Читать книгу ALLES für NICHTS - Volker Bauch - Страница 6
Aber nicht in meinem Namen
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Beate und ich beschlossen, unsere Sachen zusammen zu werfen. Nach einigem Suchen fanden wir eine ausreichend große Woh nung, wo wir im März einziehen konnten. Doch vorher galt es, den Prozess zu überstehen.
Die Gänge des Gerichtsgebäudes waren kahl und hatten den Charme einer Trauerhalle. Es war der 19. Februar, mein erster Verhandlungstag. Nervös, voller innerer Unruhe und Anspannung, wartete ich vor dem Sitzungssaal auf den Beginn des Prozesses. Ich war Angeklagter und nicht Zeuge.
Seit Tagen verfolgte mich das Bild, angekettet auf einer Zellen pritsche zu liegen, um mich herum nackte Wände, dicke Mauern und ein großes Gitter. Auf der anderen Seite hatte mich mein Anwalt JOHL in meiner Zuversicht bestärkt, das Gericht von den tatsächlichen Hintergründen der Vorgänge überzeugen zu kön nen.
Beate wollte mich bei der ersten Verhandlung nicht allein las sen, obwohl ihre Aussage erst für den zweiten Prozesstag vorgese hen war. Diese moralische Unterstützung konnte ich gut gebrau chen. Der Staatsanwalt MITSCH hatte für heute eine Reihe von Zeugen aufgefahren, die sicher nicht zu meiner Entlastung gela den waren. Mein Verteidiger JOHL kam erst wenige Minuten vor Prozessbeginn. Da blieb keine Zeit, noch irgendetwas zu bespre chen.
Die Verhandlung gegen mich wurde aufgerufen. Etwas orien tierungslos betrat ich den Sitzungssaal. Zum ersten Mal in mei nem Leben musste ich auf einer Anklagebank Platz nehmen.
An der Front des Saals nahm die Kammer, zwei Richter und zwei Schöffen, Aufstellung. Mir gegenüber, auf der anderen Seite, saß der Staatsanwalt. Rechts von mir waren die Besucherbänke. Einsam verlor sich dort Beate in den Reihen. JOHL saß hinter mir.
Der Vorsitzende Richter LOHP eröffnete die Verhandlung. Alle Anwesenden mussten aufstehen, was mir nur mit Mühe gelang. Mein Platz war so eng, dass ich kaum wusste, wie ich meine Beine unterbringen sollte.
Ich musste meine Personalien angeben:
„Mein Name ist Volker Bauch, geboren am 28.06.1956 in 34497 Korbach, wohnhaft Gabelsbergerstr. 3b, geschieden und von Be ruf Diplom Betriebswirt.“
Der Staatsanwalt MITSCH verlass seine Anklageschrift. Der Rich ter fragte mich, ob ich aussagen wolle. Ich antwortete mit Ja.
Ausführlich schilderte ich die Erpressungsvorgänge zu meinem Nachteil seit dem Jahr 1994 und dass ich zu den Taten, die mir hier vorgeworfen wurden, gezwungen worden sei.
Der Richter LOHP zeigte keine Reaktion. Mitunter blätterte er während meines Vertrags in den Gerichtsakten. Der Staatsanwalt meldete sich zu Wort:
„Das sind doch alles Schutzbehauptungen. Legen Sie besser ein Geständnis ab.“
Als erster Zeuge wurde der Sicherheitsbeauftragte der PBank aufgerufen. Der berichtete über die Kontoeröffnung und dass sich alle Angaben als falsch herausgestellt hätten. Es seien 3.9 Millio nen DM an Lastschriften eingereicht worden, die man aber nicht ausgeführt habe. Das Konto sei von der PBank wieder gekündigt worden.
Der Richter fragte, ob es denn grundsätzlich möglich gewesen wäre, Lastschriften einzulösen, wenn man die gefälschten Daten nicht bemerkt hätte.
„Grundsätzlich ja, und es wäre ein großer Schaden für die P Bank entstanden. Die Firmen hätten ihr Geld wieder haben wol len, wenn der Angeklagte über die Summen verfügt hätte. Aber dazu ist es ja, Dank unserer Aufmerksamkeit, nicht gekommen.“ Ich erwiderte, dass es von Anfang an überhaupt nicht möglich gewesen sei, über etwaige Transfers zu verfügen, weil es dazu gar nicht kommen konnte. Ich erklärte die beiden Formen des Last schriftverfahrens und verwies auf deren gesetzlichen Bestimmun
gen. Der Richter nahm es zur Kenntnis. Mehr aber auch nicht.
Der nächste Zeuge war der Filialleiter der DBank. Auch er schil derte die Vorgänge der Kontoeröffnung und erklärte, dass ich der jenige sei, der sich bei ihm mit einer Personalausweiskopie als MICHAEL DILLER vorgestellt hätte. Kurz nach Aktivierung des Kontos hätte ich Lastschriften in Höhe von 2.3 Millionen DM zum Einzug eingereicht. Die hätte man auch ausgeführt, doch
seien alle, bis auf eine, von den bezogenen Bank nicht eingelöst worden. Die eine Gutschrift auf dem Konto wäre jedoch umge hend zurückgebucht worden, nachdem die betroffene Firma sich bei der DBank gemeldet hätte.
Auch hier fragte der Richter, ob ich die Möglichkeit gehabt hät te, über das Geld zu verfügen. Der Filialleiter bestätige dies und sagte:
„Es sind Schecks vorgelegt worden. Aber da war das Konto schon wieder bereinigt.“
„Warum haben Sie denn keine Anzeige erstattet?“ fragte der Rich ter.
„Bis auf die Rückbuchungsgebühr von 576.00 DM ist der Bank ja kein Schaden entstanden“, antwortete der Filialleiter.
Dahin sollte also die Reise gehen. Man wollte das an sich Un mögliche als durchaus möglich darstellen, um mir eine Bereiche rungsabsicht zu beweisen. Nur, die Fragen kamen vom Richter LOHP und nicht vom Staatsanwalt.
In der Verhandlungspause sprach ich mit JOHL über meine Be denken. Der hatte sich bisher vornehm zurückgehalten. „Das ist eine Sache fürs Plädoyer“, meinte er. Auf dem Flur standen schon im gebührenden Abstand die nächsten Zeugen: Die Direktoren meiner beiden Hausbanken, der VBank und der WBank.
Der Direktor der WBank wurde als nächster aufgerufen. Er er klärte, dass wir uns schon seit der Schulzeit kennen würden und beschrieb die Entwicklung der Geschäftsbeziehung zwischen der WBank und PRO MEDIA.
Besonders stellte er heraus, dass es zwischen ‘94 und ‘95 ver mehrt zu BarAbhebungen per EC oder Kreditkarte gekommen sei und dass auf der anderen Seite die Eingänge auf das Konto immer weniger geworden wären. Man hätte letztendlich die Bürg schaft meines Vaters einlösen müssen und die Verbindlichkeiten fällig gestellt.
Weitere Verfügungen über das Konto, insbesondere der hohe Bargeldbedarf, wären nicht mehr vertretbar gewesen. Ich hätte nicht den Eindruck gemacht, unter besonderem Druck zu ste hen.
Der Richter fragte mich, wofür ich die vielen BarAbhebungen gebraucht hätte. Ich antwortete, „um die Forderungen der Er presser zu erfüllen“.
Als Bestätigung meiner Aussage, legte ich dem Gericht die Kon toauszüge vor, um die Zahlungen zu belegen.
Mein Verteidiger schwieg immer noch.
