Читать книгу ALLES für NICHTS - Volker Bauch - Страница 5

Freier Fall

Оглавление

Es war Ende Mai 1993, circa eine Woche vor Pfingsten. Es war heiß an diesem Mittwoch und die Luft schien flimmernd in den Strassen zu stehen.

Völlig übermüdet kam ich morgens in mein Büro, das sich am Anfang der Fußgängerzone des kleinen Hessischen Städtchens Korbach befand.

PRO MEDIA hatte ich vor fünf Jahren aufgebaut und war nun seit zwei Jahren in meine Heimatstadt zurückgekehrt.

Ich besaß die Exklusivrechte für die Vermarktung von Werbung auf Einkaufswagen in Supermärkten für das Gebiet Nordhessen und SüdNiedersachsen. Die entsprechende Lizenz hatte ich vor einigen Jahren von dem FranchiseGeber erworben.

Als Agentur für Marketing, Werbung und Promotion, stand PRO MEDIA auf Expansionskurs. Die Geschäfte liefen gut.

Nachdem meine Frau Doris und ich uns zunächst die Aufgaben teilten, waren wir inzwischen zu sechst.

Das Tagesgeschäft, und somit die laufenden Einnahmen, hatte sich etabliert. Der Bereich Musikpromotion und Musikprodukti on sollte nun wieder intensiviert werden.

Da kam ich her. Dieses Business hatte ich von der Pike auf ge lernt. Erst als langjähriger Musiker, der sein BWLStudium zum Teil damit finanzierte, später im Management eines Herstellers von Musikinstrumenten und bei einer großen Schallplattenfirma. Nach drei Jahren in einem kleinen Ort im Hunsrück und nach fünf Jahren in Bad Homburg bei Frankfurt, hatten wir es wieder

zurück nach Korbach geschafft.

Mit Doris war ich inzwischen seit über 10 Jahren zusammen, davon seit fast 5 Jahren verheiratet. Als sie mich damals fragte, ob ich ihr Mann werden wolle, hatte ich ohne zu zögern JA gesagt. Ich liebte sie mit jeder Faser, trotz ihrer Macken, oder vielleicht auch gerade deshalb.

Es gab ‚ups and downs’ wie in jeder Beziehung. Aber nach all den Jahren waren wir ein Teil voneinander geworden. So dachte und so fühlte ich jedenfalls. Mit dieser Frau wollte ich alt werden.

Dieser Mittwoch änderte jedoch alles.

In der Nacht zuvor hatte ich erfahren, dass es seit einiger Zeit einen anderen Mann gab.

Dass sie sich verändert hatte, war mir schon länger aufgefallen. Nur erklären konnte ich mir das nicht. Meinen Fragen wich sie aus.

Manche Nacht kam sie erst gar nicht nach Hause und redete sich heraus, bei Freunden versackt zu sein. Und ich Idiot glaubte ihr.

Nun war es also raus und es sollte sich alles in meinem Leben ändern.

In der Nacht die Offenbarung eines Liebhabers und nun zu sammen im Büro zu arbeiten, diese Situation hielt ich nicht aus. Ich flüchtete für zwei Tage an einen nahe gelegenen See und musste versuchen, mich irgendwie zu finden. Doch es gelang mir nicht.

Es war ein Schlag in die Magengrube, weil wir zudem auch noch aktiv in der Nachwuchsplanung waren.

Zwei Tage später kam es zu einer Aussprache. Über Pfingsten, sagte sie mir, wolle sie zu ihrer Schwester nach Frankfurt fahren und entscheiden, wie es mit uns weitergehen soll.

Ich fand schnell heraus, dass sie dies nie ernsthaft vorhatte, son dern entdeckte ihr Auto vor der Wohnung ihres neuen Lovers. Ich forderte eine erneute Aussprache, aber die Würfel schienen wohl schon gegen mich gefallen zu sein. Ich sollte sie erst zwei Tage später wieder sehen. Sie nahm ein paar Utensilien und zog aus der gemeinsamen Wohnung aus.

Ich musste mit jemanden reden und meldete mich bei Beate, die ich seit kurzem kannte. Beate war geschieden und hatte zwei Töchter im Alter von sechs und neun Jahren. Sie war eine gute Zuhörerin und das tat mir gut.

Ich merkte natürlich die Hoffnungen, die sie sich machte, aber in mir war alles vollkommen durcheinander.

Nur mit Mühe und Not konnte ich die Tage im Büro durchhal ten. So gut es ging, versuchte ich mich zusammenzureißen. Abends jedoch, in der ehemals gemeinsamen Wohnung, fiel ich dann in ein tiefes Loch.

Flaschen an Rotwein standen auf meinem Speiseplan. Feste Nah rung gab es so gut wie kaum noch. Ich machte mir massive Vorwürfe, wie es zu diesem Punkt in unserer Ehe kommen konnte.

Hatte ich zuviel andere Dinge im Kopf? Hatte ich Doris ver nachlässigt und ihr zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet? Verbrachte ich mehr Zeit mit meinen Hobbies, Freunden, Bekannten als mit ihr? War durch unsere gemeinsame Arbeit die Liebe auf der Stre cke geblieben und ich hatte es nicht gemerkt? Vereinnahmte mich die Firma zu sehr? Und warum sprachen wir nicht darüber, wie sonst üblich? Und warum nahm sie sich gleich einen neuen Ty pen? Hatte ich ihren Schrei nach Liebe nicht gehört?

Bei all dem Frust, der in mir saß, ich hatte keinen Schalter, der Gefühle einfach ausschaltet. Ich wollte kämpfen. Kämpfen um meine Ehe und um die Frau, die mir einmal sagte, zusammen durch alle Höhen und Tiefen zu gehen.

Bei diesem verzweifelten Kampf habe ich, glaube ich, so ziem lich alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann.

Es ist die Ironie des Schicksals, dass man sich nicht genug zum Idioten machen kann, wenn man um eine verlorene Liebe kämpft.

Mir ist dies vortrefflich gelungen.

Während der Arbeitszeit vermittelte Doris den Eindruck von Fröhlichkeit und Befreiung. Unsere Mitarbeiter waren natürlich längst über die neue Situation informiert. Gesprächen mit mir, versuchte Doris aus dem Weg zu gehen. Wenn es sie dann gab, endeten sie meist in gegenseitigen Vorwürfen.

Sie schrieb mir zwar einige Briefe, in denen sie versuchte zu erklären, warum sie gegangen war. Aber die wahren Gründe wer den immer ihr Geheimnis bleiben. Ich weiß sie bis heute nicht.

Die private Seite war eine Sache, die geschäftliche eine andere. Als Mitarbeiterin konnte ich auf sie quasi nicht verzichten und sie nicht ersetzen. Sie versprach, auf jeden Fall bis zum Ende des Jah res bei PRO MEDIA zu bleiben, sofern es die Zusammenarbeit zwischen uns zulassen würde. So sahen wir uns also täglich im Büro, aber nach Büroschluss und am Wochenende ging jeder sei ne eigenen Wege. Eine Situation, mit der ich kaum fertig wurde.

Mit Beate verband mich inzwischen eine innige Freundschaft. Sie war immer zur Stelle, wenn es mir dreckig ging. Und das war oft der Fall. Unaufdringlich und ohne irgendwelche Gegenleis tungen zu erwarten, war sie einfach da. Und das tat gut.

Mehr und mehr bekam ich auch von ihrem Leben mit. Sie hatte den ganzen Scheiß bereits hinter sich, in dem ich mittendrin steck te.

Anfang Juli teilte mir Doris mit, dass sie wegen eines Unter leibsproblems einen Eingriff im Krankenhaus vornehmen lassen müsste. Arbeitsmäßig würde sie zwei bis drei Tage ausfallen.

Am Tag der OP rief ich den behandelnden Arzt an, um zu hören, ob der Eingriff gut verlaufen sei. Der meinte nur lakonisch:

„Ihre Frau ist schon nicht mehr hier. Sie hat aber körperlich alles gut überstanden. Wie das seelisch aussieht, kann ich nicht sagen. Ich gehe aber davon aus, dass solche Dinge beide Ehepartner ge meinsam entschieden haben.“

Ich war wie vor den Kopf geschlagen. „Was sollte ich mit ent schieden haben?“ In mir kam ein schlimmer Verdacht auf.

In der darauf folgenden Woche war Doris wieder im Büro. In ihren Unterlagen fand ich eine Unbedenklichkeitsbescheinigung von Pro Familia und den Termin des Eingriffs, Ihr Unterleibspro blem war eine Abtreibung. Ich war geschockt!

Sie bestritt entschieden, dass ich der Vater des Ungeborenen sein könne. Vielmehr wäre ihr neuer Lover der Erzeuger des Kin des. Eine Frau würde so etwas merken. Die Abtreibung hätten sie gemeinsam beschlossen. Ich glaubte ihr kein Wort.

Doris und ich waren das letzte Mal zusammen drei Tage vor dem ominösen Mittwoch. Da spielte sie ihre Rolle als liebende Ehefrau mit Kinderwunsch noch so perfekt, dass ich nichts merk te.

Es gab also drei Möglichkeiten:

Erstens, ich war der Vater. Zweitens, ihr neuer Lover war der Erzeuger. Oder drittens, sie wusste selbst nicht, von wem es war. Das Risiko lag bei 50 %, ein Kind von dem Mann zu erwarten, von dem sie sich gerade getrennt hatte. Das passte nicht in ihre

Pläne.

Diese neue Katastrophe war für mich wie ein psychischer Atombombenangriff. In mir kollabierte alles.

Ich behielt kaum noch feste Nahrung bei mir. Ab und zu spuck te ich Blut. Mein Körper rebellierte. Ich verlor rapide an Gewicht. Ich suchte meinen Hausarzt auf, der mir Medikamente verschrieb.

Wenn es nicht besser würde, müsste ich mich einer Magenspiege lung im Krankenhaus unterziehen, riet er mir. Es wurde nicht besser.

Ich setzte mich noch einmal mit dem behandelnden Arzt in Verbindung, der den Abbruch vorgenommen hatte.

Ich wollte wissen, ob es möglich sei, den Zeugungstermin zu bestimmen.

Daraufhin teilte er mir mit, dass dies auf den Tag genau nicht machbar wäre.

Von jedem Fötus würde jedoch eine DNS genommen und für einige Zeit archiviert.

Wenn ich mir Klarheit über die Vaterschaft verschaffen wolle, müsse ich zu einer Blutabnahme kommen.

Ich ließ mir einen Termin geben.

Acht Tage später sollten die Daten vom Labor vorliegen. Telefonisch wollte ich auf keinen Fall erfahren, wie der Test aus

gefallen war.

Ich fuhr persönlich in die Klinik.

Das Ergebnis haute mich aus den Schuhen. Ich müsste mich übergeben, spuckte Blut und dann wurde mir schwarz vor den Augen.

Mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9 % war es mein Kind. Man behielt mich gleich dort und brachte mich zur inneren

Abteilung. Die anschließende Magenspiegelung ergab, dass ein paar kleine Blutgefäße an der Mageninnenwand geplatzt waren, die man im Rahmen der Untersuchung gleich verödete.

„Das war kurz vor Zwölf und hätte auch anders ausgehen kön nen!“ so die Worte des Arztes.

Doris behauptete nach wie vor steif und fest, ich wäre nicht der Erzeuger des Kindes, das nun irgendwo in der Mülltonne lag. Doch ich wusste es besser. An der Sache an sich war nichts mehr zu machen, also schwieg ich.

Mir klangen noch die Worte des Arztes im Ohr, in denen von einem Post absurdum Syndrom, der Sehnsucht nach dem ungebore nen Kind die Rede war.

Bei Frauen, die aus Unsicherheit über ihre persönliche Situati on, oder aus Unkenntnis über den Erzeuger, oder vielleicht auch aufgrund mangelndem Verantwortungsgefühl und persönlicher Reife, einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen, sei eine psychotherapeutische Behandlung dringend angeraten.

Andernfalls könne es zu Essstörungen, Depressionen, gynäkolo gischen Infekten, Nierenstörungen, Beziehungsproblemen bis hin zu Suizidversuchen kommen.

In den nachfolgenden Wochen entwickelt sich das übliche Tren nungsprozedere. Unsere gemeinsamen Freunde und Bekannte schlugen sich auf die eine oder andere Seite. Die Gerüchteküche brodelte.

Einst galten Doris und ich als eines der Traumpaare in unserem Städtchen. Nun standen wir mitten in einem Rosenkrieg. Und wir ließen uns davon anstecken. Bei jeder Gelegenheit flogen die Fetzen.

Ich erfuhr, dass sich Doris, entgegen ihren Versprechungen, bei anderen Firmen bewarb. Das reichte nun.

Ich stellte sie bis zum nächsten Kündigungstermin von der Ar beit frei. Das Kapitel war beendet.

Wir trafen uns danach noch ein paar Mal. Doch ich musste er kennen, dass ich eigentlich nie eine Chance hatte. Von Anfang an nicht.

Auch die Beziehung zu ihrem neuen Lover war inzwischen be endet. Wie sich herausstellte, wusste auch er nichts von der Ab treibung. Ob das der Grund für das Ende dieser Romanze war, weiß ich nicht.

Ich stürzte mich nun in die Arbeit.

Ich hatte seit einiger Zeit Kontakte zu einem Musikmanage ment in Kanada. Eine ihrer Bands, die dort bereits erfolgreich waren, sollte auf dem europäischen Markt platziert werden.

Ich flog nach Toronto und nahm die Verhandlungen auf. Mit den exklusiven Vermarktungsrechten in der Tasche kehrte ich zu rück. Ich schaffte es, der Gruppe einen Vertrag bei einer bekann ten Schallplattenfirma zu besorgen.

Eine andere betriebsinterne Sache wollte und musste ich noch regeln.

Die Gebietserweiterung für den Bereich Werbung auf Einkaufs wagen, hatte ich seinerzeit mit einem Darlehen meiner Hausbank finanziert.

Als weitere Absicherung verlangte die Bank damals eine Bürg schaft meiner Frau.

Ich sprach mit meinem Vater, ob er diese Bürgschaft überneh men würde. Damit hätte Doris aus dieser Verpflichtung entlassen werden können und es wäre ein klarer Schnitt gemacht. Er willig te ein.

