Читать книгу Das gefährliche St. Pauli - Walter Brendel - Страница 5

Rosis Bar

Оглавление

Was man so mitbekommt, in den Kneipen und auf den Straßen zeigt das echte Gauner Milieu und sogar das Verbrechertum in St. Pauli an. Banden, nach Vorbild der italienischen Mafia organisiert, und die dazugehörigen „Paten“ verkörpern die Kehrseite des Kiezes.

St. Pauli entwickelt sich besonders in den Nachkriegsjahren zu einem Sammelbecken für Ausgestoßene, Gestrandete und Glücksritter. Das Rotlicht lockt viele an, die ihrem Schicksal als Hafenarbeiter oder Handlanger entkommen wollen. Einigen gelingt das auch und sie sind bis heute als Milieu-Größen bekannt.

Eine der Größen ist Rosi. Seit 60 Jahren auf dem Kiez. Ihre Kneipe „Rosis Bar“ betreibt sie seit 1970. Rosis Vater sagte: „Bring mir keinen Kellner oder Türsteher mit nach Hause!“. Das tat Rosi auch nicht. Sie brachte stattdessen einen englischen Musiker mit nach Hause. Tony Sheridan McGinnity, ihren zukünftigen Mann, einen Singer-Songwriter und Gitarristen, der in Hamburg unter anderem mit seiner Band „The Jets“ und als Solo-Sänger spielte oder der von einer Band, bestehend aus ein paar jungen Musikern aus Liverpool, begleitet wurde – den Beatles.

Gegründet von ihrem Vater betrieb Rosi seit 1969 die Kneipe „Zu den drei Hufeisen“. Das konnten sich ihre englischen Musikerfreunde jedoch nie merken. Stattdessen liefen sie immer über den Kiez und fragten „Where can we find Rosi?“. So stand schnell der neue Name fest und das neue Wohnzimmer für zahlreiche Musiker und spontane Sessions war gefunden.

Noch heute betreibt Rosi die Bar. Man sieht es ihr mit ihrem frischen Anstrich kaum an, aber Rosi’s Bar ist eine der ältesten Bars auf dem Hamburger Berg – mit einer ganz besonderen Besitzerin.

Als auf St. Pauli zu Beginn der 60er Jahre die neue Musikkultur und der jugendliche Aufbruch gefeiert wurden und die „Beatlemania“ tobte, war Kiez-Kultwirtin Rosi Sheridan McGinnity mittendrin – und erlebte die Anfänge der später weltberühmten Band hautnah mit. Die Ex-Frau von Beatles-Entdecker Tony Sheridan feierte heute 50-jähriges Jubiläum ihrer „Rosis Bar“ auf dem Hamburger Berg und sagt trotz Cornern und Billig-Alkohol: „Ich bin um mein St.Pauli überhaupt nicht besorgt.“

Ab 1960 spielten die Beatles insgesamt 58 Nächte im Keller-Club in der Großen Freiheit 36. „Rosi, das ist die neue englische Band, bedien‘ die mal“, erinnert sich Rosi an die Worte ihres ehemaligen Chefs, als Tony Sheridan mit seinen Schützlingen Paul McCartney & Co. reinkam. „Die ganzen Engländer, die nach Hamburg kamen, waren alles ganz andere Typen, als das, was wir sonst kannten, alle gertenschlank und gut angezogen“, sagt Rosi, die damals schon nächtelang Rock’n’Roll tanzte.

Tony Sheridan, der den Beatles in Hamburg ihr Handwerk beibrachte, verliebte sich sofort in Rosi, oder auch in „The girl with the flying feet“, wie sie von den Engländern genannt wurde. „Ich hatte ganz dunkle Haare und einen schönen runden Po, das kam gut an. Und dann hab ich eben gleich den ersten englischen Musiker, der da rein kam, geheiratet“, erzählt sie, lacht dabei und zieht genüsslich an ihrer Zigarette, die in einer Zigarettenspitze steckt.

Die Verbindung zwischen den Barfrauen und den jungen Musikern beschreibt sie damals als „sehr besonders“. 1961 kam Sohn Rick zur Welt. Uneheliche Kinder sind damals noch ein Skandal. Rosi zog mit dem Lütten ins sogenannte Hurenhaus an der Großen Freiheit, lebte dort mit Kiez-Gangstern wie „Ochsen-Harry“ auf einem Flur.

„Die hätten mir niemals ein Haar gekrümmt, ich war halt die Rosi und die Frau vom Sheridan“, sagt sie. Ihr Mann, der oft zu Besuch kam und sich im Schrank verstecken musste, sobald sich die Vermieterin näherte, hatte immer den „Rückhalt der ganzen Banditen“, wie Rosi sagt. „In der Zeit haben Paul McCartney und Tony auch .Tell Me IIf You Can‘ geschrieben und all die anderen Lieder. Er hatte immer unseren kleinen Ricki auf dem Schoß, Paul war ein Sonnenschein, hat immer auf mich aufgepasst“, erinnert sie sich.


Rosi Sheridan McGinnity

Nachdem Tony und die Beatles im Laufe der 60er Jahre getrennte Wege gingen, machte Tony als Solo-Künstler weiter, Rosi arbeitete nun hinterm Tresen im „Star Club“. Die junge Liebe der beiden endete, als Tony 1967 aus Geldmangel für drei Jahre nach Vietnam zog. Auch Rosi ging ihre eigenen Wege und übernahm 1969 von ihrem Vater die Kneipe „Drei Hufeisen“ auf dem Hamburger Berg, aus der später „Rosis Bar“ wurde.

Es ist vor allem der Einfluss des Vaters, der aus der jungen Kellnerin später eine taffe Wirtin macht, denn: Er selbst war Kellner im früheren „Café Keese“ – tagsüber arbeitete er als Schweißer auf einer Werft, um Rosi und ihre zwei Schwestern über die Runden zu kriegen. Die Mutter war früh gestorben. „Ich habe schon mit 13 Jahren die Kellnerhemden von meinem Papi gebügelt. Wenn du vom Vater erzogen wurdest, bist du keine Püppi und keine Prinzessin“, erinnert sich Rosi.

Wie sie mit den harten Jungs umzugehen hat, wusste die rüstige 79-Jährige immer, doch gegen das Schicksal war auch Rosi machtlos: Sohn Rick starb im vergangenen Jahr mit 58 Jahren an Krebs – genau wie sein Vater Tony Sheridan 2013. „Da hatten wir Angst, dass der Laden dicht gemacht wird“, sagt Türsteher Leon, der der Chefin seit neun Jahren zur Seite steht. Doch da schüttelt sie vehement den Kopf – sie verlängerte den Mietvertrag erst kürzlich um weitere fünf Jahre. „Das ist doch meine Familie hier“, sagt Rosi, die mittlerweile nicht mehr direkt über der Bar, sondern in einer kleinen Wohnung in Bahrenfeld wohnt.

Dass noch lange nicht Schluss ist, bewies die Kiez-Wirtin gerade an Heiligabend: „Da hab’ ich drei Flaschen Champagner gekippt und war seit 20 Jahren wieder mal so richtig betrunken“, erzählt sie. Macht nichts, einer der Türsteher wird die Chefin schon nach Hause gefahren haben, so wie sie es auch an jedem Wochenende tun.

Das gefährliche St. Pauli

Подняться наверх