Читать книгу Wenn wir 1918 ... - Walter Muller - Страница 5

Erster Teil: Das Alte stürzt!

Оглавление

Extraausgabe Vorwärts - Sonnabend, den 9. November 1918

Generalstreik!

Der Arbeiter - und Soldatenrat von Berlin hat den Generalstreik beschlossen. Alle Betriebe stehen still. Die notwendige Versorgung der Bevölkerung wird aufrecht erhalten. Ein großer Teil der Garnison hat sich i geschlossenen Truppenkörpern mit Maschinengewehren und Geschützen dem Arbeiter - und Soldatenrat zur Verfügung gestellt. Die Bewegung wird gemeinschaftlich geleitet von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und der Unabhängigen sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

Arbeiter, Soldaten, sorgt für Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung. Es lebe die soziale Republik!

Der Arbeiter - und Soldatenrat.

2. Extraausgabe - Vorwärts - Sonnabend, den 9. November 1918

Der Kaiser hat abgedankt!

De Reichskanzler hat folgenden Erlass herausgegeben: Seine Majestät der Kaiser und König haben sich entschlossen, dem Throne zu entsagen. Der Reichskanzler bleibt noch so lange im Amte, bis die mit der Abdankung Seiner Majestät, dem Thronverzichte Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen des Deutschen Reichs und von Preußen und der Einsetzung der Regentschaft verbundenen Fragen geregelt sind. Er beabsichtigt, dem Regenten die Ernennung des Abgeordneten Ebert zum Reichskanzler und die Vorlage eines Gesetzentwurfs wegen der Ausschreibung allgemeiner Wahlen für eine verfassungsgebende deutsche Nationalversammlung vorzuschlagen, der es obliegen würde, die künftige Staatsform des deutschen Volkes, einschließlich der Volksteile, die ihren Eintritt in die Reichsgrenzen wünschen sollten, endgültig festzustellen.

Berlin, den 9. November 1918 - Der Reichskanzler, Prinz Max von Baden

Es wird nicht geschossen!

Der Reichskanzler hat angeordnet, dass seitens des Militärs von der Waffe kein Gebrauch gemacht werde.

Parteigenossen! Arbeiter! Soldaten!

Soeben sind das Alleranderregiment und die vierten Jäger geschlossen zum Volke übergangen. Der sozialdemokratische Reichtagsabgeordnete Wels u.a. haben zu den Truppen gesprochen. Offiziere haben sich den Soldaten angeschlossen.

Der sozialdemokratische Arbeiter - und Soldatenrat.

3. Extraausgabe - Vorwärts - Sonnabend, den 9. November 1918

Arbeiter, Soldaten, Mitbürger!

Der freie Volksstaat ist da! Kaiser und Kronprinz haben abgedankt! Fritz Ebert, der Vorsitzende der sozialdemokratischen Partei, ist Reichskanzler geworden und bildet im Reiche und in Preußen eine neue Regierung aus Männern, die das Vertrauen des werktätigen Volkes in Stadt und Land, der Arbeiter und Soldaten haben. Damit ist die öffentliche Gewalt in die Hände des Volkes übergegangen. Eine verfassungsgebende Nationalversammlung tritt schnellstens zusammen.

Arbeiter, Soldaten, Bürger! Der Sieg des Volkes ist errungen, er darf nicht durch Unbesonnenheit entehrt und gefährdet werden. Wirtschaftsleben und Verkehr müssen unbedingt aufrecht erhalten werden, damit die Volksregierung unter allen Umständen gesichert wird. Folgt allen Weisungen der neuen Volksregierung und ihren Beauftragten. Sie handelt im engsten Einvernehmen mit den Arbeitern und Soldaten.

Hoch die deutsche Republik!

Der Vorstand der Sozialdemokratie Deutschlands. Der Arbeiter - und Soldatenrat.

4. Extraausgabe – Vorwärts - 9. Nov.. 1918

Sieg der Revolution!

Noske in Kiel von roten Matrosen festgenommen! Ebert im Flugzeug nach Holland entflohen! Nieder mit den Reformisten!

Hoch die soziale Revolution!

Das revolutionäre Kriegskomitee

Nach kurzem, blutigem Kampf wurde das Vorwärtsgebäude von roten Soldaten besetzt. Die alte Vorwärts-Redaktion ist verhaftet. Das revolutionäre Proletariat hat seine Zeitung wieder in Besitz genommen.

Arbeiter und Soldaten! Seid auf der Hut!

Raus mit den Durchhaltepolitikern aus allen Redaktionen, Gewerkschafts- und Parteibüros!

Glaubt nicht den Beteuerungen der Renegaten! Sie wollen die Einheitsfront mit Bürgertum und Generalität. Wir wollen die Einheit des revolutionären Proletariats. Sie wollen Nationalversammlung, bürgerliche Republik, Rettung des Kapitalismus.

Wir wollen das Kapital enteignen und durch den revolutionären Kampf der vereinigten Arbeiter, Bauern und Soldaten den Sozialismus verwirklichen.

Bildet überall Einheitskomitees aus zuverlässigen Klassenkämpfern aller Arbeiterparteien! Lasst uns dem Beispiel der russischen Brüder folgen! Keine Gefühlsduselei! Handelt rasch und rücksichtslos!

Alle Macht den Räten!

Der revolutionäre Einheitsausschuss

Vorwärts - 10. November 1918

Die Ketten sind zerbrochen. Die Macht des Kaiserreiches ist zusammengebrochen wie ein Kartenhaus.

Der Versuch der Kaisersozialisten, die Revolution zu verhindern, ist gescheitert. Die schlimmsten Feinde der sozialen Revolution, Wilhelm II. und sein Sachwalter Ebert, der selbst gesagt hat, dass er die Revolution hasse wie die Sünde, — sie sind erledigt. Die Bourgeoisie hat die Waffen gestreckt. Die Reformisten verlieren zusehends an Boden. Die Bahn ist frei für die Entwicklung zum Sozialismus. Deutschland ist geschlagen. Deutschland hat den Krieg verloren.

Soldaten und Arbeiter, lasst den Kopf nicht hängen! Geschlagen ist die deutsche Bourgeoisie, den Krieg haben die Hohenzollern und ihre Trabanten verloren. Ihr habt gesiegt, Arbeiter und Bauern Deutschlands. Denn zum ersten Mal in der Geschichte haltet ihr euer Schicksal selbst in Händen! Kein leichtes Schicksal: Die Entente hat die Westfront zerschlagen. Bald werden ihre Heere an der Grenze stehen. Im ganzen Lande herrschen Hunger und Desorganisation, die letzten Reserven sind erschöpft. Das Bürgertum ist zwar geschlagen, aber nicht vernichtet, an hunderttausend unsichtbaren Fäden hält es die wirtschaftliche Macht noch in Händen. Gelingt es uns nicht, diese Fäden zu zerreißen, so war unser Sieg ein Pyrrhussieg. Gewaltige Aufgaben türmen sich vor uns: Vernichtung des kapitalistischen Systems, Errichtung der sozialistischen Republik, Aufbau der sozialistischen Gesellschaft. Unser Vaterland Deutschland ist von heute ab nur noch ein Teil des großen Vaterlandes aller Werktätigen, — des Bundes der sozialistischen Rätestaaten. Unsere Ostgrenze liegt von heute ab am Eismeer, am Stillen Ozean, in der Mandschurei und der Mongolei. Wir reichen unseren russischen Brüdern die Hand. Sie sind uns Vorbild und Ansporn gewesen. Sie haben nach dem Sturz des Zaren nicht Halt gemacht; trotz tausendfach ungünstigeren Verhältnissen im Innern und nach außen haben sie den Kampf mit der eigenen Bourgeoisie und mit den verbündeten Heeren der ausländischen Kapitalisten — der Entente und der Mittelmächte — todesmutig aufgenommen. Allen Anstrengungen der gegen sie verbündeten Welt, allen weisen Prophezeiungen der falschen reformistischen Freunde zum Trotz, sind sie unbeirrt und erfolgreich ihren Weg gegangen. Nach schweren Kämpfen und ungeheuren Opfern steht heute die Arbeiter- und Bauernmacht in Zentralrussland ungebrochen da. Dank euch, Brüdern und Bundesgenossen! Ihr habt uns den Weg gezeigt und unser Hirn von verderblichen Illusionen gereinigt!

Arbeiter, Bauern und Soldaten! Unser Dank an die heroischen Kämpfer im Osten darf nicht leeres Wort sein: Wir müssen ihnen Hilfe leisten.

In Sibirien und am Weißen Meer, unter dem Schutz der internationalen kapitalistischen Interventionsarmeen, in Finnland, in Lettland, Litauen und Polen, in der Ukraine, in Bessarabien, in der Krim und im Kaukasus unter dem Schutz der kaiserlich deutschen Generale haben sich die Banden der Konterrevolution gesammelt. Dieselben zaristischen Generale, die gestern noch gegen Deutschland kämpften, bekämpfen heute Arm in Arm mit dem „Landesfeind" von gestern ihre wirklichen Feinde: die erwachten Arbeiter und Bauern Russlands. Diese Tatsache erhellt besonders deutlich die wichtigste und dringendste Aufgabe, die wir zu lösen haben: Befreiung Osteuropas und Sibiriens von der Gefahr der Konterrevolution. Wir rufen die deutschen Soldaten und Kriegsgefangenen im Osten, die viereinhalb Jahre für Fremde gekämpft und gelitten haben, heute auf, die Waffen noch einmal in die Hand zu nehmen und für ihre ureigensten Interessen zu kämpfen. Für den sozialistischen Universalwirtschaftsstaat, der sich vom Rhein bis zum Amur, von der Nordsee bis zum Stillen Ozean, von der Adria bis zum Eismeer erstreckt und seine Grenzen bald weiter und weiter stecken wird, bis er die ganze befreite Welt umspannt.

Kein Zaudern jetzt, entschlossenes Handeln tut not. Kein Opfer darf gescheut werden. Zehn Millionen blühende Menschenleben sind dem Kapitalismus sinnlos geopfert worden. Die Opfer dagegen, die sich jetzt die vereinigten Arbeiter und Bauern auferlegen, sind nicht sinnlos! Sie allein können verhindern, dass die Herren von gestern ungestraft aus dem Völkermord hervorgehen und ihre fluchwürdige Macht grausamer und willkürlicher als vor dem Kriege wieder aufrichten. Sie allein können verhindern, dass der Kapitalismus erneut das schaffende Volk in Ketten legt, erneut die Erde zum Spielball seiner Spekulationen macht, dass er Millionen Arbeitslose auf die Straße wirft, die schwachen Nationen unterdrückt und auspresst, um schließlich abermals das Verbrechen von 1914 zu wiederholen: im Kampf um Absatzmärkte und Bodenschätze die Welt mit Krieg zu überziehen. Dieser Krieg würde noch viel entsetzlicher und verheerender als der letzte. Was sind dagegen die Kämpfe, die uns heute bevorstehen? Kameraden, Genossen!

Haltet aus! Und wenn ihr auch noch Monate und Jahre lang kämpfen und leiden müsst. Ihr schuldet es euch und euren Kindern!

Der Kapitalismus darf seine blutige Herrschaft nicht wieder antreten.

Wir setzen der Internationale des Geldes die Internationale der Arbeit entgegen, und der Endsieg wird unser sein. Gewiss, — Rom wurde nicht an einem Tage erbaut. Wir dürfen den Sinn für die Grenzen des Erreichbaren nicht verlieren. Wir werden mit den Westmächten Frieden schließen müssen, selbst wenn es ein harter Friede wird. Aber dieser Friede wird ungleich günstiger sein als jeder Friede, den man dem kleinen, ohnmächtigen Deutschland der Monarchisten und Reformisten diktiert hätte. Die große eurasische Republik kann von keiner Macht der Welt einem Diktat unterworfen werden. Sie wird den Frieden, wenn es sein muss, teuer bezahlen, — nie aber wird sie kapitulieren und sich das Gesetz des Handelns von ihren Feinden vorschreiben lassen.

Ex Oriente lux! Das Licht kommt aus dem Osten. Ein neuer Morgen der Menschheitsgeschichte dämmert. Mitteleuropa liegt unter den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne. Werden auch die englischen und französischen Genossen ihrer Aufgabe gewachsen sein? Wird die Sonne des Sozialismus bald auch über Westeuropa aufgehen? Wir wissen es noch nicht. Eins aber wissen wir ganz genau: Wir wollen zeigen, dass wir den Aufgaben der großen Zeit gewachsen sind. Wir werden unsere ganze Kraft daran setzen, auf den Trümmern des Kapitalismus eine neue, bessere Welt zu erbauen.

Verordnungen

In allen Abteilungen der Armee, in allen Fabriken und Betrieben sind sofort Arbeiter- und Soldatenräte zu wählen. Die Gewalt liegt überall in den Händen dieser Räte. Frühere Offiziere können als Vollzugsorgane und technische Leiter herangezogen werden, wenn sie sich bedingungslos der neuen Befehlsgewalt unterstellen.

Aus allen Arbeiter- und Soldatenräten sind sofort Delegierte in die Ortsräte zu entsenden.

Die örtlichen Räte entsenden auf je 1000 Einwohner und Soldaten je einen Delegierten in die Kreisräte. Auf je 20 Mitglieder eines Kreisrates wird ein Delegierter in den Bezirksrat gewählt. Auf je 3 Mitglieder des Bezirksrats wird von diesem ein Mitglied in die Rätevollversammlung, auf je 20 Mitglieder der Bezirksräte ein Mitglied in den Reichsexekutivrat entsandt.

Die Grenzen der Kreise und Bezirke werden gleichzeitig von den provisorischen Räten am Sitz der früher selbständigen Bundesstaaten bestimmt. In Preußen bilden die früheren Provinzen die Bezirke. In Bayern werden 3, in Württemberg 2 Bezirke gebildet. Alle übrigen früheren Bundesstaaten bilden vorläufig je einen Bezirk. Enklaven gehören zu dem Bezirk, in dem sie liegen.

Wahlberechtigt ist jeder werktätige Deutsche im Alter von über 20 Jahren. Unternehmer und frühere Offiziere haben vorläufig weder aktives noch passives Wahlrecht, wenn sie nicht einer sozialistischen Partei angehören.

Der vorläufige Revolutionsausschuss

An die deutschen Truppen in Finnland

Man schickte euch nach Finnland, um den Freiheitskampf der finnischen Arbeiter und Bauern niederzuknüppeln. Wichtiger als der Entscheidungskampf an der Westfront war dem Kaisertum die Unterdrückung der sozialistischen Revolution im Osten. Kameraden, die Stunde der Freiheit hat geschlagen.

Ihr braucht jetzt nicht mehr gegen eure eigenen Interessen zu kämpfen. Wählt sofort Soldatenräte und reiht euch in die rote Front ein! Offiziere, die sich der Befehlsgewalt des Soldatenrats unterstellen, können zur militärischen Leitung herangezogen werden. Alle andern sind zu internieren und bei jedem Versuch konterrevolutionärer Agitation oder Sabotage unverzüglich zu erschießen.

Das rote Oberkommando der Ostarmee

Vorwärts - 11. November 1918

Abrechnung mit den Renegaten

Es ist gelungen, mehrere illegale Versammlungen der Kaisersozialisten auszuheben. Sie hoffen noch immer, ihren Einfluss auf die Massen zurückzugewinnen. Sie hoffen noch immer, die Revolution abwürgen zu können, wie sie die Januarstreiks abgewürgt haben. Was taten denn diese Herren „Genossen", als sie glaubten, die Macht in Händen zu halten, als sie den Arbeitern einzureden versuchten: „die öffentliche Gewalt ist in die Hände des Volkes übergegangen," weil „Fritz Ebert, der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei, Reichskanzler geworden ist"? Als die Massen nicht mehr zu halten waren, machten die Reformisten im geheimen Einvernehmen mit den Herren von gestern die Revolution auf dem Papier mit, um die Erregung zu dämpfen. In Wirklichkeit aber organisierten sie ohne Zögern die Konterrevolution. Exzellenz Scheidemann brach die Beziehungen zur russischen Sowjetregierung ab und wies Joffe aus. Ebert verbündete sich mit dem Großen Hauptquartier, mit Groener und Hindenburg. Seine Beziehungen zur Bourgeoisie wurden im Augenblick des Zusammenbruchs noch herzlicher, als sie schon waren. Kaum fielen die alten Ketten, da versuchten diese Lakaien das Proletariat in neue Ketten zu schmieden. „Nationalversammlung" war das Zauberwort, mit dem sie die revolutionären Energien zu bannen versuchten, mit dem sie die „Demokratie" — das heißt das Bürgertum und seine Macht — vor dem Ansturm der Massen retten wollten. Noske fuhr im Auftrage der kaiserlichen Regierung nach Kiel, um den Matrosenaufstand abzublasen. Als das nicht gelang, wollte auch er sich plötzlich als Revolutionär aufspielen. Doch die roten Matrosen durchschauten das Spiel und verhafteten ihn. Fast hätte er das Schicksal Heines, des kaiserlichen Kommandanten der kieler Festung, geteilt und wäre von den empörten Massen erschossen worden. Um wie viel besser wäre es für unsere Bewegung gewesen, wenn Noske schon 1907 von dem Parteitage ausgeschlossen worden wäre, auf dem er seine imperialistischen Anschauungen klar bekundete. Wie viel Hunger und Not, wie viel Millionen Tote und Verwundete wären der Menschheit erspart geblieben, wenn wir uns, wie die Bolschewiki in Russland, von den rechten Renegaten in der Partei befreit und rücksichtslos alle Elemente bekämpft hätten, denen die Geldsackdemokratie viel wichtiger erschien als der Sozialismus.

Endlich ist das Proletariat erwacht. Es duldet nicht, dass die Gehirne wieder von neuem umnebelt werden durch Leute, die den Ehrennamen „Sozialist" zu Unrecht führen. Ende Oktober bereits hat eine Geheimkonferenz treugebliebener Klassenkampf er aus fast allen größeren Orten Deutschlands und Österreichs folgende Entschließung gefasst: „Die Vereinigung der SPD., USPD. und des Spartakusbundes auf dem Boden des unversöhnlichen Klassenkampfes muss im Interesse der nahenden Revolution herbeigeführt werden. Alle Sozialisten, die es ernst meinen mit der Sache des Proletariats, haben sofort den Kampf gegen den Krieg, gegen das Kaiserreich, gegen den Kapitalismus und gegen die Opportunisten und Verräter in den eigenen Reihen aufzunehmen und zu organisieren. Wer sich diesen Beschlüssen nicht fügt, ist auszuschließen. Unverzüglich auszuschließen sind ferner alle Führer, die die Weiterführung der Kriegspolitik auch nach 1917 noch ermöglichten, sowie die Knebelung der proletarischen Meinungsfreiheit, die Absetzung linker Redakteure und die Maßnahmen der Staatsgewalt gegen die revolutionäre Agitation während des Krieges veranlassten oder förderten."