Aus Kanada erhielt ich ein weiteres Angebot für einen amerika nischen TopAct, der auf den europäischen Markt wollte.

Es gelang mir, auch dieser Gruppe einen Plattendeal zu vermit teln.

PRO MEDIA hatte nun einen Künstlerstamm von zwei Bands aus Übersee mit exklusiven Vermarktungsrechten, einer deutschen Sängerin und einem PopProjekt aus Belgien.

Bei Letzteren besaß ich sogar das weltweite Management mit einem Anteil von 30 % auf sämtliche Erlöse.

Ein turbulentes Jahr ging zu Ende.

Geschäftlich eröffnete sich einiges an Perspektiven in Ergänzung zum bisherigen Stammgeschäft. Aus der Musikindustrie erhielt ich zunehmend mehr Offerten, für bestimmte Projekte die Pro motion zu übernehmen. Outsourcing war auch für diese Branche kein unbekanntes Thema mehr.

Doch ich wollte mich nicht verzetteln. Der Tag hat nur 24 Stun den und diesen Job machte ich weitgehend allein. Einige zeitlich begrenzte Angebote nahm ich an, ließ mich aber auftragsbezogen bezahlen. Das Risiko, sich ausschließlich auf Anteile an den Ver kaufserlösen einzulassen, erschien mir doch zu hoch, auch wenn es im Erfolgsfall lukrativer gewesen wäre.

Privat ging es mir mehr schlecht als recht. Doris meldete sich nur noch, wenn es etwas aus unserer gemeinsamen Zeit zu klären gab.

Inzwischen hatte sie einen neuen Job. Zunächst wollte sie ver heimlichen, dass sie in der gleichen Branche arbeitete. Doch das

klappte nicht. Sie leitete das Sekretariat einer bekannten deut schen Sängerin und den Produzenten ihrer aktuellen CD kannte ich schon seit Jahren.

Es blieb nicht aus, dass Doris und ich uns zufällig in der Stadt oder abends in irgendwelchen Lokalen begegneten. Außer einem knappen „Hallo“ oder einem flüchtigen Kopfnicken kam nichts von ihr. In der Öffentlichkeit verhielt sie sich so, als ob es mich nie gegeben hätte. In ihrem Innersten sah es sicher anders aus. Dazu kannte ich sie zu gut. Aber „The Show must go on“.

Zugegebener Maßen schmerzte und verletzte mich ihr Verhal ten, denn eine große Liebe schmeißt man nicht weg wie ein ver gammeltes Brot. Wer sich von heute auf morgen so aus dem Staub macht, nimmt auch immer ein Stück Würde des anderen mit. Schließlich hatten wir einen, nicht unerheblichen Teil unseres Lebens miteinander verbracht mit vielen schönen Zeiten. Doris schien das vergessen zu haben und wollte davon nichts mehr wis sen.

Eine Trennung besteht aus den Phasen Schock, Wut, Trauer und Verzeihen.

Zu Letzterem sind Doris und ich leider nie gekommen.

Ich verbrachte viel Zeit mit Beate und den Kindern. Und wir kamen uns immer näher. Insbesondere die Kinder eroberten mein Herz wie im Sturm. Wir lachten und spielten zusammen, tobten herum und lieferten uns gigantische Kissenschlachten.

Wir aßen gemeinsam, manchmal kullerten die Tränchen und morgens im Bett gab’s ausgiebige Kuscheleinheiten.

Es war zwar noch nicht der Alltag, aber schon eine Art richtiges Familienleben mit all seinen kleinen und großen Problemen. In dieser Form kannte ich das bisher nicht, wie auch. Aber ich ge wöhnte mich schnell daran. Ich spürte den Wunsch der Kinder, dass es von nun an immer so bleiben möge. So kam es auch. Doch anders als wir alle dachten.

Das Jahr 1994 begann so, wie das alte aufgehört hatte.

Die Trennung von Doris und mir sorgte weiterhin für Gesprächs stoff in unserem Städtchen, angeheizt durch immer neue Gerüch te speziell um meine Person.

Doris hatte inzwischen eine Wohnung in Frankenberg gefun den, 30 km von Korbach entfernt.

Geschäftlich erhielt ich das Angebot, mein Stammgeschäft Wer bung auf Einkaufswagen, durch den Zukauf eines weiteren Li zenzgebietes in den neuen Bundesländern, entscheidend zu er weitern.

Damit wäre PRO MEDIA einer der größten Vermarkter dieser Werbeform in Deutschland geworden.

Doch dazu benötigte ich Kapital. Die Belegschaft hätte ich zum Teil übernehmen können. Ein großes Risiko bestand dabei nicht, da die Mitarbeiter von dem bisherigen Unternehmer ausschließ lich erfolgsabhängig bezahlt wurden.

Mit Sorge betrachtete ich jedoch die Entwicklung in den bereits vorhandenen Lizenzgebieten. Vor eineinhalb Jahren hatte ich meinen alten Freund Roland als Verkaufsleiter eingestellt, der die sen Bereich eigenverantwortlich übernehmen sollte. Nach anfäng lich guten Erfolgen, musste ich nun feststellen, dass sein Ehrgeiz merklich nachließ.

Anscheinend ruhte er sich auf seinem, nicht unbeträchtlichen, monatlichen Festgehalt aus. Da ich selbst des Öfteren Außenter mine wahrzunehmen hatte, nutzte er seine Vertrauensstellung zunehmend aus. Im Nachhinein war diese Personalauswahl sicher meine größte unternehmerische Fehlentscheidung.

Gezwungener Massen musste ich sein Gehalt umwandeln in ein geringeres Fixum plus erfolgsabhängiger Provision. Ansonsten wären mir die Kosten davon gelaufen. Zähneknirschend akzep tierte er. Seine Motivation änderte das jedoch nicht.

Im Bereich Musikmarketing konnte ich einige Verhandlungen mit erfolgreichen Produzenten führen, insbesondere für das Pop Projekt aus Belgien und für die deutsche Sängerin, die von PRO MEDIA betreut wurden.

In der Branche war zunehmend zu beobachten, dass die großen Firmen zwar gern guten Künstlern einen Vertrag gaben, aber dann fast jedes Risiko scheuten, in die notwendige Vermarktung zu investieren. Unbekannte Bands oder Solisten aufzubauen und er folgreich zu platzieren, machte kaum noch eine MajorCompany.

Und wenn doch, dann war der Künstler einer von vielen, die sich im Pool der großen Firmen tummelten.

Es kristallisierte sich immer mehr heraus, die komplette Ver marktung mit Werbung, Marketing und Promotion selbst durch zuführen und nur den Vertrieb in die Hände eines Majors zu ge ben.

Das Ziel war die Gründung eines eigenen Musiklabels.

Das bedeutete, die Kosten für die Produktion einer LP bzw. CD inklusive dem Aufnahmestudio, würden auf eigene Rechnung er folgen.

Das hieß, man musste investieren.

Ich rechnete alles durch kam auf einen Finanzbedarf von DM 500.000,00 für die beiden Musikprojekte und die Gebietserwei terung für Werbung auf Einkaufswagen. Bei Letzterem würde sich die Sache quasi zum Selbstläufer entwickeln, da bereits ein Stamm von Werbekunden mit langfristigen Verträgen über mehrere Jahre existierte.

Bei den Musikproduktionen war das Know How vorhanden, Kon zeption und Umsetzung zentral von PRO MEDIA aus zu steuern. Darüber hinaus konnte ich die guten Kontakte zu Presse, Funk und Fernsehen für die Promotion nutzen.

Bei meinen Hausbanken in Korbach hatte ich im Vorfeld meine Pläne schon einmal global angesprochen, ohne aber zu der Zeit konkrete Zahlen vorlegen zu können.

Die Reaktionen waren eher zurückhaltend. Für sie schienen es wohl eher böhmische Dörfer zu sein, von denen ich sprach.

Ich empfand es auch nicht als nachteilig, meine Finanzen nicht komplett in die Hände der heimischen Banken zu geben.

Man konnte sich nicht sicher sein, ob Vertraulichkeiten auch dort blieben, wo sie hingehörten, oder ob sie nicht in völlig ver drehter Form auf die Reise durch bestimmte Kanäle gingen.

Ich erinnerte mich noch zu gut an die noch immer anhaltende Gerüchteküche bezüglich der Trennung von meiner Frau und mir. Bereits kurz nach Bekannt werden, erkundigten sich beide Direk toren der Banken, die angeblich den Weg frei machen, über meine privaten Verhältnisse.

Ich beschloss, meine zukünftige Geschäftskonzeption zu einem professionellen Paket zusammenzufassen und auch anderen Geld instituten zur Entscheidung vorzulegen.

Diese Präsentation bestand aus:

- Unternehmens und Finanzierungskonzept

- Kalkulation und Wirtschaftlichkeitsberechnung

- Handelsregisterauszug

- Bilanzen der letzten Jahre

- Einkommenssteuerbescheide

- aktueller betriebswirtschaftlicher Analyse des Steuerberaters

- aktuellen Kontoauszügen

- Kopie des Personalausweises

- einer Referenzliste der durchgeführten Projekte speziell im Musikbereich.

Die angesprochenen Banken taten sich schwer mit einer Ent scheidung, oder verlangten derartige Sicherheiten, die ich nicht stellen konnte, oder die Konditionen waren überzogen.

Inzwischen war es Frühjahr geworden und die Zeit drängte.

Ich schaute mich bezüglich der Geldmittelbeschaffung auch auf dem freien Kapitalmarkt um und bekam so Kontakt zu einer Fi nanzagentur in Hannover namens WD KÖHLER, die nach eige nen Angaben, auf die Vermittlung von Privatkapital spezialisiert war.

Mein Gesprächspartner hieß JENS SODERLAND, dem ich zunächst telefonisch mein Konzept vorstellte. Er sah durchaus Er folgsaussichten und bat mich, ihm die kompletten Finanzierung unterlagen zu übersenden.

Zwei Wochen später fragte ich bei Soderland nach, ob er mein Paket erhalten und geprüft hätte.

Er meinte, die Sache sähe sehr gut aus. Es würde aber einige Zeit dauern, bis er einen geeigneten Kapitalgeber gefunden hätte.

Ich bemühte mich um keine weiteren Alternativen mehr.

Die deutsche Wirtschaft steckte in einer Rezession und das mach te sich auch bei PRO MEDIA bemerkbar.

Es kamen zwar Neuaufträge aus dem Stammgeschäft herein, aber die Kunden zahlten schlecht oder gar nicht. Einen hohen Pro

zentsatz meiner Arbeit verbrachte ich damit, ausstehende Zah lungen einzutreiben.

Oft genug musste ich den Rechtsanwalt einschalten oder das gerichtliche Mahnverfahren einleiten.

Bei 90 % der Kunden aus dem Stammgeschäft, wurden laut Vertrag, die fälligen Rechungsbeträge per Einzugsermächtigungs verfahren und Lastschrift, von deren Konto abgebucht.

Wiederholt kamen die Zahlungsanweisungen mangels Deckung des Kontos zurück oder es wurde der Zahlung pro forma wider sprochen. Gemäß den Richtlinien zum Einzugsverfahren konnten sie das innerhalb von sechs Wochen ohne Angabe von Gründen tun.

Für mich bedeutete dies einen immensen Aufwand an Telefona ten, um mit dem Kunden ein neues Zahlungsmodell zu vereinba ren.

Es war Pfingstdienstag, der 24. Mai. Genau vor einem Jahr hat te Doris ihre Koffer gepackt und war von heute auf morgen gegan gen.

An diesem Tag hatte ich ausgerechnet einen Geschäftstermin in Frankenberg, dort, wo sie jetzt wohnte.

Schon morgens stand ich mit Magen und Darmproblemen auf. Anscheinend hatte ich mir einen Virus eingefangen.

Der Termin mit meinem Kunden war um 11 Uhr inmitten der Fußgängerzone.

Frankenberg ist ein kleines Bergstädtchen und die autofreie Zone verläuft ansteigend durch kleine Gassen, wo sie dann auf dem hoch gelegenen Marktplatz endet.

Dort parkte ich mein Auto und ging zu Fuß zum vereinbarten Treffpunkt. Mit meinem Kunden besichtigte ich ein Objekt, das sich im Umbau befand und mit Leuchttransparenten für die Außenwerbung ausgestattet werden sollte.

Meine Darmkrämpfe wurden zunehmend schlimmer und ich war froh, als der Termin nach einer halben Stunde vorbei war. Auf dem Weg zum Parkplatz trieb mich nur ein Gedanke: Toilette! Und zwar so schnell wie möglich!

In der Nähe des Parkplatzes gab es das Bistro VIS A VIS, das ebenfalls die Leuchtwerbung von PRO MEDIA hatte.

Im Eiltempo ereichte ich gerade noch den Toilettenraum und die erstbeste Kabine. „Das war knapp“, so muss wohl mein erster Gedanke in dem Moment gewesen sein.

Ich war so sehr mit mir selbst beschäftigt, dass ich die zwei Per sonen, die nach mir den Raum betreten hatten, erst einige Zeit später bemerkte. Beide Männer unterhielten sich lautstark. Es ging um irgendwelche Übergaben und Zahlungen. Ich hörte, wie ei ner von Ihnen von Kabine zu Kabine ging und sie kontrollierte.

Plötzlich ging mit einem Schlag meine Tür auf und dieser Mann stand vor mir. In meiner Not hatte ich vergessen abzuschließen.

Noch bevor ich etwas sagen konnte zog er ein Messer aus seiner Jackentasche. Mit einem Klacken klappte die Klinge auf. Bedroh lich kam er einen Schritt auf mich zu und hielt mir das Messer an den Hals. In gebrochenem Deutsch flüsterte der Mann:

„Du nix gesehen, nix gehört! Verstehen!“

Hinter ihm stand die zweite Person. Bevor ich überhaupt rea gieren konnte, war die Tür schon wieder zu und ich registrierte unterbewusst, wie beide Typen den Raum verließen. Ich war so perplex, dass ich noch Minuten regungslos so dasaß.

