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Österreich im Zeitalter Maximilians I. (1490/93–1519)

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Mit der burgundischen Ehe Maximilians I. tat sich dem Haus Österreich eine neue politische Welt auf. Die Heirat des Habsburgers mit Maria, der Erbtochter des Herzogs Karl des Kühnen, veränderte Europa. Eigentlich wurde schon damals, 1477, das große habsburgische Jahrhundert eingeläutet. Es ging um den wertvollsten Territorialkomplex nördlich der Alpen mit Handelszentren wie Brügge, Gent oder Antwerpen und enormen ökonomischen und verwaltungstechnischen Ressourcen, ein unerhörter Zugewinn für die Habsburger, wenngleich der Preis hoch war, mündete der Streit um das Erbe Karls des Kühnen doch letztlich in einen über Jahrhunderte währenden französisch-habsburgischen Antagonismus. Im Jänner 1477 war der Burgunderherzog bei Nancy gefallen, ein halbes Jahr später, am 19. August 1477, schloss Maximilian, der sich gegen eine ganze Reihe von Mitbewerbern, namentlich den französischen Dauphin, durchgesetzt hatte, mit Karls Tochter in Gent die Ehe. Die Behauptung des durch Marias frühen Tod (1482), anhaltende französische Angriffe und innere Krisen bedrohten burgundischen Länderkomplexes band Maximilians Kräfte für mehr als ein Jahrzehnt und ließ ihn alle Höhen und Tiefen der Politik durchleben.

Das Heiratsglück blieb Maximilians dynastischer Politik auch in den folgenden Jahren treu, was später in dem bekannten, einem Ovid-Zitat aus den Heroiden nachgebildeten Spruch: Bella gerant alii, tu felix Austria nube (»Kriege führen mögen andere, du, glückliches Österreich, heirate!«) Ausdruck fand. Um ein breites Bündnis gegen die expansionistische Italienpolitik des französischen Königs Karl VIII. zu erreichen, trat der Habsburger der von den katholischen Königen Ferdinand und Isabella initiierten »Heiligen Liga« bei. Die spanische Doppelhochzeit stellt sich in Planung und Durchführung als ein Nebenprodukt der Versuche Maximilians dar, den Dauerfeind Frankreich in die Enge zu treiben. Dass mit der Heiratsabrede zwischen den Kindern Maximilians und jenen Ferdinands von Aragón und Isabellas von Kastilien im Jänner 1495 der Grundstein zum Weltreich Karls V. gelegt wurde, war zu diesem Zeitpunkt nicht im Entferntesten absehbar. Erst eine Kette von Todesfällen dreier Thronanwärter machte Maximilians Sohn Philipp schließlich zum Herrscher Kastiliens und versetzte Maximilians 1500 geborenen Enkel Karl nach dem frühen Tode Philipps (1506) in die Rolle des Erben eines werdenden Weltreiches. Gleichsam unter Erfolgszwang stand die dritte Generation habsburgischer Heiraten. Was mit größtem repräsentativem Aufwand und nach zähem diplomatischem Ringen am sogenannten Wiener Kongress im Juli 1515 als Doppelheirat zwischen Maximilians Enkeln und den Kindern des ungarischen und böhmischen Königs Wladislaw paktiert wurde, diente der Aufrechterhaltung der seit einem Jahrhundert aufgebauten und von Maximilian mit allen Mitteln behaupteten habsburgischen Ansprüche auf die benachbarten Königreiche Böhmen und Ungarn. Den Vollzug dieser 1515 vereinbarten beiden Ehen hat Maximilian nicht mehr erlebt, ebenso wenig wie den tatsächlichen Erbfall zugunsten der Habsburger mit dem Tod König Ludwigs von Ungarn in der Türkenschlacht von Mohács 1526.