Auf derselben Zusammenkunft wurden fünf Delegierte für eine internationale Konferenz gewählt, die gestern zum ersten Mal tagte. Infolge der sich überstürzenden Ereignisse sah sich diese Konferenz vor völlig neue Aufgaben gestellt. Sie sollte ursprünglich die schwachen Fäden, die in Zimmerwald und Kienthal gesponnen wurden, fester knüpfen. Jetzt aber konnte sie sich bereits der Ausarbeitung von Richtlinien zur Sicherung der mittel- und osteuropäischen Revolution vor Anschlägen der Ententestaaten widmen. Besonders bemerkenswert sind die Ausführungen des französischen Delegierten, dessen Namen wir aus begreiflichen Gründen nicht veröffentlichen können. Er sagte: „Wir französischen Genossen begrüßen den Ausschluss der konterrevolutionären Führer. Wir befinden uns jetzt in derselben Lage wie ihr vor einem Jahre. Die Sicherheit der Revolution ist jetzt in höchstem Grade von unserer Haltung abhängig. Deshalb müssen wir einen Unterschied machen zwischen der Politik des Jahres 1914 und der des Jahres 1918. 1914 haben wir alle schwere Fehler gemacht. Die meisten von uns wurden vom chauvinistischen Taumel erfasst und schenkten den kapitalistischen Lügenmeldungen Glauben. Wir wären aber schlechte Marxisten, wenn wir unser Versagen 1914 nur einem Zufall zuschreiben würden. Schuld daran war die revisionistische Einstellung, die sich lange vor dem Kriege in fast allen sozialdemokratischen Parteien breit machte. Aber die Tat der russischen Genossen, die an den revolutionären Prinzipien festgehalten hatten, gab uns Gelegenheit, unseren Revisionismus zu revidieren. Was aber taten eure korrumpierten Führer? Sie bewilligten weiter Kriegskredite, obwohl von Landesverteidigung keine Rede mehr sein konnte und der Kampf im Osten ganz eindeutig gegen die russische Revolution und für die imperialistische Annektionspolitik geführt wurde. Sie haben zugesehen, wie die finnische Revolution mit Hilfe deutscher Truppen in Arbeiterblut ertränkt wurde. Dafür gibt es keine Entschuldigung. In diesem Augenblick musste selbst der verbohrtest Sozialpatriot den Kampf gegen den Krieg aufnehmen. Hättet ihr diese verräterischen Elemente nicht ausnahmslos ausgestoßen, — was sollten wir dann den französischen Proletariern sagen, wenn morgen unser Kapitalismus den Kampf gegen die deutsche Revolution aufnimmt? Wir sind überzeugt, dass die französischen Proletarier ihre Pflicht tun werden, sobald sie sehen, dass ihr Ernst macht mit der Revolution, dass ihr nicht nur das Firmenschild gewechselt habt, sondern den Klassenstaat wirklich beseitigen wollt."

Der Kongress stimmte der Rede des französischen Genossen begeistert zu und bestätigte den Beschluss des deutschen Geheimkongresses. Der Ausschluss der Kaisersozialisten ist damit von der Internationale bestätigt worden. Wir haben keine Gemeinschaft mehr mit Opportunisten und Renegaten.

An die Arbeiter und Bauern in Polen, Lettland, Litauen, Weißrussland, Rumänien, Bessarabien, in der Ukraine am Don, in der Krim und im Kaukasus

Unterdrückte aller Nationen!

Schwer lastete auf euch das Joch des Zarismus. Dann wurde die Knute abgelöst von den Bajonetten des deutschen Kaisers. Jetzt endlich hat die Stunde eurer Befreiung geschlagen.

Die deutsche Revolution reicht euch die Bruderhand. Zusammen mit euch und mit den revolutionären Arbeitern und Bauern Sowjetrusslands wollen wir den Bund der sozialistischen Rätestaaten errichten.

Der Sieg der sozialen Revolution ist die Vorbedingung eurer nationalen Befreiung.

Reiht euch ein in die revolutionäre Front! Besetzt die Fabriken! Jagt die Gutsherren zum Teufel!

Wählt Arbeiter- und Bauernräte!

Bildet rote Kampfformationen! Die Soldatenräte der roten Ostarmee werden euch mit Waffen versehen. Wir haben sie aufgefordert, sich den örtlichen revolutionären Vollzugsorganen der Arbeiter und Bauern zur Verfügung zu stellen. Brecht mit der Vergangenheit! Begrabt den nationalen Hader, der vom Zarismus künstlich genährt wurde, um euch alle um so bequemer unterdrücken zu können! Hoch die Freiheit der Nationen! Hoch die internationale sozialistische Revolution!

Vorwärts - 12. November 1918

Waffenstillstand

Endlich hat das sinnlose Morden ein Ende. Die Waffenstillstandsbedingungen sind hart, aber wir mussten sie annehmen. Die Proletarier hören auf, sich gegenseitig niederzumetzeln. Die Fronten haben sich geändert. Sie gehen nicht mehr an der Somme und an der Maas entlang, sie gehen quer durch alle Länder. Auf der einen Seite die Bourgeoisie, auf der andern das Proletariat. „Sozialismus" ist unser, „Kapitalismus" der anderen Feldgeschrei. Aber sie schreien es nicht laut, die da drüben, sie möchten überhaupt nicht mehr laut werden lassen, dass sie Kapitalisten sind. Sie schreien: „Demokratie", wenn sie Kapitalismus meinen, und „Nationalversammlung", wenn sie an Profitwirtschaft denken. Sie sind ja auf einmal so sozial geworden, unsere Herren Kapitalisten. Sie sind ja mit dem Munde so sozialistisch geworden, dass wir uns dagegen fast wie Waisenknaben vorkommen. Aber wir wissen, was dahintersteckt. Wir wissen, was es auf sich hat, wenn sich die Wölfe plötzlich ein Schafsfell umhängen. Und wir müssten tatsächlich Schafsköpfe sein, wenn wir darauf hereinfallen würden.

Waffenstillstand??

Ja, die Feinde von gestern haben uns die Waffenruhe zugestanden, wenn auch unter sehr harten, unter furchtbaren Bedingungen. Aber die Gegner von heute, unsere Herrscher von gestern, haben uns den Krieg erklärt. Eine Geheimkonferenz in Villa Hügel hat sich mit dem Beschluss des Rates der Volksbeauftragten über die Sozialisierung der Großindustrie befasst. Die Stinnes, Thyssen, Klöckner und Konsorten haben beschlossen, eine Kommission nach Paris zu schicken. Diese Kommission, die bereits in der Schweiz ist, hat den Auftrag, das interalliierte Hauptquartier zu ersuchen, nicht am Rhein Halt zu machen, wie im Waffenstillstandsabkommen vorgesehen, sondern auch das Ruhrgebiet, wenn nicht ganz Deutschland zu besetzen. Der Rat der Volksbeauftragten hat gegen die Beteiligten sofort Haftbefehl erlassen.

Ob die Alliierten dumm genug sein werden, dem Wunsche der deutschen Großkapitalisten Folge zu leisten? Glauben sie, ihre Truppen fest genug in der Hand zu haben, um sie im Falle eines Einmarsches der dauernden revolutionären Infizierung aussetzen zu können? Ludendorff und General Hoffmann haben es in Russland gewagt und zunächst recht behalten. Aber trotz einer gewissen Analogie liegen die Dinge heute ganz anders. Der deutsche Soldat ging damals vor, im Glauben Brot für das hungernde Deutschland zu beschaffen. Die Westmächte weigerten sich, an den Friedensverhandlungen teilzunehmen. Der Krieg ging weiter. Jetzt aber ist der Krieg zu Ende. England und Frankreich sind nicht mehr bedroht. Die Macht des deutschen Militarismus ist gebrochen. Der Kaiser nach Holland geflohen. Die Revolution ist nicht mehr auf ein Land beschränkt, sondern hat halb Asien und Europa erfasst. Werden sich unter diesen Umständen die französischen und englischen Genossen willenlos dem Diktat ihrer Regierungen beugen?

Waffenstillstand??

Vorläufig ja. Der imperialistische Krieg ist zu Ende. Aber der Krieg gegen die sozialistische Revolution wird fortgesetzt werden. Wir müssen uns rüsten zur bewaffneten Verteidigung der Revolution. Die Erfahrung in Russland hat gelehrt, dass die alten Kampfverbände für den revolutionären Kampf in der Regel ungeeignet sind. Das revolutionäre Kriegskomitee hat deshalb beschlossen, bei jeder Ersatzformation im rechtsrheinischen Gebiet eine freiwillige rote Formation und ein rotes Rekrutendepot ins Leben zu rufen. Alle in die Heimat zurückkehrenden Kameraden sollen sich selbst entscheiden, ob sie zum Zweck der Demobilmachung zum Ersatztruppenteil gehen oder in das aktive rote Regiment eintreten wollen. Alle Regimenter, die im Osten stehen, werden in rote Regimenter umgewandelt. Alle Kameraden, die in diesen Regimentern stehen, sind verpflichtet, bis zum 31.Dezember auszuhalten. Vom 1. Januar 1919 ab können sie die Entlassung in die Heimat beantragen und werden durch rote Freiwillige aus Deutschland ersetzt. Die russischen Kriegsgefangenen in Deutschland und Österreich haben begonnen, rote Formationen zu bilden. Das Revolutionäre Kriegskomitee hat befohlen, diese roten Truppen mit dem erbeuteten russischen Kriegsmaterial auszurüsten.

Waffenstillstand:

Vier Jahre lang wurden täglich Hunderte und Tausende von Menschen geschlachtet. Vier Jahre Dreck, Not, Hunger, Verzweiflung. Vier Jahre Schlamm, Gas, Maschinengewehre, Drahtverhau, Läuse und Ratten. Vier Jahre Fliegerbomben, zerstückelte Menschenleiber, brennende Städte, vernichtete Dörfer, krepierende Pferde. Vier Jahre schwärende Wunden, eitrige leere Augenhöhlen, verspritztes Gehirn, unbegrabene Leichen. Gab es jemals vier Jahre, die so lang waren wie diese? So angefüllt mit Mutterleid und Kindesweh? So durchtränkt mit Blut? Sind jemals solche Ströme von Tränen geflossen? Schrie jemals die entstellte, aufgewühlte Erde so zum Himmel? Gab es jemals Wälder, die so aussahen wie die in der Champagne und in den Argonnen? Gab es jemals so gedrückte, verschmutzte, zerschundene und entmenschte Wesen wie an der Somme, vor Verdun? Schnitten schon einmal die Sägen der Chirurgen so andauernd in Menschenfleisch und Menschenknochen? Haben sich jemals die abgesägten Arme und Beine so zu Bergen gehäuft wie in diesen vier Jahren? Gab es das schon einmal, dass Menschen, vor fünf Minuten noch kerngesund, ihre gaszerfetzte Lunge in Stücken ausspieen? Vier Jahre verschüttete Unterstände, erstickende und verbrennende Menschen, Verwundete zwischen den Drahtverhauen, fünf Meter vom Kameraden entfernt und doch hilflos verdurstend, hungernd, schmerzgepeinigt, von Ratten lebendig angefressen. Vier Jahre gefangene Menschen, hinter Stacheldraht, fern von Weib und Kind, getreten und geprügelt, am Hungertyphus krepierend. Vier Jahre Hunger und Elend in der Heimat, rachitische Kinder, ausgemergelte Frauen in den Gasfabriken und an den Drehbänken. Und wofür das alles, wofür? Soll es umsonst gewesen sein?

Es ist nicht umsonst gewesen, wenn wir jetzt unsere Pflicht tun und die Opfer auf uns nehmen, die der Befreiungskampf der Menschheit von uns verlangt. Niemals gab es so günstige Möglichkeiten für die Erhebung des Proletariats wie jetzt. Sie sind teuer bezahlt worden, diese Möglichkeiten, sehr teuer. Und sie sind vergeblich bezahlt worden, wenn wir sie nicht restlos ausnutzen. Wir haben den Kaufpreis vergeblich bezahlt, 10 Millionen Menschen kamen sinnlos um, wenn wir den Weg jetzt nicht zu Ende gehen. Was ist zu tun? Wir werden versuchen, Frieden mit den Westmächten zu schließen. Wir werden dem französischen Volke beim Wiederaufbau der zerstörten Gebiete helfen. Wir werden vielleicht noch weitere Lasten auf uns nehmen

müssen. Aber wir werden nicht aufhören, unseren französischen und englischen Genossen zuzurufen: Folgt unserm Beispiel!

Wir werden niemals, auch nicht unter dem Druck von Waffengewalt, den Kampf für den Sozialismus aufgeben. Wir werden niemals unser Einverständnis dazu geben, dass Mittel- und Osteuropa zerstückelt und in kleinen Teilen für den Kapitalismus zurückerobert wird. Wir werden niemals den Kampf für den sozialistischen Weltbund aufgeben, und wenn wir uns unter dem Druck der kapitalistischen Armeen bis hinter den Ural zurückziehen müssten. Wir sind bereit, für den Frieden Opfer zu bringen, aber wir sind nicht bereit, der kapitalistischen Profitgier oder unserem Ruhebedürfnis die Zukunft der Menschheit zu opfern. Am Tage des Waffenstillstandes schwören wir den zehn Millionen Toten: „Ihr sollt nicht umsonst gefallen sein. Auf der mit eurem Blut gedüngten Erde soll eine neue, bessere Welt erstehen."

Verordnung

Die neu gebildeten Arbeiterwehren sind aus den Beständen der Militärarsenale sofort mit Waffen und Munition zu versehen. Jeder Anforderung von Ausbildungspersonal muss von den Ersatztruppenteilen sofort entsprochen werden.

Das revolutionäre Kriegskomitee

Letzte Telegramme

Halbinsel Krim Umsturz vollzogen. In Odessa Macht an Stadtsowjet übergeben. Französische Flotte im Anmarsch.

Oberster Soldatenrat Südostfront

Weiße Regierung gestürzt. Kiew und Charkow in der Gewalt der Sowjets.

Deutscher Zentralsoldatenrat in der Ukraine

Vorwärts - 16. November 1918

Lenin kommt nach Berlin

Lenin, der große Führer der russischen Revolution, ist vom Deutschen Rat der Volksbeauftragten befragt worden, ob er bereit sei, vorläufig die Leitung der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa zu übernehmen. Heute ist folgendes Antworttelegramm eingelaufen:

Einverstanden. Komme am 28. November. Beruft Vertreter sämtlicher zukünftiger Bundesstaaten und sozialistische Gäste aus anderen Staaten nach Berlin. Nehmt Fühlung mit tschechischen Sozialisten, damit tschechische Legionäre Kampf gegen Revolution einstellen. Heimtransport erfolgt sofort, wenn weiße Führer abgesetzt. Begrüße eure Erfolge. Mit Unterstützung deutscher Truppen halten in Finnland, Litauen, Lettland, Weißrussland, Ukraine und Krim Sowjets Macht überall fest in Händen. In Finnland noch Kämpfe mit Weißgardisten. Bessarabien Räterepublik. Deutsche Soldaten und rote Partisanen bekämpfen erfolgreich rumänische Besatzungstruppen. Einige rumänische Regimenter meuterten. In Bukarest von Sozialisten und deutschen Soldaten Räteregierung proklamiert. Weiße rumänische Regimenter marschieren gegen Bukarest. Rote Offensive an Uralfront und Nordfront (gegen Archangelsk und Murmansk) begonnen. Eilsendet Truppen, Panzerzüge und Flugzeuggeschwader nach Bukarest, Pensa, Kasan und Petrograd. Angriff französischer Landungstruppen auf Odessa abgeschlagen.

Lenin

Vorwärts - 18. November 1918

Offiziersrevolte in Schweden?

Schon seit längerer Zeit waren kapitalistische und militaristische Kreise in Schweden bestrebt, Stimmung für eine Intervention in Finnland zu machen. Nach Niederwerfung der finnischen Revolution durch die kaiserlichen deutschen Truppen gelang es der schwedischen Regierung, diese Bewegung im Zaum zu halten. Nachdem sich nun die deutschen Truppen in Finnland auf die Seite der Revolution gestellt und Mannerheim entscheidend geschlagen haben, gewinnt die interventionistische Bewegung wieder an Boden. Die jetzige Regierung will sich nicht zu diesem Schurkenstreich hergeben. Die Offiziersverschwörer planen deshalb, die Regierung mit Waffengewalt zu stürzen und in Finnland einzuziehen, um gemeinsam mit der weißen Regierung Finnlands die Revolution niederzuwerfen. Die Sozialdemokratische Partei Schwedens hat beschlossen, den Kampf gegen die Interventionisten aufzunehmen und zwei Delegierte zum Alleuropäischen Kongress nach Berlin zu entsenden.

Ultimatum der Westmächte

Vom Interalliierten Hauptquartier ist folgendes Ultimatum eingegangen.

An den Rat der Volksbeauftragten

Es ist bisher kein Schiff der deutschen Flotte abgeliefert worden. Deutsche Truppen beteiligen sich am Kampf gegen die französischen Landungstruppen in Odessa. Deutsche Truppen haben in Polen, im Baltikum, in der Ukraine, in Rumänien und in den unbesetzten Teilen von Bulgarien die Räterepublik ausgerufen. Mitglieder der interalliierten Militärkommission sind bei ihrer Ankunft auf dem Warschauer

Flugplatz von deutschen Soldaten, angeblich im Auftrage des Warschauer Arbeiterrates, verhaftet worden. Das alles verstößt gegen die Waffenstillstandsbedingungen. Wir fordern: Sofortige Ablieferung der deutschen Flotte. Einstellung aller Kampfhandlungen in Russland und in den Randstaaten. Keine Einmischung in die' osteuropäischen Verhältnisse. Unterstellung aller deutschen Osttruppen unter das Kommando der interalliierten Militärkommission. Wenn diese Forderungen nicht innerhalb 24 Stunden erfüllt werden, wird der Kampf gegen die deutsche Westarmee wieder aufgenommen. gez. Foch

Die Pläne der Alliierten

Über die Schweiz erhielten wir wichtige Nachricht von französischen Genossen. Vom Interalliierten Hauptquartier werden folgende Pläne erwogen. Finnland mit Karelien soll ein selbständiger Staat, oder, wenn Schweden erfolgreich eingreift, zu Schweden geschlagen werden. Lettland und Litauen sollen selbständige Pufferstaaten bilden. Polen soll selbständig werden und an der Weichsel entlang einen Zugang zum Meer erhalten, so dass Ostpreußen durch einen polnischen Korridor vom übrigen Deutschland abgetrennt würde. Die Ukraine soll von Russland abgetrennt und ebenso wie das Kaukasusgebiet ein selbständiger Staat werden. Die von rumänischen Arbeitern und deutschen Soldaten gestürzte und aus Bukarest geflohene rumänische Regierung soll mit Unterstützung der französischen Flotte und einer interalliierten Interventionsarmee den Kampf gegen die rumänische, russische und deutsche Revolution fortsetzen. Zum Dank dafür soll Rumänien folgende Gebiete erhalten: von Russland — ganz Bessarabien, von Bulgarien — die Dobrudscha, von Ungarn — ganz Siebenbürgen und außerdem große Landstrecken mit rein magyarischer Bevölkerung.

