Читать книгу A2-B1 - Tödlicher Cocktail - Volker Borbein - Страница 6
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Ende Mai. Es ist herrliches Wetter in Kassel1. Für die Jahreszeit ist es ungewöhnlich warm. Die wichtigste Ausstellung moderner Kunst, die documenta2, wird in drei Wochen eröffnet. Aus aller Welt sind Künstler eingeladen, ihre Werke zu zeigen.
Vor der Orangerie in der Karlsaue3 steht die große Ausstellungshalle. Männer tragen aus Lastwagen verpackte Kunstwerke in die Halle. Künstler sind mit dem Aufbau ihrer Werke beschäftigt. Die ersten Fernsehteams sind zu sehen. Die Kunstwelt wartet mit großer Spannung auf die Eröffnung.
Auch ein 1,80 m großer schlanker Künstler im weißen Designeranzug mit einem roten Schal ist eingeladen. Mit seinem langen vollen Haar und seinen lebhaften braunen Augen fällt er auf. Er hat es geschafft. Er stellt auf der documenta aus. Er heißt Kaspar Tizip.
Vor zwanzig Jahren kam er nach Kassel, um an der Kunstakademie4 zu studieren. Eigentlich wollte er vier Semester bleiben. Aus vier Semestern wurden viele Jahre.
Seine Frau Venus sitzt auf einem Stuhl und beobachtet ihn.
Als sie sich kennen lernten, war Venus anders. Sie war für Kaspar der Himmel auf Erden. Sie kam aus einer guten Familie, sah gut aus und hatte Geld. Sie arbeitete in der Pizzeria ihres Vaters und war immer freundlich.
Er kam aus Mali5, hatte in Deutschland keine Familie, kein Geld und keine Arbeit. Er hatte nur ein Stipendium6 für die Kunstakademie in Kassel und bewohnte ein kleines Zimmer. Wenn er Zeit und etwas Geld hatte, ging Kaspar in die Pizzeria „Venus“, in der die Tochter des Besitzers arbeitete. Kaspar zeichnete sie heimlich7. Aus den Zeichnungen wurden Bilder. Eines Tages fragte er sie, ob sie nicht für ihn Modell stehen könnte. Venus war bereit und Kaspar begeistert. Sie wurde sein Modell. Obwohl er zehn Jahre älter ist, haben die beiden eine Beziehung begonnen. Sie war achtzehn und er achtundzwanzig. Jetzt, zwölf Jahre später, sind sie verheiratet. Kaspar kann sich ein Leben ohne Venus nicht vorstellen. Sie ist seine Muse. Ohne sie kann er nicht arbeiten. Venus weiß das.
Da Venus und Kaspar keine Kinder haben, kümmert sie sich nur um sich selbst. Sie liebt Kinder, es hat aber nicht geklappt8. Sie ist enttäuscht. Venus liebt ihren Mann. Doch sie zeigt ihre Liebe nicht mehr. Kaspar leidet darunter.
1 www.kassel.de
2 http://universes-in-universe.de/car/documenta/d-hist.htm
3 www.stadtpanoramen.de/kassel/orangerie.html
4 www.kunsthochschule-kassel.de/willkommen/?&sub=3
5 Mali ist ein Staat in Westafrika, seit 1960 unabhängig von Frankreich, 11 717 000 Einwohner
6 finanzielle Hilfe
7 ohne dass jemand sieht, was man tut
8 keinen Erfolg haben; sie hat keine Kinder bekommen