Nur langsam fing ich mich wieder, zog mich an, verließ das Lokal und stieg in mein Auto. Ich war noch vollkommen konster niert: „Was war das jetzt?“

Unterwegs zu meinem Büro überlegte ich zur Polizei zu gehen. Doch was sollte ich denen sagen? „Ich bin von zwei Typen beim Scheißen bedroht worden?“ Die würden sich totlachen.

Ich beschloss die Sache ad acta zu legen und zu vergessen. Ich war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Ein gewal tiger Trugschluss, wie sich bald herausstellte.

Im Büro erwartete mich eine Menge Arbeit, so dass ich über diesen Vorfall nicht mehr weiter nachdachte.

Ich hatte Rückrufe zu erledigen. Wieder mal waren Abbuchun gen mangels Deckung zurückgekommen und Kundenschecks ge platzt.

Nach langer Zeit meldete sich auch Doris wieder. Sie wollte die Scheidung. Es gäbe kein Zurück mehr für sie. Diese Mitteilung überschattete alles, was an diesem Tag passiert war.

„Wenn’s kommt, dann kommt es knüppeldick!“, so ähnlich müssen meine Gedanken wohl gewesen sein.

Noch wusste ich nicht, dass es nur das Vorspiel von dem war, was mich noch erwarten sollte.

Seit Tagen saß ich an der Konzeption für eine Wettbewerbsprä sentation eines Großkunden aus Niedersachsen. Ich stand unter Druck, denn der Termin für die Vorstellung des Werbekonzepts stand bereits für die kommende Woche fest.

Freitags ab Mittag ließ das Tagesgeschäft merklich nach. Viele Betriebe gingen früh ins Wochenende. Auch bei PRO MEDIA war daher um 14 Uhr Dienstschluss.

Ich nutzte in der Regel die Zeiten, in denen es etwas ruhiger wurde, um Arbeiten zu erledigen, für die ich Konzentration brauch te oder um Vorgänge aufzuarbeiten, die durch das Tagesgeschäft liegen blieben. Und das passierte öfter. Zuhause wartete sowieso niemand auf mich.

An diesem Freitag drei Tage nach dem Vorfall in Frankenberg saß ich inmitten der Konzeption, als gegen 18 Uhr die Tür auf ging und zwei Männer das Büro betraten.

Einen davon erkannte ich sofort wieder: Bullige Erscheinung, Stiernacken, etwas untersetzt, tätowiert bis zum Hals, Baseball Cap und Lederjacke. Es war der gleiche Typ, der mir im VIS A VIS das Messer an den Hals gesetzt hatte. Der Andere war etwas größer, schlanker, gut gekleidet und trug einen Dreitagebart.

„Was du machen für Geschäfte hier?“, fing der Größere von bei den das Gespräch an. Sein osteuropäischer Dialekt war deutlich zu hören, aber gut zu verstehen. Sein Begleiter schwieg und schaute nur grimmig.

„Das hier ist eine Werbeagentur.“ gab ich zur Antwort. „Was kann ich denn für Sie tun?“

Der Mann schritt das Vorzimmer ab und schaute sich um, wäh rend der andere sich vor die Eingangstür postierte.

„Du müssen wissen, ey, wir Freunde schon bei viele von Ge schäfte in Stadt dieser. Bringen gute Leistung gegen Gesindel, ey. Kosten nicht so viel. Zeiten nicht so gut im Moment. Viele Ver brecher, ey.“

„Was soll das werden hier? Ich kenne Sie nicht und Schutz brau che ich auch nicht! Bitte verlassen Sie mein Büro und zwar sofort!“

Nun meldete sich der bullige Kleinere: „Nix gut für dich, wenn nix arbeiten zusammen mit uns. Kann viel passieren!“

Mit einem Satz war ich an der Bürotür und riss den Bulligen an seiner Lederjacke ein Stück nach vorn. Er bekam meinen rechten Arm zu fassen und drehte ihn mir mit einem Griff auf den Rü cken.

Ich hörte nur noch das Krachen in meinem Schultergelenk. Sofort setzte ein höllischer Schmerz ein. Der Bursche hatte mir den Arm ausgekugelt.

„Stopp!“ rief ich. „Was wollt ihr von mir?“ Ich war bewegungs unfähig und ausgeliefert.

„Du geben jetzt 5000 Mark, ey!“ Ganz abgeklärt stellte der Grö ßere seine Forderung.

„Ich habe keine 5000 Mark hier!“ Die Schmerzen waren so groß, dass ich nur in gebeugter Haltung verharren konnte.

„Du besorgen Geld! Nächste Woche kommen wieder. Garantie, ey! Keine Tricks und nix Polizei! Wir nix allein. Wir viele Leute. Verstehen? Is nix Spaß!“

Der Bullige drohte noch in meine Richtung und beide verlie ßen das Büro. Durch das Fenster konnte ich sehen, dass sie erst auf die gegenüberliegende Seite der Fußgängerzone zu steuerten und dann in Richtung Innenstadt gingen.

Mein Arm schmerzte höllisch. Die Schulter war komplett aus dem Gelenk. Ich musste handeln bevor die Muskulatur sich total versteifte. Ich kannte das schon. Bereits sechs Mal rechts und sechs Mal links hatte ich mir die Schulter beim Sport, speziell beim Fußball, ausgerenkt. Das letzte Mal lag aber bereits zwei Jahre zurück.

Jetzt musste schnell etwas passieren. Ansonsten ginge ohne Nar kose gar nichts mehr und vorher würde man mir den Magen aus pumpen. Das hatte ich alles schon dadurch.

Mit der linken Hand löste ich den Gürtel von meiner Hose. Ich baute eine Schlaufe und legte sie um das heraus gesprungene Ge lenk. Das andere Ende befestigte ich am Griff der Bürotür und

drückte kniend meinen Oberkörper mit aller Kraft nach unten. Mit dem anderen Arm gab ich noch zusätzlich Zug und drehte die rechte Hand in die richtige Position. Es krachte und der Arm war wieder drin.

Dafür flog nun der linke Arm aus dem Gelenk. Wahrscheinlich durch die verdrehte Haltung und wegen der einseitigen Kraftan strengung. Doch diesmal reichte ein kurzes Ziehen nach unten und der Arm war wieder in der richtigen Position.

Ich war schweißgebadet und vollkommen fertig. In was für eine Sache war ich da rein geraten und warum? Ich kannte so etwas nur aus dem Fernsehen und nun war ich „live“ dabei. Und das ausge rechnet in dem kleinen Städtchen Korbach. Was war hier los?

Wie benebelt fuhr ich nach Hause. Das ganze Wochenende über legte ich: Was ist zu tun und vor allem, was ist das Richtige? Die Typen sprachen von noch mehr Geschäften auf ihrer Liste.

Bei meinem Nachbarn gegenüber, einem Sportgeschäft und auch Kunde von PRO MEDIA, war in kurzen Abständen die Schau fensterscheibe vier Mal komplett eingeschlagen worden. Gerüch ten zufolge, würden chinesische und italienische Restaurants seit Längerem Zahlungen leisten. Von einigen Einzelhändlern war bekannt, dass sie sich private Sicherheitsdienste besorgt hatten.

„War ich nun dran? Hatten diese Verbrecher die großen Städte abgegrast und gingen nun aufs Land? Was passiert, wenn ich da mit zur Kripo gehe? Würden die mir überhaupt Glauben schenken? Ich hatte keinerlei Zeugen. Wie viel Typen sind da noch im Hintergrund? Wo Zwei sind, können noch Zehn andere sein.“

Fragen über Fragen überkamen mich, ohne dass ich eine Ant wort hatte. „Was tun? Was ist das Richtige?“ Ich war noch nie in so einer Situation.

Die Verunsicherung und die Bedrohlichkeit, die die Ganoven erzeugt hatten, wirkte. Ich beschloss, das Geld zu besorgen in der Hoffnung, dass es eine einmalige Sache war und ich danach wieder Ruhe hätte. Ein folgenschwerer Fehler.

Zu Beginn der neuen Woche stand ich immer noch unter dem Eindruck der vergangenen Ereignisse.

Zwischenzeitlich hatte ich meine Meinung wieder geändert.

Ich wollte den Gestalten nicht so einfach zu Willen sein. Auf der anderen Seite war da die Angst und die Unsicherheit, nicht zu wissen was passiert, wenn ich es nicht tue.

Der Montag im Büro war schrecklich. Die beiden „Herren“ hat ten nicht gesagt, wann sie wieder kommen wollten. Ich musste also jeder Zeit damit rechnen, dass sie auf einmal im Raum stehen könnten. Und wenn nicht hier, dann warteten sie vielleicht wo anders auf mich. Das Büro zu zuschließen war auch nicht mach bar. Ich konnte meinen Mitarbeitern schlecht sagen: „Geht mal nach Hause. Ich erwarte gleich zwei Erpresser.“

Am nächsten Tag besorgte ich das Geld.

Meine Konzeption bekam ich mehr schlecht als recht fertig. Ir gendwie war ich froh, an diesem Mittwoch nicht im Büro sein zu müssen. Die Vorstellung des Werbekonzepts lief wider Erwarten positiv. Ich fuhr mit einem guten Gefühl zurück und beschloss, im Büro noch die Post durchzusehen. Es war mittlerweile 19 Uhr 30.

Ich kam nur wenige Minuten dazu, mich mit den Unterlagen zu beschäftigen, da standen plötzlich die beiden Typen im Büro. Ich wunderte mich, wie sie ins Haus gekommen waren. Die Ein gangstür wurde immer um 19 Uhr zugeschlossen. Ich selbst hatte sie noch verschlossen, als ich ins Büro ging. Anscheinend war ein Mieter, aus einer der anderen Wohnungen, noch einmal raus und

hatte vergessen, die Tür abzuschließen.

„Das Geld haben bereit jetzt, wie gesagt, ey?“

Wieder war der Größere der Rädelsführer. Der kleinere Bullige nahm seinen Platz vor der Bürotür ein.

„Du viel Zeit hatten, machen Gedanken für Kooperation.“

Der Bullige grinste über beide Backen. Wieder hatte er Baseball Cap, Lederjacke und Jeans an. Der Andere war edler, mit Bund faltenhose, Hemd und Sakko, gekleidet.

„Es ist nicht einfach für mich, im Moment 5000 Mark aufzu treiben. Meine Kunden zahlen schlecht“, versuchte ich die Situa tion zu entspannen.

„Du nix erzählen Scheiße, ey! Wissen genau, was du machen. Hassu viel Kunden. Nimmst du Geld von Konto Kunden für Rech nung.“

„Woher wissen die das?“ ging es mir durch den Kopf.

„Hier guckst du Bilder.“

Der Größere legte mir drei Polaroidfotos auf den Schreibtisch.

„Kennst du sicher die Kleinen!“

Das erste Bild zeigte Beates siebenjährige Tochter Sabine, wie sie aus der Grundschule kam. Auf dem zweiten Foto war mein Patenkind Julia, fast vier Jahre alt, die Tochter meines Bruders. Das dritte Bild war vor dem Ausgang des Gymnasiums gemacht worden und zeigte Kathrin, zehn Jahre alt, Beates älteste Tochter.

Mir wurde anders.

„Guckst du genau! Sind liebe nette Kinder. Aber sind schlechte Zeiten. Kann viel passieren, wenn nicht zahlen. Auch wissen ge nau, wo du wohnen. Wissen genau, wo wohnen deine Papa, deine Mama. Wissen genau, wo wohnen deine Freundin. Wissen genau, wo wohnen ExFrau deine. Stadt nix weit von hier. Nur 30 km. Kennen genau, wie heißt Club für Fußball du warst Sonntag.

Mir verschlug es die Sprache. Sie wussten alles von mir und mussten mein ganzes Umfeld ausspioniert haben. Der Druck war enorm. Mein Gesicht und die Wand hinter mir, dürften in etwa die gleiche Farbe gehabt haben. Schweigend öffnete ich meinen Aktenkoffer und gab ihnen die 5000 Mark.

„Du sehen, geht doch! Du jetzt Kunde. Wird sein gute Zusam menarbeit.“

Der Größere steckte das Geld ein und beide verließen das Büro.

Das Ganze hatte nicht länger als 15 Minuten gedauert. Wie lange ich noch vollkommen regungslos auf meinem Stuhl geses sen habe, weiß ich nicht mehr. Wie mein Auto den Weg nach Hause fand, ebenfalls nicht.

Meine Gedanken überschlugen sich. Sorge und Angst machte sich breit und schnürte mir den Magen zu. An Nahrungsaufnah me war nicht zu denken.

Es ging nicht mehr allein um mich. Drei vollkommen unschul dige Kinder waren mit im Spiel. Die Gangster kannten alle Perso

nen, die mir nahe standen, wo sie wohnten und wahrscheinlich auch ihren Tagesablauf. Aber woher wussten sie von den Geschäfts abläufen von PRO MEDIA? Woher kannten sie Name und Adres se meiner NochEhefrau? Sogar meinen Fußballverein TV L. hat ten sie genannt.

Da hatte man einen unheimlichen Aufwand betrieben, um all das herauszufinden. Das wurde mir nun klar. Zwei Mann allein, konnten das nicht geschafft haben und auch nicht in zwei Tagen, Da muss ich schon länger im Visier dieser Leute gewesen sein. Doch ich hatte nie etwas bemerkt.

Normalerweise gehe ich Probleme ziemlich forsch und gezielt an. So schnell haut mich auch nichts um, aber das hier war eine ganz andere Nummer.

Ich war froh, dass Geld gezahlt zu haben. Auch wenn’s wehtat. So hatte ich zumindest Zeit gewonnen. Irgendwie hoffte ich noch immer, dass es eine einmalige Sache war und ich nun Ruhe hätte. Nüchtern betrachtet, glaubte ich daran aber nicht.

Ich kannte bei der Kripo eine Reihe der Beamten von Schule, Sport und auch privat. Sogar angeheiratete Verwandtschaft war dabei.

Es war schon ziemlich spät am Abend, als ich die Nummer wähl te.

Am anderen Ende meldete sich jemand von der Bereitschaft. Diejenigen Beamten, die ich sprechen wollte, waren nicht mehr im Haus.

Ich wollte herausfinden, wie man dort mit so einer Sache um geht.