Nun wurde der Direktor der VBank aufgerufen. Auch er be richtete über die Kontoentwicklung, über verstärkte BarVerfü gungen in dem genannten Zeitraum und dass ich ihm Belege von zu erwartenden Geldeingängen vorgelegt hätte, die allesamt ge fälscht gewesen seien. So hätte ihm das jedenfalls eine Kripobe amtin mitgeteilt. Auch er hätte nicht bemerkt, dass ich unter ir gendeinem besonderen Druck gestanden hätte. Mein Konto wäre zum Schluss 7000 DM über der vereinbarten Kreditlinie gewesen und das Finanzamt hätte eine Pfändung vorgelegt. Daraufhin hät te man die Beträge fällig gestellt. In ’96 habe man eine Vereinba rung zur Rückführung der Verbindlichkeiten mit mir getroffen.
Der Richter fragte, ob er den Eindruck gehabt hätte, ich hätte auf großem Fuß gelebt.
„Soviel ich mitbekommen habe, würde ich den Lebensstil von Herrn Bauch als normal bezeichnen. Allerdings waren die vielen BarAbhebungen schon auffällig. Auch seine Aktivitäten im Mu sikGeschäft waren für uns nicht so ganz nachzuvollziehen. Aber da er ja augenscheinlich damit zu tun hatte, habe ich ihm das geglaubt. Dass das nun alles eine Fälschung sein soll, darüber bin ich persönlich sehr enttäuscht. Vor allem, dass er mich so belogen hat.
„Die vorgelegten Papiere sind absolut keine Fälschung und ich hatte auch nicht die Absicht zu täuschen. Wozu auch?“ stellte ich klar. „Dies ist eine unbewiesene Behauptung der Kripo, die dem Zeugen bei seiner Vernehmung die Worte in den Mund gelegt hat, so wie ich das sehe. Wir können gern meine Geschäftspartner aus Kanada einfliegen lassen, dann wird sich ganz schnell heraus stellen, wer hier lügt.“ Ich war außer mir, mit welchen Tricks hier gearbeitet wurde.
Mein Verteidiger JOHL nahm immer noch nicht an der Ver handlung teil. Er meinte, einen Beweisantrag zu stellen, meine kanadischen Partner aussagen zu lassen, würde nichts bringen.
Als letzter Zeuge an diesem Tag wurde mein Steuerberater ge hört. Er berichtete, dass die Geschäftsentwicklung von PRO ME DIA zunächst positiv gewesen sei. Aufgrund des Überschreitens der Umsatzgrenze, hätte man ein anderes Gewinnermittlungs Verfahren nach dem Einkommenssteuergesetz gewählt, das im Folgejahr ein negatives Kapitalkonto auswies.
Dies sei aber zum größten Teil auf passive Abgrenzungsposten zurückzuführen, die die Erlöse wertmäßig nur im Rahmen ihrer Schnittpunkte erfasse. Im Bilanzjahr ‘93 sei eine Erhöhung der Forderungsausfälle zu verzeichnen gewesen. Die Privatentnahmen hätten einen Betrag von 130.000 DM ausgewiesen. Dem gegen über stünden Privateinlagen von 70.000 DM. Die Bilanz 1994 hätte er nicht mehr erstellt.
Ich merkte, dass der Richter überhaupt nichts verstand. LOHP zog aus den Akten die Vorschau hervor, die ich erstellt hatte und die von der Kripo bei der Durchsuchung beschlagnahmt worden war.
„Diese Zahlen sind nicht von mir erstellt worden“, erklärte mein Steuerberater.
Ich hoffte nun auf den großen Auftritt meines Verteidigers. Schließlich war es offensichtlich, dass massiv versucht wurde, fi nanzielle Probleme als Motiv zu konstruieren. Die Fragen des Rich ters steuerten genau in diese Richtung. Doch nichts kam. Wieder erklärte JOHL, dies würde eine Sache für’ s Plädoyer sein.
Der erste Verhandlungstag war zu Ende und ich hatte ein ver dammt mulmiges Gefühl. Von Anfang an wollte man meine Aus sage, erpresst worden zu sein, als unglaubwürdig darstellen. Selbst der Richter beteiligte sich aktiv daran. Die Ausführungen meines Steuerberaters schien er nicht verstanden zu haben, die Unter schiede der einzelnen Lastschriftverfahren ebenfalls nicht. LOHP ließ sich nicht in die Karten gucken, wie er was bewertete, son dern zog sein Programm zügig durch.
Es war nicht gut gelaufen, das war mir klar. Aber mein Tag mit den Entlastungszeugen kam ja noch.
Die Verhandlung wurde am 27. Februar fortgesetzt.
Als erstes rief das Gericht Beate in den Zeugenstand. Sie berich tete ausführlich und in allen Einzelheiten über die Verfolgungen
und Bedrohungen durch ihr fremde Personen, ihre Ängste um die Kinder und sich selbst. Sie sagte, sie hätte sich das alles lange Zeit nicht erklären können. Erst, als ich mich ihr gegenüber geöffnet hätte, wäre es ihr wie Schuppen von den Augen gefallen.
Ab und zu war ein Schmunzeln im Gesicht des Richters zu be merken, während Beate ihre Aussage machte. Beim Staatsanwalt waren die hochgezogenen Augenbrauen eh Dauerzustand.
Die Bemerkung des Richters am Ende von Beates Befragung war bezeichnend. So sagte er, als attraktive Frau müsse man gele gentlich auch mit hartnäckigen Verehrern rechnen.
Auch Beates Darstellung der Vorgänge glaubte man nicht. Und auch nicht an einen Zusammenhang zu den mir vorgeworfenen Taten. Wahrscheinlich deshalb schon nicht, weil wir ein Paar wa ren.
Nun blieben als einzige Hoffnung, die Aussagen von Beates Chef und ihrer Arbeitskollegin.
Doch beide waren auf einmal mit Blindheit geschlagen. Sie konn ten sich an nichts erinnern. Es sei wohl mal etwas in dieser Art vorgefallen, räumten sie ein, aber weder Person noch Zeitpunkt wären für sie jetzt noch greifbar.
Ich stand allein auf weiter Flur mit meiner Aussage und konnte sie nicht beweisen. Es sei denn, die Kripo hätte etwas ermittelt.
Die KHKin SAGLLÖHNER wurde als letzte Zeugin gehört. Sie berichtete, die Ermittlungen hätten ergeben, dass die beschlag nahmten Unterlagen aus meinem Büro, allesamt Fälschungen sei en. Demnach sei klar gewesen, dass ich unter erheblichen finanzi ellem Druck gestanden hätte. Selbst der Aufbau von PRO ME DIA sei nur durch Protektion meines Vaters möglich gewesen, der den Ruf eines honorigen Geschäftsmannes besessen hätte.
Ermittlungen bezüglich angeblicher Erpressungen zu meinem Nachteil, hätten überhaupt nichts ergeben. Außerdem würden Erpresser nicht die Kuh schlachten, die sie melken. In Korbach jedenfalls, gäbe es solche Vorgänge nicht. Deshalb sei meine Ge schichte, bedroht, erpresst und zu den Taten gezwungen worden zu sein, eine reine Schutzbehauptung und gehöre ins Reich der Fantasie.
Die Würfel schienen gefallen zu sein. Doch noch immer hatte ich die Hoffnung, mein Verteidiger würde im Plädoyer das Steuer herumreißen können.
In der Verhandlungspause kam der Staatsanwalt auf JOHL zu und riet ihm, er solle auf mich einwirken, ein Geständnis abzule gen. Das würde sich beim Strafmaß positiv für mich auswirken.
Entrüstet antwortete ich:
„Ich werde nicht etwas gestehen, was ich nicht zu verantworten habe!“
Der Staatsanwalt MITSCH forderte für die Straftatbestände die Höchststrafe von 5 Jahren und Sicherungsverwahrung. Ich schluck te. Das Plädoyer meines Verteidigers dauert genau 5 Minuten. Er verlangte einen Freispruch. Das Gericht zog sich zur Beratung zurück.
Über eine Stunde dauerte es, bis zur Urteilsverkündung aufge rufen wurde.
