Читать книгу Monstermauern, Mumien und Mysterien Band 3 - Walter-Jörg Langbein - Страница 6

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1. Die »Wolkenkrieger« der Anden

Von Cuenca in Ecuador fliegen wir nach Piura im Norden Perus. Von der Wüstenmetropole Piura – fast 300.000 Einwohner – bekommen wir nichts zu sehen. Unser Zeitplan ist zu knapp. Die Gluthitze der »Desierto Sechura«-Wüste macht uns zu schaffen. Wir werden in den winzigen »VIP-Bereich« des Flughafens geführt. Angenehme Kühle umfängt uns. Freundliche Angestellte erledigen die Passformalitäten. Flüchtig wird unser Gepäck kontrolliert. »Ihr habt Glück!«, lacht eine Stewardess. »Im Augenblick vertragen wir uns mit Ecuador, sonst würde sich die Einreise aus Ecuador höchst kompliziert erweisen.« Kopfschütteln ernten wir für unsere Reise um den halben Globus in den Norden Perus. Da gibt es doch nur alte Ruinen. Für die Regierenden sind Bodenschätze sehr viel wichtiger. Sie verheißen Reichtum. Und deshalb streiten sich Ecuador und Peru seit vielen Jahren immer wieder um den Grenzverlauf.

Per Bus geht es weiter bis nach Olmos. 168 Kilometer auf der imposanten Pan Americana legen wir in zwei Stunden zurück. In Olmos warten bereits fünf Geländewagen auf uns. »Nur« 302 Kilometer liegen noch vor uns. Aber die Straßen machen das Weiterkommen mehr als mühsam. Nach acht Stunden (!) kommen wir endlich in »Laguna Pomacochas« an: Um 1.30 nachts stehen wir vor unserem Hotel. Wir sind erschöpft und übermüdet. Endlich gelingt es uns, auf uns aufmerksam zu machen. Einige Hotelangestellte lassen uns ein.

Laguna Pomacochas liegt im Tal des Rio Utcumbamba. Es ist traumhaft schön. Wir haben aber leider keine Zeit, die herrliche Andenlandschaft zu erkunden, denn am Morgen geht es schon wieder weiter: nach Chillo bei Tingo. Die Fahrt bis nach Magdalena ist abenteuerlich. Die Straße ist wesentlich schlechter als man das in heimischen Gefilden von Feldwegen gewohnt ist. Wir haben März, und somit Regenzeit. Gewaltige Schlaglöcher, sie ähneln manchmal eher Kratern, machen die Fahrt zur Tortur. Die Straße schlängelt sich an steil emporragenden Felswänden entlang. Zum Glück sind wir mit geländegängigen Vehikeln unterwegs. Eigentlich hätten es auch drei getan. Wir wollen aber möglichst kein Risiko eingehen. Falls zwei der wendigen Fahrzeuge ausfallen, muss die Reise nicht unterbrochen werden. Tatsächlich haben wir mehrfach Autopannen. Wir fahren mit den fahrtüchtigen Autos weiter, die defekten bleiben zurück. Sie werden notdürftig repariert und holen uns wieder ein!

Mitten in den Anden wartet das spartanische »Hostal el Chillo« auf uns. Es besteht aus zwei Haupthäusern und bungalowartigen kleineren Gebäuden. Mehrere Bungalows teilen sich eine Dusche. Der Chef, Oscar, hat die kleine Anlage mit seiner Familie selbst gebaut. Schon das Heranschaffen der Steine war eine Meisterleistung in der abgelegenen Region. Man sieht es den einzelnen Gebäuden an, wann sie gebaut wurden. Haus Nr.1 ist inzwischen baufällig. Der Frühstücksraum ist noch intakt.

Oscar reicht zur Begrüßung einen selbstgebrannten Zuckerrohrschnaps… ein wahres Feuerwasser! Selbst gebaut ist auch ein Wasserrad, angetrieben von einem eisigen Gebirgsbach. So erzeugt Oscar eigenen Strom. Eiskalt sind auch die Duschen. Aber wir suchen keinen Luxus, wir möchten Kuelap, eine geheimnisvolle Ruinenstadt, besichtigen. Gebaut wurde sie als gewaltige Wehranlage von dem Volk der »Chachapoyas«. Der Name stammt von den Inkas, den Feinden der Erbauer der Monstermauern hoch in den Anden.

Ob die archäologischen Funde in Oscars Sammlung aus Zeiten der »Chachapoyas« echt sind? Wir wissen es nicht. Echt ist jedenfalls die warmherzige Freundlichkeit, mit der wir von Oscar und seiner Familie behandelt werden. »Fremde kommen selten in unsere Gegend.«, meint ein wenig enttäuscht Oscar. Er hat auf Touristenströme gehofft. Vielleicht wird ja Kuelap eines Tages touristisch erschlossen und Oscar weiß nicht, wohin mit den Gästen.