Ein teuflischer Plan, begründet mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker. Als ob man die Arbeiter und Bauern in Finnland, im Baltikum, in Polen, Siebenbürgen, Bessarabien und in der Ukraine nach ihrer Meinung gefragt hätte. Die Kapitalisten aus diesen Gebieten vielleicht! Denn es sollen ja kapitalistische Randstaaten werden, beschützt von der Entente. Ein langer Riegel von kapitalistischen Pufferstaaten, vom Eismeer bis ans Kaspische Meer soll zwischen Deutschland und Russland gelegt werden, damit man die sozialistische Revolution zuerst in den Randstaaten, dann in Deutschland und schließlich in der Sowjetunion niederknüppeln kann. Damit wäre wohl den Kapitalisten in Westeuropa und Amerika gedient, aber nicht den werktätigen Klassen in den Randstaaten, denen man die nationale Freiheit verspricht. Das ist eine ganz infame Lüge, diese Parole von der nationalen Freiheit im Zeichen des Kapitalismus. In all diesen geplanten Randstaaten leben große nationale Minderheiten. Sie alle würden, wenn der teuflische Plan der Ententestaaten Wirklichkeit werden sollte, im Namen des Selbstbestimmungsrechts der Völker, von der feudalen und kapitalistischen Herrenschicht der herrschenden Nation vergewaltigt und unterdrückt werden. Nur im Sozialismus, nur im sozialistischen Bundesstaat kann die nationale Unabhängigkeit und kulturelle Freiheit verwirklicht werden. Das hat die Sowjetunion bereits bewiesen: sie hat den fast 200 Nationen, die auf dem Gebiet der Sowjetunion leben und die unter dem Zarismus gewaltsam unterdrückt und russifiziert wurden, völlige nationale und kulturelle Selbständigkeit verliehen. Für Mitteleuropa und den Balkan aber gilt dasselbe wie für Osteuropa und Nordasien. Wir sitzen in einer Zwickmühle. Der Kapitalismus spielt seinen letzten Trumpf aus. Sollen wir das Ultimatum ablehnen und damit Hunderttausende von deutschen Soldaten, die noch auf linksrheinischem Gebiete marschieren, den Kapitalisten des Westens überantworten oder es annehmen

und damit unsere Zukunft preisgeben? Sind unsere Arbeitsbrüder in den Randstaaten schon so weit, dass sie den Kampf gegen ihre Unterdrücker auch ohne deutsche Hilfe zu Ende führen können? Können sie sich wenigstens so lange halten, bis die russische rote Armee ihnen zu Hilfe kommt? Eine ungeheure Verantwortung liegt auf den Volksbeauftragten. Wie werden sie sich entscheiden?

Vorwärts - 19. November 1918

Die Antwort der Volksbeauftragten

Die gestern an das interalliierte Hauptquartier abgesandte Note hat folgenden Wortlaut:

Wir bestreiten die Berechtigung der gestellten Forderungen. Wir wollen aber nicht, dass noch einmal Proletarier auf Proletarier schießen. Wir wollen unsere Leidensgenossen in der englischen, französischen, amerikanischen, belgischen und italienischen Armee nicht vor die Frage stellen, ob sie dem Befehl ihrer Offiziere gehorchend auf ihre deutschen Brüder schießen oder der Stimme ihres Gewissens folgend mit den Soldaten der deutschen Revolution sich verbrüdern sollen. Wir wollen mithelfen am Wiederaufbau der durch den sinnlosen Krieg zerstörten Gebiete und nicht neue Städte und Dörfer in Schutt und Asche verwandeln. Wir appellieren an das Gewissen der Menschheit und beugen uns unter Protest der Gewalt. Um neues Blutvergießen zu vermeiden, sind wir zu folgenden Zugeständnissen bereit:

Die deutschen Osttruppen werden angewiesen, sich an keinem Kampfe gegen Truppen der Alliierten zu beteiligen. Die deutschen Osttruppen werden der interalliierten Befehlsgewalt unterstellt. Diese Anordnung verliert aber sofort ihre Gültigkeit, wenn den deutschen Truppen zugemutet wird, sich an der Bekämpfung der Revolution zu beteiligen.

Die zur Ablieferung bestimmten Schiffe der deutschen Flotte werden in drei Tagen die Anker lichten, vorausgesetzt, dass die Alliierten den Waffenstillstand nicht brechen.

Der Rat der Volksbeauftragten

Vorwärts - 20. November 1918

Genossen! Wahrt revolutionäre Disziplin!

In den letzten Tagen mehren sich die Klagen über Disziplinbrüche in den Ersatztruppenteilen. Es ist verständlich, wenn nach dem Zusammenbruch der alten Ordnung mancher sich nicht gleich völlig der neuen Ordnung einfügen kann. Viele Kameraden, die vier Jahre und noch länger in der Zwangsjacke des Militarismus gesteckt haben, lehnen jetzt überhaupt jeden Zwang ab. Sie können noch nicht unterscheiden zwischen dem Kadavergehorsam in der kaiserlichen Armee und der freiwilligen revolutionären Selbstzucht, die jeder Soldat der roten Armee aufbringen muss, wenn sie ihren Kampf siegreich zu Ende führen will. Glaubt nicht, dass der Kampf schon zu Ende ist! Glaubt nicht, dass die Feinde der Arbeiterschaft, die Feinde der jungen sozialistischen Räterepublik, das Spiel bereits verloren gegeben haben. Wenn sie auch jetzt ruhig sind: sie warten nur auf einen günstigen Augenblick. Wehe uns, wenn es ihnen gelingt, die Macht zurückzuerobern! Wollt ihr, dass die Revolution in einem Meer von Blut und Tränen erstickt wird? Was werdet ihr einmal euren Kindern antworten, wenn durch eure Schuld die Revolution niedergeschlagen worden ist und eure Kinder, die weiter unter dem Joch des Kapitalismus seufzen müssen, euch fragen, weshalb ihr damals in den entscheidenden Stunden nicht eure Pflicht getan habt? Was werdet ihr ihnen entgegnen, wenn sie euch sagen werden: „Ach so, ihr Feiglinge, ihr konntet auf Befehl des Kaisers vier Jahre lang auf eure Klassengenossen jenseits der Grenze schießen. Ihr konntet kämpfen, hungern und frieren, konntet grausam sein und morden, gegen euer eigenes Interesse, solange euch der Stiefel des Kapitalismus im Nacken saß. Aber ihr konntet nicht die Selbstzucht und nicht den Mut aufbringen, um den revolutionären Kampf mit der nötigen Energie fortzusetzen. Ihr waret nur mutig und gehorsam, solange es um die Interessen eurer Klassengegner ging. Aber ihr wurdet feige und bockbeinig in dem Augenblick, als ihr für euch selbst, für eure Zukunft und für uns, eure Nachkommen, kämpfen solltet. Weil ihr den Zwang für die gute Sache verachtet habt, müssen wir jetzt unser Leben lang die Zwangsjacke des Kapitalismus tragen. Weil ihr müde wart vom kapitalistischen Krieg und kein Gewehr mehr in die Hand nehmen wolltet, müssen wir jetzt unsere Lungen von Gas zerfressen lassen und millionenweise krepieren. Schöne Väter seid ihr, schöne Helden, schöne Sozialisten! Schämt euch!!!"

Wollt ihr, Kameraden und Genossen, einmal so erbärmlich vor euren Kindern dastehen?

Nein Brüder, das wollt ihr nicht, das könnt ihr nicht wollen. Deshalb heißt das Gebot der Stunde: „Revolutionäre Selbstzucht".

Vorwärts - 21. November 1918

Friede, Freiheit, Brot - und die Scheidemänner

In mehreren Großstädten tauchten in den letzten Tagen Flugblätter einer illegalen Neugründung auf. Diese Flugblätter waren gezeichnet: „Alte sozialdemokratische Partei. Der Vorsitzende: Philipp Scheidemann." Exzellenz Scheidemann belieben darin, sich in den Mantel der Nächstenliebe zu hüllen. „Wo ist der Friede," fragt er, „wenn ihr durch Fortsetzung eurer utopischen Politik den Einmarsch der Ententetruppen provoziert? Wo ist die Freiheit, wenn ihr die Presse knebelt? Wo bleibt das Brot, wenn ihr durch überstürzte Sozialisierungsmaßnahmen die Privatinitiative lähmt und die Produktion drosselt, wenn ihr der Entente keine Garantien gebt, die sie zur Aufhebung der Blockade bewegen?"

Sieh mal einer an, wie menschenfreundlich Exzellenz plötzlich geworden sind. Aber Sie sollen nicht glauben, dass wir auf Ihr Geschwätz hereinfallen. Die Massen wollten schon lange den Frieden, als Sie noch immer Kriegskredite bewilligten. Warum haben Sie damals nicht Ihre Menschenfreundlichkeit entdeckt? Die Massen schrieen auch damals nach Brot, als Sie mit Ihren Komplizen im Großen Hauptquartier an überladenen Tafeln saßen. Sie wagen es, die Opfer zu bejammern, die noch fallen werden, aber Sie hätten bedenkenlos noch weitere Millionen Menschenleben geopfert, Sie hätten das Volk noch jahrelang hungern lassen, wenn die deutschen Imperialisten den Krieg fortzusetzen vermocht hätten. Dem „Levee en masse" des bankrotten Kaiserreichs hätten Sie begeistert zugestimmt, — die proletarische Massenerhebung zur Verteidigung der internationalen sozialistischen Revolution lehnen Sie entrüstet ab. Ersparen Sie sich jede weitere Mühe, Exzellenz! Ihre Krokodilstränen rühren uns nicht. Folgen Sie Ihrem Freunde Ebert nach Holland!

Wilhelm II. hat sicher noch eine Lakaienstelle für Sie frei. Im roten Deutschland aber sind Sie nicht am Platze. Oder wurden die Flugblätter vielleicht herübergeschmuggelt, sitzen Sie etwa schon drüben? — es wäre Ihnen zu wünschen, denn das Revolutionstribunal macht kurzen Prozess mit Ihresgleichen. Verlassen Sie sich darauf und sagen Sie es Ihren Freunden weiter. Machen Sie sich keine Hoffnung. Die Reformisten haben ein für allemal ausgespielt.

Vorwärts - 22. November 1918

Im Osten wird aufgeräumt - Ganz Südfinnland in Händen der Roten Armee.

Die aus der Front gezogenen deutschen Truppen werden in Wasa, Tammerfors, Helsingfors und Wiborg stationiert. In Warschau haben Weißgardisten am 16. November einen Aufstandsversuch unternommen, an dem sich auch deutsche Offiziere beteiligten. Nach schweren Kämpfen gelang es der roten Arbeiterwehr, die aus deutschen Militärarsenalen mit Waffen versehen worden ist, den Feind aus der Stadt zu verdrängen. Die Weißen haben Verstärkungen aus den Landbezirken erhalten und ziehen sich kämpfend in Richtung Brest-Litowsk zurück. Seite an Seite mit den polnischen Rotgardisten, unter denen sich die Metallarbeiter besonders bewährten, kämpften deutsche Bataillone und das erste rote russische Regiment, das aus Kriegsgefangenen des Lagers Neuhammer formiert wurde und sich jetzt den Weg in die Heimat erkämpft. Die deutschen Truppen sind gestern auf Grund der Vereinbarungen mit dem Interalliierten Hauptquartier aus dem Kampf gezogen worden. Sie wurden abgelöst von einer neugebildeten Formation der Roten Garde und von dem zweiten und dritten russischen Kriegsgefangenenregiment, das erst gestern morgen in Warschau ausgeladen wurde. In Brest-Litowsk ist der weiße Aufstand durch den Verrat deutscher Offiziere geglückt. Der Versuch, die deutschen Soldaten zur Teilnahme am Kampf auf Seiten der Weißen zu bewegen, gelang nur in sehr geringem Umfange. Der größte Teil der deutschen Truppen schlug sich nach Osten durch, wo von Pinsk her die russische rote Armee anrückt. Die Telegraphenstation wurde noch einige Stunden von roten Truppen gegen den Ansturm der Weißgardisten gehalten. Wir bringen nachstehend ein Dokument dieses heldenhaften Verteidigungskampfes:

Das letzte Telegramm aus Brest-Litowsk

„aufstand geglückt, weil Wachsamkeit der deutschen truppen nachließ. schuld ist letzter befehl, der einmischung in innere Verhältnisse verbot. mehrzahl der deutschen offiziere hat sich an Weisung nicht gehalten, sondern sich aktiv am aufstand beteiligt und alle treugebliebenen Offiziere und mannschaften erschossen oder totgeprügelt. nur drei offiziere konnten sich mit roten mannschaften nach osten durchschlagen. soldatenrat will aktiv am kampf um wiedereroberung von brest-litowsk teilnehmen, falls festung nicht vor anrückender roter armee kapituliert. Weißgardisten greifen unser telegraphenamt an, zum drittenmal... wir... vier mann... beteiligen... uns vom Fenster aus ... am kampf, Weißgardisten übersteigen mauer, deutsche offiziere dabei. weiße fahne... Waffenstillstand... parlamentär vorgeschickt... befehl .., waffen niederlegen keine Verhandlungen... bedingungslos niederlage. Übergabe... kameraden kommen aus dem hause, legen waffen nieder... deutscher offizier erschießt parlamentär... Weißgardisten stürzen sich auf gefangene... ermordet ... wir eröffnen wieder kampf vom fenster aus... kamerad kornmann kopfschuss tot... kamerad krause brustschuss... telegraphist müller auch tot... ich meyer... tippe weiter... linke hand taste... rechte revolver... "

Auch Kamerad Meyer wird seine Treue zur Revolution mit dem Tode bezahlt haben. Welcher von den vielen Meyers war das, welcher von den vielen Meyers, die im Osten und Westen, in Kälte und Sonnenbrand für das Kaiserreich gekämpft und gelitten haben? Jetzt sind sie tot, die Kameraden Kornmann und Krause und Meyer und Müller. Ebenso tot wie ihre vielen Namensvettern, deren Knochen vor Ypern, an der Somme, vor Verdun und am Isonzo bleichen.

Ja, jetzt sind sie tot, aber sie fielen nicht mehr für den Kaiser, nicht mehr für den Kapitalismus, sie opferten freiwillig ihr Leben für die Revolution, für die Sache des Volkes. Und vor ihrem Tode haben sie uns einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Sie haben uns die Augen geöffnet. Sie haben uns gezeigt, welches Schicksal uns erwartet, wenn wir auch nur einen Augenblick nachlassen, wenn wir weich werden und auch nur eine Minute lang vergessen, unsere Pflicht zu tun.

Wir danken euch für diesen Dienst, Kamerad Kornmann, Meyer, Müller und Krause. Wir danken euch und werden euch rächen. Eure Mörder werden ihrem wohlverdienten Schicksal nicht entgehen.

Vom Osten und vom Westen her gehen die roten Truppen gegen Brest-Litowsk vor. In Lodz ist der weiße Aufstand mühelos von der roten Arbeiterwehr unterdrückt worden. Die letzten weißen rumänischen Truppen haben sich auf Galatz, Braila und Ismail zurückgezogen. Von Norden her rücken Deutsche, Russen und Rumänen, von Bukarest aus Deutsche und Rumänen gegen sie vor. Bald werden auch diese beiden Punkte, die letzten Hoffnungen der Gegenrevolution, in unserem Besitz sein. Dann ist der Osten frei. Die Landungstruppen der Entente in Odessa wurden ins Meer zurückgeschlagen. Im Norden rückt die russische rote Armee gegen das Eismeer vor. In Sibirien sind Verhandlungen mit den tschechoslowakischen Legionären eingeleitet. Bald wird auch Sibirien frei vom Feinde sein. Bulgarien wurde von Ententetruppen besetzt. Werden auch die Italiener weiter vorrücken? Wiederum ist es den Kapitalisten der Westmächte gelungen, französische und englische Proletarier vorzutreiben zum Kampf gegen ihre Brüder. Wie lange noch?

Vorwärts - 23. November 1918

Der Waffenstillstand gekündigt!

Der Waffenstillstand ist gekündigt worden. Das ist die Kriegserklärung der kapitalistischen Weststaaten an die internationale sozialistische Revolution. Begründet wird dieser Schritt mit der noch nicht vollzogenen Ablieferung der deutschen Kriegsschiffe und Unterseeboote sowie mit der Mitwirkung deutscher Truppen bei der Einnahme von Brest-Litowsk und bei der Umzingelung und Gefangennahme der Reste der königlich rumänischen Armee bei Galatz und Braila. Außerdem sollen deutsche Truppen bei den Kämpfen in Budapest nach Ausrufung der ungarischen Räterepublik auf Seiten der Revolutionäre mitgewirkt haben.

Die Kündigung des Waffenstillstandes erfolgte mit 48 stündiger Frist. Die Entente hat sich also formell an die Bestimmungen des Waffenstillstands-Abkommens gehalten, in Wirklichkeit aber die Kriegshandlungen schon in der letzten Nacht wieder aufgenommen. Ein deutsches Regiment, das sich noch auf belgischem Boden befand, ist von französischen Truppen umzingelt und gefangen genommen worden, obwohl das Gebiet, auf dem es sich befand, erst am 24. November geräumt werden sollte. Im Skagerrak sind schon am 22. November 2 deutsche U-Boote, die von großer Fahrt zurückkamen, von englischen Kriegsschiffen in Grund gebohrt worden, weil die Besatzung sich weigerte, einen englischen Hafen anzulaufen.

