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Titel
ОглавлениеKapitel 2: wie ich erfuhr, dass ich Alkoholiker bin
Irgendwann hatte ich es satt, als Koch zu arbeiten, da es ein wirklich schwerer Beruf mit nur wenig Freizeit war. Mein Hauptgrund war aber meine Freundin, die ich hatte. Sie war Bürokauffrau und somit hatte sie am Wochenende frei, während ich arbeiten musste. Ich suchte also eine andere Tätigkeit, die mir vielleicht gefallen würde. Da kamen nur wenige Sachen infrage, denn ich hatte von meiner Bundeswehrzeit nur den Lkw-Führerschein in meiner Tasche und ansonsten außer meinem Gesellenbrief als Koch nichts weiter. Also wollte ich Lkw fahren.
Beim Vorstellungsgespräch fragte mich der Spediteur, was ich denn gelernt hätte und als ich ihm sagte, dass ich Koch wäre, meinte er nur: „Dann wollen Sie jetzt wohl im Motor kochen?“ Das war es dann. Auf einer meiner Sauftouren, die ich nach wie vor durchzog, lernte ich einen Mann kennen, der eine Gebäudereinigungsfirma hatte. Er stellte mich sofort als Fensterputzer ein und ich bekam die Chance, eigenes Geld zu verdienen und nicht mehr auf das Arbeitsamt angewiesen zu sein.
Dies ging so lange gut, bis ich eines Tages bei einem Kunden mit der Leiter eine große Schaufensterscheibe zertrümmerte. Das war das vorläufige Ende der Karriere als Fensterputzer.
Weiter ging die Suche nach Arbeit. Zunächst war ich Schlossereihelfer bei einer Firma, die ohnehin schon bankrott war und ich natürlich auch kein Geld sah. Dann versuchte ich es wieder als Fensterputzer. Schließlich bekam ich eine Stelle als Lkw-Fahrer, bei der ich dachte, dass ich gut aufgehoben wäre. Das war auch so, bis ich eines Tages einen Lkw im Graben versenkte. Die Polizei kam, aber ich musste seltsamerweise nicht blasen. Gottseidank behielt ich meinen Führerschein. Ich versuchte dann bei einer Baufirma mein Glück als Fahrer, aber als sie mir eine Schaufel in die Hand drückten und ich Beton schaufeln sollte, war der Spaß vorbei.
Ich warf dem Chef den Schlüssel vor die Füße und ging. Inzwischen war ich so weit gekommen, dass ich morgens, wenn ich aufstand, ein Bier trinken musste, damit ich mich richtig übergeben konnte. Mit leerem Magen war das ziemlich schmerzhaft und Wasser konnte oder wollte ich nicht trinken. Nachdem ich mich des Bieres entledigt hatte, trank ich meinen ersten Kognak. Dies ging dann so weiter, den ganzen Tag über. Immer wieder Kognak, aber nie pur, sondern immer mit Cola vermischt. So brachte ich es mit der Zeit auf eine Flasche täglich.
Ich hatte nebenbei in einem meiner Stammlokale aushilfsweise bedient, denn ich brauchte das Geld dringend. Es war ein Faschingsball und es war sehr viel zu tun. Trotzdem nahm ich mir die Zeit, mich mit einem jungen Mädchen zu unterhalten. Es kam, wie es kommen musste, heute ist sie meine Frau.
Während der Arbeit, sofern ich eine hatte, nahm ich immer eine Flasche Cola mit zur Arbeit, damit niemand sieht, dass ich Alkohol trinke. Ich hatte mir auch eine Wohnung gesucht und auch gefunden. Zufälligerweise in dem Ort, wo ich aufgewachsen bin. Sie war billig, zumindest für meine Verhältnisse, denn Geld hatte ich so gut wie nie. Wieder einmal kam der Bekannte, der die Gebäudereinigung hatte, auf mich zu und bat mich, bei ihm zu arbeiten, da er akuten Personalmangel hatte.
Die Sache mit dem Fenster sei vergessen, ich müsste ihm nur zusichern, dass ich während der Arbeit nichts mehr trinke. Er gab mir noch den Schlüssel für sein Auto, damit ich selbstständig mit dem Material zur Arbeit fahren konnte. Nun war mein Einkommen wieder gesichert. Das Erste, was ich tat, war, dass ich mir eine Flasche Kognak kaufte und diese im Laufe des Tages leer trank. Die Anfangszeit lief ganz gut, niemand sprach mich wegen meines Rausches, den ich täglich hatte, an.
