Читать книгу FCKNG New Year - Vivian Valentine - Страница 6

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»Verflucht, Carly!«, blaffe ich meine Cousine an und zerre sie in eine Nebenstraße von Granview-Woodland in Vancouver.

Die weißen Atemwölkchen vor meinem Gesicht sind seit einigen Blocks mein stummer Begleiter ebenso wie das Rasen meines Herzens. Der Alkohol in meinem Blut vernebelt mir schon ein wenig die Sinne und schwächt mich, aber zum Glück bin ich immer noch so klar, dass ich es geschafft habe, unsere Ärsche aus dem Clubhaus des Vancouver Venom MCs zu schaffen, ehe meine Kumpels sie oder mich aufgemischt hätten.

Obwohl wir eine Familie sind und die Biker einiges einstecken können, verstehe ich ihre Wut auf uns – bei dem Aufstand, den die Kleine dort angezettelt hat. Sich mit Reed O‘Neill, dem Sergeant at Arms des Clubs, anzulegen war einfach nur gequirlte Scheiße.

Meine verdammte Lunge brennt.

Ich scanne kurz die Umgebung und beschließe dann, dass wir weit genug vom Clubhaus, welches direkt bei den Docks in Downtown Eastside liegt, entfernt sind. Definitiv weit genug. Verdammt. Keuchend bleibe ich stehen. Den Umstand, dass ich eigentlich ins Bett gehöre, weil ich eine fiese Erkältung ausbrüte, ignoriere ich seit Tagen. Obwohl es mich anwidert, versuche ich mich mit Whisky zu desinfizieren und mache damit alles nur noch schlimmer.

»Was?«, keift Carly zurück. »Der Pisser hat es nicht besser verdient! Einfach vor meinen Augen mit einer anderen rumzumachen!« Wütend funkelt sie mich aus ihren haselnussbraunen Augen an. Der Stolz in ihnen, dass sie einem der ranghöchsten Mitglieder des berüchtigten Vancouver Venom MC fast die Nase gebrochen hat, ist überdeutlich erkennbar.

Ich zerre grob an ihrem Arm und schleife sie in eine windgeschützte Ecke der Gasse. Mein Puls beruhigt sich etwas, doch zeitgleich setzen die Kopfschmerzen ein. »Wie oft denn noch?« Meine Geduld ist am Ende und es geht mir immer beschissener. »Du bist nicht seine Old-Lady! Er kann ficken, wen immer er will, und das warst offenbar nicht mehr du!«

»Paul – du bist so ein Arschloch!« Ehe ich's mich versehe, reißt sie sich von mir los und stöckelt davon – geradewegs auf eine der vielen Metalltüren in dieser Hinterhofgasse zu.

»Verflucht!«, brülle ich, als es ihr gelingt, eine davon zu öffnen und darin zu verschwinden. O Mann, als hätte sie heute nicht schon genug angerichtet.

Ich setze mich schleunigst in Bewegung, meinen schwächelnden Körper ignorierend, folge ihr und reiße die Tür ebenfalls auf. Eine Duftwelle von Parfüm, Rauch und Alkohol schlägt mir entgegen und bewirkt, dass ich mich fast übergeben muss. Schnell folge ich Carly und stelle fest, dass wir in einem Club gelandet sind. Einem ziemlich großen und teuren Club, möchte ich behaupten, je tiefer wir in das Gebäude vordringen.

Zum Glück erwische ich Carly gerade noch, bevor sie in der Menge verschwindet. »Stopp!«, blaffe ich sauer. »Keinen Schritt weiter!«

Erschrocken bleibt sie tatsächlich vor mir stehen und nickt schließlich versöhnlich. »Wo sind wir hier?«

Ich zucke mit den Schultern. »Keine Ahnung, sieht aus wie ein Bonzen-Club. Was hältst du davon, wenn wir diesen Laden ein wenig aufmischen?«

Suchend sehe ich mich um. Für Carly ist das hier ein guter Ort für diese Nacht, entscheide ich spontan. Vielleicht findet sie hier sogar einen reichen Kerl, der sie zu einer anständigen Frau macht. So heiß wie meine Cousine in ihrem engen, silbernen Kleid und ihren goldblonden Haaren aussieht, sollte sich in diesem Schuppen wohl einer finden lassen. Zum Glück war gerade Zahltag im MC und ich habe etliche Dollars in der Tasche. Die Kohle ist einer der Gründe, warum ich unbedingt ein festes Mitglied im MC werden will, aber nicht der einzige. Doch um den Prospect-, also Anwärterstatus, loszuwerden, muss ich mich noch ein wenig mehr beweisen.

Es war alles etwas chaotisch in den letzten Jahren, seit unser alter President Teddy umgebracht wurde, aber ich habe Geduld. Und ohnehin keine Perspektive.

