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Reformen im Zeichen von Kohärenz und Durchlässigkeit

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Der Wandel von Arbeitsverhältnissen und Arbeitsmärkten stellt neue Anforderungen an die Curricula in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Er gibt Impulse für die inhaltliche Gestaltung und Neuordnung von Ausbildungsbereichen. Das Bildungssystem nimmt sie auf und setzt sie in Veränderungsprozessen um, die durch systemeigene Ordnungen, Funktionslogiken und Zeithorizonte geprägt sind. Immerhin führten Reforminitiativen der letzten Jahrzehnte auch in der Schweiz dazu, dass Berufsausbildungen weniger eng definiert und im Berufsfeld breiter abgestützt sind, beispielhaft die Polymechanik-Ausbildung. Die berufliche Grundbildung wurde neu gestuft (Berufsattest und Fähigkeitszeugnis); für den beruflichen Bildungsweg wurde der Hochschulzugang via Berufsmaturität bzw. Fachabitur geschaffen; Fachschulausbildungen wurden auf das Hochschulniveau verlagert (z. B. im Fall von Gesundheitsberufen), und das Hochschulsystem wurde auf die zweistufige Bologna-Struktur umgestellt. Schließlich wurden neue Verfahren definiert, die den Nachweis und die formale Anerkennung von erworbenen beruflichen Kompetenzen auf alternativen Wegen erlauben (z. B. Kompetenzbilanzierung im Bereich der Grundkompetenzen, Gleichwertigkeitsbeurteilung in der höheren Berufsbildung).

Die Reformen verstehen sich als Antworten auf gesellschaftliche Anforderungen. Sie erfolgen aber nicht geradlinig, sondern bewegen sich in bestehenden Ordnungssystemen und entfalten auch unbeabsichtigte Wirkungen. Denn neue Bildungswege und Zugänge zu beruflichen Positionen stellen ganze Qualifikationshierarchien infrage und führen regelmäßig zu Abgrenzungsproblemen bei etablierten Qualifikationsgruppen. Rückblickend kann man aber doch feststellen, dass die Rationalität des beruflichen Bildungssystems in den letzten Jahrzehnten in einigen Punkten verbessert wurde, auch wenn die Reformen komplex, schwer zu steuern und oft umstritten waren:

–Das Bildungssystem ist durchlässiger geworden und nimmt neue Bedarfe im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld rascher auf.

Beispiele: Hochschulzugang über den beruflichen Bildungsweg; Anerkennung des erfahrungsbasierten Kompetenzerwerbs in geregelten Nachweisverfahren.

–Curricula werden in der Tendenz nachvollziehbarer und bedürfnisgerechter gestaltet.

Beispiele: erweiterte Wahlmöglichkeiten durch modularisierte Studienstrukturen; Ausrichtung der Curricula auf berufsrelevante Zielkompetenzen; Individualisierung des Lernens und Förderung des Lerntransfers.

–Ausbildungsorganisation, Lernzeiten und Lernorte sind den Lernbedürfnissen Erwachsener besser angepasst.

Beispiele: Vernetzung der Lernorte, virtuelle Lernräume, flexiblere Gestaltung von Lehrgängen, Wahl des Studienmodus je nach Lebenssituation (z. B. Fern-, Teilzeitstudium).

Obwohl aber im System der Berufsbildung weiterführende und flexiblere Bildungswege geschaffen wurden, nehmen die Zielgruppen die Option eines Wechsels zwischen formalen Bildungsniveaus seltener als erwartet wahr. So sind die Quoten derjenigen, die beispielsweise nach der Berufsmaturität ein Fachhochschulstudium oder gar – über eine den Anschluss herstellende »Passerelle« – ein universitäres Studium aufnehmen oder die nach einem Fachhochschulabschluss an der Universität weiterstudieren, bescheiden geblieben (Weber 2013, 29f.; Gonon 2012). Die Erstausbildung, die in der Schweiz seit jeher die Erwerbskarriere stark vorbestimmt, bewahrt offensichtlich ihre hierarchisch ordnende Kraft, und das Hochschulsystem bleibt gespalten in ein beruflich ausgerichtetes und ein akademisches Segment (Kiener 2013, 347f.).

Bildungswertschöpfung

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