Eines Tages aber wollte der Chef sein Auto zurück, weil er damit zum Kundendienst müsse, wie er mir sagte. Ich gab ihm seinen Schlüssel, er ging, aber es dauerte nicht lange, da war er schon wieder bei mir an der Türe: „Was hast du mit meinem Auto gemacht? Da ist am vorderen Kotflügel eine Riesenbeule!“ Ich beteuerte: „Ich habe nichts damit gemacht, ich bin damit nur zu den Putzstellen gefahren.“
Tatsache war aber, dass ich mit dem Auto so manche Sauftour gemacht hatte. Einmal bin ich sogar zu einer Diskothek gefahren und habe das Auto sozusagen „zweckentfremdet“, das heißt, ich habe mit einem Mädchen darin die Nacht verbracht. Wieder mal nichts mit Karriere! Nun hatte ich Zeit, endlos Zeit! Aber was tun, während dieser Zeit? Ich beschloss, meiner alten Sehnsucht nachzugehen und beginnen zu schreiben. Ich wusste, dass viele Schriftsteller, sogar berühmte Schriftsteller, tranken und trotzdem erfolgreich waren. Mir war auch zu diesem Zeitpunkt schon bewusst, dass mit meinem Trinkverhalten etwas nicht stimmte, zumal ich immer öfter darauf angesprochen wurde.
Aber mir war das egal. Manchmal sammelte ich sogar Flaschen, um von dem Pfand wieder Schnaps kaufen zu können. Das Geld vom Arbeitsamt reichte hinten und vorne nicht und ich musste so manchen Deckel unbezahlt beim Wirt liegen lassen. Aber auch das war mir egal, denn ich würde bald das große Geld verdienen. „Aber, was schreibe ich jetzt?“, dachte ich mir. Zunächst verbrachte ich ein paar Tage damit zu überlegen, was und worüber ich schreiben sollte.
Mir fiel einfach nichts ein. Irgendwie kam ich mit einer Tante von mir mal ins Gespräch über das Thema. Sie meinte: „Du bist doch Koch, schreibe ein Kochbuch?“ Ich gab ihr Recht, aber woher die ganzen Rezepte nehmen? Sie hatte die Lösung: „Hör mal, da gibt es ein altes Kochbuch von unserer Urgroßmutter. Schreib es ab und überarbeite es so, dass man es heutzutage auch nutzen kann.“ Gesagt, getan. Ich ließ mir das alte Kochbuch geben und schrieb es zunächst mit der Hand ab. Es war nicht ganz einfach, die alte Schrift zu lesen. Aber ich hatte noch in der Schule die Sütterlinschrift gelernt.
Obwohl ich diese Schreiberei hasste, konnte ich sie noch ganz gut. Als ich dann mit dem Abschreiben fertig war, nahm ich meine alte Reiseschreibmaschine und tippte alles fein säuberlich ab. Auch das war mühsam! Ich hatte zwar in der Schule, mein Gott war das lange her, gelernt, mit der Maschine zu schreiben, aber dennoch war es eine Qual. Ich schrieb also das Kochbuch ab und schickte es an einen Verlag. Mir wurde zwar einmal gesagt, dass es sehr schwierig sei, einen Verlag zu finden, auf Anhieb sei das praktisch unmöglich.
Ein paar Tage, nachdem ich das Skript abgeschickt hatte, kam ein Schreiben vom Ludwig Verlag mit der Mitteilung, dass das Buch angenommen sei und ich bitte beiliegenden Verlagsvertrag unterschreiben solle. Ich fiel aus allen Wolken und war überglücklich. Endlich! Endlich genug Geld zum Saufen! Ich könnte alle Schulden bezahlen, mir ein großes Auto, am Besten einen BMW, kaufen und wäre für die Zukunft sorgenfrei! Mir wurden zwölf Prozent vom Nettoverkaufserlös geboten. Ich war hin und weg, als ich auch noch den Verkaufspreis las.