JOHL meinte, das wäre ein gutes Zeichen.
Doch ich war nicht mehr ansprechbar. Sie hatten mich in Hand schellen gelegt.
„Im Namen des Volkes wird der Angeklagte des versuchten Be trugs in 4 Fällen, jeweils tateinheitlich mit Urkundenfälschung, für schuldig befunden und zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Da der Angeklagte einen festen Wohnsitz hat, wird die Sicherungsverwahrung aufgehoben. Der Haftbefehl wird bis zum Strafantritt nicht vollzogen.“
Ich war fassungslos und nicht fähig zu sprechen. Erst hatte ich eineinhalb Jahre wegen skrupellosen Verbrechern in Angst und Schrecken leben müssen. Und nun wanderte ich dafür auch noch für drei Jahre und neun Monate in den Knast. Ich verstand die Welt nicht mehr.
Die, die mir eigentlich helfen sollten, hatten mich in die Tonne getreten. Ich saß im falschen Film und wollte das alles nicht glau ben. „Das kann alles nicht wahr sein!“ ging es mir permanent durch den Kopf. Beate weinte. Sie ahnte, dass die Zeiten noch schlechter werden würden.
Es dauerte Tage, bis ich wieder einigermaßen klar denken konn te.
JOHL hatte formell die Revision gegen das Urteil eingelegt. Damit war es nicht rechtskräftig. Nun musste gewartet werden, bis die schriftlichen Urteilsgründe vorlagen, um dann in einer Frist von einem Monat, die Revisionsbegründung einzureichen. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe würde dann entscheiden, ob das Urteil aufgehoben wird und es zu einer neuen Verhandlung kommt, oder nicht.
Es bestand also noch Hoffnung und daran klammerte ich mich. JOHL sprach davon, dass es Revisionsspezialisten unter den An wälten gäbe, die mich für 15.000 DM da raus hauen würden. Doch woher sollte ich 15.000 DM nehmen? Ich musste JOHL die Sache weiter durchziehen lassen. Ich war froh, dass das Ganze noch dauern würde und versuchte, innerlich Abstand zu gewin
nen. Aber es war wohl mehr ein Verdrängen.
Beate, die Kinder und ich bezogen eine neue gemeinsame Woh nung. Es gab viel zu tun und das lenkte mich ab. Wir beide hoff ten, dass die Sache in der höheren Instanz doch noch positiv aus gehen würde. Vor allem hofften wir auf Richter mit mehr Sach verstand, als in Kassel bei LOHP und Kollegen.
Die langsam wieder einkehrende Ruhe wurde jäh unterbrochen, als die lokale Presse in großer Aufmachung über den Fall berichte te. Meinen Namen hatten sie zwar zu Volker B. abgekürzt, aber jeder in unserem Städtchen wusste, wer gemeint war.
Beate hatte beim Umzug ihre alte Telefonnummer behalten. Ab jetzt stand das Telefon nicht mehr still. Bekannte, Freunde, Fami lie, alle wollten wissen, ob ich derjenige in dem Artikel sei. Auf der Straße sprach man mich laufend an.
Ich tat so, als ob mich das nicht betreffen würde und wiegelte ab. Wie hätte ich auch jedem erklären sollen, was die tatsächli chen Hintergründe waren. Außerdem lief die Revision.
Doch die Presseberichte veränderten mein Leben schlagartig. Die letzten Verbliebenen aus meinem Umfeld verabschiedeten sich nun auch noch. Ich war von einem unbescholtenen Bürger zu einem Kriminellen geworden, mit dem man nichts mehr zu tun haben wollte.
An Korbach’s Theken blühten die unmöglichsten Gerüchte. Ein gefundenes Fressen für all diejenigen, die sich schon seit jeher auf
Kosten anderer wichtig gemacht hatten, aber selbst nur kleine Lichter waren.
Beate hatte inzwischen den Job gewechselt und arbeitete nun als Kosmetikerin in einem Studio, unweit meines ehemaligen Büros. Ihre Arbeitszeiten gingen oftmals bis 23 Uhr.
Da uns beiden die Ereignisse der letzten Jahre noch immer in den Schuhen steckten, holte ich sie meist mit dem Auto ab, wenn es spät wurde.
In Korbach machte es die Runde, Beate würde aus Geldnot heraus, im Kosmetikstudio auch noch ganz andere Behandlungen durchführen, als die normal üblichen und ich sei ihr Zuhälter, der die Kundschaft besorge.
So gut es ging, versuchten wir diese entwürdigenden Gerüchte zu ignorieren. Aber es nagte.
Ich selbst bemühte mich, eine neue Arbeitsstelle zu finden, ob wohl ich in eine ungewisse Zukunft sah. Von PRO MEDIA war einzig noch mein Postfach bei der Hauptpost übrig geblieben.
Beim Arbeitsamt meldete ich mich arbeitsuchend, schaltete Stel lengesuche in einschlägigen Fachzeitschriften und überregionalen Zeitungen. Ich bekam eine Reihe von Angeboten, die jedoch meist dubioser Art waren.
Eines Tages meldete sich telefonisch ein DR. DIETMAR HEN SE aus Frankfurt auf meine Anzeige in der Frankfurter Allgemei nen Zeitung und erklärte, er arbeite für die FIRST BANK OF KOREA und suche mehrsprachige Mitarbeiter aus dem Marke tingBereich für administrative Aufgaben. Es ginge um ein Bank produkt, das kurz vor der Einführung in Europa stehen würde.
Ich gab ihm ein paar Informationen über meinen beruflichen Background und erklärte ihm, dass ich zur Zeit die Angebote son dieren würde. Wir vereinbarten in Kontakt zu bleiben.
Drei Wochen später meldete er sich wieder und wollte die Sache konkretisieren. Ich winkte ab und teilte ihm mit, so kurzfristig keine Zusage geben zu können, da ich erst noch andere Dinge zu klären hätte. Er wollte wieder auf mich zukommen.
Mir war klar, dass ich erst die juristische Sache geklärt haben musste, bevor ich mich auf einen neuen Job einlassen konnte. Aber zumindest hatte ich etwas in der Hinterhand. Es schien das einzig
seriöse Angebot zu sein, unter einer Vielzahl von undurchsichti gen Offerten, die ich inzwischen erhalten hatte.
Zunehmend versuchte man auch, mich per Fax zu erreichen, obwohl ich kein Gerät beziehungsweise Anschluss dafür besaß. Die Versuche wurden langsam penetrant, manchmal bis zu 20 Mal am Tag. In meinen Inseraten hatte ich die Telefonnummer angegeben, unter der man mich erreichen konnte, aber keine Fax nummer.
Und es wurde noch dubioser.
Erst probierte man es mehrmals per Fax, dann erfolgte ein An ruf. Jedes Mal, wenn ich mich namentlich meldete, wurde er staunt gefragt, ob dieser Anschluss nicht einer Bank gehöre. Meist legten die Anrufer gleich wieder auf, ohne ihren Namen zu nen nen, wenn ich verneinte.
Einige fragten auch konkret nach einer UNITED OVERSEAS BANK oder nach einer BANCORP DE GARANTIA. Jedes Mal erklärte ich, man müsse sich verwählt haben, ich hätte nichts mit Banken zu tun.
Mir reichte es langsam und ich fragte mich, was das nun wieder für ein Spiel war. Ich nahm mir vor, ab sofort nachzuhaken.
Es folgten noch einige Anrufer, die ihren Namen nicht nennen wollten, aber immer wieder auf ein und dieselbe Darlehensnum mer hinwiesen und die Auszahlung von Geldern verlangten.
Im Juni erhielt ich dann folgenden Anruf:
„Guten Tag, mein Name ist Lefart. Spreche ich mit Herrn Vol ker Bauch, Repräsentant der BANCORP DE GARANTIA?“
„Sie sprechen mit Herrn Bauch. Worum geht es denn?“ tat ich interessiert.
