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Letzte Nachrichten und Telegramme

Die Aufstandsbewegung in Irland wächst. Ganz Südirland ist in der Gewalt der Aufständischen. In Chikago ist ein Arbeiteraufstand niedergeschlagen worden. Unsere Truppen auf Fünen haben im Kampf gegen überlegene amerikanische Kräfte eine Niederlage erlitten. Die ersten italienischen Truppen sind vor Wien erschienen. Starke rote Truppenabteilungen marschieren in Griechenland ein, da Griechenland trotz mehrfacher Aufforderung die aus Bulgarien und Serbien geflüchteten Ententetruppen nicht entwaffnet hat. Das Oberkommando der roten Balkanarmee, das über starke Formationen verfügt, bereitet den Nordvormarsch vor, will aber erst die rückwärtige Gefahr in Griechenland liquidieren, was angesichts der roten Überlegenheit nur wenige Tage in Anspruch nehmen dürfte. In Saloniki, das bald von der regulären roten Balkanarmee besetzt werden wird, tobt zur Zeit ein heftiger Kampf zwischen aufständischen Arbeitern, roten englischen, französischen, griechischen und italienischen Truppen einerseits und den Resten der königlich griechischen und Ententearmeen anderseits. Nach einem Telegramm aus Dresden sind Halle, Leipzig und Zwickau kampflos von den Franzosen besetzt worden. Starke Kolonnen von Autos, Panzerautos, Tanks und Kavallerieabteilungen rücken in Eilmärschen ostwärts vor und stehen vor Chemnitz. Starke rote Abteilungen sind in Gefahr, abgeschnitten zu werden. Ein Kampf soll nach den Anweisungen des I. R. K. unter allen Umständen vermieden werden. Die aktiven Abteilungen der sächsischen Arbeiterwehren, die sich auf die Oder—Neiße-Linie zurückziehen sollten, werden in ihren Heimatorten demobilisiert. Alle Arbeiterräte in Sachsen sind angewiesen worden, die ostwärts marschierenden roten Truppen, soweit sie nicht mit schnellen Beförderungsmitteln ausgerüstet sind, anzuhalten, zu demobilisieren und soweit wie möglich mit Zivilkleidung zu versehen.

Berliner Genossen!

Der Vorwärts" hört mit dem heutigen Tage auf, legal in Berlin zu erscheinen. Die offizielle Redaktion ist ab morgen in Warschau. Alle wichtigen Nachrichten werden durch drahtlosen Funkspruch der illegalen Redaktion in Berlin übermittelt. Unterstützt unsere illegalen Organisationen und den illegalen Zeitungsvertrieb! Haltet euch bereit für die Stunde der Entscheidung! Leistet den militärischen Machthabern der Entente nicht die kleinste Hilfe! Versucht, mit den englischen und französischen Kameraden ins Gespräch zu kommen. Besorgt euch alle den revolutionären Sprachführer, der bei allen Betriebsräten und revolutionären Vertrauensleuten zu haben ist. Verbreitet die in englischer und französischer Sprache geschriebenen Flugblätter und klebt die fremdsprachigen Aufrufe an alle Mauern, Zäune, Kasernen, Wohnhäuser, Litfasssäulen und öffentlichen Gebäude. Unterstützt die englischen und französischen Genossen, die sich mit uns verbrüdern wollen und die Absicht haben, zu desertieren. Gebt ihnen Zivilkleidung oder alte deutsche Uniformen und versteckt sie. Reiht sie ein in die Kampffront, wenn die Stunde des bewaffneten Aufstandes gekommen ist!

Seid bereit! Wir kommen wieder!