Der Zentralrat der Nord- und Ostseeflotte hat daraufhin beschlossen, die Flotte sofort nach dem Osten in Fahrt zu setzen, wo sie sich mit der roten Baltischen Flotte vereinigen soll. Die Ostseeflotte hat bereits gestern nachmittag Kiel verlassen. Der gestern früh von Wilhelmshaven ausgelaufenen Nordseeflotte ist es gelungen, die Eibmündung zu erreichen. In der Helgoländer Bucht versucht eine englisch-französische Flotte, den deutschen Minengürtel, der ständig verstärkt wird, zu durchbrechen. Das vor acht Tagen begonnene Minensuchen ist eingestellt worden. Aus der Erwägung heraus, dass in absehbarer Zeit doch keine deutsche Flotte in der Nordsee operieren wird, hat der rote Matrosenrat der Nordseeflotte beschlossen, alle vorhandenen Minenvorräte in der Elb- und Wesermündung auszustreuen. In der Ostsee, am Südausgang des Sundes und des Belts, sollen dagegen nur an bestimmten Punkten verankerte Minen gelegt werden.

Der Zentralsoldatenrat der Westfront und das rote Oberkommando der Westarmee haben folgende Befehle erhalten:

„Sollte das Feuer von gegnerischer Seite eröffnet werden, so ist es auf keinen Fall zu erwidern. Die freiwillige Ablieferung von Kriegs- und Beförderungsmaterial ist sofort einzustellen. Den Truppenteilen werden ausreichende Geldmittel zur Verfügung gestellt, um alle Beförderungsmittel, Pferde und Wagen, Last- und Personenautos auf deutschem Gebiet für den Rücktransport von Truppen, Lebensmitteln und Kriegsmaterial aufzukaufen. Wenn Verkauf verweigert wird: requirieren! Es ist sofort eine Aufnahme-Stellung zum Schutz des Rheinüberganges vorzubereiten. Alle Truppen sollen versuchen, in Eilmärschen sich vom Gegner zu lösen und die Aufnahmestellung zu erreichen. Da die Rheinbrücken für den beschleunigten Rückzug der Truppen und die Rettung des erfassbaren Materials nicht ausreichen, werden sämtliche Kähne auf dem Rhein und seinen Nebenflüssen mit dem heutigen Tage requiriert und sind mit Bemannung sofort zur Verfügung zu stellen. Auf der Strecke von Mannheim bis Bonn sind, soweit möglich, sofort weitere Pontonbrücken unter Verwendung von requirierten Rheinkähnen und mit Hilfe der Arbeiterschaft zu bauen. Die Arbeiterräte im Ruhrgebiet sowie in Mainz und Mühlheim haben beschlossen, sofort alle Kähne zu entladen und für den Transport zur Verfügung zu stellen. Fußtruppen sind möglichst in Kähnen überzusetzen. Die Brücken sind für den Übergang von Fahrzeugen und Pferden freizuhalten."

Vorwärts - 25. November 1918

Krieg der Entente gegen die Revolution!

Belgien, Luxemburg, Nordfrankreich und Elsass-Lothringen sind von den deutschen Truppen geräumt. Nur 24 Stunden lang haben die Alliierten die Fiktion aufrechterhalten, dass sie die Kündigungsfrist einzuhalten bereit seien. Sie hofften, nach Ablauf der 48 Stundenfrist noch zurechtzukommen, um das Gros der deutschen Nordarmee durch einen Süd-Nordvorstoß gegen Aachen und den Maastrichtzipfel abschneiden zu können. Dann merkten sie aber, dass sie sich verrechnet hatten. Vierundzwanzig Stunden vor Ablauf des Waffenstillstandes wurde der Grenzort Malmedy bombardiert und von französischen Truppen gestürmt. Die nördlich Malmedy stehenden Truppen setzten sich zur Wehr, um nicht in Gefangenschaft zu geraten und um den nördlicher marschierenden Truppen den Rücken zu decken. Jetzt ziehen sich unsere Truppen, nachdem die Gefahr, die dem rechten Flügel drohte, abgewendet worden ist, nord- und ostwärts zurück. An der ganzen übrigen Front haben wir das Feuer, das von den Ententetruppen eröffnet wurde, nicht erwidert. Obwohl bei dem scharfen Tempo des Rückzuges an den meisten Stellen fünf bis zehn Kilometer Abstand zwischen den deutschen und Ententetruppen besteht, haben die Ententetruppen das Artilleriefeuer an allen Stellen aufgenommen, wo sie die deutsche Grenze überschritten haben.

Vom Rate der Volksbeauftragten wurde folgender Funkspruch aufgegeben:

An das Interalliierte Hauptquartier

Wir protestieren gegen den Bruch des Waffenstillstandes. Obwohl die deutschen Truppen sich überall kampflos zurückziehen, ist Ihrerseits das Feuer auf der ganzen Front wieder aufgenommen worden.

Wir sind nach wie vor bereit, das ganze linksrheinische Gebiet kampflos zu räumen und ersuchen dringend um Einstellung der Feindseligkeiten.

AUFRUF

an alle Soldaten der französischen, englischen, belgischen, amerikanischen und italienischen Armee.

Das Proletariat in Deutschland und Österreich-Ungarn, in Polen, in der Ukraine und in Rumänien hat seine Ketten abgeworfen. Wir wollen auf den Trümmern des Kapitalismus ein neues sozialistisches Gemeinwesen auf überstaatlicher Grundlage errichten und uns dem Freiheitskampf unserer russischen Brüder anschließen. Der Krieg ist zu Ende. Der deutsche Kaiser, der russische Zar, der Kaiser von Österreich, sie sind nicht mehr. Trotzdem will man euch wieder zum Kampf gegen uns führen. Ihr sollt ein neues Blutvergießen beginnen, obwohl wir uns verpflichtet haben, kampflos das linke Rheinufer zu räumen. Warum hetzt man euch auf uns? Weil unsere Revolution nicht Halt gemacht hat mit der Absetzung der Monarchen, weil wir es nicht genug sein lassen mit der Beendigung des jetzigen Krieges, sondern weil wir auch die Ursache von weiteren Kriegen beseitigen wollen: das fluchwürdige System des Kapitalismus. Das gefällt euren Beherrschern natürlich nicht, denn auch sie sind ja Kapitalisten. Sie ließen ja, wie die unseren, ihren Krieg durch euch führen im Interesse ihres Kapitals. Und dieses Kapital ist in Gefahr, wenn sich nun ganz Mittel- und Osteuropa auf sozialistischer Grundlage einigt. Nicht, dass wir die Absicht hätten, euch anzugreifen. Nein, eure Unterdrücker fürchten, dass ihr, unserm Beispiel folgend, auch daran denken könntet, eure Fesseln abzuwerfen. Deshalb sollt ihr jetzt gegen uns kämpfen. Ihr sollt unsere Revolution niederwerfen, damit ihr nicht auf den Gedanken kommt, euch gegen eure Herrscher zu erheben. Man will uns schlagen und euch damit treffen. Ihr kämpft gegen euch selbst, wenn ihr den Befehlen eurer Generäle weiter Folge leistet.

Die Stunde eurer Befreiung hat noch nicht geschlagen. Der Siegestaumel, der in euren Ländern herrscht, hat auch weite Kreise des Proletariats erfasst. Die vom Siegesjubel erfüllten Gehirne werden erst allmählich zu der Erkenntnis gelangen, dass es nicht nur darauf ankommt, den deutschen Kapitalismus zu schlagen, sondern dass man den Kapitalismus international beseitigen muss. Die Zeit wird kommen, wo diese Notwendigkeit von den Werktätigen aller Länder klar erkannt wird. Noch ist es nicht so weit. Vorläufig erwarten wir nur eins von euch, Kameraden: Schießt nicht auf eure deutschen Brüder!

Der Seekrieg beginnt

Die deutsche Ostseeflotte hat sich auf der Höhe von Danzig mit der russischen Ostseeflotte vereinigt. Die Nordseeflotte hat den Nord-Ostsee-Kanal passiert und wird heute abend den Kieler Hafen verlassen. Die englisch-französische Nordseeflotte hat bei ihrem Vorgehen in der Helgoländer Bucht 3 deutsche Minenschiffe, 2 Torpedo- und 2 Unterseeboote zerstört, aber selbst schwere Verluste durch Minen erlitten. Ein englisches Linienschiff wurde von einem deutschen Unterseeboot torpediert und sank. Die Engländer scheinen eine Landung in Cuxhaven und Brunsbüttelkoog zu planen. Truppentransportschiffe wurden bei Helgoland gesichtet. Die englische Flotte versucht in die Ostsee einzudringen. Sie erleidet schwere Verluste durch Unterseeboote, Flugzeuge und Minen. Wird die deutsche Flotte aktionsfähig sein, obwohl mehr als die Hälfte der Offiziere fehlt? Nur drei Schiffskommandeure von größeren Einheiten haben sich mit der Mannschaft solidarisch erklärt und die Führung behalten. Auf den kleineren Schiffen ist die Zahl der uns ergebenen Offiziere glücklicherweise bedeutend höher. Die Möglichkeit einer offenen Seeschlacht hat eine ganze Anzahl höherer Marineoffiziere in letzter Minute veranlasst, ihre Dienste wieder zur Verfügung zu stellen. Aus Sicherheitsgründen hat der Zentralmatrosenrat jedoch nur in geringem Umfange von diesem Angebot Gebrauch gemacht und die ausgewählten Offiziere unbeschadet ihres Dienstranges nur mit der Führung kleinerer Schiffseinheiten betraut. Wird der revolutionäre Elan der Matrosen imstande sein, den Mangel an militärischer Führung wettzumachen? Werden die englischen Matrosen bedingungslos den Befehlen ihrer Führer Folge leisten? Die nächsten Tage werden Antwort bringen.

Vorwärts - 29. November 1918

Lenin in Berlin

Die Ankunft. Schon am frühen Morgen war ganz Berlin auf den Beinen. Trotz der schwierigen Verkehrslage waren Zehntausende von Menschen nach Berlin geströmt, um Zeuge zu sein bei der Grundsteinlegung der neuen Gesellschaft. Der ganze lange Weg vom Flugplatz bis zum Reichstagsgebäude, das nun wirklich dem deutschen Volke und dem internationalen Proletariat gehört, war dicht von Menschen umsäumt. Acht Reihen tief standen auf einer Straßenseite die Mitglieder der bewaffneten roten Macht, die Angehörigen der Roten Armee und der Roten Arbeiterwehr Berlins. Auf der anderen Seite die Mitglieder des Roten Frauenbundes zur Verteidigung der Revolution und -kilometerweit, ebenfalls zu Hunderttausenden — unsere Jugend, die kommende Generation, der die Erfolge unseres Kampfes zugute kommen sollen. Spannung, Begeisterung, Kampfbereitschaft auf allen Gesichtern. Heut kommt kein Potentat, kein degenerierter Spross eines Fürstenhauses. Heut kommen die Männer von morgen, die Führer der Revolution. Ungeheurer Jubel bricht aus, als die Führer der deutschen Revolution vorbeifahren, Karl Liebknecht, Ledebour, Rosa Luxemburg, Levine.

Immer stärker schwillt der Sturm der Begeisterung an: die ausländischen Revolutionäre fahren vorbei, die Vertreter der Länder, in denen die Revolution bereits siegreich war, und auch der Länder, deren Herren noch bemüht sind, die internationale Revolution mit Waffengewalt niederzuschlagen. Niederzuschlagen? Wenn ihr bisher noch Furcht gehabt habt um das Schicksal der Revolution, heute nicht mehr! Seht sie euch an, die Hunderttausende auf der rechten Straßenseite, die hungernden und schlechtgekleideten Männer mit dem Gewehr über der Schulter, seht ihre abgehärmten, aber entschlossenen Gesichter! Seht ihre leuchtenden Augen! Auf diese Männer könnt ihr euch verlassen, ihr ausländischen Genossen. Nehmt diese Zuversicht mit in eure Länder!

Die Begeisterung wächst ins ungemessene, wie die französischen und englischen Sozialisten kommen, die sich unter Lebensgefahr in das rote Berlin durchgeschlagen haben. Und plötzlich wird der Sturm zum Orkan, reißt alles hoch in einem einzigen ungeheuren Wirbel. Hunderttausend Willen werden zusammengeschweißt zu einem einzigen Willen, hunderttausend Kehlen verschmelzen, vereinigen sich zu einem einzigen Ruf

Lenin!!! Lenin!!! Lenin!!!

Kilometerweit rollt der Wagenzug dahin durch ein Meer Von schreienden, schwitzenden, begeisterten Menschen. Endlich wird die Fahrt langsamer. Im Tiergarten, vor dem Brandenburger Tor, stehen Glied an Glied die bewaffneten Ehrengäste der deutschen Revolution. An der Spitze ein rotes russisches Regiment, das den ganzen Bürgerkrieg in Russland mitgemacht hat und nun auf die neugebildeten Kriegsgefangenenformationen verteilt werden soll. Und dann Kompanien, Bataillone, Regimenter, Brigaden, Divisionen, eine ganze Armee, eine große Armee in voller Ausrüstung mit Tausenden von Geschützen: die roten russischen Regimenter, die in den deutschen Kriegsgefangenenlagern gebildet worden sind. Danach kleinere Abteilungen: ein österreichisches und ein ungarisches Regiment, ein polnisches, rumänisches und griechisches Bataillon. Berittene Kirgisen. Eine gemischte Formation aus Chinesen, Japanern und Koreanern. In ihrer Heimat haben sie auf Befehl ihrer Pierren gegeneinander marschieren müssen. Hier kämpfen sie, — nach jahrelanger Internierung — Seite an Seite für die Revolution, die eines Tages auch ihre Revolution sein wird. Neben ihnen kleine Gruppen von Partisanen, Flüchtlinge aus Serbien und Bulgarien, wo jetzt nach Niederwerfung des Aufstandes, unter dem Schutz der Ententetruppen, der weiße Terror herrscht. Eine freiwillige nordische Kompanie : Dänen, Schweden, Norweger. Früher konnten sie (oder waren es nur ihre Fürsten?) sich nicht vertragen, waren nicht unter einen Hut zu bringen. In Zukunft, in der großen sozialistischen Republik, werden sie es lernen.

Auf dem Platz der Revolution, vor dem Reichstagsgebäude stehen die Exoten: Neger, Zuaven, Marokkaner. Inder usw., in tiefgestaffelten Kolonnen, in Bataillonen und Regimenter formiert. Ihr farbigen Brüder! Man hat euch hineingezerrt in den Krieg der Weißen, in dem ihr nichts zu suchen hattet. War es euch nicht einerlei, ob ihr von deutschen, französischen, englischen oder belgischen Kapitalisten beherrscht wurdet? War euch viel daran gelegen, welche Sprache der weiße Mann sprach, der gegen euch die Peitsche schwang, der euch eure Frau raubte und euren Boden, der eure Hütte anzündete, wenn ihr nicht zur Zwangsarbeit erschient? Nein Genossen, ihr habt wahrhaftig kein Interesse daran gehabt, dass gerade eure Beherrscher den Krieg gewannen. Ihr habt nur ein Interesse, einen großen, brennenden, dringenden Wunsch: frei zu werden. Deshalb hat die Agitation im Kriegsgefangenenlager gerade in euren Reihen so großen Erfolg gehabt. Deshalb habt ihr euch so gefreut, als die Ententeoffiziere, die im Lager erschienen waren, um euch zurück in die Knechtschaft, in die Hände eurer Sklavenhalter zu treiben, von roten Soldaten verhaftet wurden. Die sozialistische Revolution macht nicht halt vor Landesgrenzen, auch nicht vor Sprachgrenzen und ebenso wenig vor einer anderen Hautfarbe. Die sozialistische Revolution wird allen Völkern, allen Rassen die Freiheit bringen. Auch ihr habt eure Delegierten ins Reichstagsgebäude gesandt, und was da drüben heute beschlossen wird, soll auch für euch Gültigkeit haben. Deshalb steht ihr hier, auf dem Platz der Revolution.

Links und rechts vom Reichstagsgebäude aber steht je ein rotes Regiment aus englischen, französischen, belgischen und italienischen Kriegsgefangenen. Sie können nie mehr in ihre Heimat zurückkehren, wenn nicht auch bei ihnen die Revolution siegt. Trotzdem sind sie bereit, in unsern Reihen zu kämpfen. Bravo, Genossen! Im Portal des Reichstages steht, mit roter Armbinde, ein amerikanischer Genosse. Ein einziger. Er ist sichtlich betrübt darüber, dass er allein ist und sozusagen als sein eigener Abgeordneter fungiert. Er hatte vergeblich versucht, unter den amerikanischen Kriegsgefangenen Freiwillige für die Rote Armee zu werben.

Ein Volksbeauftragter spricht: „Für euch, Genossen aus Frankreich, ist dieser Tag besonders bedeutungsvoll. Erinnert euch an das prophetische Wort Victor Hugos, der uns, den Deutschen, dankte, weil wir Frankreich von seinem Kaiser befreit hatten, und uns versprach, dass Frankreich auch Deutschland von seinem Kaiser befreien werde. Das habt ihr nun getan, französische Genossen. Aber wir, wir haben noch ein weiteres getan. Wir haben uns von einem noch schlimmeren Feinde, von der kapitalistischen Herrschaft befreit, und unseren Dank werden wir euch, französische Genossen, bezeugen, indem wir helfen, auch euer Land von der Herrschaft des Kapitalismus zu befreien."

Lenin spricht

(10 Uhr vormittags.)... aber das ist nicht die Hauptsache, dass der Rätebund ungefähr 400 Millionen Einwohner hat. Auch das ist noch nicht das Typische, dass viele Nationen, viele Sprachen und fast alle Rassen in unseren Grenzen vereinigt sind. Auch das zaristische Russland umschloss fast 200 verschiedene Nationen. Aber sie wurden unterdrückt, geknutet, russifiziert. Der Bund der Sozialistischen Rätestaaten kennt jedoch keine Unterdrückung. Jede Nation, und sei sie noch so klein, und jede versprengte Minderheit in anderssprachigen Gebieten hat völlige kulturelle und nationale Freiheit, kann eigene Schulen und Universitäten errichten, kann alle Angelegenheiten in eigener Sprache regeln, auch den Verkehr mit Behörden und Zentralstellen. Alle Nationen haben ebenso wie alle Personen gleiche Rechte, aber auch gleiche Pflichten. Die eine Hauptpflicht vor allen anderen: mitzuarbeiten am sozialistischen Aufbau der Welt. Personen, die sich diese Aufgabe nicht zu eigen machen, die nicht ihre ganze Kraft, nicht all ihr Wissen und Können in den Dienst dieser großen Aufgabe stellen, haben bei uns keine Rechte. Es mag für den ersten Augenblick hart erscheinen, wenn wir den Angehörigen der früher herrschenden Klasse nicht nur ihre früheren Vorrechte nehmen, sondern ihnen auch die Rechte vorenthalten, die jeder Werktätige besitzt. Es ist ein Akt der Notwehr, eine Forderung der Selbsterhaltung. Erst nachdem der Sozialismus in der Welt die vorherrschende Wirtschaftsform geworden ist, können wir großzügiger sein. Wenn sich also unsere früheren Kapitalisten beklagen, so antworten wir ihnen: Es liegt an euch selbst. Helft mit am sozialistischen Aufbau. Helft mit bei der Bekämpfung der Konterrevolution innerhalb und außerhalb unserer Grenzen! Je eher die Entscheidungsschlacht im Weltmaßstabe gewonnen wird, um so eher können wir die Sperre, die wir über euch als über asoziale Elemente verhängen mussten, aufheben.