„Mir liegt hier ein Auftrag vor von einer Finanzagentur KAPI TAL INTERNATIONAL aus Utrecht in Holland. Es geht um eine Zwischenfinanzierung eines Kunden namens Rene Seebold aus Zorge. Das muss in den neuen Bundesländern sein.
Ich habe ihre Telefonnummer den Unterlagen entnommen und möchte mich kurz noch mal über die Abwicklung informieren.“ Ich stellte mich dumm: „Der Name sagt mir jetzt nichts und die Finanzagentur, die Sie erwähnten, ist mir auch unbekannt.
Von wem haben Sie denn die Unterlagen bekommen?“
„Die habe ich aus Holland erhalten. Es geht da um ein Darle hen der BANCORP DE GARANTIA für diesen Kunden und um Stellung der Sicherheiten. Da gibt es anscheinend eine Spezial agentur in den USA, die das übernommen hat und für deren Honorar der Kunde Seebold nunmehr eine Zwischenfinanzierung sucht. Dabei hat er sich an KAPITAL INTERNATIONAL in Hol land gewandt und die hat wiederum mich beauftragt.“
„Aha, ich verstehe“, erwiderte ich, obwohl ich eigentlich gar nichts verstand. „Bitte geben Sie mir doch die Telefonnummer dieser Agentur in Holland. Dann kläre ich das mit denen direkt. Alles Weitere hören Sie dann von dort.“
Anscheinend hatte ich den Mann überzeugt, denn er gab mir tatsächlich die Nummer der besagten Agentur.
Hier schien etwas faul zu sein. Das merkte ich schon länger. Nur wusste ich nicht was. Ich probierte einige Male vergeblich unter dieser Nummer durchzukommen, dann hatte ich Glück. Ich meldete mich mit meinem Namen und verwies auf den Anru fer Lefart.
„Ja, dieser Vorgang ist uns bekannt“, bestätigte man mir. „Hier liegt noch eine weitere Anfrage einer Frau Wally Moser aus Schwä bisch Hall, auch wegen eines Darlehens der BANCORP DE GA RANTIA.“
„Woher haben Sie denn meinen Namen und meine Telefonnum mer?“ fragte ich.
„Diese Daten wurden uns von einer Agentur namens PRO FI NANZ GMBH, Rennbahn 60 in Eisenach, angegeben. Der Ge schäftsführer heißt ULF PALM. Aus den Darlehensunterlagen der Kunden Moser und Seebold geht hervor, dass Sie Herr Bauch, als der deutsche Repräsentant der kreditgebenden BANCORP DE GARANTIA in Houston/ Texas angegeben sind. Für uns ist das Ganze etwas sonderbar. Wir kennen weder die Bank, noch die Agentur in Eisenach.“
„Für mich ist die Sache noch sonderbarer“, erwiderte ich. „Ich frage mich, wie meine persönlichen Daten auf diese Unterlagen kommen? Ich habe weder etwas mit diesen Firmen noch generell etwas mit diesem Gewerbe zu tun. Können Sie mir denn diese Unterlagen zusenden, damit ich die Sache überprüfen kann?“
„Natürlich, das machen wir. Die Unterlagen gehen heute noch raus.“
Ich bedankte mich und beendete das Gespräch.
Ein paar Tage später trafen die Unterlagen ein. Ich musste mir erst mal einen Durchblick verschaffen:
Da waren Darlehensverträge einer BANCORP DE GARANTIA, ausgestellt auf die Namen Seebold und Moser. Dann gab es Verträ ge einer Firma BORROUGHS & MC DUNN aus San Francisco, die Sicherheiten von 30 % der Kreditsumme für die Darlehens nehmer stellte. Als Honorar verlangte diese wiederum 11 % des Wertes der Sicherheiten. Das Honorar hatten die Kunden vorab an den Sicherungsgeber zu zahlen. Andernfalls gab es keine Si cherheiten und ergo auch keine DarlehensAuszahlung.
Vermittelt hatte das Ganze eine Firma PRO FINANZ GMBH. Doch auf den Unterlagen war mein Name nirgends zu sehen. Dennoch waren da diese permanenten Anrufe und die Informati onen aus Holland.
Ich beschloss, nach Eisenach zu fahren und unangemeldet bei PRO FINANZ der Sache nachzugehen. Ich musste herausfinden, was hier los war.
Ganz Eisenach schien eine einzige Baustelle zu sein. Mehrmals landete ich in irgendwelchen Sackgassen, bis ich endlich die Renn bahn 60 fand. Neben dem zweistöckigen Haus waren Parkplätze. Am Eingang des Gebäudes wies ein Firmenschild mit PRO FI NANZ GMBH daraufhin, dass ich hier richtig war.
Das Büro befand sich im 1. Stock. Dort empfing mich eine Se kretärin. Ohne meinen Namen zu nennen, bat ich, den Geschäfts führer sprechen zu wollen. Sie erwiderte, dass Herr PALM erst in der nächsten Woche wieder im Haus sei. Unverrichteter Dinge musste ich wieder gehen.
In der folgenden Woche erkundigte ich mich mehrmals telefo nisch nach dem Geschäftsführer ULF PALM, bis ich die Bestäti gung bekam, wann er im Büro sein würde.
Den Weg nach Eisenach kannte ich ja nun. Der Sekretärin er zählte ich, ich würde mich für ein Darlehen interessieren. Ein paar Minuten später saß ich einem Mann gegenüber, der sich als ULF PALM vorstellte.
Ich schätzte ihn auf circa 30 Jahre, schlanke Figur, circa 1,80 m groß. Er hatte dunkles bis schwarzes Haar.
„Ich möchte mich gern mal bei Ihnen über die Möglichkeiten von Darlehen und Finanzierungen erkundigen“, begann ich das Gespräch.
Ich hatte mich immer noch nicht vorgestellt oder meinen Na men gesagt. Und das schien meinen Gegenüber auch gar nicht zu interessieren.
„Da bin ich der falsche Ansprechpartner für Sie“, antwortete PALM, „den Bereich Finanzierungen und Darlehen bearbeitet mein Partner. Aber der ist für einige Zeit in der Schweiz, um ein neues Geschäftsfeld aufzubauen. Geben Sie mir doch Ihre Telefonnum mer, dann kann er sich bei Ihnen melden.“
„Wie heißt denn Ihr Partner, der die Finanzierungen macht?“ fragte ich.
„SODERLAND“, antwortete PALM.
„Wie war der Name?“ Ich tat so, als ob ich nicht verstanden hätte.
„SODERLAND“, wiederholte PALM,“DR. JENS SODER LAND.“
„Kann ich denn Herrn DR. SODERLAND telefonisch irgend wie erreichen?“
„Versuchen Sie es über unser Büro. Wir leiten Ihre Anfrage dann weiter.“
„So machen wir es“, verabschiedete ich mich.
Den Namen SODERLAND hatte ich nur zu gut in Erinne rung. War er doch derjenige, der mir 1994/95 als Mitarbeiter der angeblichen WD KÖHLER, HANNOVER, einen privaten Fi nanzier besorgen wollte und mich Idioten dabei gnadenlos abge zockt hatte.
Als PALM mir diesen Namen nannte, fuhren alle Antennen bei mir aus. Eigentlich wollte ich PALM mit den DarlehensUnterla gen und der unlauteren Nutzung meines Namens konfrontieren. Doch nun war ich froh, es nicht getan zu haben. Ich wäre sicher gleich aufgeflogen, denn soviel Zufall konnte es gar nicht geben.