Das Verhältnis von Reich und Erblanden nahm gegen das Jahr 1500 zusehends einen dualistischen Charakter an. Wiewohl Maximilian das unter seinem Vater institutionalisierte Nebeneinander von römischer und österreichisch-erbländischer Kanzlei neuerlich durch eine einheitliche zentrale Hofkanzlei für Reich und Erblande ersetzte und an dieser über die Reichsverfassungskämpfe hinweg bis zu seinem Tode festhielt, entfernten sich die österreichischen Erblande immer weiter von den Maximilian auf den Reichstagen gegenübertretenden Reichsständen. Bei deren anfänglich zum Teil gegen den Herrscher gerichteten Organisationsformen, wie etwa den 1500 eingerichteten Reichskreisen, wurden die österreichischen und burgundischen Länder (jedenfalls bis 1512) außen vor gelassen. Und auch zu einer Vertretung der Erblande auf den Reichstagen kam es zunächst nicht. Maximilian versuchte seine österreichischen Länder hier herauszuhalten, und im Grunde hätte eine solche Vertretung der Erblande auf den Reichstagen auch der Verfassungslogik widersprochen. Es ist für die Entwicklung höchst bezeichnend, dass die Ausschüsse der österreichischen Länder auf dem Innsbrucker Gesamtlandtag 1518 anlässlich der Verhandlungen über eine Reform des kaiserlichen Hofrates verlangten, dass dessen aus dem Reich stammende Mitglieder von der Erledigung erbländischer Angelegenheiten ausgeschlossen bleiben sollten, was Maximilian zur Replik veranlasste, »Österreich gehöre doch auch zum Reich«.

Das Erscheinungsbild der österreichischen Erblande hat sich in den drei Jahrzehnten maximilianeischer Herrschaft entscheidend und nachhaltig verändert. Territoriale Vergrößerungen sind dabei nicht das Wesentliche, wenngleich solche in geringerem Umfang erfolgten. Im Bayerischen Erbfolgekrieg von 1504 etwa gewann Maximilian die Herrschaften Kufstein, Rattenberg und Kitzbühel als Abrundung Tirols. Schon zuvor hatte er sich das Erbe des letzten Görzer Grafen Leonhard (Osttirol, Görz) gesichert. Bedeutsamer als diese territorialen Arrondierungen sind strukturelle Entwicklungen. Als Maximilian die Nachfolge seines Vaters antrat, waren die Bruchlinien, die das Jahrhundert der habsburgischen Teilungen gezogen hatte, noch allenthalben sichtbar. Um dem lockeren Verband der österreichischen Länder festere Gestalt zu geben, drängte Maximilian auf zentralisierende Vereinheitlichung. Zwei Ländergruppen, eine oberösterreichische (Tirol und die Vorlande) und eine niederösterreichische (Ober- und Niederösterreich, Steiermark, Kärnten und Krain), wurden gebildet und für jede der beiden kollegial verfasste ständige Behörden, sogenannte Regimente, eingesetzt. Trotz mancher Anfangsschwierigkeiten, Umstrukturierungen und auch Ortswechsel erwiesen sich diese jeweils für mehrere Länder zuständigen Regierungskörper letztlich als tragfähig und sollten über Jahrhunderte Bestand haben. Maximilians Politik baute aber nicht nur auf zentrale Verwaltung, auch die Stände der Länder band er in seine Politik der Vereinheitlichung ein. Unter seiner Regierung wurde die Entfaltung länderübergreifender Ständeversammlungen bedeutend vorangetrieben. Kaum ein Jahr verging, in dem nicht wenigstens eine derartige Beratung stattfand. Vom innerösterreichischen über den niederösterreichischen bis hin zum großen, alle Erblande einbeziehenden Generalausschusstag reicht die Palette der Versammlungen, wobei das von Maximilian anscheinend schon von Beginn an mit einer gewissen Beharrlichkeit anvisierte Ziel gemeinsamer Ausschussberatungen aller erbländischen Stände freilich erst nach mehreren Fehlschlägen zum ersten und gleichzeitig einzigen Mal während der Herrschaft des Kaisers im Frühjahr 1518 in Innsbruck Wirklichkeit wurde. Die Bedeutung länderübergreifender Ständetagungen für die staatliche Integration und das Zusammengehörigkeitsbewusstsein der österreichischen Länder ist kaum zu überschätzen. Die ständischen Ausschusstage bilden gleichsam das Gegenstück zu den administrativen Integrationsbemühungen Maximilians.