Fragend hebe ich eine Augenbraue und hoffe, dass Carly hierbleiben will. Außerdem brauche ich dringend einen weiteren Whisky, die Kopf- und Halsschmerzen werden immer schlimmer. Natürlich lasse ich mir nichts anmerken. Keiner soll denken, dass ich schwach bin.

Carly verzieht nachdenklich ihren Mund und schenkt mir schließlich ein Lächeln. »Ja. Ich glaube, das ist eine gute Idee! Wer braucht schon den dreckigen Reed und die blöde Bikerbande?« Ihr Spruch entlockt mir ein leises Lachen. Ich brauche die blöde Bikerbande definitiv, aber Carly? Bestimmt nicht! Sie hat etwas Besseres verdient, als das Leben, welches wir kennen. Auch dass sie als Escortlady bei dieser beschissenen Highlights-Agentur arbeitet, passt mir nicht. Doch leider sind wir nicht mit dem goldenen Löffel im Arsch geboren, wie all die reichen Wichser hier. Überall nur versnobte Yuppiärsche.

Red Continental, heißt der Schuppen offenbar, wie ich der vielfachen Leuchtreklame entnehme.

Ich schnaube. Es passt mir gar nicht, dass ich Silvester nicht mit meinen Kumpels feiern kann, aber das lässt sich jetzt nicht mehr ändern. Wenn ich mich heute Nacht noch mal dort blicken lasse, machen die mich fertig und binden mich an den Zaun des Grundstücks. Als Prospect hat man eben nichts zu lachen, wenn man Scheiße baut. Und ich für meinen Teil ziehe Ärger eben magisch an. Doch Carly ist eben die Familie, an die ich durch mein Blut gebunden bin, daher blieb mir nichts anderes übrig, als sie dort wegzuschaffen. Reed wird sich schon wieder beruhigen und morgen, wenn ich Glück habe, vergessen haben, was heute passiert ist.

Sanft dirigiere ich meine Cousine in Richtung einer der Bars, auch um zu verhindern, dass noch jemand dahinterkommt, dass wir keinen Eintritt bezahlt haben, weil wir uns auffällig am Hintereingang herumdrücken. Auf weiteren Stress kann ich heute Nacht echt verzichten. Daher ziehe ich vorsichtshalber meine Lederjacke mit dem MC-Symbol aus. In dem Aufzug hätte mich der Türsteher wohl kaum hereingelassen. Ice, unser President, würde mir den Arsch aufreißen, wenn er erfahren würde, dass ich die Kutte abgelegt habe – zurecht. Aber manchmal heiligt der Zweck die Mittel und vermutlich ist niemand hier, der es ihm erzählen wird. Ich verdränge jeden weiteren Gedanken über die Folgen dieser Nacht für mich. Den Konsequenzen stelle ich mich morgen. Neues Jahr, neues Glück, oder wie war das?

Unruhig sehe ich mich um.

Seit ich siebzehn bin und im MC rumhänge, habe ich keine andere Bar mehr als die unseres Clubhauses betreten und keine anderen Frauen als die Mädels, die sich uns im MC zur Verfügung stellen, gevögelt. Das hier könnte auf jeden Fall mal eine nette Abwechslung sein. Die Musik ist zwar komplett zum Kotzen, aber man kann eben nicht alles haben.

Carly und ich streifen durch den riesigen Partytempel und suchen uns eine der Bars aus, die nicht ganz so voll ist. Mir fallen sofort einige Singlefrauen auf und meine Laune steigt. Die erneute Schnapsinfusion lässt mich mein Unwohlsein vergessen und der Alkohol tut sein Übriges. Immerhin ist heute Silvester und ich habe vor, es jetzt doch noch richtig krachen zu lassen. Carly offenbar auch, sie hält mit jedem Drink, den ich in mich hineinschütte, mit. Eigentlich sollte ich sie dringend davon abhalten, denn dass sie sich in ihrem emotionalen Zustand so dermaßen besäuft, bedeutet nur Ärger. Noch mehr Ärger. Und davon haben wir beide eigentlich genug. Aber ich habe überhaupt keinen Bock, den Moralapostel zu spielen.

Eine Weile beobachte ich die feiernden und aufgetakelten Menschen. Mit meinen zerschlissenen Jeans, den unzähligen, sichtbaren Tattoos und den kurzgeschorenen schwarzen Haaren passe ich keinen Meter hier rein. Und genau das scheint einigen der anwesenden Frauen sehr gut zu gefallen. Ich flirte, aber so richtig festlegen kann ich mich nicht, denn die Auswahl ist groß.