Vorsichtig beschrieb ich meinem Gegenüber, dass ich mich seit einiger Zeit bedroht fühlen würde. Ich fragte nach der Möglich keit von Personenschutz und einer Fangschaltung für das Telefon. Mein Gesprächspartner schien das alles nicht sehr ernst zu neh

men.

„Für Personenschutz haben wir gar nicht genug Leute. Eine Fang schaltung können Sie auch selbst bei der Post beantragen. Ist aber sehr teuer und dauert einige Wochen, bis das durch ist. Außer dem muss erst mal etwas Konkretes passiert sein, bevor wir aktiv werden können. Kommen Sie doch hierher, wir nehmen das alles Mal auf und dann sehen wir weiter.“

Diese Aussage war mir zu dünn. Ich spielte die einzelnen Mög lichkeiten und Konsequenzen im Kopf durch:

Ich hatte keine Zeugen zum Beweis der Tatsache, dass ich er presst wurde. Selbst wenn die Kripo handeln würde, niemand wusste, ob und wann die Verbrecher wieder auftauchen würden. Dass man Wochen oder Monate Kräfte aufgrund einer vagen Aussage abstellen würde, erschien mir ziemlich abwegig. Selbst wenn die beiden Männer dingfest gemacht werden könnten, was passiert dann, wenn tatsächlich noch weitere Leute im Hinter grund aktiv sind? Wenn man schon so viele Informationen über mich und mein Umfeld hat, wer sagt mir, dass man einen Einsatz der Kripo nicht mitbekommen würde.

Was würde dann passieren? Wozu waren diese Leute noch fähig? Dass sie vor Gewalt nicht zurückschrecken, hatte ich am eigenen Leib erfahren.

Permanent sah ich die Bilder der Kinder vor mir. Ob ich wollte oder nicht, die Verantwortung lag bei mir. Ich hatte mich zwi schen der Alternative zu entscheiden, dass die Erpresser vielleicht gefasst würden oder der Unversehrtheit der Kinder und aller an deren drum herum. Das hieß auch, weiter zahlen, sollten die Typen wieder auftauchen.

Nichts auf der Welt kann ein Menschenleben wieder herstellen, wenn es genommen wird. Kein Geld der Welt. Diese Erfahrung hatte ich leider ein Jahr zuvor bei meinem eigenen ungeborenen Kind machen müssen. Ein Versagen der Kripo, könnte ungeahnte Folgen haben. Und dann wäre es zu spät.

Tausend Horrorvisionen gingen mir durch den Kopf.

Wie Recht ich doch mit meiner Einschätzung haben sollte, er fuhr ich erst Jahre später.

Ich musste die Sache allein ausfechten. Das Risiko der anderen Variante erschien mir einfach zu hoch.

In den folgenden Tagen bemühte ich mich, mir nichts von mei ner inneren Anspannung anmerken zu lassen. Im Geschäft gelang mir das noch gerade so. Da kam mir anscheinend das harte Trai ning der gemeinsamen Arbeit von Doris und mir nach der Tren nung zu Gute. Business as usual.

Im Sekretariat arbeitete meine Schwägerin Elli, die Mutter mei nes Patenkindes Julia, und ahnte von nichts. So sollte es auch blei ben. Ich wollte Niemanden in Angst und Schrecken versetzen.

Beate merkte jedoch sehr schnell, dass ich immer verschlossener wurde und mit meinen Gedanken ganz woanders war. Ich erzähl te ihr etwas von der schlechten Zahlungsmoral meiner Kunden. Die wahren Gründe verschwieg ich auch ihr. Es war ein Scheiß spiel, was ich da spielen musste, aber nicht zu ändern.

Von Doris, meiner NochEhefrau, erreichte mich ein Brief, der dem Ganzen noch einen obendrauf setzte.

Sie wollte nun endgültig die Scheidung einreichen. Dem hatte ich mich bisher immer widersetzt. Zudem hätte sie erfahren, dass ich seit Jahren ein Weltmeister im Fremdgehen gewesen sei. Frü her hätte uns eine solche Tratscherei völlig kalt gelassen. Nun führte sie so etwas gegen mich ins Feld, obwohl sie genau hätte wissen müssen, dass es niemanden gegeben hatte, der ihr das Wasser rei chen konnte. In Korbach gingen zudem Gerüchte herum, ich hätte meine Frau mehrfach brutal misshandelt und geschlagen.

Nichts von alledem entsprach der Wahrheit.

Anscheinend gab es Leute, die sich auf unsere Kosten wichtig machten. Die Spaß daran hatten, uns gegenseitig auszuspielen.

Doris nahm ihre „neuen Erkenntnisse“ zum Anlass, mich kom plett aus ihrem Leben zu streichen und nie wieder etwas mit mir zutun haben zu wollen.

„Wenn du wüsstest in welch einer Scheißsituation ich mich be finde und du ungewollt da mittendrin steckst. Ich sollte dich ja gen, dass du Schuh’ und Strümpfe verlierst, mir so einen Mist vorzuhalten!“ führte ich eine Art Zwiegespräch mit ihr.

Meine Tränen tropften unaufhörlich auf den Brief, der vor mir lag, bis er nur noch ein schwammiges unleserliches Etwas war. Ich war innerlich zusammengebrochen und ließ es einfach laufen.

Ein befreundeter Psychologe hatte mir vor einiger Zeit erzählt, dass genau solche Reaktionen auf mich zukommen könnten. Spe ziell bei demjenigen Partner, der die Trennung herbeigeführt hät te, wäre diese Haltung oft zu beobachten.

Er nannte es: Einstellungswandel durch kognitive Inkonsistenten.

Der Aufbau eines Feindbildes durch Schuldzuweisungen, um eigenes Fehlverhalten zu rechtfertigen und damit klarzukommen. Ich kannte dieses Phänomen vom Studium her und hatte selbst Ausarbeitungen über die wirtschaftliche Nutzbarkeit von kogniti

ven Dissonanzen in der Werbung verfasst.

Nun war ich also selbst das personifizierte Objekt von Hass, Wut und Verachtung geworden, auf dem Doris alles ablud. Dage gen konnte ich mich kaum wehren. Sie ließ keinen Kontakt mehr zu. Ich existierte quasi nicht mehr für sie. Und sie ließ mich das spüren, wenn wir uns zufällig sahen.

Ich taugte nur noch zum Feindbild. Wir hatten über 10 Jahre gemeinsam verbracht. Für sie war es der große Irrtum, wie sie sagte.

Diese Aussage verletzte mich zutiefst, denn für mich war es Lie be.

Ob ich wollte oder nicht, die bedrohlichen Geschehnisse beein flussten meinen Tagesablauf komplett. Ich war permanent in Hab AchtStellung und registrierte meine Umgebung genauestens. Je der, der irgendwie ein osteuropäisches Aussehen hatte, konnte ei ner von denen sein, bildete ich mir ein.

So gut es ging, vermied ich es, mich allein irgendwo aufzuhal ten. Meine Eltern besuchte ich nur noch selten, um keine weite ren Zielscheiben zu liefern. Zu meiner Wohnung nahm ich nicht den kürzesten Weg, sondern wählte immer andere Routen, um zu sehen, ob ich verfolgt wurde.

Doch es tat sich nichts. In mir stieg die Hoffnung, dass es bei dieser einmaligen Sache bleiben und wieder Ruhe einkehren wür de. Schließlich hatten die Typen bekommen, was sie wollten.

Es war Ende Juni, als mir eine bekannte deutsche Schauspiele rin, die auch Fernsehsendungen und Veranstaltungen moderierte, ein Demoband übersandte. Zu der Zeit spielte sie gerade eine Rolle in einer ARDKultserie. Wir telefonierten zusammen und sie erzählte mir, sie würde mit ihrem Mann noch ein Reisebüro führen, das auf Sportevents spezialisiert sei.

Derzeit wären sie mitten in den Vorbereitungen für die Fußball WM 1994 in den USA. Dort sei unter anderem eine große

UNESCOGala mit deutschen Schlagerstars und prominenten Fußballern geplant. Ein Team von RTL würde die Veranstaltung aufzeichnen.

Allerdings sei ein Künstler ausgefallen und sie fragte mich, ob ich eine Idee hätte. Ich hatte. Ich bot ihr an, meine Band aus Kanada einfliegen zu lassen, da in Kürze die erste CD in Deutsch land auf den Markt kommen würde und die Gruppe in Amerika bereits eine große Nummer war.

Ich konnte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ich telefo nierte mit der Plattenfirma und holte mir das OK. Dem Manage ment in Toronto gab ich die Daten durch und es passte termin lich.

Beate fragte ich, ob sie mit zur WM wolle. Auch sie konnte es kurzfristig einrichten. Drei Tage später saßen wir im Flieger nach Chicago.

Wir verbrachten vier tolle Tage dort. Ich spürte, wie mir der Abstand gut tat und fühlte mich wie befreit.

Alle Protagonisten der UNESCOGala logierten im gleichen Ho tel. Die Stars, die bei der Gala auftraten, gehörten zwar nicht un bedingt zu dem Musikgenre, mit dem ich normalerweise zu tun hatte. Aber es war wie eine große Familie. Bei meinem Faible für Sport und Musik war der Aufenthalt mit ehemaligen WeltFuß ballern das Sahnehäubchen obendrauf.

Wir erlebten alle zusammen eine gigantische Eröffnungsfeier der FußballWeltmeisterschaft im Stadion von Chicago und feierten den Sieg des damaligen Titelverteidigers Deutschland im ersten Spiel gegen Bolivien. Die Gala und der Auftritt meiner Jungs war ein voller Erfolg. Kurz danach flimmerten die ersten Bilder über die Schirme.

Ich war froh, wieder in der Spur zu sein. Es war zwar ein kurzer Trip, aber ein guter. Für mich kam er genau richtig.

Voller Tatendrang stürzte ich mich nun in die Arbeit. Es gab viel zu organisieren. Im Herbst sollte die Band aus Kanada zu einer ausgedehnten Promotiontour nach Deutschland kommen und die CD veröffentlicht werden.

Verärgert teilte mir meine Sekretärin mit, dass manchmal den ganzen Tag Anrufe kämen, ohne dass sich jemand melden würde. Bei mir zuhause lief das gleiche Spiel. Sobald ich die Wohnung betrat, klingelte das Telefon. Doch am anderen Ende war Toten stille. Bis zu 30 Mal am Abend ging das so. Als mir Beate ebenfalls von verstärktem Telefonterror unter ihrem Anschluss berichtete, kehrte die Angst zurück.

Es war an einem Samstag, als ich gegen Mittag ins Büro fuhr, um üblicher Weise den Briefkasten zu leeren und die Tagespost durchzusehen. Zuvor hatte ich noch einen Kunden aus der Gas tronomie aufgesucht, der seine Rechnungen für Werbung auf Ein kaufswagen immer bar bezahlte. Gerade in dieser Branche klappte es mit den Kontoabbuchungen fast nie. So war ich verstärkt auch in den Abendstunden unterwegs und ließ mir die fälligen Beträge in bar geben.

Die beiden Personen, die kurz nachdem ich im Büro war, den Raum betraten, kannte ich nur zu gut.

Wieder das gleiche Ritual: Der Schlanke sprach, der Bullige pos tierte sich an die Tür.

„Zeit ist wieder da. Gibst du Geld, ey. Denkst du an Kinder und an Freundin deine. Sind schlechte Zeiten. Kann viel passie ren.“

Mein Aktenkoffer stand noch geöffnet auf meinem Schreibtisch. Die Geldtasche mit den Bareinnahmen lag daneben, die ich gera de im Begriff war, in der Kasse zu verschließen.

„Ich habe euch doch gegeben, was ihr wolltet. Mehr geht nicht! Ich habe kein Geld hier!“

Ganz in Ruhe schritt der Schlanke alle drei Räume inklusive der Toilette ab und schaute sich um.

„Weissu, wir nix dumm, ey. Wissen genau, was läuft bei dir!“

„Was soll bei mir laufen? Ich habe gesagt, ich habe kein Geld und damit basta! Schieb dir deine schlechten Zeiten sonst wo hin!“

Ich versuchte die Geldtasche hinter mir im Koffer verschwinden zu lassen.

„Was ist in Tasche?“ meldete sich der Bullige zu Wort.

Mit einem Griff nahm der Schlanke die Tasche an sich und hol te die Geldscheine raus.

„Glaube, brauchst du Lektion!“

Auf einen Fingerzeig hin, setzte der Bullige seine Massen in Be wegung und stellte sich hinter mich. Mit einem Arm drückte er meinen Kopf nach vorn, mit dem anderen drehte er mir die Hand auf den Rücken. In gebückter Haltung wurde ich in die Toilette geschoben. Er drückte meinen Kopf in die geöffnete Kloschüssel und betätigte die Spülung. Ich bekam kaum noch Luft. Das wie derholte er vier bis fünf Mal.

„Du denken, immer noch Spaß? Bist du großer Mann, aber nix groß genug. Besser du arbeiten zusammen. Besser für dich, für Freundin, für Kinder, für ExFrau, für Mama und Papa. Verste hen?“

Der Bullige ließ mich los. Mein Arm war Gott sei Dank nicht raus gesprungen. Ich war klatschnass bis zur Hose.

„Kommen wieder! Garantie! Und nix Polizei! Sonst Leute deine nix mehr viel gesund.“

Schnell verließen sie das Büro.

Völlig traumatisiert, muss ich Minuten vor dem Spiegel in der Toilette gestanden haben, bis ich mich endlich abtrocknete.

Über 2000 DM hatten sie mir genommen. Was mich aber noch viel mehr beängstigte, war, dass sie immer noch über jeden Schritt von mir und meinem Umfeld Bescheid wussten.

Beate erzählte ich immer noch nichts von den Vorkommnissen. Und auch sonst niemanden. Es reichte, wenn ich in Angst und Schrecken lebte. Da sollten nicht auch noch andere diesen Horror durchmachen, insbesondere die Kinder nicht.

Beate war stinksauer über die permanenten Anrufe, die nun auch nachts kamen, ohne dass sich jemand meldete. Für mich war allerdings klar, wer hinter diesen Schikanen steckte.

Wie ich aus dieser Lage wieder rauskommen sollte, wusste ich in diesem Moment nicht. Anscheinend wollte man mich finanziell regelrecht ausbluten lassen. Immer wieder hielt ich mir die Fol gen vor Augen, wenn ich nicht tat, was man verlangte.