Dass der enorme Finanzbedarf das eigentliche Movens für die Verwaltungsreformen und Zentralisierungsmaßnahmen Maximilians war, scheint klar. Ohne Zweifel ist Geldmangel ein allgemeines Strukturmerkmal frühneuzeitlicher Politik, verglichen mit anderen frühmodernen Staatswesen lagen Anspruch und Möglichkeiten der maximilianeischen Politik allerdings besonders weit auseinander. Auf Dauer musste die habsburgisch-österreichische Macht, so imposant sie sich mit dem römischen Kaisertum, den burgundischen und österreichischen Ländern auch darstellen mochte, der französischen Monarchie mit ihrer hohen Kohärenz unterlegen sein. In Kriegsjahren verschlangen die Militärausgaben Maximilians mehr als zwei Drittel des Staatshaushaltes, und eigentlich befand sich der Habsburger, nach dessen Überzeugung mit den Mitteln der Diplomatie allein nichts Dauerhaftes zu erreichen war, nahezu unausgesetzt im Krieg. Zwischen den gezählten 27 Kriegen seiner Regierung bildeten die kurzen Friedensphasen jeweils nur ein Intermezzo. So darf es nicht verwundern, dass trotz erheblicher Zuwächse bei den Einnahmen die Staatsschuld in bisher ungekannte Höhe stieg. Rund fünf Millionen Gulden an Schulden hinterließ der Kaiser seinen Erben. Das entspricht dem Zwanzigfachen des durchschnittlichen Jahreseinkommens aus den österreichischen Erbländern. Welches Ausmaß die finanzielle Misere gegen Ende der Regierung Maximilians angenommen hatte, ist daran ablesbar, dass 1518 bereits zehn Jahresproduktionen der Tiroler Silberbergwerke im Voraus verkauft waren. Hauptsächlich sind es die Erblande gewesen, die Maximilians Kriege finanzierten. Zur drückenden Belastung wurde insbesondere der Venezianerkrieg (1508–1516), der die österreichischen Länder an die Grenzen ihrer Leistungskraft brachte und in der Untersteiermark, in Kärnten und Krain zu einem Aufstand der meistenteils slawischen Bauern (1514/15) führte, welcher mit aller Härte niedergeschlagen wurde.

Mit der weitgespannten Politik Maximilians eröffneten sich für die österreichischen Erblande freilich auch neue Möglichkeiten und Perspektiven. Im besonderen Maße gilt dies für eine kleine Gruppe von dem Herrscherhof nahestehenden Männern, die so wie der oberösterreichische Adelige Wolfgang von Polheim mit Maximilian 1477 den Schritt in die Niederlande wagten. Ebenso zur neuen großen Welt der Habsburger gehört der im Kanzleidienst aufgestiegene Matthäus Lang, 1519 Erzbischof von Salzburg, zuvor aber schon mit dem spanischen Bistum Cartagena bepfründet. Maximilians Regierung brachte – daran besteht kaum Zweifel – den österreichischen Ländern einen Innovationsschub, der mit Post, Buchdruck, Verwaltung und Universität weite Lebensbereiche erfasste. Seit 1490 sorgte Maximilian durch die Einrichtung von Postlinien zwischen den Niederlanden und Tirol sowie nach Rom und nach Frankreich für eine unerhörte Beschleunigung der Nachrichtenübermittlung, wobei dem von Maximilian bevorzugten Innsbruck von Beginn an die Rolle einer Verkehrs- und Kommunikationsdrehscheibe zugedacht war. Nicht minder bedeutsam ist der Fortschritt im administrativ-bürokratischen Bereich, gleichgültig ob man diesen als vom burgundischen Modell abgeleitet oder in den Erblanden gleichsam autochthon entstanden sehen möchte. Indem Maximilian das Druckmedium systematisch zur Erklärung und Legitimierung seiner Politik einsetzte, machte er die österreichischen Länder mit dieser technischen Innovation, die von Kaiser Friedrich III. noch sehr sparsam genutzt worden war, erst so recht vertraut. Dass die nordalpine humanistische Elite an der Universität Wien Quartier bezog, ist schließlich ebenfalls ganz wesentlich dem Eingreifen des Kaisers geschuldet. Das an oder besser neben der Wiener Universität als humanistische Bildungsstätte von Konrad Celtis konzipierte und 1501 ins Leben getretene Collegium poetarum et mathematicorum hat ihn zum Stifter und hauptsächlichen Förderer.