Der sozialistische Aufbau wird auf Jahre hinaus all unsere Kräfte in Anspruch nehmen, wird von jedem einzelnen ein Höchstmaß von Wollen und Können verlangen. Aber vorläufig haben wir noch eine dringendere Aufgabe. An allen Grenzen steht der Feind, der Kapitalismus. Wir müssen uns seiner erwehren. Wir müssen dabei im Auge behalten, dass dieser Kampf eine ganz andere Form annehmen wird als im imperialistischen Kriege. Wir müssen eine wahrhaft revolutionäre Strategie entwickeln. Wir werden unseren Feldzugsplan aufstellen, hier, sofort, in aller Öffentlichkeit. Wenn früher die Feldherren bemüht waren, ihren Feldzugsplan möglichst geheim zu halten, wenn früher die Geheimhaltung geradezu eine Vorbedingung für das Gelingen einer Schlacht war, so ist dies bei uns völlig anders. Wir haben das stärkste Interesse daran, dass unser Feldzugsplan (natürlich nicht etwa jeder taktische Einzelzug, sondern das politische Ganze) möglichst überall bekannt wird. Wir rechnen sehr stark mit der Tapferkeit unserer Genossen in den Roten Armeen. Wir erwarten sehr viel von ihnen. Wir rechnen aber ebenso stark mit den Genossen auf der anderen Seite der Front. Wir setzen die Armeen der kapitalistischen Westmächte in unsere Berechnungen ein, bis zu einer gewissen Grenze als Passivum, von dieser Grenze ab als Aktivum. Vorläufig gehorcht die Mehrzahl der Soldaten in den Ententearmeen noch den Befehlen ihrer Offiziere. Aber das wird nicht ewig so weiter gehen. Je mehr ihnen zugemutet wird, je länger sie gezwungen werden, einen Krieg gegen ihre Brüder, gegen ihre eigenen Interessen fortzusetzen, desto stärker wird die Neigung werden, unserm Beispiel zu folgen. Mit diesen Tatsachen dürfen und müssen wir rechnen. Keine übertriebenen Hoffnungen, aber auch kein übertriebener Pessimismus! Beides wäre in gleichem Maße schädlich.

Wir müssen heute unser eigener Generalstab sein. Beginnen wir mit der Arbeit. Hängt die Karte auf, Genossen! Nord front. Die finnische und nordrussische rote Armee werden einem gemeinsamen Kommando unterstellt. Die deutschen Truppen sind wieder in die Kampffront eingereiht. Die ostfinnischen Bahnen sind bis zur Endstation, die westfinnische ist bis Uleaborg in unserer Hand. Bei Uleaborg ist ein Kampf mit schwedischen Interventionstruppen im Gange. Archangelsk ist eingenommen. Die Besatzung, zaristische Offiziere und Ententetruppen, ist gefangen genommen. Um Murmansk wird augenblicklich gekämpft. Dort wird es wohl den Ententetruppen gelingen, auf dem Seewege zu entweichen.

Nach Einnahme von Murmansk wird die Nordarmee unsere Brüder in Schweden und Norwegen unterstützen, die den Kampf mit den Weißen aufgenommen haben. Ostfront. Nachdem die tschechoslowakischen Legionen zu uns übergegangen waren, ist die weißrussische Front im Kaukasus und in Sibirien völlig zusammengebrochen. Omsk ist von der roten Armee besetzt. In Tomsk und Krasnojarsk war ein Arbeiteraufstand erfolgreich. Beide Städte werden von zurückflutenden weißen Truppen hart bedrängt. Die Konterrevolution wird aber in diesen Gebieten bald liquidiert sein. Irkutsk ist fest in der Hand des neugebildeten Sowjets. Wladimir-Ulinsk und Nertschinsk sind von Partisanenabteilungen eingenommen worden. Der Rückzug nach dem Osten ist den Weißen abgeschnitten. Auch im fernen Osten machen unsere Partisanenabteilungen Fortschritte. Ein Arbeiteraufstand in Wladiwostok ist von den englischen, französischen, italienischen und japanischen Interventionstruppen niedergeschlagen worden. Es gelang jedoch einem Teil der roten Arbeiterwehr, sich zu den Partisanen nach Sutschan durchzuschlagen. Sobald die Transsibirische Bahn fest in unserer Hand ist, werden wir den Angriff auf Wladiwostok vorbereiten. Starke rote Kräfte wurden bereits von der Uralfront nach dem Fernen Osten dirigiert, wo schwere Kämpfe zu erwarten sind, wenn wir Wladiwostock nicht sofort einnehmen. Die in Sibirien befindlichen Kriegsgefangenen der ehemaligen deutschen, türkischen und österreichisch-ungarischen Armee, mit Ausnahme der Tschechoslowaken, werden gleichfalls in die Kampffront eingereiht und nach Wladiwostok entsandt. Alle übrigen Truppen der roten Armee an der Uralfront werden zur ersten Südarmee, nach Turkestan, in Marsch gesetzt. Die an der Wolgafront freigewordenen deutschen und russischen Truppen marschieren durch den Kaukasus über Tiflis nach Erzerum und bilden dort mit den Resten der deutschen Kaukasusarmee die zweite Südarmee. Marschrichtung: Mossul-Bagdad-Koweit.

Schwarzmeerfront. Alle deutschen und russischen Truppen, die in der Krim, in der Ukraine und in Bessarabien freigeworden sind, haben sich süd- und westwärts bewegt. Eine vereinigte rote Armee, bestehend aus Deutschen, Russen und Rumänen, hat die Donau bei Tschernowoda überschritten und die Schwarze Meer-Festung Constanza eingenommen. Bei der Einnahme von Constanza wurde unerwarteterweise fast kein Widerstand geleistet. Die französischen Interventionstruppen, die sich nach ihrer Niederlage vor Odessa in Constanza festgesetzt hatten, wurden kurz vor Eintreffen der Unsern Hals über Kopf eingeschifft. Etwa hundert französische Soldaten sind desertiert und zur roten Armee übergegangen. Nach dem Verlassen des Hafens begann ein französischer Panzerkreuzer die Stadt zu bombardieren. Die anderen Schiffe beteiligten sich jedoch nicht am Bombardement. Darauf wurde das Feuer gänzlich eingestellt. Es ist anzunehmen, dass an Bord eine Meuterei ausbrach, oder wenigstens, dass sich die französischen Matrosen weigerten, die Stadt zu bombardieren.

Die Schwarze Meer-Armee hat Befehl erhalten, sich südwärts in Marsch zu setzen und in der Linie der drei Festungen Rustschuk, Schumala, Warna Stellung zu beziehen. Alle übrigen in Südwestrussland und in Rumänien freigewordenen oder neu zu formierenden Truppenteile sind sofort zur Ost-Donauarmee in Marsch zu setzen. Die Ost-Donauarmee erhält den Auftrag, die Donaulinie bis zum Eisernen Tor unter allen Umständen zu halten gegen Angriffe, die von den Ententetruppen in Bulgarien zu erwarten sind. Die Enteritetruppen in Bulgarien sind nicht allzu stark. Die Auf Standsbewegung, die zuerst unterdrückt wurde, nimmt wieder zu.

Im Gebiet von Widdin-Turnu-Magurele wird eine rote Reiterarmee aufgestellt. Aus Konstantinopel liegen noch keine Nachrichten vor. Es sind Kämpfe im Gange, deren Ausgang noch ungewiss ist. Genossen!

An den Fronten, die wir bisher besprochen haben, sind nach Lage der Dinge, nach der Klassenschichtung und nach dem Verhältnis der auf beiden Seiten zur Verfügung stehenden Truppen in den nächsten Tagen und Wochen Siege zu erwarten. Die Hauptsache ist zunächst, dass wir unsere Macht im Osten stabilisieren und mit den Weißen so schnell wie möglich aufräumen.

Wir müssen Kräfte freibekommen, um sie für den Kampf im Westen umgruppieren zu können. Erst wenn uns das gelungen ist, werden wir imstande sein, dem Vormarsch des Feindes auch im Westen wirksam zu begegnen. Die Lage im Süden ist noch reichlich ungeklärt. Das Hauptgewicht müssen wir darauf legen, die Linie Mur—Drau— Donau als Aufnahmestellung auszubauen und gegen alle Angriffe zu halten. Das können wir, Genossen, dazu sind wir stark genug. Alle in Ungarn und in den Karpatenländern neugebildeten Formationen der Roten Armee sind angewiesen, in dieser Linie aufzumarschieren und sich dem Kommando des Stabes der West-Donauarmee zu unterstellen.

Die Wiener Volksarmee übernimmt die Verteidigung des Frontabschnittes Linz bis nördlich Marburg. Auf die roten Truppenteile in Polen und in Tschechien können wir zunächst bei der Verteidigung unserer Außenfronten noch nicht rechnen. Sie müssen sich erst konsolidieren und im Lande bleiben, um die immer wieder aufflackernden weißen Aufstände zu unterdrücken. Wir kommen nun zu der am meisten gefährdeten Stelle, zur Westfront. Hier sind wir auf die Rheinlinie zurückgegangen. Wir werden dem Gegner den Rheinübergang so schwer wie möglich machen. Wir dürfen uns aber nicht der Illusion hingeben, dass wir die Rheinlinie lange halten können.

Aus zwei Gründen.

Erstens: Die Westarmee hat im Weltkriege Entsetzliches erduldet. Ihre Bestände wurden in den letzten Monaten des Weltkrieges furchtbar dezimiert. Die Truppen sind erschöpft. Zu einem Teil sind sogar die Kampfverbände völlig aufgelöst. Trotzdem haben sich die Mannschaften der Nachhut in den letzten Tagen nach dem Bruch des Waffenstillstandsabkommens bewundernswert geschlagen. Wir dürfen uns aber dadurch nicht täuschen lassen. Wir müssen die Widerstandsfähigkeit und die Kampfkraft der Westarmee richtig einschätzen und uns die besonderen Gründe der letzten Erfolge vor Augen halten. Welche Wirkung die Revolution auf die Kampfkraft der Truppen gehabt hat, können wir noch nicht feststellen. Wir dürfen diese Wirkung aber nicht zu hoch einschätzen. Die Truppen standen vor der Alternative: Gefangennahme oder Kampf. Etwas anderes gab es nicht. Auch eine Flucht hätte unweigerlich mit der Gefangennahme geendet. Der Rückzug über den Rhein ist nur möglich, wenn der Übergang militärisch gesichert wird. Außerdem herrschte starke Erbitterung über den Abbruch des Waffenstillstandes und über die Beschießung kampflos abmarschierender Truppen. Hinzu kam, dass die am Kampf beteiligten Vorhuttruppen der Entente den deutschen Nachhuttruppen nicht sehr überlegen waren. Schwere Artillerie war fast gar nicht am Kampf beteiligt. Auch unter den Ententetruppen herrschte starke Empörung über den Abbruch des Waffenstillstandes und über den Befehl, auf friedlich abmarschierende Truppen zu schießen. Außerdem waren sie auf Widerstand nicht gefasst. Ihre Angriffe waren lau und energielos. Das Feuer schwach. Die Truppen scheinen sich teilweise am Feuergefecht überhaupt nicht beteiligt zu haben. Unsere Proklamationen sind offenbar nicht ganz ohne Wirkung geblieben. Zur offenen Meuterei ist es allerdings, soviel bekannt wurde, noch nirgends gekommen.

Das ist der zweite Grund. Die Ententetruppen sind noch nicht genügend demoralisiert. Solange sie auf dem linken Rheinufer stehen, werden sie ihren Offizieren noch gehorchen. Solange aber das technisch gewaltig überlegene, vorzüglich proviantierte Heer der Entente seinen Kampfgeist nicht eingebüßt hat, von unserer Propaganda noch nicht zersetzt ist, werden wir zwar vorübergehende Erfolge erzielen, uns aber auf die Dauer nicht behaupten können.

Ich gebe nun einem Delegierten der Westfront das Wort zu einem eingehenden Bericht über die Kampflage."

Der Delegierte der Westfront:

Genossen! Nachdem die Gefahr der Umzingelung für den Nordflügel der Westarmee abgewehrt war, erwiderten wir das Feuer der Ententetruppen zunächst an keiner Stelle mehr. Plötzlich stießen die Ententetruppen auf energischen Widerstand in der Linie Aachen, Fluss Kyll, Kaiserslautern, Kehl. Diese Linie hatten wir zur Deckung des Rückzuges ausgesucht. In zweitägigen Kämpfen gelang es den Ententetruppen nicht, diese Linie zu durchbrechen. Trotzdem setzten wir den Rückzug fort. Der Gegner rückte zuerst zögernd nach, stieß aber dann auf starken Widerstand in der Linie Aachen — Bonn, wo wir uns bis gestern trotz immer wieder verstärkten Angriffen gehalten haben. Die Eisenbahnanlagen von Trier sind von unseren Truppen beim Rückzuge gesprengt worden. Die im Moseltal vorrückenden Ententetruppen begegneten zuerst bei Berncastel vorübergehendem Widerstand und wurden dann vor Cochem ganz aufgehalten. Wir hatten den großen Eisenbahntunnel bei Cochem an mehreren Stellen gesprengt. Zugleich wurden im Vorort Sehl bei Cochem an günstigen Stellen die rechts und links der Mosel laufenden Moselstraßen durch Bergsprengung ungefähr 30 Meter hoch verschüttet. Durch diese Maßnahmen und durch die strategisch gute Lage gelang es einer einzigen deutschen Division, Cochem gegen eine zuletzt mindestens zehnfache Übermacht bis heute nacht zu verteidigen. Wegen Umzingelungsgefahr ist diese Division jedoch aufgefordert worden, sich unter Vornahme weiterer Sprengungen auf Koblenz zurückzuziehen. Auf der Strecke Bonn —Bingen ist der Rheinübergang fast überall vollzogen. In der Linie Bingen—Kreuznach—Kehl ist es uns gelungen, den Gegner solange aufzuhalten, bis das Gros der deutschen Truppen den Rhein überschritten hatte. Der Rückzug wurde zuerst vom Gegner nicht bemerkt, der mit Rücksicht auf seine schweren Verluste schon begonnen hatte, sich einzugraben, und unsere verlassenen Stellungen noch mehrere Stunden lang mit Trommelfeuer belegte. Von morgen früh ab ist der Rhein die Grenze zwischen den beiden Armeen. Jeder Versuch der Gegner, den Rhein zu überschreiten, wird von uns hartnäckig bekämpft werden. Alle Versuche der Franzosen, vom Elsass aus in Baden einzudringen, sind bisher abgeschlagen worden. Anders ist die Lage im Norden.

Nachdem alle Versuche, die Front Aachen—Bonn zu durchbrechen, scheiterten, hat die Entente die holländische Neutralität gebrochen und ist uns nach Durchquerung des Maastrichtzipfels in den Rücken gefallen. Es gelang der gegnerischen Vorhut, in München-Gladbach einzudringen, das aber von zwei deutschen Divisionen, die bei Wesel den Rhein überschreiten sollten, sofort wieder genommen wurde.

Wir haben daraufhin Aachen gestern morgen aufgegeben. Die Front wird jetzt ungefähr in folgender Linie gehalten: Deutsche Grenze, Kanal München-Gladbach—Rheydt, Düren, Bonn. Die Gefahr einer großen Umzingelung scheint abgewendet zu sein. Wenn der im Gang befindliche Angriff auf Rheydt und München-Gladbach Erfolg haben und zum Durchbruch führen sollte, ist damit zu rechnen, dass 4 bis 5 deutsche Divisionen abgeschnitten und gefangen genommen werden. In ungefähr 48 Stunden wird der Rheinübergang auch im Norden überall vollzogen sein. Der Zentralrat der Roten Arbeiterwehren im Ruhrgebiet hat beschlossen, die Rheinlinie unter allen Umständen zu verteidigen. Zusammenfassend glaube ich sagen zu können, dass wir stark genug sind, die Rheinlinie von der holländischen Grenze bis Basel gegen alle Angriffe zu verteidigen. Da die niederländische Neutralität jedoch kampflos aufgegeben worden ist, besteht die Gefahr, dass unser rechter Flügel nördlich des Rheins umgangen wird. Die Verteidigung der langen ungeschützten Nordgrenze vom Rhein bis zur Nordsee würde uns sehr schwer fallen. Wir haben deshalb sofort eine Note an die niederländische Regierung gerichtet und sie ersucht, den Schutz der holländischen Neutralität selbst aufzunehmen, da wir uns sonst gezwungen sähen, auch in Holland einzumarschieren. Als Verteidigungsstellung in Holland käme die wegen ihrer Kürze wertvolle Linie Wageringen—Zuidersee oder eine Stellung entlang der Yssel in Frage."

Lenin: „Nach diesem Bericht könnten wir annehmen, dass wir imstande seien, die Rheinlinie zu halten. Ich teile diesen Optimismus nicht. Ich bestehe vielmehr darauf, dass unverzüglich alle Maßnahmen getroffen werden, damit ein vielleicht notwendig werdender Rückzug sich nicht zur Katastrophe auswächst. Es handelt sich um folgende Maßnahmen:

1. Eine neue Verteidigungslinie muss festgelegt und ausgebaut werden.

2. Das eventuell zu räumende Gebiet ist von jeglichem rollenden und Kriegsmaterial zu entblößen. Die Zerstörung aller Anlagen, die den einrückenden Gegnern von Nutzen sein können, ist vorzubereiten.

3. Alle Ersatztruppenteile und neugebildeten roten Formationen müssen marschbereit gehalten werden, um jederzeit zurückgenommen werden zu können.