Ich nahm mir die Dokumente noch mal genau vor:
PRO FINANZ vermittelte also Darlehen einer BANCORP DE GARANT IA und gleichzeitig auch die Gestellung von Sicherhei ten, falls die Kreditsuchenden diese nicht hatten. Und das war wohl in den meisten Fällen so. Die Gebühr für die Bereitstellung der Sicherheiten durch die InvestmentFirma aus San Francisco, sollte den Unterlagen nach, vorab auf ein Konto in Lichtenstein mit der Bezeichnung WTB eingezahlt werden. Erst dann würden die Sicherheiten für ein Darlehen freigegeben.
Mir war aber immer noch nicht klar, was ich, beziehungsweise meine Daten, für einen Zweck in dieser Sache erfüllen sollten. Doch das stellte sich bald heraus.
Immer wieder kamen Anrufe, wo man jemanden von der BAN CORP DE GARANTIA sprechen wollte. Einige bestanden vehe ment auf die Auszahlung ihrer Darlehen. Schließlich hätten sie die Gebühren für die Sicherheiten bereits geleistet. Manche droh ten sogar mit einer Anzeige.
So langsam ging mir ein Licht auf. Ich wurde hier für üble Ma chenschaften benutzt und ich ahnte auch schon, wer dahinter steck te.
Und noch ein Verdacht kristallisierte sich mehr und mehr heraus: Es gab nur eine Person, die Kenntnis über private und geschäft
liche Daten von mir hatte: JENS SODERLAND.
Schon damals war ich verwundert, wie primitive, des Deutschen kaum mächtige Erpresser, genaueste Informationen über meine Geschäfte, meine Kunden und wie ich mit ihnen abrechnete, ha ben konnten.
Der Zusammenhang zwischen den Erpressungen damals und den Vorgängen heute war offensichtlich. Ich konnte mir damals nie erklären, warum gerade ich, Zielscheibe von dieser Art von Verbrechen wurde, warum man gerade mich ausgesucht hatte. Jetzt wusste ich es. Hinter allem stand ein Name: JENS SODER LAND.
Doch was hatte ich in der Hand? Lediglich einen Verdacht. Mehr nicht.
Ich recherchierte nun genau und rief die, auf den Verträgen an gegebene Telefonnummer der BANCORP DE GARANTIA in Houston/USA an.
Der Anschluss stellte sich als eine Art Büroservice heraus. Dort war die angebliche Bank nicht bekannt. Eine Dame teilte mir jedoch mit, der Auftraggeber dieses Services sei ein gewisser HOL GER SCHREIER in FORT LAUDERDALE/FLORIDA mit der Anschrift 1007 NORTH FEDERAL HIGHWAY XC3. Eine Te
lefonnummer wollte die Dame mir nicht geben. Es hätten aber schon viele angerufen und nach dieser Bank gefragt.
Einen Anschluss HOLGER SCHREIER mit dieser Adresse hat te die Auslandsauskunft nicht verzeichnet. Ich probierte es nun bei der besagten InvestmentFirma BORROUGHS & MC DUNN in San Francisco. Ich landete beim Hauptanschluss eines Büroge bäudes mit über 50 Unternehmen. Aber eine Firma mit diesem Namen gab es dort nicht.
Alles war ein riesiges Windei und ein Scheingeschäft. Weder die Bank noch die InvestmentFirma existierte. Und ich sollte nun den Kopf dafür hinhalten, nachdem man abgezockt hatte.
Doch welche Beweise hatte ich in der Hand, wenn ich mit mei nen Erkenntnissen jetzt zur Kripo gehen würde? Weder auf den Unterlagen, noch sonst irgendwo, stand mein Name drauf. Das lief auf einem anderen Weg, den ich nicht kannte.
Man würde mir wieder nicht glauben, wie schon bei den Er pressungen.
Würden sie überhaupt die Zusammenhänge erkennen, wenn sie schon den Unterschied zwischen Privatentnahme und Privateinla ge nicht verstanden und zu meinem Nachteil gewertet hatten?
Vermutlich würde es so etwas mal wieder nicht geben, wie schon die KHKin SAGLLÖHN ER zu Erpressungsvorgängen in Korb ach „feststellte“ und man wischte die Sache einfach vom Tisch. Vermutlich würde ich diese Geschichte mal wieder selbst insze niert haben, um den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
Das waren Bürokraten, aber keine Ermittler. Das hatte ich am eigenen Leib zu spüren bekommen. Wenn ich denen etwas auf den Tisch legen wollte, dann musste es wasserdicht sein und keine weitere Arbeit verursachen. Vor allem nicht in meiner Situation. Und die veränderte sich dramatisch, als im August der Beschluss des Bundesgerichtshofs bezüglich meiner Revision kam. Abgelehnt! Das Urteil gegen mich war somit rechtskräftig. Das bedeutete,
ich musste in den Knast. Nur wann, das wusste ich nicht.
Ich brach innerlich zusammen. Die letzte Hoffnung, an die ich mich geklammert hatte, war nun auch dahin. Die Justiz stellte mich an die Wand. Ich konnte weder vor noch zurück. Ich fühlte mich, wie an einem unsichtbaren Galgen hängend, den Strick fest um den Hals und wartend, dass jemand die Falltür namens Knast öffnete.
Ich sollte für etwas büßen, dass ich nicht zu verantworten hatte und saß doch schon wieder in der nächsten Geschichte drin.
Die Wahrheit interessierte die Justiz nicht. Die wollte einen Schuldigen. Und den hatte sie ja jetzt auch. Mir war nichts mehr geblieben.
Was hatte ich also zu verlieren?
Ich spürte, wie sich bei mir der Selbsterhaltungstrieb aktivierte. Wie viel Zeit mir noch verblieb, bis ich hinter dicken Mauern verschwinden sollte, war unklar. Vielleicht noch ein paar Monate. Man hörte oft davon, dass die Gefängnisse überfüllt seien. Meine einzige Chance war, so viel wie möglich noch herauszufinden von dem, was gerade vor sich ging.
In der lokalen Zeitung erschien einige Tage später eine kleine FließtextAnzeige, in der eine KUNERT FINANZ aus Hannover Privatdarlehen anbot. Die angegebene Telefonnummer war die gleiche, wie seinerzeit bei WD KÖHLER. Ich rief dort an und es meldete sich eine Dame, die sich mit MARION KUNERT vor stellte.
Ich fragte nach JENS SODERLAND, doch angeblich sei der dort nicht bekannt. Ich versuchte es ein zweites Mal und hatte diesmal eine männliche Person am Hörer, der sich mit SODER LAND meldete. Auf meine Frage, ob er JENS SODERLAND sei, antwortete er, dies sei sein Bruder. Aber der wäre in der Schweiz. Es wurde immer undurchsichtiger. Wenn ich wirklich etwas Greifbares haben wollte, musste ich an SODERLAND herankom
men.
In den folgenden Wochen gab es wieder verstärkt Faxversuche und Anrufe. Da wirkte jemand im Hintergrund und ich saß mit ten in der nächsten Scheiße drin. Vor allem hatte ich die Befürch tung, wenn von den abgezockten Leuten einige Strafanzeige stel len und den Hinweis auf meine Person geben würden, hinge mir die Justiz diese Sache auch noch an.
SODERLAND und Konsorten waren nicht dumm. Das musste ich zugestehen. Anscheinend hatten sie einschlägige Erfahrungen mit polizeilicher Vorgehensweise und deren SchwarzWeißDen ken. Das nutzten sie gnadenlos aus. Und wo gab es ein besseres Opfer als mich?
Die Ladung zum Strafantritt kam schneller als erwartet. Am
18.11. 97 sollte ich den Vollzug in der JVA Kassel antreten. Nun war es also definitiv. Ich hatte noch zwei Wochen Zeit, eine Ent scheidung zu treffen: Entweder die nächsten Jahre hinter Gittern zu verbringen oder das Heft selbst in die Hand zu nehmen.
