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I.

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Es war der 7. September, als ich mit dem Bus zum Krematorium hinausfuhr. Crematorium Westlede stand als Endstation angeschrieben, und so mischte und veränderte sich das Publikum im Bus, während seiner Fahrt vom Bahnhof durch die Stadt in die Vororte, von umherstreifenden Jugendlichen, Familien und älteren Damen mit Einkaufswägelchen, hin zu einsamen oder in kleinen Grüppchen fahrenden Erwachsenen, dunkel gekleidet, mit Blumen im Arm. Die Unterwelt, das waren die anonym ins Land ausgreifenden Siedlungen, endlose Straßen gleicher Reihenhäuser, die in Felder mündeten, auf denen auch bald gebaut würde. Solange durfte dort noch ein Pferd stehen, auf dem die Kinder im Kreis ritten, der Bauer war schon lange ausbezahlt. So stellte ich es mir vor, kannte ich es von Freunden, die mit ihren Familien auch in Stadtnähe das Grüne gesucht hatten, das Weite. Acht gleiche Hüpfburgen zählte ich einmal im Vorbeifahren an acht der gleichen Gärten. Charon schien Hüpfburgenverkäufer, Stadtplaner und Busfahrer in einem geworden zu sein, eine hybride Gestalt, der zeitgeistgewordene, in allem anwesende, in den Alltag gekleidete Gefährte zum Tod. Bis zum Krematorium selbst fuhren nur Trauergäste, schauten einander an, ob man den einen oder andere kennt, vielleicht grüßen sollte, schließlich hatte man den gleichen Weg. Ich kannte niemanden. Auch einige andere Männer waren allein gekommen, manche mit eleganten Regenschirmen, eng gebunden, konservative, argwöhnische, vielleicht auch nur liebenswürdige Geister, Herren von der Universität. Über zwanzig Jahre war der Philosoph Professor an der Rijksuniversiteit gewesen, sicher würde es einige Ansprachen geben, würden Kollegen aus dem In- und Ausland Abschied von ihm nehmen wollen, war er doch zeitlebens in Frankreich, in Deutschland, in Belgien aufgetreten, mit Herausgaben und Übersetzungen bedeutender Werke seiner Forschungsrichtung wie auch mit eigenen, umfangreichen Schriften. Es fing tatsächlich an zu regnen, und die Herren verteilten sich im Radius ihrer Schirme auf der langen Straße zum Krematorium. Als hätte Charon gesagt: Das letzte Stück müsst Ihr alleine gehen. Hier endeten die Bebauungen, lief man entlang der großzügig angelegten Parkplätze, an Baumreihen und Büschen vorbei, hinter denen sich Grünanlagen verbargen; Felder zum Ausstreuen der Asche? Durfte in Belgien die Asche im Freien verstreut werden? Ich wusste es nicht. War der Ort geweiht, im weltlichen Sinn, als Friedhof dafür bestimmt, die Asche hier allein verstreuen zu dürfen? Geschützt, als Ort ohne jeden anderen Zweck, der Rationalität um ihn herum entrissen, ausgesondert? Heute lachen wir über den Tempel der Vernunft, wie man ihn zu Zeiten der Französischen Revolution einweihte, der Aufklärung eine ewige Stätte zu geben, das Denken selbst als unantastbar zu erklären. Das Denken, die Würde des Menschen. Die Würde des Menschen, an einem Septembertag mit leichtem Nieselregen, am Rand von Gent, in einem Bezirk ganz den Toten geweiht, einer Totenstadt ohne Jenseits, bestehend nur aus einem Gebäude und den angrenzenden Wiesen, Tempel der unfassbaren Vernunft. Unfassbar für den, der den Abschied nicht als solchen zu verstehen gelernt hat, der keinen Frieden mit der Endlichkeit findet. Ob die Professoren vor mir, Würdenträger der Vernunft, den Abschied so zu begreifen gelernt hatten? Hatte ihnen das Wissen die Angst genommen, hatten sie sich selbst mit zu relativieren, zu verlieren gelernt? Waren sie Hohlgestalten ihrer unendlichen Einsichtigkeit, Durchsichtigkeit, Objektivierung? Das Äußere nur machte sie zu solchen Gestalten, Gewandfiguren im Regen, mit ihren gleichsam langen Mänteln, den schwarzen, straff gespannten Schirmen. Dazwischen reihten sich Paare ein, die wohl mit dem Auto gekommen waren, wie die meisten Gäste. Hier und da begrüßte man sich, bildeten sich Trauben von kleinen Grüppchen, manche blieben kurz stehen, andere liefen weiter vor, Autos bahnten sich ihren Weg durch die Menge. Schon auf dem Hinweg fiel mir auf, dass die Bestattung des Philosophen nicht die einzige sein konnte, die für diesen Tag angesetzt war, zu unterschiedliche Gruppen von Familien und Besuchern verteilten sich auf den Wegen zu den einzelnen Feldern. Vielleicht lagen hinter den Büschen und Hecken nur die Urnengräber, würde die Asche hier gar nicht verstreut?

Ein weiter Bogen führte zum Vorplatz der Trauerhalle. Die Gäste schienen noch alle draußen zu warten, sammelten sich unter dem ausgeschwungenen Vordach. Ich erkannte einige ältere Männer, die mit dem Philosophen jahrelang privat debattiert hatten, in einer Gesprächsrunde, die einmal im Monat in einem Saal über einem Café gleich neben dem Stadttheater zusammengekommen war. Einmal war ich dort zu Gast gewesen, hatte selbst vorgetragen, mich ihren Fragen gestellt. Sie erkannten mich nicht. Erleichtert ging ich an ihnen vorbei und stellte mich abseits in eine Ecke unter das Vordach.

Das Begräbnis des Philosophen

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