4. Es müssen alle Vorbereitungen zur illegalen Zersetzungsarbeit im Rücken des Gegners getroffen werden. Flugblätter zur Verbreitung unter die Truppen der Kapitalisten sind jetzt schon zu drucken. Es sind zuverlässige Genossen zu bestimmen, die zwecks Durchführung dieser höchst verantwortungsvollen und wichtigen Aufgabe zurückbleiben. Gleichzeitig schlage ich vor, den Westmächten nochmals ein Waffenstillstandsangebot zu unterbreiten. Diesem Angebot werden wir Nachdruck verleihen durch eine Proklamation an die Ententetruppen, in der wir die Gründung des Bundes der Sozialistischen Rätestaaten bekannt geben und worin wir sie auffordern, sich unserer Bewegung anzuschließen. Wir werden ihnen mitteilen, dass wir nochmals um Waffenstillstand ersucht haben. Wir werden sie auffordern, sich jeder Beschießung friedlicher deutscher Städte zu widersetzen. An die Inder, Marokkaner und Neger in den Reihen der Ententetruppen ergehen besondere Aufrufe. Bevor ich die Aussprache über diesen Punkt eröffne, verlese ich einige inzwischen eingelaufene Telegramme. Murmansk heute nacht, Uleaborg in frühen Morgenstunden eingenommen. Rote Nordtruppen begrüßen Zentralrat des B.d.S.R.S. Es lebe die proletarische Revolution.

Soldatenrat Nordfront

Wir protestieren gegen Ententeeinmarsch und gegen kampflose Aufgabe der Neutralität. Unsere Sympathie gehört der roten Staatenunion.

Opposition der Sozialdemokratischen Partei Hollands Englische Truppen in Eiderstedt gelandet. Marschieren eideraufwärts. Arbeiterrat Husum

Rote Arbeiterwehr von Hamburg-Altona-Wandsbek und Harburg ist mit roten Soldaten und Matrosen ausgerückt, um von Engländern besetzte Schleuse in Brunsbüttelkoog wieder zu erobern. Zentralrat Hamburg

Und nun eine gute, eine unerwartet gute Nachricht!

Hört, Genossen:

Als die Niederlage der französischen Landungstruppen in Russland und Rumänien bekannt wurde, proklamierte der Arbeiter- und Soldatenrat von Konstantinopel vorgestern abend die Räterepublik. Deutsche, türkische und einzelne französische und englische Deserteure, sowie türkische Arbeiter und Bauern bildeten eine Rote Garde. Ganz Konstantinopel jubelte. Ententetruppen verhielten sich zunächst neutral. Dann erhielten sie Befehl, gegen die Revolution vorzugehen. Ein Teil meuterte sofort, ein Teil wurde gefangen genommen, der Rest auf die Schiffe zurückgetrieben. An Bord der Schiffe meuterten die Matrosen. Die Offiziere wurden gefangen genommen. Die roten Soldaten und Matrosen kamen wieder an Land. Gestern abend erschien die französische Schwarzmeerflotte vor dem Bosporus und verlangte freie Durchfahrt. Wurde verweigert. Darauf zog sich die Flotte wieder zurück. Heute früh ist sie wiedergekommen und unter roten Fahnen im Hafen von Konstantinopel eingelaufen. Die Genossen Marty und Badina, die Vertreter der roten Matrosen und Offiziere, sprechen augenblicklich in einer Massenversammlung über die Ereignisse an Bord. Es lebe der Bund der Sozialistischen Rätestaaten!

Der internationale Soldatenrat von Konstantinopel (Minutenlang stürmischer Beifall.)

Genossen, wir freuen uns über diese gute Nachricht. Aber wir müssen uns hüten, uns allzu großen Illusionen hinzugeben. Wir werden den Sieg erringen, aber wir werden ihn erringen müssen unter ungeheuren Opfern und Anstrengungen. Im Osten werden wir unaufhaltsam fortschreiten. Im Westen aber haben wir noch manche Nuss zu knacken. Die Genossen der französischen Schwarzmeerflotte haben den ersten Schritt getan: sie haben sich geweigert, gegen die Revolution zu kämpfen. Sie müssen jetzt auch den zweiten Schritt tun: sie müssen lernen, für die Revolution zu kämpfen. Wir beglückwünschen die Genossen in Konstantinopel zu ihren Erfolgen und fordern sie auf, den Kampf sofort weiterzutragen. Adrianopel und die Halbinsel Gallipoli sind sofort zu besetzen. Die Dardanellen müssen gegen alle Angriffe verteidigt werden. Es ist schnellstens eine rote Armee zu bilden, die auf Sliven Burgas vorstoßen soll, mit dem Ziel, sich mit unserer Schwarzmeer- und Donauarmee zu vereinigen. Nach eben eingelaufenen Telegrammen sind die Orte Köln, Koblenz und Karlsruhe von feindlichen Fliegern mit Bomben belegt worden. Fliegerangriffe auf Düsseldorf, Mainz, Frankfurt und Mannheim sind von unseren Fliegerstaffeln abgewehrt worden. Unsere Fluggeschwader haben im Kampf gegen die Übermacht große Verluste erlitten, aber auch beachtenswerte Erfolge erzielt. Außer den abgeschossenen gegnerischen Flugzeugen sind 34 französische Flugzeuge gezwungen worden, auf rechtsrheinischem Gebiet niederzugehen. 13 französische und englische Flieger sind freiwillig rechts des Rheins gelandet, weil sie die Fortsetzung des Kampfes unter den obwaltenden Umständen nicht gutheißen. Einige haben sich sogar bereit erklärt, aktiv auf Seite der Revolution weiterzukämpfen.

Der deutsche Rat der Volksbeauftragten hat in einem Funkspruch an das Interalliierte Hauptquartier und in einem Aufruf an die Ententetruppen folgende Erklärung abgegeben : Wir haben uns freiwillig verpflichtet, die im imperialistischen Kriege zerstörten nordfranzösischen und belgischen Gebiete wieder aufzubauen. Wir sehen uns aber außerstande, dieses Versprechen weiter aufrechtzuerhalten, wenn in völlig sinnloser Weise deutsche Städte zerstört und ihre friedlichen Bewohner getötet werden. Wir sind nach wie vor bereit, Frieden zu schließen, verlangen aber sofortige Einstellung aller Kampfhandlungen."

Das Wort erhält der Delegierte Frankreichs.

„Genossen, ich stehe vor euch in einer sehr schweren Situation. Ihr dürft nichts Unmögliches von uns verlangen. Wir sind noch nicht so weit, um zum bewaffneten Aufstand schreiten zu können. Aber wir bereiten ihn vor. Die Regierung hat gedroht, die ,Humanite' zu verbieten und die Parteileitung in den Anklagezustand zu versetzen, wenn wir unsere Friedenspropaganda nicht einstellen. Wir haben eine Adresse folgenden Inhalts an die republikanische Regierung gerichtet:

Die französischen Sozialisten haben sich während des ganzen Krieges restlos für die Landesverteidigung eingesetzt. Frankreich ist jetzt frei vom Feinde. Der Friede ist gesichert, der Kaiser geflohen. Weshalb wird jetzt der Krieg wieder aufgenommen? Wir sind bereit, aus Sicherheitsgründen auch noch die Besetzung des linken Rheinufers gutzuheißen. Wir sind aber nicht bereit, den Krieg weiter zu unterstützen, wenn er auch in rechtsrheinisches Gebiet vorgetragen werden soll. Wir fordern die Kameraden in der Armee auf, sich an Angriffen gegen das rechtsrheinische Ufer auf keinen Fall zu beteiligen. Genossen! Soeben wird mir folgende Meldung übergeben: Starke französische Truppenmassen überschritten nach heftiger Feuervorbereitung den Rhein bei Straßburg. Die deutschen Truppen ziehen sich kämpfend auf den Schwarzwald zurück. Ein Angriff auf Kehl ist abgeschlagen worden. Von Karlsruhe und Rastatt aus ist ein Vorstoß in die linke Flanke der französischen Truppen im Gange.

Roter Soldatenrat der 28. Inf.-Div.

Das ist schlimm, Genossen, aber das bedeutet: Bürgerkrieg in Frankreich. Er wird damit enden, dass auch Frankreich sich dem Bunde der Sozialistischen Rätestaaten anschließt. Vorläufig ist es noch nicht so weit, Genossen. Ich bin dafür, dass ihr den Plan des Genossen Lenin annehmt. Je tiefer die französischen Truppen in Deutschland eindringen, je mehr sie mit der revolutionären Bevölkerung in Fühlung kommen, desto eher werden sie einsehen, dass sie nicht mehr für Frankreich, sondern für den Kapitalismus kämpfen. Desto eher wird unsere Arbeit von Erfolg gekrönt sein." Lenin (8 Uhr abends): Es ist beschlossen worden, folgende Hauptverteidigungslinie auszubauen: Nordsee, Weser, Werra, Böhmerwald, Linz, Graz, Mur, Drau, Donau. Die Rheinlinie wird noch 10 Tage gehalten. In der Zwischenzeit wird das ganze Gebiet westlich unserer Hauptverteidigungslinie geräumt von allen Truppen, von allem rollenden Eisenbahn- und Beförderungsmaterial, von allem Kriegsmaterial, unter Mitnahme von möglichst großen Proviantvorräten.

In Holland rücken die Ententetruppen in Eilmärschen nordwärts vor und haben die Maas überschritten. Die in Nordholland einrückenden ersten Abteilungen der Roten Armee stießen zuerst auf Widerstand, der aber rasch zusammenbrach. In einigen Fällen weigerte sich holländisches Militär, gegen Rotarmisten zu kämpfen, mit der Begründung, dass die Regierung ihre Neutralität auch gegen die Ententetruppen nicht verteidige.

Vom Interalliierten Hauptquartier ist folgende Antwort auf unser Waffenstillstandsangebot eingelaufen: Alle Geschütze, Gewehre und alle Munition sowie alle Flugzeuge und Kriegsschiffe sind sofort abzuliefern. Alle Truppen, die sich am Kampf in der Linie Aachen—Bonn beteiligt haben, sind auf linksrheinischem Gebiet zu internieren. An Beförderungsmaterial ist das Doppelte der im ersten Waffenstillstandsabkommen festgesetzten Mengen abzuliefern. Wenn diese Forderungen nicht innerhalb 24 Stunden angenommen werden, erkennen wir den Rat der Volksbeauftragten nicht mehr als rechtmäßige deutsche Regierung an. Wir verhandeln dann nur noch mit der in Holland gebildeten neuen deutschen Regierung, die sich bereits zur Annahme dieser Bedingungen bereit erklärt hat. Genossen! Es ist natürlich gar nicht daran zu denken, dass wir diese Bedingungen annehmen. Mag die Entente die neue Regierung in Amerongen anerkennen! Das kann uns nur recht sein. Der frühere Kronprinz hat, aus Wieringen zurückgeholt, den Vorsitz übernommen. Die eigentlichen Manager dieser Regierung sind die Herren Stinnes, Thyssen und Klöckner. Eine Regierung ohne Land, eine Regierung ohne Anhänger, wenn man nicht gerade die Ententetruppen als ihre Anhänger betrachten will. Die erste Tat dieser neuen Regierung ist glatter Landesverrat. Durch englische und französische Flieger ließ sie Flugblätter über unseren Reihen abwerfen. Unsere Kameraden und vor allem die Offiziere werden aufgefordert, der Revolutionsregierung die Gefolgschaft zu versagen. Die Waffen sollen niedergelegt und an die Entente ausgeliefert werden. Die neuen Waffenstillstandsbedingungen sind von dieser angeblichen „Volksregierung" ohne weiteres angenommen worden. Was denkt ihr, Genossen, wie wird die Front auf diese Flugblätter reagieren?"

Der Delegierte des Zentralsoldatenrats der Westfront erhält das Wort:

„Genossen! Dieser Aufruf wird vielleicht Erfolg haben bei den Etappenoffizieren, bei den Offizieren, die das Ende des Krieges in der Heimat abgewartet haben. Er wird aber wenig Erfolg haben bei den Offizieren der Westarmee. Die letzten Monate in Frankreich und Belgien sind eine gute Vorschule für die Revolution gewesen. Die tiefe Kluft, die fast während des ganzen Stellungskrieges zwischen Mannschaften und Offizieren bestand, ist in den letzten Monaten fast ganz verschwunden. Es gab keine besonderen Offiziersunterstände, kein besonderes Offiziersessen mehr. Es gab nur Rückzug, harten Kampf gegen den nachrückenden Gegner. Verluste, viele Verluste. In elenden, schnell ausgeworfenen Erdlöchern, verschmutzt und verdreckt, bei kärglicher, schnell verschlungener Nahrung. So haben wir die letzten Monate zusammen gelebt, gekämpft und gelitten. Unter diesen Umständen sind sich Mannschaften und Offiziere viel näher gekommen als jemals zuvor während des ganzen Krieges. Die Mehrzahl der wirklichen Frontoffiziere wird daher ihre Mannschaften auch jetzt nicht verlassen. Sie werden aus dem jung erwachsenen Kameradschaftsgefühl bei uns bleiben. Vielleicht wäre das alles anders, wenn die Revolution weiter nichts gewesen wäre als Defaitismus.

Jetzt aber wissen wir, wofür wir weiterkämpfen. Jetzt erhalten auch die Kämpfe, die wir hinter uns haben, die Millionen von Todesopfern, noch nachträglich einen Sinn. Jetzt kennen wir die große, herrliche Aufgabe, die wir zu lösen haben. Und wir werden diese Aufgabe lösen, Genossen. Natürlich wird der Klassenunterschied sich bemerkbar machen, darum müssen die Frontoffiziere in unsern Reihen sorgsam überwacht werden. Alle Elemente, die sich weigern, mit uns zu kämpfen, werden als Kriegsgefangene behandelt."

Das Wort erhält der englische Genosse Smith:

„Genossen! Ich war Telegraphist im Interalliierten Hauptquartier. Ich hätte der Revolution auf diesem Posten unschätzbare Dienste leisten können. Wenn ich ihn trotzdem verlassen habe, dann könnt ihr daraus erkennen, dass es eine sehr wichtige Sache ist, die mich hierher trieb. Es gelang mir, die Maas noch kurz vor den Ententetruppen zu überschreiten. Von Wesel aus bin ich in einem Flugzeug des Arbeiterrates hierher geeilt, um euch die ungeheuerlichen Pläne der Ententestaaten mitzuteilen. Ein interalliierter Kriegsrat hat sich mit der Lage befasst und beschlossen, an allen Fronten sofort sämtliche Machtmittel einzusetzen.

Im Fernen Osten sollen alle verfügbaren Seestreitkräfte gegen Wladiwostok konzentriert werden, dessen Verlust in den nächsten Tagen man befürchtet. China soll in den Kampf gegen die russische Revolution eingereiht werden. Japan war bereit, seine ganze Armee nach Sibirien zu werfen. Auf den Einspruch Amerikas ist aber beschlossen worden, dass immer eine gleich starke Zahl von Amerikanern und Japanern eingesetzt wird.

Afghanistan soll sofort von englischen Truppen besetzt werden, um den russisch-deutschen Vorstoß auf Indien abzuwehren. Alle französischen, englischen und italienischen

Schiffe im Mittelmeer sollen sofort im Schwarzen Meer eingesetzt werden und nötigenfalls den Durchgang durch die Dardanellen erzwingen. Die Franzosen, die vorher die stärksten Befürworter dieses Plans gewesen sind, hatten plötzlich Bedenken, als die ersten Nachrichten über die Meuterei in der Schwarzmeerflotte eintrafen. Jetzt bestanden aber die Engländer darauf, ohne Rücksicht auf Verluste alle Seestreitkräfte einzusetzen. Das Kräfteverhältnis der Flotten hat sich durch den furchtbaren Aderlass der englischen Nordseeflotte grundlegend geändert. Der unerwartet starke Widerstand in Schleswig-Holstein macht es wahrscheinlich, dass die im Kanal eingeschlossenen Teile der englischen Flotte verloren gehen, wenn nicht zu ihrem Entsatz außerordentliche Anstrengungen gemacht werden. Die Vertreter Frankreichs weigerten sich zunächst, diese Desperadopolitik mitzumachen. England drohte daraufhin, all seine Truppen von der Rheinlinie zurückzuziehen, Frankreich gab nach und musste sich sogar bereit erklären, seine Flotten dem englischen Kommando zu unterstellen. Wilson hat sich geweigert, diese Politik, die seinem Programm völlig widerspreche, mitzumachen. Die amerikanische Generalität hat jedoch, gestützt auf die einflussreichsten Finanz-und Industriekreise der Vereinigten Staaten, den Präsidenten unter Androhung von Gewaltmaßnahmen gefügig gemacht. Alle in englischen und französischen Häfen liegenden Schiffe werden in fieberhafter Eile für den Truppentransport vorbereitet. In einzelnen Häfen streiken die Hafenarbeiter. Um die furchtbaren Verluste durch Minen, vor allem durch Treibminen zu vermindern, werden Tausende von Klein- und Fischereifahrzeugen in den Minensuchdienst eingereiht. Alle amerikanischen Truppen sollen in Schleswig-Holstein eingesetzt werden, wohin bis jetzt schon über 200000 Mann geschickt worden sind. Allerdings dürfte nur die Hälfte davon den festen Boden erreicht haben. Es kommen aber noch mehr, viel mehr! Sie sollen alle in

Schleswig-Holstein und an der Ostseefront, die man bis nach Petrograd auszudehnen hofft, eingesetzt werden. Der Kapitalismus macht gewaltige Anstrengungen, um die junge Revolution zu unterdrücken. Aber es sind seine letzten Anstrengungen, Genossen. Sie setzen alles auf eine Karte, aber es ist die einzige Karte, die letzte Karte, die sie noch haben. Sie wissen es, genau so gut wie ihr, dass ihre Stunde geschlagen hat. Wenn die Welt zur Ruhe kommt, wenn ihr einige Jahre oder Jahrzehnte Zeit habt, am Aufbau der sozialistischen Gesellschaft zu arbeiten, und wenn auch nur in dem Rahmen eures jetzigen Machtbereichs, dann ist der Siegeszug des Sozialismus nicht mehr aufzuhalten. Wenn Russland und Deutschland, die Donauländer, der Balkan und die Türkei zusammenhalten, so sind sie in einigen Jahren unüberwindlich. Die Anziehungskraft eines so großen Reiches mit sozialistischer Zielsetzung auf die unterdrückten Völker in Asien und Afrika wird gewaltig sein. Dazu darf es nicht kommen, sagen sich meine kapitalistischen Landsleute. Deshalb wollen sie jetzt gleich, solange sie noch Millionenarmeen unter den Waffen haben, die Revolution niederschlagen oder wenigstens auf das östliche Europa und das asiatische Russland zurückwerfen, deshalb wollen sie alle Industriegebiete vom Herd der Revolution abriegeln. Russland allein, so glauben sie, mit seiner schwach entwickelten Industrie und mit seiner rückständigen, mittelalterlichen Landwirtschaft wird nicht imstande sein, ohne fremde Hilfe den Sozialismus zu verwirklichen. Es geht um Sein oder Nichtsein des Kapitalismus, deshalb werfen sie all ihre Kräfte in den Kampf. Deshalb schrecken sie vor keiner Gemeinheit, vor keinem Neutralitätsbruch zurück. Die holländische, schwedische und norwegische Neutralität brachen sie bereits. Mit kapitalistischen Kreisen der Schweiz und Dänemarks sind Verhandlungen im Gange. Ihr seht, Genossen, dass große Anstrengungen gemacht werden, euch zu vernichten. Das sieht schlimm aus, aber nur für den ersten Augenblick. Denn gerade diese Tatsache berechtigt uns auf lange Sicht zu den größten Hoffnungen. Je mehr Anstrengungen gemacht werden, euch zu vernichten, je stärker die Entente alle Kräfte anspannen muss, um so leichter wird es möglich sein, den englischen, französischen und amerikanischen Genossen und Soldaten für die Revolution zu gewinnen. Der Kampf, der jetzt begonnen hat, entscheidet nicht nur über das Schicksal Mittel- und Osteuropas, er entscheidet jetzt auch über das Schicksal Westeuropas. Es handelt sich nach diesem Frontalangriff des Kapitalismus bereits nicht mehr um die Frage: sozialistisches Osteuropa neben einem kapitalistischen Westeuropa? Die Frage lautet jetzt: sozialistische oder kapitalistische Welt? Wir aber, Genossen, werden für die sozialistische Welt kämpfen."