Eine Stunde später fällt mir endlich eine Frau auf, die mir wirklich gefällt. Eine absolute Schönheit. Wenn ich sie vergleichen müsste, dann würde ich es wohl mit Schneewittchen tun. Ohne mich um den gesellschaftlichen Unterschied zu scheren, spreche ich sie an. Die anderen Frauen hätten mich liebend gern in ihr Bett geschleift, um sich mal von einem Bad Boy richtig hart ficken zu lassen. Warum sollte diese hier das anders sehen?

»Hey Süße, bist du allein hier?«, beginne ich das Gespräch ziemlich eloquent. Nicht. Verdammt, ich bin mittlerweile zu besoffen, aber jetzt einen Rückzieher zu machen, kommt nicht infrage. »Du siehst echt gut aus.« O verdammt Paul, halt einfach deine Fresse.

»Du bist betrunken, verzieh dich«, höre ich die heiße Schwarzhaarige sagen. Komisch, diese Worte höre ich an diesem Abend zum ersten Mal.

»Baby, du stehst doch auf die bösen Jungs!«, labere ich grinsend und leider ziemlich dämlich weiter. Eines steht fest, sie hat Klasse, auch wenn ihre Brüste fast aus dem Kleid fallen.

»Sag mal, hast du es immer noch nicht kapiert? Ich habe keinen Bock auf dich!«

Schade aber auch, bedauere ich mich innerlich.

»Als würdest du es mit diesem Kleid nicht darauf anlegen flachgelegt zu werden.« Fuck. Das habe ich jetzt nicht wirklich gesagt?! Meinem besoffenen Ego gefällt es offenbar nicht, jetzt auf einmal abgelehnt zu werden, wo ich mir bisher doch hätte, einfach eine aussuchen können.

Neben mir ertönt auf einmal ein raues Lachen. Irgendso ein fremder Kerl starrt mich missmutig an. Scheint so, als wäre er ebenfalls scharf auf die Braut. Dass er mir bekannt vorkommt, bilde ich mir wahrscheinlich nur ein.

»Hey Mann, du solltest dich bei ihr entschuldigen und dich dann schnell vom Acker machen. Kapiert?!«

Was für ein Lappen!

»Und warum sollte ich das tun? Was glaubst du, wer du bist, einfach mein Gespräch mit der Lady zu unterbrechen?« Genervt fixiere ich ihn. Wieder so ein Vollidiot, der mich wegen meines Äußeren verurteilt und glaubt, etwas Besseres zu sein.

»Es ist nicht wichtig, wer ich bin, es ist nur entscheidend, was ich mit dir mache, wenn du es nicht tust, Freundchen.«

Freundchen. Das hat der Penner nicht wirklich gesagt? Belustigt baue ich mich vor ihm auf. Der kriegt jetzt auf die Fresse, mit seinem dummen Gelaber.

Shit. In dem Moment, in dem ich mich von dem Barhocker erhebe, merke ich, wie mir schwindelig wird. Vermutlich habe ich mittlerweile hohes Fieber und der verdammte Alkohol macht es nicht besser.

Angewidert von mir selbst, zögere ich eine Sekunde. Dieser Kerl nutzt den Augenblick meiner Schwäche aus und bekommt mein Handgelenk zu fassen. Er schafft es, mich zur Seite zu drehen und mir in die Armbeuge zu schlagen. Ich versuche, ihn mit der anderen Hand zu erwischen, aber er drückt meinen Ellenbogen gegen seine Brust und verdreht mir mein verdammtes Gelenk. Fuck! Fluchend lasse ich die freie Hand sinken.

»Hol aus und ich breche dir das Gelenk«, knurrt er warnend.

Gott, ich möchte gerade nichts lieber, als diesem Pisser die Zähne rauszuschlagen. Doch leider darf ich hier nicht auffallen. Sollte Ice, mein Pres, mich jetzt hier aus der Scheiße holen müssen – und das auch noch ohne die Kutte am Leib! – würde ich wohl bis zum Ende meines Lebens der dämliche Prospect bleiben. Oder viel schlimmer noch: Ich würde vielleicht endgültig rausfliegen. Dann ... Fuck!

Angepisst nicke ich, als auf einmal ein weiterer Typ auftaucht. Mist. Scott Tyrell. Auch das noch. Seinem Aufzug nach, arbeitet er jetzt wohl in diesem Club als Türsteher. Ich kenne ihn von früher aus dem Boxclub, den ich schon lange nicht mehr besucht habe, seit ich mir meine dämliche Hand verstaucht habe, um genau zu sein. Doch ich mag den griesgrämigen Typ, der ein paar Jahre älter ist als ich.

»Paul, sag mal, was ist hier los? Und wie zum Teufel kommst du überhaupt hier rein?«, fragt er ruhig. Offenbar versucht er, die Situation sachlich einzuschätzen. Scott verengt die Augen und die Tatsache, dass er den anderen Typ offenbar auch kennt, rettet mir wohl gerade den Arsch. Finster sieht er den Kerl an. »Cole!«, knurrt er.