Gerade die Kinder sahen mich inzwischen als ihren Daddy an. Speziell die kleine Sabine mit ihren sieben Jahren eroberte mich mit ihrer Unbekümmertheit und ihrer Herzlichkeit. Bei gutem Wetter fuhren wir öfters zum Schwimmen an einen nahe gelege

nen Freizeitpark. Wie selbstverständlich nahm die Kleine meine Hand und schaute mich stolz mit großen Augen an, während sie mit kurzen Schritten neben mir hertapste.

Beide Mädels waren wahre Wasserratten. Stundenlang wurde im Wasser getobt und ich musste als „Katapult“ herhalten, das die beiden im hohen Bogen aus den Fluten schleuderte.

Nein, ich konnte einfach nicht zulassen, dass diese Verbrecher sich vielleicht die Kinder vornehmen würden. Auch mein Paten kind Julia hatte ich länger schon nicht mehr gesehen und ich ver mied es auch, vorbeizufahren.

Mein Bruder und meine Eltern hatten keine Ahnung, warum ich mich so verhielt. Fragen, wieso ich nicht mehr kommen wür de, ging ich aus dem Weg. Meine Schwägerin Elli, die halbtags in meinem Büro arbeitete, verstand meine Ausreden immer weniger. Ließ es sich gar nicht vermeiden, fuhr ich vier bis fünf Mal durch den Ort, in dem sie wohnten, um sicher zu sein, dass mir nie

mand folgt.

Wochenlang rührten die Erpresser sich nicht. Der Telefonterror hörte auf, um dann mit einem Mal wieder verstärkt einzusetzen. Die Schikanen liefen über Tage im Büro und in meiner Wohnung. Dann tat sich wieder gar nichts.

Die neue Methode war nun, mich privat anzurufen und von mir zu verlangen, Geld bereitzuhalten. Sie nannten keine konkre ten Summen mehr. Ich war schon zu tief in die Sache verstrickt, um irgendwelche Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Ein willfähriges Werkzeug in der Hand von dreisten Verbrechern. Und sie hatten überzeugende Druckmittel aufzubieten.

Ich versuchte die Summen so klein wie möglich zu halten und hob die Beträge in 400er Stückelungen mit der EC oder Kredit karte am Geldautomaten ab. Gerade mit der Kreditkarte hatte ich einen Monat Zeit bis die Abrechnung kam. Kassenentnahmen wären einfach zu auffällig geworden.

Die Erpresser tauchten wie immer unangemeldet auf und immer waren es die beiden selben Personen. Ich wehrte mich nicht mehr. Manchmal nahmen sie 1000 DM, manchmal verlangten sie mehr. Und immer fanden sie Wege, Kontakt aufzunehmen. Ich war in mitten eines Scheißspiels, aus dem es kein Entrinnen gab.

Solange es bei diesen Summen blieb, konnte ich es gerade noch so verkraften. Doch ich musste sehen, dass ich langsam die Finan zierung durchbekam, die ich angeschoben hatte. Der Anbieter, der zum Verkauf anstehenden Gebiete für das Stammgeschäft, verlangte eine Entscheidung und die Produktionen für meine Künstler mussten ebenfalls langsam umgesetzt werden. Der Markt wartete nicht.

Anfang Oktober meldete sich JENS SODERLAND von der Agentur WD KÖHLER bei mir und teilte mir mit, dass er einen Finanzier in Spanien gefunden hätte. Um die Sache nun anzuge hen, schlug er mir einen persönlichen Termin mit ihm im Airport Hotel Hannover vor. Ich wunderte mich ein wenig, warum das Treffen nicht in seinem Büro stattfinden sollte, aber im Grunde war es für mich so bequemer.

In der Lobby des Hotels schien man SODERLAND bestens zu kennen. Anscheinend wickelte er seine Geschäfte des Öfteren hier ab. SODERLAND hatte in etwa die gleiche Statur wie ich, allerdings mit einem sichtbaren Bauchansatz. Er war blond und es fiel auf, dass er bei Anspannung auffallend stotterte.

Er meinte, meine Unterlagen, die ich im Frühjahr eingereicht hätte, wären geprüft worden und in Ordnung. Der Finanzier würde circa 1012 % Zinsen per anno verlangen. Das müsste zwar noch konkretisiert werden, aber im Grunde hätte er grünes Licht für die Sache.

Er übergab mir einen Kreditvermittlungsvertrag, ohne den er nicht tätig werden könnte. Dort verlangte die Firma WD KÖH LER 16.500, DM Aufwandsentschädigung als Vorkasse und den gleichen Betrag noch einmal als Vermittlungsgebühr nach dem erfolgreichen Abschluss der Finanzierung. SODERLAND wollte den Vertrag innerhalb einer Woche unterzeichnet zurückhaben. Die Zahlung der Aufwandsentschädigung hatte ebenfalls in die ser Zeit zu erfolgen.

Die Finanzierung wäre dann nur noch eine reine Formsache, sagte er, obwohl er mir den Namen des Finanziers nicht nennen wollte.

Ich hatte mich um andere Möglichkeiten, ein Darlehen zu be kommen, nicht mehr gekümmert. Ich müsste nun klären, woher

ich die 16.500,00 DM nehmen sollte, ohne meine Liquidität ge gen Null zu fahren.

Mir fiel das Angebot meines Freundes Dieter ein, der mir vor einiger Zeit vorschlug, sollte ich einmal einen Engpass haben, er hätte 20.000,00 DM frei.

Ich kam auf sein Angebot zurück in dem festen Glauben, dass er es spätestens in ein bis zwei Monaten zurückhaben würde, unter schrieb den Vertrag mit SODERLAND und zahlte die verlangte Summe.

Nachdem in den letzten Wochen etwas Ruhe eingekehrt war, ging es nun wieder verstärkt mit dem Telefonterror los. Beate be richtete mir, dass auch sie wieder mit Anrufen bis spät in die Nacht bombardiert würde. Erstmals hätte sich jemand mit ausländischem Akzent gemeldet und sie gewarnt, sie solle auf die Kinder aufpas sen. Sie könnte sich das alles nicht erklären.

Ich schon, der nächste Zahltag stand an. So machten sie es jedes Mal.

Ich wusste, auf Dauer würde ich das so nicht durchhalten. Aber was sollte ich machen? Es war ein Tanz auf dünnem Seil. Jederzeit konnte ich abstürzen. Die Folgen wären fatal gewesen in jeder Hinsicht, Ich versuchte meine Lage, so gut es ging, zu verdrän gen. Ich hätte sonst nicht mehr arbeiten können.

So lange ich den Hyänen etwas Futter gab, würde den Men schen, die mir nahe standen, nichts passieren.

Doch die Forderungen wurden immer massiver und mein Ner venkostüm immer dünner.

In dieser Verfassung eine stressige Promotiontour mit der kana dischen Band durchzuführen, wäre kaum möglich gewesen. So kam es mir nicht ungelegen, dass die Sache ins Frühjahr ‘95 ver schoben wurde, weil die Songs für die CD noch nicht fertig wa ren.

Die heimische Zeitung brachte einen großen Artikel über mich und PRO MEDIA zum Thema „Macher im MusikBusiness“. Ein Radiosender wollte ein Interview haben.

Ich kam mir vor, wie auf einem permanenten Ritt zwischen Him mel und Hölle.

Von SODERLAND hörte ich lange Zeit nichts in Sachen Fi nanzierung. Mitte Dezember rief er an und teilte mir mit, dass der Kapitalgeber in letzter Minute abgesprungen sei.

Dieser Schock saß tief.

Erbost verwies ich darauf, dass die Gebühren bereits gezahlt wären und eine Absage inakzeptabel sei. Er meinte, er hätte noch andere Investoren, die er nun kontaktieren wolle. Er würde sich melden.

Das Warten begann von vorn.

Bis zum Frühjahr 1995 kamen die Erpresser noch zwei Mal. Personell standen bei PRO MEDIA Veränderungen an. Meine

Schwägerin Elli erwartete ihr zweites Kind und würde im Mai in Mutterschaft gehen. Mein verantwortlicher Mann für das Stamm geschäft brachte immer weniger Leistung. Ich musste eine Ent scheidung treffen.

Doris hatte inzwischen die Scheidung eingereicht. Ich musste mir einen Anwalt nehmen. Einmal besuchte sie mich noch im Büro, aber nur, um mir eine gegenseitige Unterhaltsverzichtser klärung vorzulegen. Ich akzeptierte. Wenn unsere Ehe in ihren Augen schon ein großer Irrtum war, so sollte wenigstens finanziell keiner dafür bluten. Wie es in Wirklichkeit in mir aussaß, interes sierte sie sowieso seit langem schon nicht mehr. Ich erzählte ihr auch nichts von den Ereignissen seit dem letzten Jahr.

Mir schnürte es förmlich die Kehle zu. Mit niemanden konnte ich reden, unter was für einem Druck ich stand.

Und der Druck wurde stärker, die Forderungen der Verbrecher immer unverschämter. Die Summen, die sie verlangten, konnte ich nicht mehr aufbringen.

Beate erzählte mir von einem Anrufer, der in gebrochenem Deutsch damit drohte, dass es mir nun an den „Kragen“ ginge. Die männliche Stimme hätte gewusst, wann die Kinder das Haus verlassen würden, sie selbst zur Arbeit geht und zurückkommt. Sie wollte von mir wissen, was das alles zu bedeuten hätte.

Ich wiegelte ab und beruhigte sie.

Sie sprach von seltsamen Dingen, die im Moment passierten:

In der Parfümerie, in der sie zu der Zeit arbeitete, tauche immer ein Mann auf, der ausschließlich von ihr bedient werden wolle, aber nie etwas kaufen würde.

Einmal hätte ein schmieriger, bulliger Typ den ganzen Tag vor dem Schaufenster gestanden und sie beobachtet. Er wäre ihr sogar hinterher gelaufen, als sie im Parkhaus die Uhr nachlösen musste. Ihrem Chef wäre dieser Typ ebenfalls aufgefallen. Als er ihn zur Rede stellen wollte, wäre der Mann aber plötzlich verschwunden gewesen.

Ich ließ mir die Person beschreiben und wusste gleich, dass es sich um einen der Erpresser handelte. Spätestens zu diesem Zeit punkt hätte ich mich outen müssen. Doch ich tat es nicht und schwieg. Ich wollte sie nicht noch mehr beunruhigen.

Ich kam mir beschissen und feige vor.

SODERLAND meldete sich wieder. Er hätte einen Finanzier in Griechenland gefunden, der sehr interessiert wäre. Für den Auf wand, den er betrieben hätte, müsse er aber noch mal 5000 DM haben. Wir verabredeten einen Termin in meinem Büro.

Wieder wirkte er absolut sicher, nun den richtigen Kapitalgeber zu haben. Die 5000 DM wollte er in bar, ich ließ mir aber eine Quittung unterschreiben. Zusätzlich buchte ich auf seinen Na men bei meinem Reisebüro einen Flug von Frankfurt nach Kreta und zurück.

In aller Deutlichkeit machte ich ihm klar, dass er nun für den erfolgreichen Abschluss der Sache zu sorgen hätte und ich eine unverzügliche Rückmeldung erwarten würde.

Er fragte, ob PRO MEDIA auch Visitenkarten drucken lassen könne. Ich klärte ihn auf, dass wir das per Computer machen und eine Druckerei nicht unbedingt nötig sei.

Um ihn zusätzlich zu animieren, bot ich ihm an, einen Entwurf zu erstellen und ihm diesen auf Diskette zuzusenden. Dann kön ne er sich so viele Exemplare ausdrucken lassen, wie er wolle. Das DesignerProgramm, mit dem PRO MEDIA arbeitete, kannte er. Die Diskette sandte ich ihm zwei Tage später zu.

Zwei Wochen lang hörte ich nichts. Dann erhielt ich auf dem Anrufbeantworter eine Nachricht von SODERLAND, dass auch diese Sache geplatzt sei. Ich wurde misstrauisch.

Über mein Reisebüro kam ich an die Passagierliste für den Flug nach Kreta. SODERLAND hatte diesen Flug nie angetreten. Sofort wählte ich die Nummer der WD KÖHLER in Hannover. Der Anschluss existierte nicht mehr.

Ich war einem Betrüger aufgesessen. Das Geld war weg und SO DERLAND auch. Meinem Freund Dieter konnte ich seine 20.000 DM nicht zurückzahlen. Das war das Peinlichste an der Sache.

Ich klinkte mich wieder zunehmend ins Stammgeschäft ein. Die Aktivitäten mit den Künstlern liefen nur noch nebenbei. Die Pro motiontour mit der Band aus Kanada zog ich zwar noch durch, alles andere jedoch, wurde von der Schallplattenfirma erledigt.

Meinem Vertriebsleiter für Werbung auf Einkaufswagen kün digte ich zum nächsten Termin und stellte ihn sofort von der Ar beit frei, als er mir vorschlug, ich solle ihm drei Monate sein ehe maliges Gehalt zahlen, damit er mehr Arbeitslosengeld erhält. Mit dieser Einstellung konnte er nichts werden. Ich hatte ihn lange genug durchgezogen. Viel zu lange!

Ich war nun allein im Büro, denn Elli hatte inzwischen ihren Mutterschaftsurlaub angetreten. Ich beschäftigte noch zwei Mit arbeiter für die Wartung der Werbeflächen in den Supermärkten und die Putzfrau. Alles andere machte ich allein. Jemanden kurz fristig zu finden, war relativ aussichtslos.

Mein Vermieter teilte mir mit, die Geschäftsräume zum 31.12.95 kündigen zu müssen. Der Nachbar, eine Krankenkasse, wolle sich vergrößern und meine Büroräume dazu mieten. Das nächste Pro blem stand vor der Tür.

Wenn ich Kundentermine wahrzunehmen hatte, blieb das Büro geschlossen. Dies mussten auch die Gangster mitbekommen ha ben. Sie meldeten sich telefonisch nun im Geschäft, was sie sonst nie taten. Anscheinend wussten sie genau, wann ich mich im Büro aufhielt und wann nicht.