Für mich war klar, dass SODERLAND die Ursache allen Übels und der Initiator der Erpressungen war. Nur er hatte durch meine Finanzierungsunterlagen, umfassenden Zugang zu meinen Daten. Die beiden Schläger, die er vorgeschickt hatte, waren lediglich seine Werkzeuge. Nur konnte ich das alles nicht beweisen. Noch nicht. Aus dem Knast heraus etwas zu tun, erachtete ich für äu ßerst schwierig. Ich wäre auf Rechtsanwälte und Polizei angewie sen. Und was dabei herauskommen würde, konnte ich mir an fünf Fingern ablesen.
Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich würde mich in mein Schicksal ergeben und fortan als Verbrecher gelten, oder ich versuchte, die Beweise für meine Unschuld zu finden.
Ich machte mich schlau. Die Vollstreckungsverjährung für mein Strafmaß betrug 10 Jahre. Das hieß im Klartext: 10 Jahre auf der Flucht. Allein diese Vorstellung ließ mich erschaudern.
Aber war ich denn bisher in meinem Leben immer die einfachs ten Wege gegangen? Nein, ich hatte die dicken Felsbrocken immer beiseite geräumt anstatt sie zu überspringen oder zu umgehen. Ich war ein Kämpfer und ich ließ mich nicht für etwas einsperren, was ich nicht zu verantworten hatte. Die Gene meines Vaters wirk ten.
Ich fühlte mich innerlich wie zerrissen. Beate wusste noch nichts davon, dass ich die Strafe anzutreten hatte. Würde ich mich auf die Suche nach den Verantwortlichen machen, ginge das nicht mehr von hier aus. Ich musste Deutschland verlassen, denn spätestens ab dem 18.11. würde man mich suchen. Doch meine finanziellen Mittel reichten höchstens für eine Woche. Ein ziem lich aussichtsloses Unterfangen.
Doch dann kam mir der Zufall zu Hilfe. So dachte ich es damals jedenfalls.
DR. HENSE von der FIRST BANK OF KOREA meldete sich wieder. Er wollte eine Entscheidung, ob ich sein Angebot, als frei er Mitarbeiter für ihn zu arbeiten, annehmen würde. Ich überleg te nur kurz und fragte ihn, wie und wo wir die Details klären könnten. Er sagte, er hätte in der letzten Novemberwoche einige Termine in Zürich. Wir könnten uns am 23.11. am Airport tref fen und alles besprechen. Ohne Zögern sagte ich zu.
Die Würfel waren gefallen. Ich wusste nun, wo die Reise hin geht. Dabei konnte ich gleich „zwei Fliegen mit einer Klappe schla gen“. Zum einen, war mein Lebensunterhalt erst mal gesichert und ich würde noch mehr Einblicke in das Bankengeschäft be kommen. Zum anderen, führten SODERLANDs Spuren in die Schweiz und ich konnte von dort aus relativ unbehelligt agieren.
Nun musste alles sehr schnell gehen. Die Zeit drängte.
Während Beate im Kosmetikstudio arbeitete, packte ich zwei Koffer mit allem was ich brauchte. Ich schrieb ihr einen Brief, um zu erklären, warum ich diesen Schritt tun musste. Ich fühlte mich elend und beschissen.
Aus dem Bus, der mich zum Zug nach Zürich brachte, blickte ich ein letztes Mal auf meine Heimatstadt. Es war der 15.11.1997. Ich sollte Korbach für die nächsten Jahre nicht mehr wieder se hen.
Es war bereits nach 22 Uhr, als ich im Hotel Krone in Zürich ankam. Das Hotel lag nicht weit vom Hauptbahnhof im Zen trum Zürichs entfernt und hatte eine StraßenbahnHaltestelle direkt vor der Tür.
Ich fühlte mich schlecht. Beate hatte inzwischen sicher meinen Brief gelesen und für sie war eine Welt zusammengebrochen. Ich wollte ihr nicht wehtun, dennoch hatte ich keine andere Wahl. Ich konnte nur hoffen, sie würde verstehen, dass ich so handeln musste.
Die folgenden Tage verbrachte ich damit, mir eine Orientierung zu verschaffen. Ich hatte noch Geschäftskontakte aus früheren Zeiten, als ich eine Zeitlang für ein Magazin tätig war. Der Verlag war damals in einem Vorort von Zürich. Ich versuchte herauszu finden, ob der Verlag noch existierte und der Herausgeber noch
der gleiche war. Sollten alle Stricke reißen, hätte ich vielleicht hier eine weitere Anlaufstelle. Den Verlag gab es noch, aber der Her ausgeber war für zwei Wochen auf Geschäftsreise.
Ich musste versuchen, SODERLANDs Spuren in der Schweiz aufzunehmen. Bei der PRO FINANZ in Eisenach war der Telefo nanschluß nicht mehr existent. Die KUNERT FINANZ in Han nover gab es ebenfalls nicht mehr. Die Vögel waren alle ausgeflo gen. Meine Recherchen kamen ins Stocken. Um die Sache weiter verfolgen zu können, brauchte ich erst mal Geld. Den Zeitdruck, etwas schnell in Erfahrung bringen zu müssen, hatte ich ja nun nicht mehr.
DR. HENSE war vom Aussehen her das, was man sich so lang läufig unter einem unauffälligen Spießer vorstellt. Er erinnerte mich an meine Frankfurter Zeiten und das allgegenwärtige Ameisen volk der Banker, die mit ihren Zweireihern alle irgendwie gleich aussahen. Auch in Zürich, mit seinen vielen Banken, war mir die ses Phänomen schon aufgefallen. HENSE passte optimal in diese Klientel.
Ich schätzte ihn vom Alter her auf Mitte bis Ende Dreißig. Er hatte dunkelblonde Haare mit einem starken Ansatz von Stirn glatze. Der Rest war rechtsgescheitelt. Er trug eine Brille, war circa 1,75 1,80 m groß und schlank.
„Wie soll denn meine Tätigkeit für Sie, beziehungsweise für Ihre Bank, genau aussehen?“ begann ich unser Gespräch.
„Die FIRST BANK OF KOREA ist eine der größten Banken in Asien mit Sitz in Soul“, erklärte er. „Für ein neues Finanzprodukt, speziell auf dem Kreditsektor, hat man eine eigene Gesellschaft gegründet, die von Bangkok und Hongkong aus agiert und deren Geschäftsführer ich bin. Unser Ziel ist die Verbreiterung unserer geschäftlichen Aktivitäten auf dem europäischen Markt. Doch dafür benötigen wir noch versierte Mitarbeiter aus dem Marke tingbereich, die die zukünftigen Kunden administrativ betreuen. Das heißt zunächst, die Angaben der Kreditinteressenten müs
sen überprüft werden. Das ist von Asien aus nicht möglich.“
„Okay, wie und wo sind denn Maßnahmen geplant?“, fragte ich.
„Wir beginnen in Deutschland und werden in nächster Zeit ein Kreditangebot in einschlägigen Zeitungen und Fachzeitschriften
offerieren. Interessenten können sich dann per Fax an unser Büro in Bangkok oder in Hongkong wenden. Gut wäre auch, wenn Sie vielleicht eine Anschrift in Deutschland hätten, wo mögliche Zu schriften per Post eingehen könnten.“
„Ich habe noch ein Postfach in Deutschland, das man nutzen könnte. Die Zuschriften werden mir dann automatisch zugestellt.“
Diese Idee schien HENSE zu gefallen.
„Ich fasse mal zusammen: Meine Aufgabe ist es vorrangig die Angaben der Kreditinteressenten zu überprüfen und den Kontakt zu halten. Den Rest machen Sie. Ist das richtig?“
„Ja, genau.“
„Wie sieht denn die finanzielle Ausstattung aus?“, fragte ich HENSE.