Warschau - Vorwärts - 21. Dez. 1918

Siegestaumel und weißer Terror

Die Entente hat unser Friedensangebot unbeantwortet gelassen und setzt den Kampf fort. Ihre Truppen marschieren überall in Eilmärschen ostwärts. Die Gefangennahme der roten Truppen auf Fünen, die kampflose Einnahme von Hamburg, Berlin, Meißen, Dresden, Prag und Wien hat in den kapitalistischen Hauptstädten einen Siegestaumel hervorgerufen, der leider nicht nur auf bürgerliche und kleinbürgerliche Kreise beschränkt geblieben ist. Besonders in Paris scheint die Einnahme von Berlin furchtbare Verwüstungen in den Gehirnen angerichtet und übertriebene Hoffnungen wachgerufen zu haben. Die sozialistischen Zeitungen in ganz Frankreich sind wieder verboten und beschlagnahmt worden. Die Leitung der sozialistischen Partei und der Confederation generale du Travail, die sich am gestrigen Abend im Vertrauen auf die Versprechungen der Regierung zu einer Sitzung zusammengefunden hatte, ist vollzählig verhaftet worden. Ein Unterschied zwischen Reformisten und Oppositionellen wird nicht mehr gemacht. Hunderte von revolutionären Arbeitern sind in den letzten Tagen erschossen worden, Tausende verhaftet. In der ganzen Nacht tobte kapitalistischer Mob durch die Straßen und vernichtete alles Eigentum der Arbeiterorganisationen, veranstaltete wüste Pogrome in den Arbeitervierteln und übte Lynchjustiz an revolutionären Arbeitern und ihren Familien. Während in England und Italien die Parole zum Generalstreik nach den vorliegenden Meldungen fast überall befolgt wurde, scheint sie in Paris versagt zu haben. In mehr als der Hälfte aller Betriebe soll, nach einem Funkspruch der Interalliierten, heute morgen die Arbeit wieder bedingungslos aufgenommen worden sein. In Marseille dagegen sollen die Arbeiter die Rätediktatur errichtet haben; in Lyon wird erbittert gekämpft. In Norditalien und Spanien herrscht offener Aufruhr. In Genua und sogar in Barcelona ist die Räterepublik ausgerufen worden. Die spanische Regierung hat die gemeinsame Aufforderung der Sozialisten, Syndikalisten und Anarchisten, den Kampf in Marokko und im Rif abzubrechen, mit dem weißen Terror beantwortet. Im Osten steht es überall gut. In Nordchina rücken die roten Flugzeuggeschwader und die Eisenbahntruppen auf Peking vor. In Hankau, Nanking und Schanghai sind revolutionäre Arbeiterräte gebildet worden. Im Süden verbreitet sich die revolutionäre Bewegung von Kanton aus. In Bombay und Kalkutta wurde der Generalstreik proklamiert. Im französischen Annam sind Aufstände ausgebrochen. Größere Abteilungen der Fremdenlegion haben sich mit den Aufständischen verbrüdert. Auf Borneo, Celebes und Java sind Kämpfe mit den holländischen Regierungstruppen im Gange. Auf den Philippinen ist ein Aufstand von den amerikanischen Regierungstruppen niedergeschlagen worden. Ein chinesisches Schiff, das den Philippinos von Kanton aus zu Hilfe eilen wollte, ist von den Engländern in Grund gebohrt worden. Sun Yat-sen hat ganz China aufgerufen, den Kampf gegen die Imperialisten aufzunehmen. Damit ist das Schicksal der Imperialisten in China entschieden. Man sollte annehmen, dass diese Ereignisse den Imperialisten zu denken geben und sie zur Aufgabe des aussichtslosen Kampfes bewegen müssten. Wenn die europäisch-asiatische Revolution den Aufstand der unterdrückten Farbigen auslöst, so ist das etwas ganz anderes, als wenn dieser Versuch vorher von dem imperialistischen Deutschland gemacht wurde. Das ist es, was die Kapitalisten übersehen haben, als sie sich entschlossen, den Kampf gegen die Revolution sofort und mit allen Mitteln aufzunehmen. Sie lassen sich von den Erfolgen in Palästina und in Arabien blenden. Dort hat das englische Gold noch einmal seine Wirkung getan. Es wird das letzte Mal gewesen sein!

Ganz Mazedonien ist jetzt fest in unserer Hand. Damit ist der letzte kapitalistische Widerstand im Osten gebrochen. Jetzt beginnt der Kampf um Mitteleuropa. Die rote Balkanarmee hat den Vormarsch nach Norden angetreten. Die italienischen Angriffe auf die Donau- und Marchlinie sind überall mit schweren Verlusten abgeschlagen worden. Östlich Wien haben ganze italienische Truppenteile gemeutert, weil sie entgegen dem Versprechen der italienischen Heeresleitung nun doch die rote Hauptverteidigungslinie angreifen sollten.

In Böhmen sind die in Eilmärschen vorrückenden Auto-und Tankkolonnen der Entente nördlich Trautenau, nördlich Hohenelbe und westlich Gablonz auf starken Widerstand gestoßen.

Nördlich des Isergebirges ist den Ententetruppen durch ihr überraschend schnelles Vorrücken in Sachsen der Einbruch in unsere Hauptverteidigungslinie gelungen. Sie haben sich durch Überrumplung sogar die Eisenbahn nutzbar machen können und sind mit Panzerzügen und starken Truppentransporten bis Greifenberg vorgestoßen. Dieser Durchbruch unserer Linien hat zwei Ursachen. Die ersten Kolonnen der aus dem Osten heranrückenden roten russischen Armee sind erst heute an der Oderlinie angekommen. Die Neißelinie war beinahe unbesetzt, da fast alle regulären und irregulären roten Truppen in Sachsen demobilisiert worden sind.

