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Fragestellungen und Zielsetzung der Studie
ОглавлениеDer Fokus der Studie liegt auf der berufsorientierten Weiterbildung: auf ihrem Geschäft, ihren Märkten und Diskursen, auch auf ihrem institutionellen System. Mit dem Begriff »berufsorientierte Weiterbildung« bezeichnen wir die der beruflichen und schulischen Ausbildung nachgelagerte, sie ergänzende Weiterbildung in den Segmenten 1. höhere Berufsbildung, 2. Weiterbildung an Hochschulen,
3. allgemeine berufsorientierte Weiterbildung (inklusive betriebliche Weiterbildung, Personalentwicklung), 4. arbeitsmarktbezogene Weiterbildung und 5. Weiterbildung für öffentliche Funktionen (zur Systematik vgl. Kapitel 2.2). Die Ausführungen der Studie konzentrieren sich auf die Angebotssegmente 1 bis 3, sie lassen sich unter Beachtung der Spezifika auch auf die anderen Segmente anwenden.
Berufsorientierte Weiterbildung als Geschäft, als Dienstleistung begreifen heißt, sich eingehend mit Nutzenerwartungen der Kundinnen und Kunden, mit kooperativen Leistungsprozessen, mit wirtschaftlicher Vernetzung, mit gesellschaftlicher Anerkennung und Verwertung von Bildungsleistungen zu befassen. Zu ihren Resultaten zählen nicht bloß bildungsökonomische Wertgrößen (Bildungsrenditen, wirtschaftlicher Output der Branche), sondern ebenso Gebrauchswerte für Lernende und Unternehmen, für Wirtschaft und Gesellschaft.
Die Studie analysiert das Wertschöpfungspotenzial der Weiterbildung in diesen erweiterten Kontexten. Sie geht den folgenden Fragen nach:
–Welches sind die relevanten Bezugssysteme und Einflussfaktoren der berufsorientierten Weiterbildung?
–Wie gut erfüllt das berufsorientierte Weiterbildungssystem seine Funktionen für Wirtschaft und Gesellschaft, wie wirksam ist es?
–Wie unterscheiden sich Bildungsdienstleistungen von anderen Wirtschaftsaktivitäten, etwa bezüglich Kundenbeziehung, Abwicklung, Ergebnis?
–Welche Werte erzeugen Bildungsdienstleistungen für Einzelne, Wirtschaft und Gesellschaft? Wie werden die Leistungen anerkannt und verwertet?
–Welchen Einfluss haben Leistungsprozesse und Interaktionen auf die Wertschöpfung von Bildungsdienstleistungen?
–Welche Rolle spielen arbeitsteilige Wirtschaftssysteme und Bildungsstrukturen für die Wertschöpfung von Bildungsdienstleistungen?
–Welche ökonomischen und außerökonomischen Kräfte bestimmen den Weiterbildungsmarkt, worin gründet seine Stabilität?
Was die Bezugssysteme und Funktionen der berufsorientierten Weiterbildung betrifft, so verfügt die sozial- und bildungswissenschaftliche Forschung über analytische Instrumente und breite (allerdings heterogene) empirische Evidenz. Diese Grundlagen sind für eine Einschätzung der Wirksamkeit zusammenzuführen. Was das Geschäft der Weiterbildung betrifft, also die Konzeption, Vermarktung und Verwertung von Bildungsdienstleistungen, so hilft uns die Wertschöpfungstheorie und Wertschöpfungsanalyse weiter. Sie nimmt (einzelwirtschaftliche) Geschäftsbeziehungen, Geschäftsfelder und Branchen in den Blick; sie hat sich bisher allerdings kaum mit der Weiterbildungsbranche befasst, und umgekehrt sind ihre Konzepte in den Bildungswissenschaften kaum rezipiert worden.[1] Was die Märkte der berufsorientierten Weiterbildung betrifft, so erlaubt die Datenlage zur Situation in der Schweiz nur grobe Trendeinschätzungen. Unsere Analyse verfolgt einen politisch-ökonomischen Ansatz, der Weiterbildungsmärkte nicht als Sphäre selbsttätiger Marktgesetze versteht, sondern nach außerökonomischen Bestimmungskräften wie Macht, Interessen und Prestige fragt.
Die Ziele dieser Studie lassen sich wie folgt umreißen: Erstens geht es darum, gestützt auf sozial- und bildungswissenschaftliche Erkenntnisse ein Raster zu entwickeln, das uns erlaubt, die gesellschaftliche Wirksamkeit des Systems der berufsorientierten Weiterbildung einzuschätzen, summarisch zwar, aber auf empirischer Evidenz basierend. Das Raster dient in der Studie mehrfach als Referenz. Zweitens ist ein theoretischer und methodischer Ansatz zu erarbeiten, der erlaubt, das Wertschöpfungspotenzial von Bildungsdienstleistungen zu objektivieren, es vergleichend zu bewerten und Bezüge zu Wirtschaft und Gesellschaft herzustellen. Drittens soll auf werttheoretischer Grundlage erörtert werden, worin die symbolische Ordnung und die Stabilität der Weiterbildungsmärkte gründen. Und viertens sollen aus diesen Analysen neue Kriterien und Orientierungslinien hervorgehen, die in die Steuerung von Weiterbildung und in die weiterbildungspolitische Debatte einfließen.