„Ich biete Ihnen vorab ein Festhonorar von 15.000 SFR für zwei Monate. Wenn die Geschäfte gut anlaufen, unterhalten wir uns über eine Umsatzbeteiligung und wenn nicht, trennen wir uns wieder.“
„Damit bin ich einverstanden.“
HENSE ging zum Schalter der Credit Suisse und holte 15.000 SFR in bar.
„Am Besten, wir treffen uns das nächste Mal in Bangkok, wenn die AnzeigenAktion angelaufen ist. Dann kann ich Ihnen dort alles zeigen, worauf es ankommt. Als Termin würde ich den 18.12. im Sheraton Airport Hotel vorschlagen.“
Er gab mir noch die Adressen der Büros in Hongkong und Bang kok und verabschiedete sich.
Ich wunderte mich, dass er so wenig von mir wissen wollte. Gerade in diesem Gewerbe war das eher unüblich. Andererseits war ich recht froh, nicht so viele Fragen gestellt zu bekommen.
Als erstes besorgte ich mir eine Kontoverbindung, zahlte das Geld ein und ließ mir eine Kreditkarte ausstellen. Dann über prüfte ich HENSES Angaben.
Die FIRST BANK OF KOREA in Seoul existierte tatsächlich. In den Büros in Hongkong und Bangkok war ein DR. DIETMAR HENSE bestens bekannt. Insbesondere in Hongkong begrüßte mich eine Dame namens Suzanne Cheng schon als neuen Mitar beiter.
Wie intensiv meine neue Tätigkeit sein würde, konnte ich noch nicht abschätzen. Jedenfalls würde genug Zeit bleiben, um meine eigentlichen Ziele weiter zu verfolgen. Doch im Moment fehlte mir der konkrete Aufhänger.
In Thailand war ich bereits. Mit Freunden hatte ich zwei Mal Urlaub auf der Insel Koh Samui bei einem Bekannten verbracht. Die Insel war ein Paradies und nur eine Flugstunde von Bangkok entfernt. Ich ging in ein Reisebüro und erkundigte mich nach Flügen. In der Vor und der Nachsaison waren die Tickets erheb lich billiger als Mitte Dezember. Aber dann musste ich schon am
1.12. fliegen, um noch den günstigeren Tarif zu bekommen.
Ich buchte mit einem offenen Rückflugticket. Luftveränderung konnte ich dringend gebrauchen, nach all den Ereignissen in dem Jahr. Abstand, zur Ruhe kommen und dann eine Strategie für meine Ziele entwickeln. Das war genau das Richtige. Und vor allem 10.000 km von Europa weg.
Im Thailändischen Konsulat erhielt ich ein Visum für zwei Mo nate. Ich kaufte mir einen Laptop, denn laut Absprache mit HEN SE, sollte alles auf dem elektronischen Wege erfolgen, ohne Berge von Papier.
Zum ersten Mal nach meinem Weggang telefonierte ich mit Beate, ohne jedoch meinen Aufenthaltsort zu nennen. Mit Sicher heit suchte man mich bereits und vielleicht würde sogar das Tele fon abgehört.
Beate war völlig aufgelöst und am weinen. Mir tat es leid, ihr so wehtun zu müssen. Ich erklärte ihr die Situation und mein Han deln. Sie verstand, dass es meine einzige Chance war, meine Un schuld zu beweisen.
Sie erzählte, die Polizei hätte sich bereits gemeldet und ihr „die Hölle heiß gemacht“. Aber sie stünde nach wie vor hinter mir. Sie hätte damals alles selbst miterleben müssen. All die Ängste, der Schrecken und meine ungerechtfertigte Verurteilung. Wenn ich die Chance sehen würde, meine Unschuld zu beweisen, solle ich das tun. An ihrer Liebe würde sich daran nichts ändern. Sie war eine tolle Frau und diese moralische Unterstützung tat mir gut.
Sie erzählte von permanenten Faxversuchen und anonymen An rufen, von denen sie belästigt würde. Manchmal würde das bis
spät in die Nacht gehen. Sie hätte Angst, dass die Erpresser wieder aktiv seien. Auch wurde oft nach Banken, speziell nach einer UNITED OVERSEAS BANK, gefragt, die unter dieser Nummer zu erreichen sei. Die Anrufer legten jedes Mal auf, wenn man nach ihren Namen fragen würde.
Das Spiel war also noch voll im Gange. Nur, im Moment konn te ich nichts dagegen unternehmen. Am 1. Dezember ‘97 saß ich im Flieger nach Bangkok.
Die Tage auf der Insel taten mir sichtlich gut. In den letzten vier Jahren hatte mich ein negatives Ereignis nach dem anderen über rollt, ohne dass ich zum Luftholen gekommen wäre. Bei den Di mensionen säßen andere längst in der Psychiatrie. Die Frau weg, die Firma weg, Familie, Freunde, Bekannte weg, finanziell am Ende, öffentliche Demontage, eine blinde Justiz, die mich für drei Jahre und neun Monate in den Knast schicken wollte.
Und nun diese neuen Machenschaften, in die ich geraten war. Wieder ohne mein Zutun.
Ich hatte um alles und gegen alles gekämpft. Manch eine Ent scheidung, die ich treffen musste, mag im Nachhinein nicht rich tig gewesen sein. Aber in vielen Situationen hatte ich keine andere Wahl. Dass ich mich damals auf die Forderungen der Erpresser einließ, hatte mich letztendlich ruiniert. Aber ich war froh, dass den Kindern und anderen nichts passiert war.
Die Justiz sah das natürlich vollkommen anders. Nach deren Ansicht, hätte ich mich sofort an sie wenden sollen. Nun legten sie mir alles als Lügengeschichte aus und belegten mich zur Be lohnung mit mehreren Jahren Knast. Die Ignoranz und Arroganz war einfach nicht zu fassen. Ich hatte noch einen Gegner mehr. Wenn ich den überzeugen wollte, dann nur mit handfesten Be weisen. Und die hatte ich noch nicht.
Vielleicht gab es ja über die neue Schiene irgendwelche Hinwei se auf Aktivitäten meiner Zielperson. Ich beschloss die Dinge auf mich zukommen zu lassen und die Augen offen zu halten.
Am vereinbarten Termin flog ich nach Bangkok, um mich mit HENSE zu treffen. Er war pünktlich.
„Wie geht’s?“ begrüßte mich HENSE mit Handschlag. „Ich schlage vor, wir setzen unser Gespräch in meinem Büro fort. Da
können wir auch gleich den Systemabgleich für Ihren Laptop durchführen.“
Ich war einverstanden. Das Büro wollte ich sowieso sehen.
Der Taxifahrer war ein Profi in diesem VerkehrsChaos. Er schaffte es, uns unter zwei Stunden in die City zu bringen, was eine Leis tung war.
Die Sukhumvit Road gehört zu den längsten Straßen von Bang kok. HENSE ließ an einem mehrstöckigen Bürogebäude halten. In der Eingangshalle waren eine Reihe von Firmen aufgeführt, die hier ihren Sitz hatten.
Unter anderem war ein Schild zu lesen mit „FIRST BANK OF KOREA, Office Bangkok“.
Mit dem Fahrstuhl ging’s in den 5. Stock. Drei Damen begrüß ten uns sehr freundlich. HENSE ließ sich einen Aktenordner mit Unterlagen geben und zog sich mit mir in sein Büro zurück. Alles war angenehm klimatisiert. Das Büro zeugte von einer regen Be triebsamkeit. Überall lagen irgendwelche Unterlagen. Auf einem Flipchart waren Strategiepunkte festgelegt worden. Hier musste vorher eine Konferenz stattgefunden haben.
