderen Seite war die derzeitige Situation auch nicht wirklich als normal einzuordnen.

Zeitenwende

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