»Scott«, ätzt dieser, ohne mich loszulassen.

»Lass mich los«, blaffe ich und versuche mich aus dem Klammergriff zu befreien. Ich muss unbedingt hier weg! Leider muss ich zugeben, dass dieser Cole verdammt kräftig ist. Doch zum Glück stößt er mich dann endlich von sich.

»Verzieh dich und lass dich bloß nicht mehr in ihrer Nähe sehen«, schnauzt er mich an.

Ich würde ihm gern noch sagen, dass er seine Fresse halten soll, aber auf Tyrell habe ich noch weniger Bock. Ich schnappe mir meine Kutte, die über dem Barhocker hängt, auf dem ich gesessen habe, und laufe los.

»Hey!«, ruft Scott und folgt mir. Doch ich verschwinde in der Menge, ohne dass er mich erwischt.

Keine Ahnung, wo Carly ist, aber ich muss hier weg, bevor ich eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch bekomme. Nachdem ich Scott in der Menschenmenge abgehängt habe, sehe ich mich kurz suchend um. Keine Spur von Carly. Verdammt. Gerade als ich weiterlaufen will, pralle ich mit einer Blondine zusammen.

»Immer langsam, Großer!«

Um ein Haar hätte ich mit meiner Unachtsamkeit dafür gesorgt, dass sie ihr Getränk über sich schüttet. Ihre perfekt gezupfte helle Augenbraue hebt sich mit einem Hauch von Arroganz und ihr Blick fährt an meinem Körper auf und ab. Noch immer trage ich nur ein schlichtes schwarzes Shirt, welches sich eng um meinen Körper spannt, und halte meine Jacke in der Hand. Keine Ahnung, was in ihr vorgeht, doch statt des überheblichen Blickes tritt auf einmal ein Lächeln auf ihr Gesicht. Ihr dunkelblondes Haar drapiert sich perfekt frisiert um ihre nackte Schulter. Sie trägt ein enges weißes Kleid und ihre zierlichen, manikürten Füße stecken in mörderisch hohen High Heels. Sie sieht unfassbar reich aus. Alles an ihr wirkt sehr teuer. Und sie strahlt noch etwas aus, was ich nicht sofort einordnen kann. Vor zwei Stunden hätte ich mein Glück bei ihr versucht und ihr den Fick ihres Lebens auf der Damentoilette verschafft, aber jetzt muss ich schleunigst verschwinden.

»Sorry!«, sage ich und hebe abwehrend eine Hand.

Sie nippt an dem Champagnerglas, welches sie noch immer elegant in der Hand hält und mustert mich nachdenklich. Fast hätte ich bei unserem Zusammenstoß das Glas getroffen. Aber ihre Reflexe sind offenbar besser als meine. Ich schenke ihr ebenfalls ein Lächeln und versuche, mich an ihr vorbeizuschieben. Ihre Hand berührt jedoch meinen Oberarm, um mich aufzuhalten. Stirnrunzelnd betrachte ich ihre zierlichen Finger, die auf meiner bunten Haut irgendwie fehl am Platz aussehen.

»Warte! Oder bist du auf der Flucht?« Ihr Blick sucht kurz die Umgebung ab und verharrt dann für eine Sekunde auf der Empore, unter der wir uns befinden. Eine Clique von reichen Muttersöhnchen, ungefähr in unserem Alter, feiert dort grölend ins neue Jahr. So ist das also, erörtere ich innerlich, als einer der Yuppies finster auf uns herab starrt.

»Ja, bin ich.«

Ohne sie weiter zu beachten, setze ich mich in Bewegung. Wieder umklammert sie mich. Ihr Griff ist erstaunlich fest für so eine zierliche Frau. Vermutlich macht sie viel Sport, so wie sie aussieht.

»Ich kann dir helfen!«, ruft sie und schaut ein letztes Mal nach oben, ehe sie ihre komplette Aufmerksamkeit auf mich richtet. »Ich wollte eh gerade gehen. Mein Auto steht vor der Tür.«

Vielsagend wandert mein Blick zu dem Glas Champagner in ihrer Hand, welches sie sogleich wegstellt. Aber verdammt, ich bin kein Bulle. Falls wir mit denen Ärger wegen Alkohol am Steuer bekommen, werde ich behaupten, dass ich gefahren bin. Dafür haben wir ja Xavier McLane, den alten Rechtsverdreher. Der gewiefte Mistkerl hat es bisher noch jedes Mal geschafft, mich oder die anderen Biker aus der Scheiße rauszuboxen.

Ich nicke. »In Ordnung. Lass uns verschwinden.«

FCKNG New Year

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