Bei einem meiner Kunden war meine Forderung inzwischen auf über 30.000 DM aufgelaufen. Alle Versuche an das Geld zu kom men scheiterten bislang. Ich war schon im Begriff das gerichtliche Mahnverfahren einzuleiten, da hörte ich, dass er als Gastronom eine größere Veranstaltung durchführen wollte.

Am Tag der Feier fuhr ich nachts um 1 Uhr dorthin. Unter der Androhung, Gerichtsvollzieher und ggf. Polizei hinzu zuziehen, zahlte er von den Einnahmen des Abends die offene Rechnung. Ich war froh. Nun konnte ich Dieter endlich seine 20.000 DM wiedergeben.

Doch dazu kam es nicht.

Noch auf dem Parkplatz vor meiner Wohnung wurde ich von einem der Verbrecher in Empfang genommen. Ehe ich mich ver sah, riss er die Tür auf und war mit einem Satz in meinem Auto.

„Machen nix mehr Kleinkram, ey. Nur noch große Sachen. Kleinkram nix gut.“ sagte er mit einem breiten Grinsen. „Machst du Koffer auf!“

Wie selbstverständlich nahm er die Geldtasche an sich und zählte in Seelenruhe die Scheine. Über 30.000,00 DM.

„Mein Kollega warten an Ecke.“

Ich war den Abend über nicht allein gewesen. Das wurde mir nun klar. Bemerkt hatte ich absolut nichts. Der bullige zweite Mann wäre mir mit Sicherheit aufgefallen. Also musste es noch mehr als diese zwei Personen geben, die da im Einsatz waren.

„Es geht nichts mehr!“ erklärte ich.

Der Schock saß so tief, dass es mir inzwischen egal war, was sie mit mir machen würden.

„Ich habe nichts mehr! Keinen Pfennig zahle ich mehr! Wo soll ich es hernehmen?“

Wieder grinste der Typ: „Sehen wir auch so. Melden uns.“

So schnell, wie er gekommen war, so schnell war er wieder weg. Und mein Geld mit ihm.

Ich plünderte meine sämtlichen Alkoholvorräte und ließ mich vollaufen. Das Ganze musste ein Ende haben. Ich arbeitete nur noch für diese Hyänen.

Circa 80.000 DM hatten mir die Erpresser inzwischen abge nommen. Eine Summe, die nicht so einfach zu verkraften war. Dazu kamen noch insgesamt 25.000 DM, die SODERLAND mit seiner angeblichen Finanzvermittlung abgezockt hatte.

Weitere Forderungsausfälle von Kunden konnte ich mir nicht mehr leisten, wenn ich überhaupt die laufenden Kosten decken wollte.

Ich brauchte Neukunden, um aus diesem Loch wieder heraus zukommen.

Das Finanzamt stand mir ebenfalls auf den Füßen wegen einer Steuernachzahlung. Auch die Banken wurden immer unruhiger, weil ich mich nur noch an der Grenze meiner Kreditlinie bewegte und des Öfteren auch darüber hinaus.

Anhand der aktuellen betriebswirtschaftlichen Auswertung und dem letzten Jahresabschluss, erstellte ich am Computer eine Vor schau. Was ist der IstZustand, was muss geändert werden, um wieder in ruhigeres Gewässer zu kommen. Posten um Posten ging ich durch und machte eine komplette Betriebsanalyse.

Ich wusste, dass ich aus den CDVerkäufen der kanadischen Band, einiges an Tantiemen zu erwarten hatte. Insbesondere in Öster reich, in der Schweiz und in Holland, lief die Platte gut. Laut Vertrag, war der Abrechnungsmodus immer halbjährlich. Dann ginge das Geld erst mal nach Kanada, bevor es unter den Beteilig ten aufgeteilt würde. Es konnte also noch Monate dauern, bis ich davon etwas sehen würde.

Auf der anderen Seite stand ich kurz vor dem Abschluss mit einer bundesweiten Heimwerkerkette mit einem Volumen von

750.000 DM, die sich für Werbung auf Einkaufswagen interes sierte,

Es gab also gute Perspektiven. Was ich hatte, war ein Liquidi tätsproblem.

Kundenverkehr gab es im Büro so gut wie gar nicht mehr. Kein Vergleich zu dem Trubel vergangener Jahre. Ich öffnete nur noch nach vorheriger Terminabsprache. Ansonsten blieb die Tür ver schlossen. Ich dachte, ich könnte mich so gegen weiteres unerwar tetes Auftauchen der Erpresser schützen. Mit Beate verabredete ich ein Klingelzeichen.

Es war Anfang September, als ich einen Anruf erhielt und am anderen Ende sofort einen der Erpresser erkannte:

„Es geht um Geschäft! Kommst du morgen Rasthof Kassel! 18:00 Uhr! Müssen reden. Verstehen!“

Es klang wie ein Befehl.

„Morgen habe ich keine Zeit und zahlen kann ich auch nichts mehr“, antwortete ich.

„Kommst du, so ich sagen, sonst du haben Probleme, ey“, sprach er und legte auf.

Ich fuhr nicht hin.

Ein paar Tage hatte ich Ruhe, bis mir Beate berichtete, dass abends immer ein Auto mit ausländischen Typen in der Nähe ihrer Wohnung stehen würde. Jedes mal, wenn sie die Wohnung betrat, klingelte sofort das Telefon: „Wissen, wo du bist, was du machst, wo Kinder sind.“ Aufgelegt!

Ich versuchte sie zu beruhigen, dass jemand üble Scherze trei ben würde. In Wahrheit wusste ich genau, was dahinter steckte.

Die Verbrecher meldeten sich erneut und bestellten mich noch mal zum Rasthof Kassel an der Autobahn.

„Freundin deine, schöne Frau. Willst du, soll so bleiben, kommst du. Sonst vorbei mit Schönheit. Verstehen ey!“

Die Ansage war deutlich und diesmal fuhr ich hin. Das Restau rant im Rasthof sollte der Treffpunkt sein.

Beide Typen hatten überhaupt keine Bedenken, sich öffentlich zu zeigen. Warum auch? Es gab nie Zeugen für ihre Handlungen. Im Notfall hätten sie alles abstreiten können.

„Müssen reden über Geschäft mit dir. Brauchen Geld, viel Geld. Ein paar Hunderttausend!“

Ich sagte, dass ich die schon mal gar nicht hätte.

„Geht nix um deine Kohle. Wissen, du nehmen immer Geld von Konto, wenn Kunden müssen zahlen Rechnung. Du kennen System, wir kennen System. Machst du jetzt genauso, nur mehr Geld.“

Ich verstand nicht richtig: „Ich soll die Konten meiner Kunden anzapfen und Hunderttausende an DM einziehen? Wie soll das gehen? Soviel haben die selbst nicht. Das sind alles Kleinbetrie be.“

„Nix machen Kleinkram! Nur noch gute Sachen, große Sachen“, und zog einige Papiere aus seiner Jacke. Geschäftspapiere von gro ßen Firmen, wie Warsteiner, Grundig, Nissan usw. „Nimmst du diese. Holst du Kohle auf Konto deines und dann geben uns. Ist ganz einfach und dann du haben Ruhe, ey.“

„Das klappt doch nie. Schon gar nicht, wenn ich meine eigenen Konten benutze, Selbst wenn, soll ich etwa Hunderttausende cash von meinem Konto abheben? Auffälliger geht’s wohl nimmer“, versuchte ich sie von dem Schwachsinn ihres Vorschlags zu über zeugen.

„Machst du halt Konto in Schweiz oder Luxemburg und dann geben uns Nummer. Nimmst du Papiere diese. Hassu Zeit eine Monat, sonst viele Probleme für deine Familie und dich.“

Er übergab mir den Stapel an Briefbögen und beide Personen gingen.

Ich musste unweigerlich lachen. So einen Blödsinn hatte ich noch nie gehört. Auf der anderen Seite musste ich mir nun Ge danken machen, wie ich aus dieser Situation herauskam. Vor al lem, wie ich es schaffen konnte zu zeigen, dass dieses Vorhaben zum Scheitern verurteilt war.

Dass es diesen Gangstern ernst mit der Sache war, merkte ich ziemlich schnell.

Beate berichtete, dass sie das Gefühl hätte, unter permanenter Beobachtung zu stehen. Abends wäre immer dieses Auto mit den Typen in der Nähe der Wohnung und einmal sei man ihr bis in die Innenstadt gefolgt. Sie hätte diese Leute aber nicht genau ge sehen oder beschreiben können.

Eins war klar: Von mir verlangten die Verbrecher kein Geld mehr. Sie wollten das ganz große Ding und ich sollte als Erfüllungsge

hilfe herhalten, wenn etwas schief gehen würde.

Ich musste also a) den Beweis erbringen, dass die Sache nicht klappt, und b) es durfte nicht über PRO MEDIA beziehungswei se über meinen Namen laufen. Und letztendlich sollte auch keine der Firmen geschädigt werden.

Ich befand mich in einer Situation, in der ich nur falsch han deln konnte, aber dennoch handeln musste. Ich wusste, dass ich die Verantwortung dafür selbst zu tragen hatte.

Bei dem Plan, den sich die Typen hatten einfallen lassen, gab es eine Besonderheit. Und mit Sicherheit kannten sie diese nicht. Mich wunderte es sowieso, dass derart primitive Schlägertypen auf so eine Idee kamen.

Neben dem Einzugsermächtigungsverfahren, das ich mit mei nen Kunden praktizierte, gibt es noch das so genannte Auftrags Abbuchungsverfahren. Mit beiden Varianten kann man per Last schrift, fällige Gelder des Zahlungspflichtigen von dessen Konto auf das eigene Konto einziehen.

Der Unterschied ist die Einverständniserklärung des Zahlers. Beim erst genannten Zahlungsverfahren, erklärt sich der Kunde durch seine Unterschrift auf dem Vertrag generell bereit, den Rech nungsbetrag von seinem Konto abbuchen zu lassen. Er hat jedoch ein sechswöchiges Widerspruchsrecht und kann innerhalb dieser Zeit, sein Geld zurückholen.

Die Banken des Begünstigten, der Gelder einzieht, schützen sich in der Regel gegen Verluste, indem sie ihm entweder eine Kredit linie einräumen oder er erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist über das Geld verfügen kann.

Beim AuftragsAbbuchungsverfahren hingegen, wird der Bank des Kunden ein entsprechendes Formular mit dessen Einverständ niserklärung vorgelegt. Die Bank prüft die Unterschrift des Kon toinhabers beziehungsweise des Verfügungsberechtigten, während das Geldinstitut des Begünstigten per Lastschrift den Betrag ein zieht.

Bei hohen Summen wird in der Regel beim Zahlungspflichti gen nachgefragt. Hat alles seine Richtigkeit, kann der Begünstigte nach zwei Tagen über das Geld verfügen. Ein Widerspruch ist danach nicht mehr möglich.

Wenn ich also das zweite Verfahren wählen würde, wäre die Sa che von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Ich musste mir eine Legende einfallen lassen, damit PRO ME DIA nicht in Erscheinung tritt. Ferner brauchte ich ein Konto, über das dieser ganze Schwachsinn läuft und zu guter Letzt, ein Konto in Luxemburg.

Damit hätte ich alles getan, was diese Gangster von mir verlang ten und konnte gleichzeitig beweisen, dass der Plan nicht funkti onierte. Ich hatte ja noch nicht einmal eine brauchbare Unter schrift auf den Firmenbogen, die sie mir gegeben hatten, geschweige denn eine Ahnung, wer die Bevollmächtigen der aufgeführten Fir menkonten waren.

Ich baute also dieses Windei. Es war die einzige Chance, dass diese Typen endlich Ruhe geben würden.

Ich fuhr nach Luxemburg und eröffnete dort unter falschem Na men ein Konto bei der Salotto Bank. Meinen Personalausweis hat te ich kopiert und mit dem Fantasienamen und den Daten eines PETER WOLF, wohnhaft in Frankfurt, verändert. Es klappte pro blemlos.

Ich musste noch ein Codewort nennen, mit dem das Konto ak tiviert würde. Mir fiel nichts anderes als „Beate“ ein. Die Bestäti gung über die Kontoeröffnung erhielt ich in zweifacher Ausfüh rung.

Jetzt benötigte ich noch ein Firmenkonto in Deutschland. Ich wandte mich an die PBank und ließ mir die Firma MV MEDI ENVERTRIEB einfallen, deren Prokurist ich sei. Ich legte einen gefälschten Handelsregisterauszug vor und gab an, die Daten des vermeintlichen Inhabers Peter Wolf nachzureichen, denn im Ge spräch mit dem Sachbearbeiter stellte sich heraus, dass er mich kannte. So konnte ich schlecht unter falschem Namen auftreten. Ich beantragte die Teilnahme am Lastschriftverfahren und man teilte mir mit, dass dieses Zahlungsmodell bei der PBank aus schließlich auf elektronischem Weg abgewickelt würde. Der Sach bearbeiter besorgte mir die entsprechende BearbeitungsSoftwa

re.

Als Geschäftsadresse gab ich eine fiktive Anschrift in Kassel an und stellte bei der Post einen Weiterleitungsantrag an meine pri vate Adresse.

Nach zwei Wochen erhielt ich alle notwendigen Unterlagen und Formulare.

Von den Erpressern hatte ich bei dem Treffen in Kassel insgesamt 28 BlankoGeschäftsbogen erhalten auf denen Anschrift, Bank verbindung und Kontonummer der einzelnen Unternehmen ver zeichnet waren.

Durchweg handelte es sich um bundesweit bekannte und große Firmen, zu denen ich selbst nie eine Geschäftsbeziehung hatte.

Ich fragte mich, wie die Typen an diese Daten gelangt waren. Ich füllte nun die Formulare aus, die an die Banken der jeweili

gen Firmen gehen sollten: Das fingierte Einverständnis, eine Sum

me X wegen einer Rechnung Y der MV MEDIENVERTRIEBS GMBH von ihrem Konto abbuchen zu lassen.

Ich setzte irre FantasieBeträge ein. Namen und Unterschrift der Verfügungsberechtigten kannte ich überhaupt nicht. Ich krickel te irgendein SignaturKürzel auf das Formular. Bei den horrenden Summen und den falschen Unterschriften, müssten die Banken auf jeden Fall hellhörig werden. So mein Plan.