Unser Ziel: Kuelap, die Festung der »Wolkenkrieger«. Mit unseren Geländewagen versuchen wir so weit wie möglich an die mysteriöse Anlage heranzukommen. Fast dreitausend Meter über dem Meeresspiegel wurde die wahrhaft gewaltige Anlage errichtet. Die Luft ist dünn und eiskalt. Die Kameratasche wird zur Qual. Schritt für Schritt kämpfen wir uns voran. Es geht bergan.

Auf einem schmalen Fußweg ächzen wir vorbei an unscheinbaren Mäuerchen. Sie sind Jahrhunderte alt. Wackelige kleine Holzbänkchen laden zur Rast ein. Wir stolpern an ihnen vorbei. Längst frieren wir nicht mehr, wir schwitzen wie die Bären. Und unser »kleines Gepäck« wird immer schwerer. Merkwürdige Steinmauern mit seltsamen Mustern verraten uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Irgendwo muss die geheimnisvolle Ruinenstadt sein. Wir schleppen uns weiter über Wurzeln und seltsam behauene Steinbrocken. »Bald sehen wir Kuelap!« macht uns unser Guide Mut. Von der mysteriösen Stadt aber – keine Spur. Plötzlich wird es ungemütlich: »Nebelbänke« tauchen auf, als wollten sie ein Geheimnis vor uns verbergen. Man fühlt sich in den Roman »2010«, verfasst von Ursula Prem, versetzt. Im Thriller von Ursula Prem spielen Nebelbänke eine ganz zentrale, unheimliche Rolle.

Doch die wattig-weißen wabernden Schwaden verschlingen uns nicht, so gespenstisch sie auch wirken. Sie stimmen aber nicht gerade optimistisch: Werden wir überhaupt etwas Interessantes zu sehen bekommen?

Plötzlich reißt die alles verbergende Wolkendecke auf, gibt den Blick auf eine fantastisch anmutende Anlage frei. Eine wuchtige Steinmauer taucht aus dem Nichts auf. Sie ist gut zwanzig Meter hoch. Wir staunen. Die Meisterleistung der Baumeister der »Wolkenkrieger« macht uns sprachlos. Bis zu 200 Kilogramm wiegen die Granitblöcke, aus denen die Mauer aufgetürmt wurde. Wir gehen an diesem monumentalen Bauwerk vorbei. Aus den Steinen, so hat man berechnet, hätten leicht mehrere »Cheopspyramiden« gebaut werden können! 1.500 Meter lang ist die Mauer. Sie umschließt das Oval der Stadt »Kuelap«.


Mächtige Mauern…

Im Schutz der Mauer lebte ein geheimnisvolles Volk, das der Chachapoyas. Bisher wurden in verschiedenen Regionen von »Kuelap« die Fundamente von rund 400 meist ovalen Gebäuden freigelegt. Von ganz besonderer Bedeutung muss einst ein gewaltiger Turm gewesen sein. Wie groß mag er einst gewesen sein? Wie hoch mag er einst in den Himmel geragt haben? Niemand vermag das zu sagen. Heute ist nur noch ein zwölf Meter hoher Stumpf übriggeblieben. Er erinnert von seiner Form her an ein Tintenfass. Deshalb wird er »El Tintero« (Tintenfass) genannt.

Fiel das Bauwerk einem Angriff von Feinden zum Opfer? Oder verdankt es seinen erbärmlichen Zustand, in dem es sich heute befindet, dem Zahn der Zeit, der schon seit vielen Jahrhunderten an ihm nagt? Ein seltsames Gesicht wurde von den Erbauern von Kuelap sorgsam in einen der Steine geritzt. Wen oder was zeigt es? Einen Wolkenkrieger (andere Bezeichnung: Wolkenmensch), vielleicht einen besonders vornehmen oder wichtigen Bewohner der Stadt? Oder ist es eine Gottheit, die uns da stoisch anblickt. Sind wir störende Besucher aus dem fernen Europa für sie?

Welchem Zweck diente das kuriose Bauwerk? Angeblich war es einst eine Art Sternobservatorium. Von einem kleinen Raum im Inneren – so heißt es – sollen die Sterne durch einen zum Himmel ausgerichteten Schacht beobachtet worden sein. Waren die »Wolkenkrieger« Anhänger einer Religion, in deren Zentrum die Sterne standen? Wir wissen es nicht. Wir kennen ja nicht einmal den Namen, den sich das geheimnisvolle Volk der Andenbewohner selbst gab.