Das besondere Interesse Maximilians galt historischen bzw. literarisch-künstlerischen Projekten. All diese Pläne kreisen um den zentralen Begriff der gedechtnus. »Wer ime im leben kain gedachtnus macht, der hat nach seinem tod kain gedächtnus und desselben menschen wird mit dem glockendon vergessen«, ließ Maximilian im Weißkunig formulieren. Während die hier anklingende Vorstellung liturgischer Memoria noch auf das Spätmittelalter verweist, berührt sich Maximilians Wunsch nach einer überhöhten Darstellung der eigenen Taten in Text und Bild mit humanistischem Gedankengut. Zur gedechtnus gehörte das Bemühen um die Sicherung von Wissensbeständen. Maximilian gab Auftrag zur Anlage von Inventaren aller Art, die Erinnerungswürdiges für die Nachwelt bewahren sollten. Der Sicherung literarischer Tradition diente zuallererst die berühmte Sammelhandschrift des Ambraser Heldenbuchs. Im Mittelpunkt der gedechtnus stand freilich der Kaiser selbst. Nach anfänglichen Versuchen mit einer lateinischen Autobiographie fand Maximilian die ihm adäquate Ausdrucksform in verschlüsselten, fiktionalisierten autobiographischen Bilderchroniken in deutscher Sprache. Nach seinem Diktat von Mitarbeitern redigiert, lassen Weißkunig, Freydal und Theuerdank Elemente der Dietrichepik und des Artusromans erkennen. Das Bild steht in diesen Werken gleichrangig neben dem Text, ja manchmal ist es dem Text vorgängig. Vollends bilddominiert erscheinen die monumentalen Holzschnittfolgen Triumphzug und Ehrenpforte, an welchen Künstler vom Rang eines Albrecht Dürer oder Albrecht Altdorfer mitwirkten. Wie kein anderes Auftragswerk vereinigt die Ehrenpforte Maximilians autobiographische Ideenwelt, sein Interesse für Genealogie und seine Vorliebe für Allegorie und Bildersprache. Deutlich tritt auch im Falle der Ehrenpforte die Bedeutung der drucktechnischen Reproduktion für Maximilian hervor. Mit deren Hilfe sollte gleichsam ein »imaginäre(r) Hof für die kaiserliche gedechtnus« entstehen (Jan-Dirk Müller ).

Noch ehe die Wahl des Enkels Karl (V.) zum römischen König erreicht und bevor die Nachfolge in den österreichischen Ländern eindeutig und einvernehmlich geregelt war, starb Maximilian I. am 12. Jänner 1519 in Wels. Bei all ihren Widersprüchlichkeiten markiert die Politik des »letzten Ritters«, in der Modernes und Altes gleichermaßen Platz fanden, den Eintritt des Hauses Österreich und seiner Länder in das sich formierende frühneuzeitliche europäische Mächtesystem. Der Name »Haus Österreich«, der zu Ausgang des 15. Jahrhunderts oftmals die Gesamtheit der österreichischen Länder bezeichnet hatte, ja zum Ersatz für den fehlenden Gesamtnamen des habsburgischen Territorienkomplexes geraten war, stand bald nur mehr für die habsburgische Dynastie, eine Familie, die innerhalb dreier Generationen zu Weltgeltung aufgestiegen war. Für Maximilian blieben dabei die Erblande, die er zunehmend als eine Einheit zu behandeln sich angewöhnt hatte, zeit seines Lebens unzweifelhaft das Herzstück seiner imperialen Herrschaft. 1515/16 brachte der Kaiser sogar den Plan, Österreich zum Königreich zu erheben, ins Gespräch, diesbezügliche Überlegungen gediehen dann freilich doch nicht über ein vages Konzeptstadium hinaus.

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