Ich hätte auch für fünf Prozent unterschrieben. Ich unterschrieb den Vertrag und bald darauf kam mein Manuskript zurück, voll mit Korrekturen und Verbesserungsvorschlägen. Das Lektorat, in Person der Verlegerin, Frau Ludwig-Smith, habe meine Arbeit überprüft und bittet mich, das Ganze laut Vorgaben noch einmal zu bearbeiten. Ich fiel aus allen Wolken! Noch mal schreiben? Noch mal das Ganze tippen? Auf keinen Fall! Ich schnappte mir meine Flasche Wein, einen extra guten und teuren, einen Château noef du Pape, habe ich mir besorgt, weil ich ja jetzt reich werde, und soff sie aus. Am nächsten Tag, nachdem ich gekotzt und einen mindestens doppelten Kognak gesoffen hatte, überlegte ich, was ich jetzt tun sollte.
Die Vernunft, soweit sie noch vorhanden war, sagte mir, dass ich wohl nicht drum rum kommen würde, alles noch einmal zu schreiben. Ich setzte mich hin, sortierte die Seiten aus, auf denen nichts zu korrigieren war, und schrieb die anderen Seiten neu. Danach schickte ich das Skript zum Verlag und mir wurde bald darauf der Eingang bestätigt. Ich wurde aber auch darauf aufmerksam gemacht, dass ich beim nächsten Mal kein Original, sondern eine Kopie schicken sollte. Mir war das eigentlich schon bewusst und ich hätte das auch gemacht, aber ich hatte kein Geld für Kopien.
Also setzte ich mich in das Auto meiner Freundin und fuhr zum Verlag, um das Manuskript selbst abzugeben, damit es nicht verloren geht. Ich durfte das Skript beim Pförtner abgeben, weiter ließ er mich nicht kommen. Als ich schon wieder gehen wollte, kam die Verlegerin und fragte mich, wer ich sei. Ich stellte mich vor und sie war offensichtlich sehr erfreut, mich kennenzulernen. Wir kamen ins Gespräch und sie erklärte mir so einiges. Sie führte mich auch durch das Verlagsgebäude und die Druckerei. Als wir dann in ihrem Büro saßen, fragte sie mich, ob ich etwas dagegen hätte, wenn ein anderer das Buch herausgeben würde.
Als ich nachfragte, wer das denn sei, nannte sie mir einen Namen, der mir zunächst nichts sagte. Als sie mir aber erklärte, dass dieser Mann, ein bayerischer Dichter, Mitbegründer der Turmschreiber sei, war ich natürlich sofort einverstanden, denn ich erhoffte mir dadurch mehr Verkäufe. Am Ende unseres Gesprächs sagte sie mir zu, dass ich das Probeexemplar baldmöglichst in Händen halten würde. Ich war überglücklich und fuhr nach Hause.
Es dauerte zwar nicht lange, aber mir erschien es wie eine Ewigkeit, bis ich mein Probeexemplar in Händen hielt. Ich nahm das Buch, sah meinen Namen darauf, und als ich es durchblätterte, stand da alles genauso drin, wie ich es geschrieben hatte. Dem Buch war ein Brief beigelegt, in dem ich gebeten wurde, mitzuteilen, ob ich noch irgendwelche Fehler finden würde oder Änderungen machen wolle. Natürlich nicht! Das war mein Buch! Mein allererstes Buch mit meinem Namen drauf! Ich rief gleich im Verlag an und gab mein OK.
Wiederum schien es eine Ewigkeit zu dauern, bis ich meine Autorenexemplare bekam. Es waren zehn Stück, die ich in einem Paket zugeschickt bekommen hatte. Zehn Bücher mit meinem Namen drauf! War ich glücklich! Ich holte mir sofort eine Flasche besten Kognak und stieß mit mir selber darauf an. Langsam kam aber die Ernüchterung: „Du hast dein erstes Buch geschrieben, es wird verkauft und jetzt?“ Ich schaute noch einmal den Vertrag an und stellte fest, dass ich erst in einem Jahr die ersten Tantiemen bekommen würde.