(Langanhaltender Beifall.)

Lenin spricht (2 Uhr nachts): „Genossen, wir wollen uns jetzt von unseren asiatischen und afrikanischen Brüdern verabschieden. Auf Flugzeugen, Luftschiffen und Unterseebooten wollen sie versuchen, ihre Heimat zu erreichen. Sie verlassen uns jetzt, um sich bald ganz mit uns vereinigen zu können. Sie werden in ihren Ländern überall den Aufstand vorbereiten. Sie kämpfen dort für uns, so wie wir hier für sie kämpfen. Gegen den Feind der unterdrückten Klassen und der unterdrückten Völker, gegen den Kapitalismus. Sozialer und nationaler Befreiungskampf gehen Hand in Hand. Geht nun hin, Genossen, in eure Länder und bereitet den Aufstand vor!

Ihr chinesischen Genossen, grüßt von uns die chinesische Revolution! Wir werden euch helfen, sie zu vollenden, so wie ihr uns jetzt helft, das Joch des Kapitalismus abzuschütteln. Grüßt Sun Yat-sen. Dankt ihm für sein Telegramm. Ihr Inder, sagt euren Landsleuten, dass die Stunde der Befreiung näher rückt! In den nächsten Wochen wird der Entscheidungskampf an eurer Grenze entbrennen. Seht nicht untätig zu! Helft mit!

Ihr Afrikaner, sorgt dafür, dass kein farbiger Soldat mehr Afrika verlässt! Nehmt den Kampf auf der ganzen Front auf! Vereinigt euch mit den Kräften Abd el Krims. Nie war die Gelegenheit so günstig wie jetzt. Bald werden wir euch vom Osten aus zu Hilfe kommen. Lebt wohl, Genossen, wir sind überzeugt, dass ihr eure Aufgabe erfüllen werdet.

Genosse Harrington erhält jetzt das Wort, um uns über die Situation in den U.S.A. zu berichten."

Harrington: „Genossen! In den Vereinigten Staaten ist im Augenblick an eine proletarische Erhebung noch nicht zu denken. Trotzdem dürfen wir die revolutionären Möglichkeiten, die gerade jetzt und vielleicht nur jetzt bestehen, nicht zu gering einschätzen. Ihr müsst euch vergegenwärtigen, dass Amerika eine pazifistische, antimilitaristische Tradition besitzt. Diese Tradition wurzelt zu einem Teil in der Religion verschiedener Sekten und Bekenntnisse. Zu einem anderen Teil in den Überlieferungen aus der Gründungszeit und in der Mentalität der Einwanderer. Die wichtigsten Gründe dieser Tradition aber sind die besonderen Bedingungen und Notwendigkeiten während der Epoche des kolonialen Frühkapitalismus. Diese Epoche ist jetzt abgeschlossen. Amerika ist schon vor dem Kriege in die Reihen der imperialistischen Staaten eingetreten. Dem würde eine neue Ideologie, eine neue Mentalität entsprechen. Vorläufig aber lebt noch die alte Ideologie, die alte Mentalität, die alte Tradition. Sie herrscht noch in den Köpfen der Proletarier, sie wurzelt auch noch fest, viel fester als es in der jetzigen Zeit der gewaltsamen Unterdrückung scheint, in weiten Kreisen des Bürgertums, ja sogar in den Köpfen vieler führender Funktionäre des Bürgertums, vielleicht sogar im Kopfe des Präsidenten. Wir müssen diese Tatsache geschickt ausnützen.

Wir müssen dafür sorgen, dass diese Denkweise in den Köpfen der Proletarier rascher zu einer proletarischen Ideologie wird als die Ideologie des Bürgertums zu einer rein imperialistischen. Wir werden, an die amerikanische Tradition anknüpfend, mit typisch bürgerlichen pazifistischen Argumenten gegen die Fortsetzung des Krieges operieren. Dabei können wir uns stützen auf die besonderen Eigenarten des jugendkräftigen amerikanischen Kapitalismus und Imperialismus, der in vielen Fällen eine ganz andere Zielrichtung hat als die europäischen Imperialismen. Wir werden den amerikanischen Kleinbürgern klarmachen, dass das in Europa angelegte Geld verloren ist, wenn der Krieg bis zur gänzlichen Zerstörung Europas fortgesetzt wird. Wir werden sie darauf hinweisen, dass die Weststaaten nicht nur gewinnen, sondern auch verlieren und der Revolution anheim fallen können.

Wir müssen ferner folgendes berücksichtigen: Der amerinische Arbeiter und Soldat ist nicht, wie man bisher geglaubt hat, immun gegen sozialistische Einflüsse. Amerikanische Soldaten haben in Archangelsk und Wladiwostok gemeutert, als sie gegen die Revolution kämpfen sollten. Wenn erst einmal die Revolution in Europa gesiegt hat und in Amerika eine gewisse Kerntruppe vorhanden ist, so sind die Aussichten für einen bewaffneten Aufstand bei uns lange nicht so ungünstig, wie allgemein angenommen wird, viel günstiger jedenfalls als für die von den Reformisten gepriesene „Machteroberung auf demokratischem Wege". Demokratisch ist dem amerikanischen Kapitalismus noch viel weniger beizukommen als dem europäischen. Dazu ist er zu stark, zu robust, zu selbstsicher. Dazu sind vor allem die beiden Parteien zu stark und finanzkräftig, die im entscheidenden Augenblick über das ganze amerikanische Kapital und über die ganze Presse verfügen. Selbst wenn der kapitalistische Terror, wenn die organisierten Überfälle auf Arbeiterhäuser und Arbeitereinrichtungen und auf unsere Zeitungen und Vereinshäuser aufhören sollten, selbst wenn der Ku Kux Klan wirklich aufgelöst werden sollte, selbst wenn die Lynchjustiz und die bürgerliche Klassenjustiz ihre Schreckensherrschaft einstellen sollten, selbst wenn alle diese Voraussetzungen, an die im Ernst natürlich gar nicht zu denken ist, einmal gegeben wären, selbst dann würden wir nicht imstande sein, dem mächtigen Apparat der Demokraten und Republikaner etwas auch nur annähernd Gleichwertiges entgegenzusetzen.

Die Arbeiteraristokratie ist bei uns reformistisch und bürgerlich verseucht. Die anderen Proletarierschichten sind entweder vorläufig, d. h. in normalen Zeiten, noch unorganisierbar (die Bewohner der Slums), oder sie sind von dem typisch amerikanischen Glauben an die große Chance besessen, der sich noch aus der Zeit des Frühkapitalismus, des Pioniertums in Amerika, erhalten hat und durch den Krieg mit seinen vielen Verdienstmöglichkeiten, mit seiner rasend aufgeblähten und vollbeschäftigten Industrie, mit seinen hohen Löhnen wieder neue Nahrung erhalten hat. Der amerikanische Arbeiter hat bisher alle Vorzüge eines jungen, kräftig sich entwickelnden, seine Konkurrenten überflügelnden und sich auf günstigem Gebiet ausdehnenden Kapitalismus kennen gelernt. Wie aber wird es werden, wenn er jetzt einmal seine Schattenseiten richtig kennen lernt, wenn er für diesen Kapitalismus, der ihm dann auf einmal nicht mehr so liebenswert erscheinen wird, längere Zeit kämpfen, leiden und entbehren muss? Wie wird es werden, wenn sich erst einmal eine Kerntruppe der Revolution gebildet hat, wenn nicht nur Arbeiterversammlungen, sondern auch kapitalistische Klubs überfallen werden? Wie wird es werden, wenn sich den amerikanischen Parias, den Millionen Negern, Mexikanern usw. endlich die Bruderhand des weißen Proletariers entgegenstreckt? Deshalb sage ich euch, Genossen: Wenn der Präsident seine Ansicht durchsetzt und die amerikanischen Truppen aus Europa zurückzieht, dann kann ich euch für die nächsten zehn Jahre nicht viel versprechen. Wenn aber der Krieg gegen die europäische Revolution in größerem Ausmaß mit amerikanischen Truppen fortgesetzt wird und unter großen Verlusten monate- oder gar jahrelang dauert, dann, Genossen, kann ich euch versprechen, dass in Amerika Bundesgenossen erstehen, auf die ihr euch verlassen könnt."

Wieder durchtobt stürmischer Beifall das Haus, das noch immer voll besetzt ist, obwohl bereits der Morgen naht. Rote Matrosen der deutschen und russischen Flotte und Delegierte der havarierten und in deutsche Häfen eingelaufenen Schiffe der englischen Flotte nehmen vor der Rednertribüne Platz.

Ein Telegramm wird verlesen: „In Potsdam Offiziersaufstand ausgebrochen. Truppen treugeblieben. Post und Rathaus von den Aufständischen besetzt. Eisenbahn in unseren Händen. Sendet sofort Verstärkungen." (Inzwischen liquidiert! D. Red.) Die Sitzung des Generalrats wurde für 24 Stunden vertagt.

Vorwärts - 30. November 1918

Der Kampf um die Ostsee

Vordringen der englischen Flotte im Nordostseekanal

Brunsbüttelkoog wieder zurückerobert Eutentetruppenlandungen in Jütland und Nordseeland

Ultimatum an Norwegen Erfolge der Revolution in Schweden

Die Lage in Schleswig-Holstein

Die englische Flotte kämpfte sich, allerdings mit großen Verlusten, durch den Minengürtel der Nordsee durch. Der Angriff auf Wilhelmshaven wurde abgeschlagen, obwohl wir außer den Küstenabwehrgeschützen nur noch über Kanonen, Torpedo- und Unterseeboote in der Nordsee verfügten. Cuxhaven ist gefallen. Landungstruppen in Stärke von ungefähr 50000 Mann marschierten auf dem linken Eibufer vorwärts bis vor Brunsbüttelkoog. Darauf wurde Brunsbüttelkoog vom Wasser her eingenommen. Starke Landungstruppen begannen sofort an beiden Seiten des Kanals vorzumarschieren. Die Engländer trafen zuerst nur auf Widerstand von Partisanengruppen, den sie leicht überwanden. Erst in der Linie Albersdorf—Hademarschen wurden sie aufgehalten. Den rechten Flügel bedrängten starke rote Truppen, die aus dem Lockstedter Lager, Hamburg, Neumünster und Lübeck kamen. Ein Teil der auf dem rechten Ufer marschierenden englischen Truppen wurde gefangen genommen oder lief über. Der größte Teil aber konnte sich auf das linke Ufer retten. Inzwischen war das englische Geschwader im Kanal herangekommen, das zehn Stunden durch die Beschädigung der Schleusen in Brunsbüttelkoog aufgehalten worden war. Jetzt änderte sich die Situation vollständig zugunsten der Engländer. Die dritte englische Landungsarmee hatte die ersten Angriffe der roten Hamburger Arbeiterwehr abgewehrt und den Vormarsch über Glückstadt—Elmshorn angetreten. Die Eisenbahnverbindung nach dem Norden war unterbrochen. Gleichzeitig landete die vierte englische Armee in Eiderstedt und fesselte die Kräfte der Rendsburger Garnison durch den Vormarsch auf dem rechten Eiderufer. Unter dem Schutz ihrer Schiffskanonen gelang es den Engländern, ungefähr 10 km beinahe kampflos vorzudringen. Gestern nahmen sie nach hartem Kampf Rendsburg ein. Dadurch erhielt die englische Kriegsflotte wieder Bewegungsfreiheit und konnte 10 km weit östlich von Rendsburg vorstoßen. Gegenwärtig wird um die starke und günstig gelegene Verteidigungsstellung am Flemhuder See heftig gekämpft. Aber auch wenn diese Stellung durchbrochen werden sollte, kann die englische Flotte nicht mehr vordringen. Zwei Kilometer westlich der Levensauer Hochbrücke ist der ganze Kanal zugeschüttet. Über 40000 Mann mit Tausenden von Fahrzeugen arbeiten fieberhaft Tag und Nacht daran, zwei je 30 m breite Erd- und Betonbarrieren durch den Kanal zu bauen. Selbst wenn Kiel eingenommen werden sollte, wird es wochenlang dauern, bis dieses Hindernis beseitigt ist.

Die roten Verteidiger der Kieler Festung sind zuversichtlich.

Die Landung einer großen englisch-amerikanischen Armee in Westjütland und das Vordringen der vierten englischamerikanischen Armee rechts der Eider hat nun aber doch eine starke Bedrohung unserer Stellung in Schleswig-Holstein hervorgerufen.

Wir waren auf diesen Angriff zuerst überhaupt nicht vorbereitet und haben ihm dann zu wenig Bedeutung beigemessen. Wir haben nicht im entferntesten damit gerechnet, dass so gewaltige Truppenmassen in Schleswig-Holstein eingesetzt würden. Nach den ersten Berichten über die starken englischen Verluste im Minengürtel der Nordsee haben wir angenommen, dass die Gefahr vorüber sei. Nördlich des Kanals kämpft eine einzige, kaum friedensstarke rote Division gegen einen zwanzigfach überlegenen Gegner. Sie hat eine erstklassige Verteidigungsstellung in den holsteinischen Knicks (mehrere Meter breite baum- und buschbewachsene Erdwälle, von denen alle höhergelegenen Koppeln umrahmt sind) und verstärkt diese vorzügliche Deckung dauernd durch Erdarbeiten. Der Gegner versucht unter ungeheuren Opfern, bisher vergeblich, das vor dieser natürlichen Verteidigungsstellung liegende 3 km breite Sumpf- und Moor - und Wiesengebiet zu durchqueren. In den Sümpfen und Mooren vor Tetenhusen versackten die ersten Angriffe. Der weiter ostwärts immer wieder vorgetriebene Angriff brach unter dem Feuer unsrer Maschinengewehre in dem kilometerweiten gräbendurchzogenen und überschwemmten Wiesengürtel zusammen. Jetzt aber ist Rendsburg in der Hand der Gegenrevolution. Wird es unsern von Süden heranrückenden Truppen rechtzeitig gelingen, Rendsburg wieder einzunehmen? Alle im nördlichen Deutschland von der Westfront zurückflutenden Truppen mit Verstärkungen aus Berlin und Hannover werden nach dem Norden geworfen. Die ersten roten Regimenter aus Russland haben Neumünster erreicht. Hoffentlich kommen sie rechtzeitig!

Letzte Nachrichten und Telegramme

Der englische Vormarsch auf dem Unken Eibufer ist zum Stehen gekommen. Brunsbüttelkoog und Rendsburg sind von starken roten Kräften zurückerobert worden. Die englisch-amerikanischen Landungsarmeen aus Eiderstedt und Jütland haben sich vereinigt. Flensburg ist von den Engländern eingenommen worden und wird von der vereinigten deutsch-russischen Flotte beschossen, die alle Versuche zur Forcierung der Ostseeinfahrt abgeschlagen hat. Unsere Verteidigungsstellung verläuft jetzt: Schlei—Schleswig— Rendsburg—Schleswiger Landstraße bis Sorgbrück, Sorgeniederung—Eider.

Hinter dieser Stellung befinden sich noch zwei englische Nester, die aber in den nächsten Tagen erledigt sein dürften; westlich zwischen Heide und Albersdorf schwache zersprengte Truppen; im Osten die jetzt hoffnungslos eingeschlossene englische Kanalflotte mit den dezimierten und abgekämpften englischen Landtruppen. Alle Angriffe auf Kiel wurden abgeschlagen. Vor der zugeschütteten Kanalstellung schwelen deutsche Brander, die jedes weitere Vordringen unmöglich machen. Die Verbindung der englischen Kanalflotte nach rückwärts ist abgeschnitten. Bei Schacht—Audorf hat die rote Arbeiterwehr des Walzwerkes mehrere schwer beladene Schiffe von Werft Nobiskrug versenkt. Sie greift jetzt mit der roten Arbeiterwehr der Büdelsdorfer Karlshütte und den aus dem Süden kommenden roten Truppen die englische Kanalflotte von rückwärts an. Die schwachen deutschen Verteidigungstruppen rechts der Eider haben lange vergeblich auf Verstärkungen aus Rendsburg gewartet und dann wegen Umzingelungsgefahr ihre fast unüberwindliche Verteidigungsstellung aufgegeben, nicht ohne den im Überschwemmungsgebiet anrückenden englisch-amerikanischen Truppen außerordentlich starke Verluste beigebracht zu haben. Die Unsern zogen sich 2 km zurück und verteidigen jetzt die Südseite der ebenfalls überschwemmten Sorgeniederung.

Das Rheintal von der Schweizer Grenze bis Rastatt ist von uns geräumt worden. Die französischen Truppen erlitten starke Verluste beim Angriff auf den Schwarzwald. Wegen der durch Aufgabe der Schweizer Neutralität veränderten Lage wird ganz Süddeutschland beschleunigt geräumt. Die italienischen Truppen erlitten bei ihrem Vordringen in schwierigem Gelände schwere Verluste.