Sämtliche Daten übertrug ich nun in das Bearbeitungsprogramm der PBank. Das war quasi der Auftrag, die aufgeführten Beträge von den Konten der Firmen einzuziehen. Ingesamt 3.9 Millionen DM.

Mir wurde schier schwindelig bei der Summe. Aber ich musste so hoch greifen, um sicher zustellen, dass es auffiel. Ich brachte die Sache auf den Weg. Als Nachweis für die Verbrecher, hatte ich von allem Kopien gezogen.

Auf eine Reaktion musste ich nicht lange warten:

Die PBank schrieb, dass man die eingereichten LastschriftAuf träge nicht durchführen würde und man das Konto wieder ge löscht hätte. Die Überprüfung der Unternehmensdaten von der MV MEDIENVERTRIEB GMBH hätte ergeben, dass diese Firma nicht existieren würde und die Unterlagen gefälscht seien.

Genau das wollte ich haben. Ich hatte nun den Nachweis, dass dieser Schwachsinn nicht funktionierte.

Die Typen hatten sich zwischenzeitlich schon zwei Mal gemel det und wollten wissen, wie weit die Sache sei.

Ich konnte sie bis dahin immer vertrösten, dass es schließlich um fast 4 Millionen DM ging.

Doch nun machten sie Druck und wollten Geld sehen.

Wieder beorderten sie mich zum Rasthof Kassel. Ich übergab ihnen das Dokument über die Bankverbindung in Luxemburg, die Geschäftspapiere mit den AbbuchungsAufträgen und das Schreiben der PBank.

Es schien sie zu überzeugen. Es gab keine Drohungen, keine Nachfragen. Sie nahmen die Papiere und verschwanden wortlos.

Mir fiel ein Stein vom Herzen und ich fühlte mich befreit. Ich glaubte, die Sache sei endlich ausgestanden. Doch weit gefehlt.

Einige Tage später erhielt ich einen Anruf im Büro:

„Mein Name tut nichts zur Sache. Hör genau zu! Ich denke, meine Mitarbeiter haben dir ziemlich klar gemacht, dass wir kei nen Spaß verstehen. Vergiss nicht, dass wir über jeden Schritt von dir und den Leuten, die dir am Herzen liegen, bestens informiert sind. Wenn du also nicht willst, dass wir Maßnahmen ergreifen, die dich wirklich überzeugen, dann ziehst du das Geschäft jetzt noch mal durch. Aber diesmal nimmst du deinen eigenen Laden oder eine Firma, die es auch wirklich gibt. Und glaub nicht, du kannst uns verarschen! Du bekommst Post und in zwei Wochen wollen wir Kohle sehen. Halt dich dran, oder du erlebst die Hölle auf Erden!“

Es war eine männliche Stimme und sie sprach reines Hoch deutsch. Mir war sofort klar, um was es ging. Und mir war klar, dass ich es keineswegs nur mit zwei Typen zu tun hatte, die bisher immer aufgetaucht waren. Da steckte mehr dahinter.

Ich hatte diese Stimme noch nie gehört, die mir nun unmissver ständlich deutlich machte, was man von mir erwartete.

Ein paar Tage später kam ein größerer Briefumschlag ohne Ab sender, abgestempelt in Hannover. Darin enthalten waren 15 wei tere BlankoBogen von großen Unternehmen. Sonst nichts.

Ich wusste, was man wollte und was ich zu tun hatte. Ich sollte die gleiche Sache noch mal durchziehen. Anscheinend dachten die Verbrecher, es hätte ausschließlich daran gelegen, dass es diese erfundene MV MEDIENVERTRIEB GMBH nicht gab.

Ob ich nun eine real existierende Firma oder ein Fantasiepro dukt genommen hätte, war egal. Es hätte so oder so nicht funkti oniert. Und es würde auch ein weiteres Mal nicht funktionieren. Aber genau das wussten die Typen nicht.

Mir wurde übel bei der Vorstellung, dieses Scheißspiel noch einmal durchziehen zu müssen. Durch die ganzen getürkten Un terlagen war ich selbst bereits schon kriminell geworden, ohne es zu wollen. Niemand war geschädigt worden und darauf kam es mir an. Wäre ich allerdings unter meiner wahren Identität aufge treten, hätte ich mich auch gleich selbst anzeigen können. Wie dann die Reaktion der anderen Seite ausgefallen wäre, wollte ich mir erst gar nicht ausmalen.

Ich saß mittendrin im Sumpf. Ich musste mich für eine Alterna tive entscheiden. Jede für sich, hätte hinreichende Folgen gehabt. Ich entschied mich für die, nach meiner Ansicht nach, weniger gefährlichere Möglichkeit.

Die PBank war für die neue Aktion nicht mehr zu gebrauchen. Ich fuhr zur D Bank nach Marburg und eröffnete als MICHAEL DILLER, GESCHÄFTSFÜHRER DER RF DESIGN GMBH, ein

Geschäftskonto. Die Firma gab es tatsächlich. Ich konnte sogar den Handelsregisterauszug vorlegen, den ich aus einer Veröffent lichung der Industrie und Handelskammer hatte.

Der Filialleiter sorgte dafür, dass das Konto sofort aktiv war. Ich erhielt die notwendigen Formulare und sogar 20 Schecks. Ein Kre ditvolumen lehnte ich ab.

Das Prozedere ging von vorne los: Ich schrieb die Abbuchungs aufträge, sandte sie an die Banken der Firmen und beauftragte die DBank die Gelder einzuziehen. Diesmal kam ich auf eine fiktive Summe von 2.3 Millionen DM.

Ich wartete nun auf eine Reaktion der DBank und auf die Nach richt, dass die Gelder nicht eingelöst werden könnten. Doch nichts geschah.

Stattdessen meldeten sich die Verbrecher und erkundigten sich danach, ob die Sache laufen würde. Sie wollten endlich Geld se hen und drohten:

„Verarscht du uns und nimmst die Kohle für dich selbst, gibt es Tote! Verlass dich drauf! Du besorgst sofort 1.5 Millionen, egal wie!“

Ich stellte zwei DBankSchecks der RF DESIGN über jeweils

750.000 DM aus und reichte diese bei meinen eigenen Banken ein. Da das Konto bei der DBank nicht gedeckt war, würden die Scheck garantiert zurückkommen. „Nicht eingelöst“ und darüber bekäme ich einen Beleg. Und genauso geschah es.

Ein Mitarbeiter einer meiner Hausbanken meldete sich telefo nisch und stellte Fragen in Bezug auf die Firma RF DESIGN und den hohen Scheckbetrag. Ich konnte ihm schlecht sagen, dass al les nur eine riesige Seifenblase war, um Verbrecher auszutricksen, die mich seit eineinhalb Jahren erpressten und bedrohten. Doch hinter den Kulissen liefen bereits die Drähte heiß.

Es war Montagmorgen, der 27.11.1995, als mich vier Beamte der Kriminalpolizei Korbach aus meinem Bett holten. Sie hatten sich bei Beate meinen Wohnungsschlüssel besorgt und sie gleich als Zeugin mitgebracht. Man hielt mir einen Beschluss des Amts gerichts Korbach unter die Nase, meine Wohnung und die Ge schäftsräume von PRO MEDIA zu durchsuchen. Der Vorwurf: Betrug und Urkundenfälschung zum Nachteil mehrerer Unter nehmen.

Das Büro hatten sie sich vom Vermieter öffnen lassen. Als ich dort ankam, kopierten bereits drei andere Beamte die Daten mei ner EDVAnlage. Vorher hatten sie sogar noch mein Auto durch sucht.

Es lief eine Großaktion auf der Suche nach Beweismitteln, gelei tet von einer Kriminalhauptkommissarin PETRA SAGLLÖH NER, Kripo Korbach.

Ich wurde darüber informiert, dass einige Firmen Strafanzeige wegen ungerechtfertigter Kontoabbuchungsversuche gestellt hät ten und dass ich mich dazu nicht äußern brauchte. Das tat ich auch nicht.

Sie filzten jeden Schrank, jede Schublade und nahmen alles mit, was in ihren Augen, nach einer Straftat roch. Es dauerte ganze drei Stunden, bis der Spuk vorbei war.

Ich musste mich erst einmal sortieren.

Sie hatten die Daten aus dem Computer kopiert. Ansonsten hatten sie nur normale Geschäftsunterlagen von PRO MEDIA mit genommen, die mit den Vorgängen überhaupt nicht in Verbin dung standen.

Die Blankobogen, der angeblich geschädigten Firmen von der DBankAktion, hatten sie in ihrem Eifer gar nicht entdeckt, ob wohl sie offen in einer Mappe auf einem Schrank lagen. Dafür hatten sie die Schecks der D Bank, die Bestätigung über die Kon toverbindung in Luxemburg und die Kopien der gefälschten Per sonalausweise gefunden.

Beate war inzwischen ebenfalls im Büro eingetroffen und völlig aufgelöst. Sie fragte mich, was das alles zu bedeuten hätte und ob es einen Zusammenhang gäbe mit den permanenten Beobach

tungen ihrer Person durch die vier Typen in dem Auto, das noch immer regelmäßig in der Nähe ihrer Wohnung stehen würde. Je des Mal, wenn sie nach Hause käme, ginge das Telefon und es würden Drohungen ausgesprochen, auch in meine Richtung. Sie hätte Angst um die Kinder und um mich. Ob ich in etwas hinein geraten wäre, worüber ich nicht sprechen wolle. Und jetzt die Aktion der Kripo hier.

Ich war wie betäubt und nicht fähig, ein klares Wort heraus zubringen.

Ich hörte mich stammeln, dass ich auch nicht wüsste, was los wäre.

Innerlich war ich dem Zusammenbruch nahe. Wie sollte ich ihr auf die Schnelle erklären, was in den letzten eineinhalb Jahren passiert war?

Wie hätte ich das überhaupt jemandem erklären können?

Man würde mich für verrückt halten. Meine Lage war noch be schissener geworden.

Natürlich blieb die Durchsuchungsaktion der Kripo nicht un bemerkt und ging in der Stadt herum wie ein Lauffeuer. Man blies zur Jagd auf mich. Dann folgte Schlag auf Schlag:

Meine beiden Hausbanken, die angeblich den „Weg freimachen“, kündigten die Kreditvereinbarungen und stellten die Beträge zur sofortigen Rückzahlung fällig. Da mir das natürlich nicht mög lich war, nahm man meinen Vater mit der Bürgschaft über 100.000 DM in Anspruch.

Das Finanzamt betrieb eine Kontopfändung wegen einer geschätz ten Mehrwertsteuernachzahlung.

Am 1. Dezember wurde die Ehe von Doris und mir geschieden. Am 6. Dezember starb plötzlich mein Vater.

Um mich herum war nur noch Nebel. Wie ein ferngesteuerter Roboter spulte ich die Programme ab, ohne wirklich etwas wahrzu nehmen. Mein Körper spielte verrückt. Oftmals fiel ich von einer Sekunde auf die andere einfach um. Es dauerte immer Minuten, bis ich wieder bei mir war. Erinnern konnte ich mich an nichts.

Mein Büro musste ich bis zum 31.12. räumen. Ich war geschäft lich und privat am Ende. Freunde und Bekannte distanzierten sich zunehmend von mir.

Es begann das Jahr 1996. Noch immer stand ich neben mir durch die Ereignisse, die mich überrollt hatten, durch die Trauer um meinen Vater und wegen meiner eigenen aussichtslosen Situ ation. Beate jedoch, war unbeirrbar an meiner Seite und half mir, wo sie nur konnte. Wer weiß, wo ich ohne sie gelandet wäre in meiner Verzweiflung.

Irgendwie musste ich wieder auf die Füße kommen. Mehr aus der Not heraus als mit Überzeugung, versuchte ich mit Ilona und Jürgen, einem befreundeten Ehepaar, eine neue Vertriebsschiene für Kosmetikartikel aufzubauen.

Bei den notwendigen Gängen zu den Behörden, Banken und Finanzamt, stießen beide immer wieder auf Ungereimtheiten be züglich meiner Person. Sobald mein Name fiel, ging die Klappe runter und es folgte Ablehnung auf Ablehnung. Jürgen verlangte eine Erklärung von mir.

Indessen feierte Doris ausgiebig ihre wiedererlangte Freiheit. Bereits am Abend des Scheidungstags, muss es in einer Korbacher Diskothek zu einer regelrechten „Volker BauchBefreiungsParty“ gekommen sein.

An der Beerdigung ihres ExSchwiegervaters nahm sie erst gar nicht teil. Inzwischen hatte sie eine Liaison mit einem Mann, der über zig Jahre zu meinem engsten Freundeskreis gehörte. Bereits vor unserer Ehe hatten beide ein Verhältnis miteinander. Damals kehrte sie reumütig zu mir zurück. Sie war so überzeugend, dass ich ihr glaubte und sie heiratete.

Auch wenn die Sache Jahre zurück lag, wir inzwischen geschie den waren und ich keinerlei Recht mehr hatte, mich in ihr Leben einzumischen, diese erneute Verbindung empfand ich als reinste Provokation und Verhöhnung unserer gemeinsamen Zeit und Ehe.

Und sie genoss ihren Triumph. Sie wusste genau, wie sie mich verletzen konnte. Und es gelang ihr bestens.

Auf einer Veranstaltung, wo beide auftauchten, rastete ich förm lich aus, was ansonsten überhaupt nicht meine Art ist. Der Alko hol hatte alle Lügen und Enttäuschungen von damals wieder her vorgeholt, die ich längst in meiner Seele begraben wähnte. Ich bekam einen regelrechten Blackout.

Das Band zwischen Doris und mir war nun endgültig zerrissen, auch wenn ich mich später für mein Verhalten entschuldigte. Der

KameradschaftsClub, in dem ihr neuer „Alter“ und ich, trotz al lem noch gemeinsam aktiv waren, hatte sich nun auch erledigt. Man wollte mit mir nichts mehr zu tun haben und kündigte mir die Mitgliedschaft.

Die Sache zwischen Doris und dem „Kameraden“ hielt nicht lange.

Anscheinend merkte sie sehr schnell, auf was für einen Typen sie sich da eingelassen hatte. Der Traumprinz war anscheinend nur ein stinkender Frosch.