Ein ganzes Jahr! So lange musste ich warten, bis ich meine Träume erfüllen konnte. Das konnte nicht sein! Das durfte nicht sein! Was nun? Was kann ich tun, um schneller an das große Geld zu kommen? Ich trank den kümmerlichen Rest aus der Flasche und besorgte mir neuen. Diesmal aber wieder einen billigen, denn das Geld reichte nicht für mehr. In mir wuchs der Trotz. Jetzt erst recht! Ich glaubte, zurecht, stolz auf mein Buch sein zu dürfen und dachte mir: „Was mit einem Kochbuch klappt, muss auch anders gehen! Es gibt so viele Schriftsteller, die gutes Geld verdienen. Warum sollte ich das nicht auch können?“
Ich war immer gut in der Schule, vor allem der Deutschunterricht gefiel mir und ich hatte auch entsprechende Noten. Also warum nicht einfach Aufsätze schreiben und verkaufen? Aber was und wo? Wer druckt einfache Geschichten? Wer bezahlt für einfache Geschichten? Gerade an diesem Tag kam ein Päckchen von meiner Tante. Darin waren, wie so oft, alte Zeitungen, die sie gelesen hatte und die sie mir immer wieder schickte, da sie wusste, dass ich die auch gerne las. Es waren Heimatzeitungen, auch Kirchenblätter waren dabei. Bei mir klingelte es sofort: „Da stehen auch Kindergeschichten drin! Warum schreibst du nicht einfach Kindergeschichten und schickst sie an die Zeitung?“ Gedacht, getan! Ich setzte mich also wieder an meine alte Schreibmaschine und tippte los.
Das heißt, ich wollte lostippen. Da kam mir aber der Gedanke: „Was schreibst du jetzt? Welche Geschichte ist für Kinder geeignet?“ Um meinem Hirn wieder Schwung zu geben, trank ich erst einmal einen großen Kognak mit Cola. Ich dachte: „Dann hast du mehr Fantasie!“ Mit der Fantasie war es dann nicht sehr weit her, denn ich legte mich auf meine Couch, schaltete den Fernseher ein und es dauerte auch nicht lange, da schlief ich.
Ich weiß heute nicht mehr, ob es ein Bericht im Fernsehen war, oder ob ich das geträumt habe, jedenfalls als ich später vom Rauschen des Fernsehers wach wurde, hatte ich eine Geschichte im Kopf. Sofort schenkte ich mir noch einen großen Kognak mit Cola ein, setzte mich an die Schreibmaschine und tippte los. Ehe ich mich versah, hatte ich vier Seiten getippt, als die Sonne aufging. Ich nahm eine der Heimatzeitungen, suchte mir die Kinderseite heraus und zählte, wie viele Wörter und Buchstaben so eine Geschichte haben muss, damit sie lange genug ist, um eine komplette Geschichte zu erzählen.
Als ich das alles gezählt hatte, verglich ich mit dem, was ich bisher zu Papier gebracht hatte. Ich war enttäuscht. So lange gearbeitet, vier Seiten getippt und noch nicht einmal die Hälfte dessen, was man dafür braucht. Ich rechnete nach: „Wenn du jetzt in der Zeit vier Seiten geschrieben hast, dann brauchst du mindestens noch …“ Ich gab auf zu rechnen, denn es war astronomisch viel Arbeit, die da auf mich wartete.
Aber, ich hatte bereits begonnen und warum sollte ich jetzt schon aufgeben? Also setzte ich mich wieder an die Maschine und schrieb. Ich schrieb und schrieb und vergaß dabei sogar zu trinken. Erst als ich zu zittern begann, merkte ich, dass ich etwas trinken musste, was ich dann auch tat. Ich schrieb drei Tage lang, bis ich endlich annähernd so viel geschrieben hatte, das es reichen musste. Ich ging mit meinem Werk zu meiner Sparkasse, die im Vorraum ein Kopiergerät hatte, und kopierte meine „geistigen Ergüsse“ dreimal.
Glücklicherweise hatte ich noch Geld genug, um die Kopien bezahlen zu können und auch die Briefmarken, die ich brauchte, um das Material an die Zeitungen zu schicken. Ich schrieb also die Begleitbriefe an drei verschiedene Heimatzeitungen und verschickte mein Werk. Ich vergaß dabei auch nicht, auf mein schon fertig in Verkehr gebrachtes Kochbuch hinzuweisen, da ich der Meinung war, dass dies sicher Eindruck machen würde.
Schon ein paar Tage später lagen Briefe in meinem Briefkasten, die von den Verlagen gekommen waren. Voller Stolz und Vorfreude öffnete ich die Briefe. Aber schon der erste Brief war eine klare Absage. Ich ließ mich aber nicht entmutigen, trank einen kräftigen Schluck Kognak und las den nächsten Brief. In diesem Brief wurde mir mitgeteilt, dass meine Geschichte in der nächsten Monatsausgabe gedruckt werden würde, falls ich mit dem Honorar, 20 D-Mark, einverstanden wäre. Ich dachte mir: „Na ja, besser als nichts!“, und öffnete den nächsten Brief in der Hoffnung, dass mir dort mehr geboten würde.