Telegramm aus Konstantinopel

Zweiter Dardanellenangriff mit schweren Verlusten abgewiesen. Verbindung mit Schwarzmeerarmee hergestellt. Vormarsch aufgenommen, auf dem Balkan in westlicher, in Kleinasien in östlicher Richtung.

Internationaler Zentralsoldatenrat

Telegramm aus Bukarest

Donau in breiter Front südwärts überschritten.

Oberkommando Rote Ostdonauarmee

Telegramm aus Moskau

Wladiwostok zum dritten Mal an Japaner und Amerikaner verloren. In der Provinz Sutschan treffen ständig neue rote Partisanengruppen aus dem Westen ein.

Vorwärts - 15. Dezember 1918

Sieg im Osten! Rückzug im Westen!

Aus Lenins Rede in der Sitzung des Generalrates des B.d.S.R.S.

Lenin: „Genossen, die Lage im Osten ist bekannt. Die transsibirische Bahn und die Verkehrswege in der Mongolei und Mandschurei sind in unserer Hand. In China macht die Revolution, unterstützt durch unsere Flugzeuge und Eisenbahntruppen, weitere Fortschritte. In Persien, Afghanistan, Mesopotamien und Palästina werden die englischen Truppen zurückgedrängt. Der Angriff auf Ägypten und Indien und die revolutionäre Bewegung in beiden Ländern schreiten gut fort. Die Angriffe der Entente auf die Dardanellen sind endgültig abgeschlagen. Alle englisch-italienisch-französischen Seestreitkräfte im Mittelmeer, soweit sie nicht vernichtet, kampfunfähig geworden oder zu uns übergegangen sind, werden im Suezkanal zur Verteidigung Ägyptens konzentriert. Dorthin konzentrieren die Kapitalisten auch alle anderen Seestreitkräfte aus den pazifischen und indischen Gewässern. In Nordafrika schreiten die Kämpfe gegen Italiener, Franzosen und Spanier erfolgreich fort. Der größte Teil von Schweden, Norwegen und die meisten dänischen Inseln sind fest in unserer Hand. Die Kieler Festung hält sich. Angesichts dieser Tatsachen dürfen wir im Westen die Ruhe nicht verlieren. Wir müssen heute noch mit der Räumung von Berlin beginnen, wenn sich an der Eiblinie herausstellen sollte, dass die Aufklärung der Ententetruppen noch nicht so weit vorgeschritten ist, dass sie auch in größeren Formationen sich weigern, auf dichtbevölkerte Städte zu schießen. Wir haben in dieser Beziehung bereits große Erfolge zu verzeichnen. Durch unser rechtzeitiges Zurückweichen haben wir immer wieder Gelegenheit zu erfolgreichen Gegenstößen gehabt, und zwar in Gegenden, die wir uns ausgesucht haben, Genossen. Der Gegner ist ängstlich geworden und wird täglich schwächer, obwohl er alles erfassbare Menschenmaterial in den Kampf geworfen hat. Die asiatischen und afrikanischen Truppen aber hat er endgültig aus der Kampffront herausnehmen müssen. Sie werden nur noch als Besatzungstruppen verwandt. Vorläufig! Wenn erst überall im Rücken der Entente bewaffnete Partisanenkämpfe und Aufstände ausbrechen, dann wird es keine Etappe mehr geben. Dann wird die Stunde zum Generalangriff gekommen sein. Bis dahin dürft ihr die Nerven nicht verlieren, deutsche Genossen. Deutschland ist nicht die Welt. Wir werden die Sowjetmacht in ganz Deutschland aufrichten, schneller als ihr denkt, Genossen! Vorläufig aber müssen wir noch weiter zurück. Die nächste Sitzung des Generalrates findet in Warschau statt. Die neue Hauptverteidigungslinie, die wir unter allen Umständen halten, soll verlaufen: Laaland—Falster—Rügen—Usedom— 20 km westlich und südlich Stettin — Oderlauf bis Neißemündung — Neißelauf—Sudeten—March—Donau bis Belgrad—Serajewo— Spalato—Ägäisches Meer. Daran schließt sich unsere südliche Angriffsfront, auf deren dauernde Verstärkung wir das größte Gewicht gelegt haben. Unsere Angriffsziele sind dort Kreta und Alexandria.

Ebenso wird unser rechter nördlicher Flügel in Schweden und Norwegen mit Hochdruck verstärkt, denn dort stehen wir dem einzigen Gegner gegenüber, der noch völlig intakt und nur wenig demoralisiert ist. Die Amerikaner haben gewusst, was sie taten, als sie alle ihre Kräfte aus der Westfrontherauszogen und in Bordeaux und in Jütland—Schleswig konzentrierten. Ihre Flotte hat nur bei der englischen Landung in Wilhelmshaven Verluste gehabt. Sonst ist diese Flotte trotz allen Vorstellungen der Engländer nicht eingesetzt worden. England, das einst weltbeherrschende England, muss den Schutz seiner Handelsschiffe in der Welt und sogar im Atlantik den Amerikanern anvertrauen. Wenn England nicht sofort aufhört, seine Kräfte in einem aussichtslosen Kampf zu vernichten, ist es — selbst wenn die niedergeschlagene Aufstands- und Dienstverweigerungsbewegung nicht wieder aufleben sollte — mit England zu Ende. Von den Landarmeen sind die Italiener am meisten demoralisiert. Sie sind zwar dauernd im Vormarsch, erkaufen ihre Fortschritte aber mit außerordentlich schweren Verlusten. Trotzdem werden wir Wien, besonders infolge der katastrophalen Lebensmittelknappheit, nicht halten können. Die Vorbereitungen zur Räumung sind im Gange. Auch die Linie Weser—Werra—Böhmerwald müssen wir aufgeben. Zwar konnten wir dem Gegner, der infolge des Bruches der Schweizer Neutralität und unseres raschen Zurückweichens nach Norden und Westen im Böhmerwald zum Angriff einsetzte, schwere Verluste zufügen. Hier wurden zum ersten Mal rote tschechische Truppen eingesetzt. Sie schlugen sich bewunderungswürdig. Aber im Rücken sind wir zu schwach. Ein großer Teil der Bevölkerung sieht in den Franzosen die nationalen Befreier. Bei unserer ersten Niederlage würde der weiße Aufstand in Prag, das von zuverlässigen Truppen fast entblößt ist, erneut aufflammen. Wir können Tschechien nicht halten. Aber der Rückzug auf die östliche Hauptverteidigungslinie geht systematisch, unter Mitnahme allen beweglichen Kriegsmaterials, vor sich. Die Gefahr im Rücken ist für uns in dem Augenblick behoben, in dem wir die neue Hauptverteidigungslinie einnehmen, an deren Ausbau Tag und Nacht gearbeitet wird. Die kapitalistischen Heere haben dann eine ganze Reihe von sehr gefährlichen Aufstandsherden im Rücken, wir dagegen nur noch drei Städte, in denen uns ein Aufstand gefährlich werden könnte: Warschau, Budapest und Bukarest. An diesen drei Stellen konzentrieren wir neu gebildete und in der Ausbildung befindliche Truppen, die bei ihrem Abrücken immer wieder durch neue rote Formationen ersetzt werden und in Verbindung mit den bewaffneten Arbeiterwehren zweifellos imstande sind, jeden weißen Aufstand im Keime zu ersticken.

Kennzeichnend für die jetzige Lage ist folgendes. Erstens: Es gibt auf der ganzen Welt keine neutralen Staaten mehr. Die Neutralität wurde nur so lange aufrechterhalten, als noch kapitalistische Staaten mit anderen kapitalistischen Staaten kämpften. Sie wurde entweder freiwillig oder unter einem gelinden Druck leicht aufgegeben in dem Augenblick, in dem es klar wurde, dass der Kapitalismus mit dem Sozialismus kämpft.

Zweitens: Auf die Soldaten in den kapitalistischen Armeen ist nur noch Verlass, wenn sie in größeren Verbänden in den Formen des imperialistischen Krieges kämpfen. Je kleiner aber die Verbände, je deutlicher im Einzelfalle der Charakter des internationalen Bürgerkrieges hervortritt, um so stärker wird die Neigung der in den kapitalistischen Armeen kämpfenden Soldaten, überzulaufen oder auf unserer Seite weiterzukämpfen. Wenn wir 1000 Gefangene machen, so bedeutet das fast immer, dass wir viele Hunderte neue Kämpfer gewonnen haben. Wenn aber die Gegner 1000 Gefangene machen, so haben sie bestenfalls zehn Offiziere neu für ihre Kampftruppen gewonnen. Besonders an der maritimen Front hat sich das gezeigt. Unsere roten Seestreitkräfte haben im allgemeinen nicht gerade glücklich operiert. Doch überall, wo unsere Mannschaften, ob siegreich oder geschlagen, landeten, entfesselten sie die Revolution. Wo dagegen kleinere Teile der kapitalistischen Flottenbesatzungen landeten und sich selbst überlassen waren, verfielen sie der Revolution.

Drittens: Die revolutionäre Bewegung in England, Frankreich und Italien wächst ständig. Die Führer der sozialistischen Opposition dieser Länder haben sich in einer Geheimkonferenz mit der Lage befasst und beschlossen, alle revolutionären Maßnahmen anzuwenden, wenn die Kriegshandlungen gegen die Revolution nicht sofort eingestellt werden. In England ist diese Bewegung am weitesten fortgeschritten. Die Londoner Arbeiter hatten bereits bei Bekannt werden der eisten Nachrichten über die deutsche Revolution den Abbruch des Krieges verlangt. Die Empörung über die pazifistischen Führer und die Neigung zum Aufstand ist seitdem ständig gestiegen. Die Hafen- und Dockarbeiter stehen seit drei Tagen im Streik. Die Grubenarbeiter verlassen seit heute ihre Arbeitsstellen. In Italien sind spontane Streiks ausgebrochen. Die Mailänder Arbeiter haben beschlossen, die Betriebe zu besetzen, wenn die italienische Armee nicht sofort aus der Kampffront zurückgezogen wird. In Frankreich gärt es ebenfalls. In Paris, Lyon, im zerstörten nordfranzösischen Industriegebiet, im Pas de Calais, in den Nordseehäfen und in den Waffenfabriken von Schneider-Creuzot stehen politische Streiks bevor. Es läge jetzt sowohl in unserm als auch im Interesse der französischen, englischen und italienischen Genossen, dass wir den Kampf fortsetzen, ohne nochmals ein Waffenstillstandsangebot zu machen. Die Genossen aus diesen drei Ländern drängen jedoch darauf, dass wir noch einmal einen Versuch zur friedlichen Beendigung des Kampfes machen. Im Namen des B. d. S. R. S. und der sozialistischen Parteien von Frankreich, England und Italien werden wir der Entente ein gemeinsam verfasstes Ultimatum von 48 stündiger Frist stellen.

Wir fordern darin sofortige Räumung aller Gebiete des B.d.S.R.S. in drei Etappen. Anerkennung des B. d. S.R. S. und völlige Integrität des ehemaligen Gebietes aller angeschlossenen Staaten mit den später aufgezählten Ausnahmen. In allen europäischen Ententestaaten und in allen Kolonien ist innerhalb von zwei Monaten eine Abstimmung darüber vorzunehmen, ob die Bevölkerung sich dem B. d. S. R. S. anschließen oder ob sie das kapitalistische System beibehalten will. Elsass-Lothringen, Südtirol und Nordschleswig stimmen zunächst nicht mit ab. Wenn die Bevölkerung Italiens, Frankreichs oder Dänemarks sich nicht für Anschluss an den B. d. S. R. S. entschließt, ist innerhalb eines weiteren Monats eine Volksabstimmung in diesen Gebieten unter beiderseitiger Kontrolle vorzunehmen. Für den Fall, dass die Volksabstimmung in den Ententestaaten negativ ausfällt, fordern wir Amnestie für alle so genannten Antikriegs- und Revolutionsverbrecher. Wir erklären uns nochmals zum Wiederaufbau der zerstörten Gebiete bereit, aber nur unter der Bedingung, dass dieser Aufbau unter unserer Leitung erfolgt, unter Ausschaltung aller Unternehmergewinne.

Wenn diese Bedingungen nicht angenommen werden, wird in allen Ententestaaten und in den besetzten Gebieten der Generalstreik proklamiert. Die Genossen aus den Ententestaaten wollen es zunächst bei dieser Maßnahme bewenden lassen. Wir haben versucht, sie davon zu überzeugen, dass ein Generalstreik nur dann einen Sinn hat, wenn der Wille zum bewaffneten Aufstand und zur Ausrufung der Räterepublik dahinter steht. Sie sind aber überzeugt davon, dass unser Friedensangebot wesentlich zur Befreiung der westeuropäischen Arbeiter und Soldaten von demokratischen Illusionen beitragen und die agitatorische Plattform zur Liquidierung der Reformisten und Pazifisten, zur Entfesselung des Generalstreiks und des Aufstandes schaffen wird. Genossen! Die Stunde der Entscheidung, die Stunde unseres Endsieges naht. Ich halte es für ausgeschlossen., dass die Ententeregierungen auf unser Angebot eingehen. Sie werden nicht klüger sein als die deutschen Imperialisten. Sie sehen hypnotisiert auf die Landkarte, sie glauben, besetztes Gebiet sei erobertes Gebiet. Sie können und werden es sich nicht eingestehen, dass in ganz Europa, in ihren eignen Kasernen und Fabriken sich bereits die Rote Armee Europas formiert. Genossen! Unser Friedensangebot darf die Kampfbereitschaft an keinem Punkte unsrer Fronten beeinträchtigen : Ich schlage vor, unser Friedensangebot sofort durch Funkspruch und Flieger in ganz Europa bekannt zu geben und im übrigen dem Internationalen Revolutionären Kriegsrat volle Handlungsfreiheit zu lassen." Die Vorschläge des Genossen Lenin werden angenommen.

Vorwärts - 18. Dezember 1918

Berlin wird geräumt

Wir kommen wieder!

Noch einmal erscheint der „Vorwärts" in Berlin legal. Einmal öfter, als wir gedacht hatten. Die Nachricht von den erfolgreichen Kämpfen im Raume Wittenberge — Salzwedel—Stendal ließ schon die Hoffnung in uns wach werden, dass wir nicht zu räumen brauchten. Aber der Internationale Revolutionäre Kriegsrat ist unerbittlich. Der I. R. K. macht folgendes bekannt:

Der Vormarsch der Ententetruppen ging vor allem in Richtung auf Berlin und Hamburg besonders schnell vor sich. Der Vormarsch auf Berlin scheint aus Prestigegründen geradezu übereilt worden zu sein. Vielleicht hat man im Interalliierten Hauptquartier auch geglaubt, dass unsere Widerstandskraft und Aktionsfähigkeit so gering sei, dass ein kräftiger Nachstoß unseren geordneten Rückzug in eine wilde Flucht verwandeln könnte. Nur so ist die Sorglosigkeit zu erklären, mit welcher der Eibübergang westlich Berlin vollzogen wurde, bevor Magdeburg besetzt war. Wir haben vor Magdeburg erst im letzten Augenblick, als der Gegner schon an kampflose Übergabe glaubte, den Kampf aufgenommen und Magdeburg noch zehn Stunden lang gehalten. Diese Zeit genügte, um den doppelseitigen Flankenvorstoß im nördlichen Elbebogen zu decken. Alle Ententetruppen, die auf der Strecke Wittenberge—Tangermünde bereits die Elbe überschritten hatten, sind gefangen genommen worden. Von den auf dem linken Eibufer stehenden Truppen wurden etwa 80 000 durch unsere Umzingelungsaktion abgeschnitten und ohne große Gegenwehr gefangen genommen. Die Saale-Linie ist von uns nach Eintreffen der gegnerischen schweren Artillerie aufgegeben worden. Südlich Harburg haben wir dem Gegner in einer ausgebauten Stellung im Ostebogen und in der Lüneburger Heide einige Tage hartnäckigen Widerstand geleistet und schwere Verluste zugefügt. Im Schutze der Nacht wurde dann auch diese Stellung geräumt. Der Gegner rückte zögernd nach und konnte nach zwei Tagen die Städtegruppe Harburg—Altona—Hamburg— Wandsbek kampflos besetzen.

Alle Angriffe der englisch-amerikanischen Nordarmeen auf die Kanallinie sind bisher abgeschlagen worden. Nördlich des Kanals haben wir uns auf die Linie Eckernförde—Wittensee—Rendsburg zurückgezogen. Die Kanallinie westlich Albersdorf ist heute nacht von uns aufgegeben worden. Die Landung starker russischer und deutscher Truppen in Südschweden, Seeland, Laaland und Langeland wird fortgesetzt. Seeland ist fast ganz in unserer Hand. Auf Fünen machen wir Fortschritte, obwohl wir im Großen Belt das maritime Übergewicht noch nicht erlangen konnten. In China, Persien und Syrien dringen die roten Truppen weiter vor. Die Seeschlacht vor Kreta ist zu unseren Gunsten entschieden. Kreta wurde von roten Landungstruppen besetzt. Ein Teil der Ententeflotte ist zu uns übergegangen. Der Rest entzog sich der völligen Vernichtung durch den Rückzug auf Ägypten. Die französische Mittelmeerflotte kämpft jetzt größtenteils auf unserer Seite. Die Matrosen der Schiffe, die noch im kapitalistischen Lager kämpfen, haben sich geweigert, auf ihre roten Landsleute zu schießen. In der französischen Flotte herrscht starke Erbitterung gegen die englische Oberleitung, die vor den Dardanellen und vor Kreta die eigenen Schiffe schonte und die französischen und italienischen Schiffe rücksichtslos einsetzte.

Der Beginn des Generalstreiks in den Ententestaaten ist um drei Tage verschoben worden. Die Interalliierten Regierungen haben sich im letzten Augenblick zu Verhandlungen bereit erklärt. Die gefangen gesetzten Führer wurden freigelassen und die vor den Kriegsgerichten schwebenden Verfahren vorläufig niedergeschlagen.

In Mailand haben die Arbeiter die Fabriken besetzt. Unter den italienischen Truppen sind Gehorsamsverweigerungen an der Tagesordnung. Die Differenzen sind aber vorerst gütlich beigelegt worden, da die italienische Heeresleitung versprochen hat, keine Angriffe gegen die neue rote Hauptverteidigungslinie zu unternehmen, wenn Wien kampflos übergeben wird.

Wenn wir 1918 ...

Подняться наверх