Читать книгу A2-B1 - Tod in der Oper - Volker Borbein - Страница 7
ОглавлениеKAPITEL | 2
10. Juli – Abends
„Wie war dein Tag heute?“
Bertram lässt sich mit seiner Antwort Zeit. Er blickt seine Freundin Kristin an. Er hat sie bei einem Gastspiel des Orchesters des Staatstheaters in Budapest11 kennen gelernt. Sie ist zweite Violinistin und einige Jahre jünger als er. Sie träumt von einer gemeinsamen Karriere in Berlin. Ungeduldig wiederholt sie ihre Frage. Bertram beantwortet die Frage nicht.
„Ich mache uns erst einmal einen Drink. Was möchtest du trinken?“ Bertram wartet die Antwort nicht ab. Er geht in die Küche und kommt mit einer Flasche Rotwein zurück.
„Auf uns!“, sagt er leise. Beide sitzen auf der Couch.
Kristin lässt nicht locker12.
„Ich merke doch, dass du etwas auf der Seele13 hast. Sprich mit mir.“
„Heute morgen hatte ich Probe mit Tony Kroeger. Ich war nicht gut drauf. Ich weiß auch nicht, was mit mir los war. Weißt du …“ Seine Stimme klingt traurig.
Bertram umarmt seine Freundin.
„Rede ganz einfach.“
„Der Intendant hat mich vor der Probe zu sich gebeten. Wir hatten ein längeres Gespräch. Er ist mit meiner Arbeit zufrieden. Aber …“
Bertram macht eine kleine Pause.
„Es geht um die Premiere. Der Intendant und der Regisseur haben sich noch nicht entschieden, ob ich oder Giuseppe singen wird. Ich habe allmählich die Nase voll, hier am Theater immer nur die zweite Besetzung14 zu sein! Ich singe genauso gut wie Giuseppe. Ich komme mir wie ein Fußballspieler vor, der bei wichtigen Spielen auf der Ersatzbank sitzt und nur manchmal nach der Halbzeit auf das Spielfeld darf.“
Kristin unterbricht ihn.
„Schatz, du singst und spielst viel besser als dein Kollege. Ich finde es ungerecht, dass stets Giuseppe bevorzugt15 wird.“
„Der Intendant hat mir außerdem erzählt, dass zur Premiere einer der wichtigsten Musikagenten Deutschlands anwesend sein wird. Du weißt, was das für uns bedeuten kann?“
Bertram und Kristin rücken noch näher zusammen. Sie schweigen.
Beide haben dieselben Gedanken, denselben Traum: auf einer großen Bühne16 in einer großen Stadt zu stehen, erfolgreich. Sie als erste Geigerin in einem der besten Orchester der Welt, er als umjubelter Tenor, der sich seine Rollen aussuchen kann. Endlich die Nummer eins sein. Bertram und Kristin wissen, dass die „guten“ Jahre eines Tenors nicht ewig dauern.
„Was kann ich bloß tun, damit ich in der Premiere singe?“, fragt Bertram fast mutlos seine Freundin.
Kristin lächelt.
„Ich habe schon eine Idee. Lass mich mal machen. Du wirst schon sehen. Alles wird gut. Das verspreche ich dir.“
Kristin steht auf, geht in die Küche und holt aus dem Kühlschrank eine Flasche Champagner.
11 Hauptstadt von Ungarn, 1,7 Mill. Einwohner
12 auf der Antwort bestehen
13 sich Sorgen machen
14 nie an erster Stelle stehen
15 er wird so behandelt, dass er im Vergleich zu anderen Vorteile hat
16 erhöhte Fläche im Theater, auf der die Sänger/Schauspieler stehen