Aber auch dieser Brief war eine klare Absage. Ich rief bei dem Verlag, dessen Telefonnummer ich auf dem Schreiben fand, an und teilte mit, dass ich mit dem Honorar einverstanden wäre. Man sagte mir, dass die Geschichte dann in der nächsten Ausgabe zu finden wäre. Wieder mal hatte ich einen guten Grund zum Saufen gefunden. Am nächsten Tag fand ich einen Brief vom Arbeitsamt in meinem Kasten.
Darin wurde mir mitgeteilt, dass ich wegen eines Vermittlungsgesprächs dort erscheinen müsse. Ich fuhr also an dem Termin, der mir vorgegeben war, mit dem Auto meiner Freundin zum Arbeitsamt. Der Vermittler war zunächst sehr freundlich, sagte mir dann aber unverblümt: „Guter Mann, ich kann Sie nicht vermitteln, Sie sind offenbar Alkoholiker!“ Dermaßen von so jemandem beleidigt zu werden ging mir zu weit: „Was fällt Ihnen ein? Dann lassen Sie es eben! Ich suche mir selbst etwas!“ Für mich war damals der Begriff Alkoholiker verbunden mit Pennern, Obdachlosen, Asozialen, Schlägern und was weiß ich noch alles. Jedenfalls, ich war kein Alkoholiker! „Was fällt dem denn ein, mich als Alkoholiker zu bezeichnen! Eine Frechheit das! Ausgerechnet ich, ein Alkoholiker!“
Ich fuhr also wieder nach Hause, im Bauch eine Menge Wut über diesen Fuzzi! „Dem werde ich es zeigen, den hänge ich hin! Ich werde seine Vorgesetzten darüber informieren! So springt man mit mir nicht um, so nicht!“ Im Grunde wusste ich schon, dass er recht hat. Ich trank zu viel, aber Alkoholiker bin ich nicht! Ich nicht! Jeder zweite Kümmeltürke am Straßenrand vielleicht, aber ich nicht! Als ich zuhause ankam, wartete schon meine Freundin auf mich: „Da ist ein Inserat in der Zeitung, die Firma, die hier aufgemacht hat, sucht Mitarbeiter. Wäre das nichts für dich?“
Ich nahm die Zeitung, las das Inserat und war zunächst nicht sehr begeistert. Schichtarbeit! Drei Schichten! Das heißt letztendlich Tag und Nacht arbeiten. Zwar nur acht Stunden jeweils, aber drei Schichten. Für mich war das der reinste Horror. Genau das war einer der Gründe, warum ich nicht zu dem Autohersteller in Ingolstadt wollte. Ich hätte das machen können, ohne Weiteres hätte ich dort eine Lehre machen können. Aber dann? Schichtarbeit? Nein, danke! Um meiner Freundin einen Gefallen zu tun und vielleicht auch meine Ruhe zu haben, bewarb ich mich. Prompt wurde ich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, zu dem ich auch ging.
Ich wurde genommen und kurz darauf bekam ich auch meinen Arbeitsvertrag. Ich konnte nun gutes Geld verdienen, aber – es kam, wie es kommen musste. Ich soff weiter. Ich nahm sogar zur Arbeit in meiner Tasche diese kleinen grünen Kräuterlikörfläschchen mit und trank sie heimlich auf der Toilette. Ich war der Meinung, dass niemand etwas bemerkte. Eines Tages wurde ich in das Personalbüro gebeten und der Personalchef fragte mich, ob ich ein Alkoholproblem hätte. Wenn ja, dann würde man einen Entzug unterstützen und meinen Arbeitsplatz für mich frei halten.
Ich war entsetzt, nicht nur darüber, dass mein Personalchef so über mich dachte, sondern auch darüber, dass er mich in eine Entzugsklinik schicken wollte. Ich, ich in eine Suchtklinik! Ich bestritt natürlich, dass ich während der Arbeit Alkohol zu mir nehmen würde, so etwas käme für mich nicht infrage. Der Personalchef akzeptierte meine Aussage, so meinte ich wenigstens. Ein paar Tage lang soff ich weiter, dann kam die fristlose Kündigung. Wieder suchte ich Arbeit als Lkw-Fahrer. Eigentlich absurd, denn ich wusste, dass ich bei dieser Arbeit nichts saufen durfte.