Читать книгу Bora oder Brüche zwischen zwei Schnitten - Walter Kranz - Страница 8

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Elisabeth und Bernard im Krankenhauskorridor. Das Stehen auf hellen Kunstmarmorplatten macht müde. Bernard überlegt und kommt zum Schluss, dass dies auch auf dunklem Marmor nicht anders wäre. Langsam beginnen die Fußballen zu schmerzen. Die Zehen. Die Waden. Auch über das Schienbein setzt sich der Schmerz fort. Unwillkürlich tritt man von einem Fuß auf den andern. Elisabeth sieht dabei aus, wie ein tänzelndes Zirkuspferd. Später, wenn auch ein Fußwechsel keine Entspannung mehr bringt, sucht sich dieser dumpfe, ziehende Schmerz einen Weg über die Lendenpartie zum Rückgrat. Noch ein wenig später nistet er sich in den Schultern ein, die durch ein Stechen gemartert werden und manchmal zu zittern oder zu zucken beginnen. Wenn dann noch keine Entlastung eintritt, glaubt man das Schmerzen überall zu spüren.

Elisabeth hat sich an Bernard gelehnt. Er kann ihre Haare riechen und ihre rechte Brust auf seiner linken Brust fühlen, ohne Herzklopfen zu spüren oder was sonst dazugehören mag. Sie erschrickt als sich hinter ihr eine Tür öffnet, zwei Männer in Weiß heraustreten und in Richtung Angelika Schweyer gehen, wo sie sich als Ärzte zu erkennen geben.

Bernard sieht, wie die Ärzte sich gegenseitig durch Blicke verständigen. Offenbar fällt ihnen etwas schwer.

„Wie geht es ihm?“ fragt Frau Schweyer.

Die Antwort der Mediziner, „den Umständen entsprechend“, passt in diese Art verkrampften Gesprächs.

„Seine inneren Verletzungen bereiten uns Sorgen. Nicht die diversen Brüche. Wir mussten operieren und es lässt sich nur schwer eine Prognose wagen.“

Angelika Schweyer ist nicht anzumerken, dass sie nach dieser Meldung trauriger, erschrockener oder unbeherrschter wäre. Sie nimmt die Aussage der Ärzte entgegen wie jemand, der nach dem Weg fragt und eine komplizierte Antwort erhält.

Elisabeth steht jetzt zwischen Angelika Schweyer und Bernard. Während sie angestrengt den Worten der Ärzte folgt, geht sie rückwärts, bis sie wieder dicht vor Bernard steht. Diesmal mit dem Rücken zu seiner Brust. Plötzlich gellt ihre Stimme durch den Krankenhauskorridor: „Wer ist Er?“ und als niemand antwortet: „Wen haben Sie operiert?“

Einer der Ärzte dreht sich um, blickt nervös über die Schulter und murrt mit ärgerlicher Stimme: „Herr Direktor Schweyer natürlich.“

„Und Andreas? Der Chauffeur!“

„Der? Der liegt nicht hier. Der liegt in der Allgemeinabteilung. Das hier ist die Privatabteilung, “ und etwas mürrisch fügt er hinzu: „Das sieht man doch!“

Dann gehen die Ärzte. In ihrer Mitte Angelika Schweyer, die noch immer keinen schleppenden Gang mimt, im Gegenteil, deren Schritte kurz sind und dadurch zierlich wirken.

Erst als die Drei hinter der gläsernen Pendeltüre um die Ecke verschwinden, bewegt sich Elisabeth, fasst Bernard wieder bei der Hand und flüstert: „Wir müssen hinüber gehen. Jawohl hinüber.“

Mit „hinüber“ meint sie offensichtlich die Allgemeinabteilung.

Drüben fragen sie nach dem Krankenzimmer des Chauffeurs. Die befragte Pflegefachfrau schüttelt energisch den Kopf: „der liegt nicht auf einem Krankenzimmer.“

„Intensivstation?“

„Nein, auch nicht Intensivstation.“

„Haben Sie ihn entlassen?“

„Nein.“

Damit wird die zweifelnde Hoffnung aus der Welt geschafft.

„Er ist tot“, sagt die Pflegerin, den Blick dem Boden zugewandt. Offenbar hat sie auch durch langjährige Tätigkeit die Scheu vor dem Tod nicht abgelegt.

Elisabeth drückt Bernards Hand fester und wieder spürt er ihre feuchte Innenhand. Er ahnt, dass in Elisabeth etwas vorgeht, was äußerlich nicht erkennbar ist. Auch sie bricht nicht in Weinen aus. Wird nicht einmal blasser. Zittert nicht. Auch ihr Schritt kommt Bernard fest und sicher vor. Jedenfalls stellt er beim Weggehen nichts anderes fest.

Bora oder Brüche zwischen zwei Schnitten

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