„Unsere AnzeigenKampagne ist inzwischen in Deutschland, Schweiz und Österreich angelaufen“, berichtete HENSE. „Es ha ben sich einige Interessenten gemeldet und bereits AntragsUn terlagen von uns erhalten. Die Aktion läuft insgesamt über fünf Wochen bis Mitte Januar und dann müssen wir mal sehen, was an interessanten Kontakten dabei ist. So manche Anfrage sortieren wir bereits im Vorfeld aus, wenn es nach heißer Luft riecht.“
HENSE gab mir eine Diskette mit Interessenlisting, Kunden daten und Antragsunterlagen. Ich spielte sie in meinen Laptop ein.
„Wir können zukünftig alles auf diesem Weg erledigen“, schlug er vor.
„Das Notebook besitzt eine integrierte Telefon und Faxeinheit und ist für das Internet vorbereitet“, erklärte ich ihm.
„Damit werden Sie nicht so viel zu tun haben“, wandte er ein,
„Ihre Aufgabe ist es, anhand der Kundendaten, deren Angaben zu überprüfen und den Kontakt zu halten. Das Problem ist, dass wir
von hier aus, die werthaltigen Sicherheiten von Antragstellern, kaum beurteilen und überprüfen können.
Deshalb haben wir die Sache so gelöst, dass die Kreditnehmer bei Vertragsabschluß, eine 10%ige Sicherheitsleistung in Form einer Festgeldanlage über die Kreditlaufzeit, bei einer Schweizer Korrespondenzbank zu hinterlegen haben. Das ist gleichzeitig auch der Bonitätsnachweis. Ohne den geht nichts!“
Ich fragte nach: „Wann müssen denn die Kunden die verlangte Sicherheitsleistung zahlen? Im Voraus oder können sie das mit der Darlehenssumme verrechnen?“
HENSE wich aus: „Das ist von Fall zu Fall verschieden. Wichtig ist, dass die Bonität nachgewiesen wird. Über die jeweilige Vorge hensweise werden Sie die entsprechenden Informationen erhal ten.“
„Wie heißt denn die Korrespondenzbank, über die die Sache mit der Festgeldanlage abgewickelt wird?“ bohrte ich nach.
„Auch darüber werde ich Sie zu gegebener Zeit informieren.“
Mit solchen brisanten Daten wollte HENSE anscheinend nicht herausrücken.
„Ich bin Mitte Januar wieder in Zürich. Bis dahin ist die Akqui se durch und die Interessenten sind sortiert. Dann können Sie richtig starten. Wir haben dann auch einen gewissen Überblick und können über Ihre weitere finanzielle Ausstattung reden.“
Damit war unser Gespräch beendet.
HENSE bestellte mir ein Taxi, das mich zurück zum Airport brachte. Ich flog zurück auf die Insel.
HENSE wusste nicht, dass ich mich bereits seit zweieinhalb Wochen in Thailand befand und es schien ihn auch nicht sonder lich zu interessieren, wo ich mich aufhielt.
Für ihn schien wichtig zu sein, dass ich zum verabredeten Zeit punkt am vereinbarten Ort war und letztendlich meinen Job mach te.
Das Geschäftsgebaren war schon mehr als ungewöhnlich. Andererseits stimmten bisher sämtliche Angaben die er machte. Ich durchforstete die Daten auf der Diskette.
Die Anfragen nach einem Darlehen lagen zwischen 10 und 150 Millionen USDollar. Die Meisten wollten das Geld zur Unter nehmensfinanzierung oder für Immobilienvorhaben einsetzen.
Ich fand Formulare zur Selbstauskunft, Darlehensanträge, ebenso wie eine Verpflichtungserklärung für die Sicherheitsleistung. Die musste anscheinend mit in die Unterlagen gerutscht sein, denn mit Sicherheit war die nicht für meine Augen bestimmt. Die be sagte Sicherheitsleistung sollte bei der LAGER BANK eingezahlt werden. Sogar eine Kontonummer, der SwiftCode und das Kür zel der Festgeldanlage war angegeben.
Ich beschloss, erst kurz vor dem nächsten Treffen mit HENSE wieder nach Zürich zu reisen. Das Leben auf der Insel war bedeu tend billiger als in der Schweiz und noch hatte ich von HENSE kein „grünes Licht“, tätig zu werden.
In den folgenden Tagen und Wochen checkte ich jeden einzel nen Interessenten, der auf dem Listing stand, um einen Überblick über die Sache zu bekommen. Allein das, was ich in der Hand hielt, hatte bereits ein Volumen von über 500 Millionen USDol lar, von denen circa 50 Millionen als Sicherheitsleistung zu zahlen waren. Und das war erst der Anfang der Aktion.
Ich buchte meinen Rückflug nach Zürich für den 18. Januar 1998. Am 20.1. sollte der nächste Termin mit HENSE sein.
Zürich empfing mich mit nasskaltem Wetter. Eine erhebliche Umstellung nach den warmen Temperaturen in Thailand. Ich nahm mir ein Zimmer im City Hotel, direkt im Zentrum. Wie und wo ich zu erreichen war, faxte ich mit der direkten Durch wahl an die Büros in Hongkong und Bangkok.
Zwei Tage später traf ich HENSE am Airport wieder. Er über gab mir eine weitere Diskette mit Kreditinteressenten, die nun bearbeitet werden sollten. Vorrangig wies er auf die Anfrage eines DIETMAR RIEDERLAND mit Wohnsitz in Haldenbach in der Nähe von Würzburg hin. Die Daten der Überprüfung wollte er sehr schnell haben.
Er sei noch bis zum Ende der Woche in der Schweiz, so dass wir uns noch einmal treffen könnten, sagte HENSE. Dann würde auch das Vertragliche zwischen uns geregelt. Darauf hatte ich im Ge
spräch mit ihm gedrungen, wobei ich deutlich merkte, wie er die sem Thema versuchte auszuweichen.
Zurück im Hotel schaute ich mir RIEDERLANDs Anfrage an: Er plane ein Hotelprojekt in Moskau in Zusammenarbeit mit der Firma Leissen. Dafür brauchte er 80 Millionen USDollar, da ein Finanzier abgesprungen sei. Über die notwendige Bonität von 8 Millionen USDollar würde er in Form von Wertpapieren verfü gen.
Ich setzte mich mit der zuständigen Stelle bei der Firma Leissen in Verbindung. Den Namen RIEDERLAND kannte man dort nicht und ein Hotelprojekt in Moskau gab es schon gar nicht. Alle Daten auf der Selbstauskunft waren erfunden.
HENSE meldete sich bei mir. Ich gab ihm die Ergebnisse mei ner Nachforschungen durch. Er schien nicht sonderlich überrascht zu sein. HENSE teilte mir mit, seine Pläne hätten sich kurzfristig geändert und er müsse nach Paris. Er würde mich in den nächsten Tagen anrufen, welche Interessenten als nächstes zu überprüfen wären. So langsam beschlich mich ein gewaltiges Gefühl des Miss trauens.
Ich rief Beate an, um ihr mitzuteilen, dass es mir gut geht. Sie erzählte, sie hätte sich selbständig gemacht und zuhause ein Kos metikstudio eingerichtet. Das Telefon würde immer wieder mit permanenten Faxversuchen und Bankanfragen belegt. Ob ich wüsste, was da los sei?
Ich sagte, dass ich der Sache auf der Spur wäre, aber noch nichts Konkretes hätte.
Drei Tage später sollte ich es wissen.
Ich kam gerade aus der Dusche, als von außen meine Zimmer tür geöffnet wurde und drei Männer im Raum standen.
„Kripo Zürich! Sind Sie Herr Bauch?“
„Der bin ich“, antwortete ich verdutzt, „was soll das hier?“
„Bitte packen Sie Ihre Sachen und kommen Sie mit“, forderte mich einer der Männer auf.
„Warum soll ich mitkommen? Was liegt überhaupt gegen mich vor?“ Ich war noch immer vollkommen perplex.
„Das werden Sie auf dem Polizeipräsidium erfahren. Bitten leis ten Sie keinen Widerstand. Haben Sie Ihren Ausweis dabei?“