Dem „Kameraden“ sollten noch viele folgen. Und oftmals waren sie aus meinem ehemaligen Bekannten oder Freundeskreis.

Die Kripo übersandte mir eine Vorladung zur Vernehmung. Von den Erpressern hatte ich nach der Durchsuchungsaktion nichts mehr gehört. Ich vermutete, sie hatten mitbekommen, dass die Sache aufgeflogen und ich, als ihr Werkzeug, unbrauchbar gewor den war. Auch Beate erzählte mir nichts mehr von weiterem Terror oder Bedrohungen. Ich überlegte, reinen Tisch zu machen und auszusagen.

Am Abend vor dem Vernehmungstermin hatte ich noch ein ge schäftliches Treffen mit Ilona und Jürgen, wo Beate ebenfalls mit anwesend war. Die Gerüchte, die über mich liefen und die ableh nende Haltung aller Stellen, sobald es um unsere gemeinsamen geschäftlichen Aktivitäten ging, hatten beide stark verunsichert. Kritisch fragte Jürgen immer wieder nach und verlangte, endlich Klarheit zu bekommen.

Meine Entscheidung war bereits gefallen, am nächsten Tag bei der Kripo auszusagen. Der Druck war nicht mehr auszuhalten. Zu viele Leute hatte ich zu oft mit meinem merkwürdigen Ver halten vor den Kopf stoßen müssen und war immer eine Erklä rung schuldig geblieben. Es reichte. Ich hatte alles verloren, was ich besaß und was mir lieb und teuer war. Geblieben war nur noch ein Häuflein Elend, das verzweifelt ums Überleben kämpfte. Es gab nur noch einen Menschen, der unverdrossen an meiner Seite blieb. Und das war Beate.

Ich wollte und musste jetzt Farbe bekennen und es sprudelte nur so aus mir heraus. Ich erzählte die ganze Geschichte von An

fang an und ließ nichts aus. Die Blicke von Ilona und Jürgen wur den immer ungläubiger. Wie versteinert saßen sie mir gegenüber, während ich unaufhörlich erzählte. Schweigend verfolgte Beate meine Schilderung der Ereignisse. Als ich am Ende war, standen Ilona und Jürgen auf und verließen wortlos den Raum.

Beate und ich fuhren in ihre Wohnung und wir redeten die gan ze Nacht.

Sie verstand nun und konnte sich manche Vorkommnisse erklä ren. Sie begriff, dass ich nicht anders handeln konnte aus Angst um sie, die Kinder und andere. Wenn es nur um mich allein ge gangen wäre, hätte ich mit Sicherheit anders reagiert. Es war eine Nacht voller Tränen.

Die KHKin SAGLLÖHN ER empfing mich in ihrem Büro des Kripogebäudes:

„In was für eine Sache sind Sie da nur rein geraten, Herr Bauch?“

„Haben Sie schon einmal etwas von Erpressungen bei Korba cher Geschäftsleuten gehört?“ schaute ich sie fragend an.

„Uns ist in dieser Richtung schon etwas zu Ohren gekommen. Aber wenn niemand Anzeige erstattet, können wir nicht tätig werden.“

Eine ähnliche Aussage hatte ich schon einmal gehört.

„Doch nun zu Ihnen“, fuhr sie fort, „zuerst müssen wir Sie er kennungsdienstlich behandeln, dann machen wir das Protokoll. Vorher muss ich Sie belehren, dass Sie nicht aussagen brauchen oder auch einen Anwalt hinzuziehen können. Wie wollen Sie es halten?“

„Ich sage aus und einen Anwalt brauche ich nicht.“

Meine Antwort war klar und deutlich. Was dann folgte, auch. Man nahm meine Fingerabdrücke und machte Fotos. Ich war Be standteil der Verbrecherkartei.

In der Vernehmung war die Freundlichkeit der SAGLLÖHN ER wie weggeblasen.

Ich erzählte die Dinge so, wie sie vorgefallen waren. Doch sie glaubte mir kein Wort. Immer wieder drängte sie mich zu zuge ben, dass alles allein meine Idee war und die Erpressungen reine Schutzbehauptungen seien.

Zu meinem Erstaunen, erfuhr ich, dass man tatsächlich über eine Million DM auf das Konto der DBank überwiesen hatte. Ein Mitarbeiter dort hatte anscheinend „geschlafen“. Das Geld wurde jedoch sofort zurück transferiert. Nicht eine der Firmen war geschädigt worden.

Ich erklärte, dass ich unter Druck der Erpresser gehandelt hätte, die Sache aber extra so gedreht hätte, dass sie nicht funktionieren und erfolgreich sein konnte. Den Unterschied zwischen den bei den Lastschriftverfahren verstand sie nicht und wollte es auch gar nicht.

Vielmehr konstruierte sie als mein Motiv, finanzielle Probleme gehabt zu haben.

Die Konten anderer Firmen hätte ich angezapft, um mich berei chern zu wollen. Dazu hätte ich mich falscher Namen und Doku mente bedient, um mich zu tarnen.

Ich erklärte, wenn ich eine Bereicherungsabsicht gehabt hätte, wäre ich die Sache anders angegangen. So aber sei eine Bereiche rung nicht möglich gewesen. Und das war eben genau beabsich tigt.

Ich bestand darauf, dass eine Strafanzeige wegen Erpressung zu meinem Nachteil aufgenommen wird und gab Beate als Zeugin an, die ebenfalls Opfer von Verfolgung und Bedrohung gewesen war. Die SAGLLÖHNER teilte mit, dass dies ein gesondertes Verfahren sei. Ich müsse dann eine neue Aussage machen.

Die Vernehmung dauerte über drei Stunden. Ich war fix und fertig, aber auch froh, dass nun alles raus war. Abends riefen Ilona und Jürgen an und teilten mit, nichts mehr mit mir zu tun haben zu wollen...

In der Stadt machte es die Runde, dass ich in irgendwelche dunk le Geschäfte verwickelt sei und im Visier der Kripo stünde. Meine Vernehmung bekamen ja genug Bekannte mit, die bei der Kripo tätig waren und sich wunderten, mich dort zu sehen. Die KHKin SAGLLÖHN ER hatte zwar erklärt, in einem laufenden Verfah ren würde aufgrund des Dienstgeheimnisses nichts nach draußen gehen. Aber das stand nur auf einem Blatt Papier. Und schon gar nicht galt dies für Korbach.

Die Sache war das Gesprächsthema schlechthin. Natürlich sprach mich niemand persönlich an. Dazu waren die Leute zu feige. Es setzte ein schleichender Prozess der Isolation ein. Man zog sich zurück, teils aus Unsicherheit, teils aus Angst, in irgendetwas hin eingezogen zu werden, oder man befürchtete, dass es auf einen selbst abstrahlen könnte. Doch hinter den Kulissen glühten die Köpfe.

Neid und Missgunst waren schon immer treue Begleiter auf mei nem Weg. Damit konnte ich umgehen. Nun kamen noch Scha denfreude und Gehässigkeit dazu. Man rieb sich die Hände, ohne überhaupt etwas Genaues zu wissen. Aber das war wohl nicht nur ein Phänomen dieser Stadt. Einzig, einige wenige aus meinem Sportverein taten so, als wüssten sie von nichts und behandelten mich wie immer.

Beate erzählte mir, dass sie das Auto mit den vier Personen, er neut in der Nähe ihrer Wohnung gesehen hätte. Ich riet ihr zur Kripo zu gehen und den Vorgang zu melden, weil es ein Teil davon war, wie die Verbrecher Druck aufbauten. Sie berichtete dem Be amten von den ganzen Bedrohungen und Verfolgungen, die im Zusammenhang mit meiner Sache stünden. Man nahm es zur Kenntnis, mehr nicht. In der Akte tauchte es nie auf.

Ich selbst hatte die naive Vorstellung, dass die weiteren Ermitt lungen unter dem Aspekt der Erpressungen gesehen würden und man dementsprechend handelte. Schließlich hatte ich noch nie etwas mit der Polizei zu tun gehabt. Noch nicht einmal Punkte in Flensburg standen in meinem Register. Irgendwelche Konsequen zen aus der Sache verdrängte ich. Das konnte einfach nicht sein. Die Ermittler mussten erkennen, dass so nur jemand handelt, der unter enormen Druck steht und einen vollkommen schwachsin nigen Plan so durchzieht. Das passte doch nicht zu einem stu dierten Marketingfachmann mit einer, bis dahin, blütenweißen Weste. Hatte ich doch genug geblutet und es sah so aus, als ob die Verbrecher nun endgültig von mir abgelassen hätten. Zu holen gab es sowieso nichts mehr.

Meinen 40. Geburtstag feierte ich noch mit den letzten übrig gebliebenen treuen Seelen. Doch auch bei denen bröckelte es schon.

Im August bekam ich die nächste Ladung der Kripo. Diesmal sollte ich als Zeuge und Geschädigter zu den Erpressungen aussa gen. Ein Bekannter aus alten Fußballzeiten führte die Verneh mung. Alles was passiert war, inklusive genauer Täterbeschreibun gen, gab ich detailliert zu Protokoll.

„Warum hast mich nicht mal angesprochen?“ fragte der Beam te.

Ich beschrieb ihm meine Ängste, warum ich es nicht getan hat te.

„Hättet ihr denn über so eine lange Zeit überhaupt Leute abge stellt?“

„Welche Garantie hätte ich gehabt, dass ihr diesen Sumpf tro cken legt? Vermutlich wäre alles als Hirngespinst abgetan wor den. Diese Einschätzung hatte ich nämlich von deinem Kollegen, als ich mich ganz am Anfang an euch gewandt habe.“

Eine Antwort darauf blieb mir der vernehmende Beamte schul dig.

Einige Wochen später machte Beate ihre Aussage und gab die Vorkommnisse zu Protokoll.

Wir beide warteten nun darauf, dass sich etwas in Richtung Ermittlungen gegen die Erpresser tun würde. Insbesondere die Anfertigung von Phantombildern aufgrund meiner Personenbe schreibungen stand noch aus. Doch nichts geschah.

Stattdessen rief mich ein KHK LAHMERT an und forderte mich auf, ich solle meine Strafanzeige wegen Erpressung zu meinem Nachteil doch zurückziehen. Es wäre noch nicht einmal ein An fangsverdacht da. Ich traute meinen Ohren nicht und bestand mit Nachdruck auf weitere Ermittlungen.

Ich bekam ein Schreiben vom Landgericht Kassel. Darin erklär te ein Richter LOH P, in Kürze das Hauptverfahren gegen mich eröffnen zu wollen und forderte mich auf, einen Verteidiger zu benennen.

Wieder legte man mir einen Strick um den Hals, aber diesmal von der anderen Seite. Bis dahin hatte ich immer gehofft, wenn es zu einem Prozess kommen würde, dann gegen die Erpresser und mit mir als Zeugen und Geschädigten. Doch nun zerrten sie mich vor den Kadi. Ich verstand die Welt nicht mehr.

Ich sprach mit Beate über das, was auf mich zukommen wür den. Sie kannte einen Anwalt, der auch bereits in Unterhaltssa chen für sie tätig war.

ANDREAS JOHL war nicht nur Rechtsanwalt, sondern hatte auch Betriebswirtschaft studiert. Diese Kombination erschien mir von Vorteil, um die Komplexität der Sache auch richtig einschät zen zu können.

Bei meinem ersten Gespräch mit ihm, hörte er mir aufmerksam zu, als ich die Vorkommnisse schilderte.

Es wunderte ihn überhaupt nicht, dass die Kripo nichts in Rich tung Erpresser unternommen hatte.

„Sie haben es hier mit einer Behörde zu tun. Da sind Sie nur eine Nummer, die abgearbeitet werden muss. Die haben Ihren Täter. Etwas anderes interessiert die nicht“, klärte er mich auf.

„Ich werde mir jetzt erst mal die Akten kommen lassen und mit dem Richter sprechen. Dann sehen wir weiter.“

Für mich war es schon einmal beruhigend, dass er mir glaubte, als ich ihm die Dinge schilderte. Ein vollkommen neues Gefühl, war ich doch bisher immer gegen eine Wand gelaufen.

Die Gerüchteküche war inzwischen auch in meinem Elternhaus angekommen. Mein Bruder reagierte überhaupt nicht, meine Mut ter stellte Fragen, was los sei. Ich klärte sie über den Sachverhalt auf, aber sie verstand nicht oder wollte nicht verstehen. Von noch jemanden, außer von Beate, etwas seelischen und moralischen Beistand zu erhalten, konnte ich vergessen. Da musste ich alleine durch.

JOHL bat mich um ein weiteres Gespräch. Die Akten waren gekommen.

„Also Herr Bauch, ich werde klar auf Freispruch plädieren“, er klärte er und drückte mir zwei dicke Aktenordner in die Hand.

„Ich dürfte das zwar nicht tun, aber vielleicht finden Sie ja noch etwas, was uns weiterhilft.“

Genau 15 Minauten hatte ich Zeit, in denen ich mir ein Bild von der Lage der Dinge machen sollte. Mehr als oberflächlich zu blättern, war da nicht drin. Doch ich vertraute ganz und gar auf das Know How meines Anwalts. Der würde mich schon da raus hauen.

Von den ganzen juristischen Feinheiten und Formulierungen hatte ich eh keine Ahnung. Er machte mir Mut:

„Das wird schon Herr Bauch. Das klären wir alles im Prozess.“ Als Zeugen zu meiner Entlastung sollten Beates Chef, eine Ar beitskollegin und Beate selbst geladen werden. Mir riet er, vor Gericht auszusagen und nicht zu schweigen. Den Rest würde er

schon machen.

Wir hatten mittlerweile das Jahr 1997. Je näher der Prozesster min rückte, umso nervöser wurde ich. Man hatte zwei Verhand lungstage angesetzt.

Ich hatte absolut keine Erfahrung in diesen Dingen und keine Ahnung, was da auf mich zukommen würde.

Auf der anderen Seite war ich froh, endlich einen Schlussstrich unter ein Martyrium ziehen zu können und guten Mutes, heil aus der Sache heraus zugehen.

Noch wusste ich nicht, dass dieses Jahr zu einem der ereignis reichsten in meinem Leben werden sollte.

ALLES für NICHTS

Подняться наверх