…schützen Kuelap

Weitere Türme standen einst im Inneren der Anlage, an der Nord- und an der Südseite. Es soll sich um Wachtürme gehandelt haben. Von den Türmen aus konnte man offenbar alle weitaus tiefer gelegenen Dörfer beobachten. Fürchtete man Angriffe? Von astronomischer Bedeutung könnte ein anderes Bauwerk gewesen sein, vielleicht eine Art Observatorium? Das »Castillo« hatte, wie Ausgrabungen ergeben haben, einst ein rechteckiges Fundament und bestand aus drei plattformartigen Stockwerken. Oder war das »Castillo« eine Verteidigungsanlage, innerhalb des gewaltigen Mauerwerks? Das macht wenig Sinn: Befindet sich die vermeintliche »Verteidigungsanlage« eher im mittleren Bereich von Kuelap. Feinde, die erst einmal so weit in das Innere der Stadt vorgedrungen waren, konnten kaum noch abgewehrt werden, hatten sie doch dann das Zentrum von Kuelap bereits erobert! Die riesige Mauer um den Komplex herum, sie war ein riesiges Bollwerk zur Verteidigung, aber doch keine Gebäude im Zentrum!

Drei »Tore« führen in die Stadt, zwei an der Ostseite und einen an der Westseite. »Tore«... der Begriff führt in die Irre. Es sind eigentlich nur schmale Spalten in der mächtigen Steinmauer. Eine Vorrichtung zum Verschließen dieser Eingänge gab es nicht. Angreifer, die sich einem dieser »Risse« der Mauer näherten, konnten von den Verteidigern mit Steinen bombardiert werden. Hatten sie die schmalen Türen erreicht, mussten sie feststellen, dass sich kein offener Blick auf das Innere der Stadtanlage bot, sobald sie sich durch den schmalen Spalt gezwängt hatten. Vielmehr musste sie erkennen, dass sie sich einzeln und hintereinander gehend durch einen engen, steinernen Korridor quälen mussten, und zwar eine steinerne Treppe empor. Ein Ende dieses schmalen Gangs, der zudem in einer Kurve verläuft, war nicht auszumachen. Und Krieger, die sich durch diese Enge zwängten, ihre Waffen so gut wie nicht einsetzen konnten, wurden von oben bombardiert. Die Verteidiger von Kuelap konnten den Angreifern hart zusetzen, ohne selbst verwundbar zu sein.

Drei oder vier Tausend Menschen sollen einst in »Kuelap« gelebt haben. Wurde die Stadt trotz der gewaltigen und ausgeklügelten Verteidigungsanlage trotzdem von den Inkas eingenommen? Wurden die »Wolkenkrieger« getötet oder als Sklaven verschleppt? Oder wurden sie durch langanhaltende Belagerung ausgehungert? Wir wissen es nicht! So viele Fragen blieben bis heute unbeantwortet!


Kuelap, Stadt der Wolkenkrieger

Im Inneren der Anlage hat man bis heute etwa 420 steinerne Fundamente runder Häuser nachweisen können. Sie sahen wie kleine Miniaturtürmchen aus. War Kuelap also eher ein Dorf als eine Stadt? Die riesenhafte Wehrmauer aber – eine Mammutleistung der Erbauer – scheint aber ganz und gar nicht zu einem Dörfchen eines südamerikanischen Völkchens á la »Asterix und Obelix« zu passen. Siedelten sich vielleicht die Dörfler erst an, als die Metropole der Chachapoyas längst gefallen war?

Vermutlich – aber auch das ist ungewiss – tauchte das rätselhafte Volk der Wolkenkrieger im 9. Jahrhundert im Norden Perus auf. Wir wissen nichts über die Herkunft dieser Menschen, auch nichts über ihre Sprache. Warum bauten sie Kuélap? Als militärische Anlage? Als Verteidigungsbastion gegen Feinde? Bei den gewaltigen Ausmaßen der Mauer um Kuelap herum muss von sehr langer Baudauer ausgegangen werden. Die Monstermauer kann also nicht als Antwort auf eine aktuelle Krisensituation gebaut worden sein. So muss der eigentliche Zweck von Kuelap hinterfragt werden: War Kuelap kein militärisches Objekt, sondern ein religiöses Zentrum? Dienten die drei schmalen Gangkorridore ins Innere von Kuelap nicht der Abwehr von Feinden, sondern unbekannten religiösen Riten? War Kuelap so etwas wie ein Wallfahrtszentrum eines prä-inkaischen Volkes? Gehörte es zu mysteriösen Riten, sich mühevoll ins Innere von Kuelap vorzukämpfen, symbolisch für den harten Weg des religiös Suchenden zur Wahrheit?

Über die Religion der »Wolkenkrieger« wissen wir so gut wie nichts. Astronomische Beobachtungen gehörten anscheinend ebenso dazu wie die Verehrung von heiligen Schlangen. Betete man zu Muttergöttinnen? Frauen genossen bei den Chachapoyas großen Respekt. Bei Verhandlungen mit anrückenden feindlichen Truppen wurden stets Frauen zugezogen.

Monstermauern, Mumien und Mysterien Band 3

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