In Südholstein haben die nordwärts vorrückenden Ententetruppen eine schwere Niederlage erlitten. Das Gros der Ententetruppen war nach Herstellung der Verbindung mit den englisch-amerikanischen Nordarmeen von Hamburg aus ostwärts abmarschiert. In Richtung auf Neumünster wurden nur zwei Divisionen in Marsch gesetzt. Diese Säuberungsaktion brach aber kläglich zusammen. Die Ententetruppen wurden fast restlos vernichtet und gefangen genommen.

Der Versuch, unsere von überlegenen amerikanischen Kräften angegriffenen Truppen auf Fünen nach Seeland zurückzuziehen, ist leider missglückt. Dagegen ist es im Schutze der Nacht gelungen, einen Teil der Besatzung auf Arö, Langeland und Laaland zurückzunehmen. Bei einem Gefecht am Großen Belt sind zum ersten Mal größere unhavarierte Schiffseinheiten der englischen Flotte zu uns übergegangen.

In Berlin ist unter dem Schutze der Entente eine weiße Regierung gebildet worden. Alle öffentlichen Gebäude und Kasernen sind mit weißen deutschen Truppen und Offiziersbataillonen besetzt. Die französische Heeresleitung, die sich das militärische Schauspiel des Einzuges der siegreichen Truppen nicht nehmen lassen wollte, hat sich im Schloss festgesetzt und den größten Teil der Truppen ostwärts weiter marschieren lassen. Der französische Poilu aber hat in der Linie Straußberg—Fürstenwalde erkennen müssen, dass die Zeit der kampflosen Siege vorbei ist. Nur drei französische Divisionen sind in Berlin einquartiert. Im übrigen hoffen die Franzosen, dass sie sich auf die weißen deutschen Bundesgenossen verlassen können. Lassen wir ihnen diesen Glauben!

Der deutsche Arbeiter weiß, was er zu tun hat!!

Warschau/Berlin - Vorwärts - 24. Dez. 1918

Generalstreik überall!

Parole: Im alten Jahr kein Hammerschlag, Kämpft für den roten Neujahrstag!

In der ganzen westlichen Welt ruht die Arbeit. Die Räder stehen still. Die Essen verlöschen. Hochöfen werden ausgeblasen. Die Gruben sind verlassen. Kein Handschlag mehr soll für den Kapitalismus geleistet werden, die Arbeit wird erst wieder aufgenommen, wenn das Proletariat wieder im Besitz der Macht ist.

Die Revolution schreitet überall siegreich vorwärts: Ganz Katalonien ist in der Hand der Aufständischen, die Verbindung mit Südfrankreich ist hergestellt. In Madrid behaupten sich noch die Kapitalisten. Ein Arbeiteraufstand in Bordeaux wurde von amerikanischen Truppen niedergeschlagen. In Paris sind die Kämpfe noch unentschieden. Dagegen ist ganz Irland in den Händen der Aufständischen. In Liverpool, Manchester, Sheffield, Hull, Birmingham und Cardiff ist die Räterepublik ausgerufen worden. Die meisten südenglischen Häfen sind in der Gewalt der Aufständischen. London, dessen Arbeiterschaft sich bisher auf schärfste Durchführung des Generalstreiks beschränkt hat, ist überall von Revolutionsherden umgeben. Unterdessen setzen die kapitalistischen Heere in Mitteleuropa ihren Todeskampf fort. Hunderttausende von englischen, französischen und italienischen Kameraden sind bereits zu uns herübergekommen und kämpfen zum größten Teil auf unserer Seite. Millionen aber kämpfen noch in den kapitalistischen Armeen. Dennoch kann es keinen Zweifel mehr geben, dass dieser Kampf bald, sehr bald mit dem Siege der Revolution enden wird. Unsere Westfront wird von Tag zu Tag stärker, die der Gegner bröckelt immer mehr ab. In großen Teilen Deutschlands und Frankreichs fängt die Revolte damit an, dass die Eisenbahnschienen aufgerissen werden. Die rückwärtigen Verbindungen der Ententetruppen sind dadurch an vielen Stellen unterbrochen. Im Ruhrgebiet, in Mitteldeutschland und in Sachsen ist der rote Aufstand fast überall geglückt. Die Besatzungstruppen sind entweder überwältigt worden oder haben sich den Aufständischen angeschlossen. Die Rheinübergänge bei Köln, Mülheim, Mainz und Mannheim—Ludwigshafen sind fest in der Hand der aufständischen Deutschen und Franzosen. Auch das Gebiet um Frankfurt am Main ist fest in unserer Hand. Am besten steht es in und um Wien, am allerschlechtesten in Berlin. Nachdem eine französische Division meuterte, haben die Franzosen fast alle ihre Truppen aus Berlin herausgezogen und die Stadt der Blutherrschaft der weißen deutschen Banden überlassen. Es rächt sich jetzt, dass wir die besten und aktivsten Abteilungen der roten Arbeiterwehr aus Berlin herausgezogen haben und an der militärischen Kriegsfront kämpfen lassen, wo sie nicht halb so viel leisten können wie im Bürgerkrieg. Wie ganz anders sieht es dagegen in Sachsen aus, wo fast alle roten Abteilungen infolge des schnellen Vorrückens der Franzosen im Lande geblieben sind!

Das Zentrum und der Süden und Westen Berlins sind fest in der Hand der Weißen. In Neukölln sind alle Versuche zum Bau von Barrikaden durch ein starkes Aufgebot von Panzerwagen im Keime erstickt worden. Im Osten ist zwar die große Frankfurter Allee und das Ausfallstor nach dem Osten noch fest in der Hand der Weißen. In den Nebenstraßen aber wachsen überall ebenso wie im Norden Barrikaden aus dem Boden.

Die Lage an der militärischen Kriegsfront

Alle gegnerischen Angriffe auf die Ostseeinfahrt sind abgeschlagen worden. Drei Schlachtschiffe, ein Panzerkreuzer und zwei kleine Kreuzer neben vielen Hilfsschiffen, Torpedo- und Unterseebooten sind zu uns übergegangen. Die englisch-französische Flotte hat jetzt keine Erfolgsaussichten mehr. Wenn nicht die Amerikaner in letzter Minute dem dringenden Ersuchen der Engländer nachgeben und ihre Flotte rücksichtslos einsetzen, ist das Schicksal der weißen Flotten in den allernächsten Tagen entschieden. Die Amerikaner liegen nach wie vor untätig im Skagerrak und im Kattegatt und beschränken sich auf den Schutz ihrer Landarmeen. In einem Funkspruch an die rote Flottenleitung drohen sie allerdings, ihre Flotte einzusetzen, falls wir Jütland angreifen sollten. Wir haben geantwortet, dass wir uns mit der Säuberung Fünens von englischen Truppen begnügen, wenn die amerikanischen Landtruppen vom Angriff auf Kiel zurückgezogen werden. Eine Antwort ist bisher nicht eingetroffen. Es ist aber im Hinblick auf die Lage anzunehmen, dass die Amerikaner dies inoffizielle Waffenstillstandsangebot annehmen. Durch die Landung starker russischer Truppenmassen in der Hohwachter und Lübecker Bucht und vor allem durch den erfolgreichen Arbeiteraufstand im Hamburger Gebiet ist eine völlig veränderte Lage entstanden. Wir gehen von beiden Seiten zum Angriff über. An der Oderlinie, nördlich Fürstenberg, sind alle gegnerischen Vorstöße abgewiesen worden. Die Zeit der Defensive ist vorbei. Wir nehmen den Entscheidungskampf auf. Unsere Generaloffensive hat auf breiter Front begonnen. Die Gegner, die in der Oberlausitz überraschend durchbrechen konnten, stießen in der Niederlausitz auf starken Widerstand. Starke deutsche und russische Truppenabteilungen aus den Lagern Jüterbog, Kottbus und Neuhammer haben den Kampf aufgenommen und sind zur Offensive übergegangen. Bei Krossen, Neusalz und Glogau gehen ständig starke Abteilungen der russischen roten Armee über die Oder und marschieren in Eilmärschen west- und südwärts. Im Norden ist die Spree erreicht, bei Kottbus und Spremberg wurde sie überschritten. Der gegnerische Widerstand ist sehr schwach. Artilleriekämpfe finden fast überhaupt nicht statt. Die Kavallerie ist wieder eine Hauptwaffe geworden. Sie unterstützt den Angriff der Auto- und Tankkolonnen. Unsere Beute an Tanks und Panzerautomobilen ist groß.

Der Vormarsch nach Süden ist aus der Linie Weißwasser —Weißkeisel—Sorau—Sagan angetreten. Weiter südlich ist es den Franzosen gelungen, unsere schwache Stellung bei Maltsch zu durchbrechen und über Neumarkt bis kurz vor Deutsch-Lissa vorzustoßen. Dort brach der Angriff im Feuer der Breslauer Außenforts zusammen. Der Eckpfeiler unserer Stellung im Isergebirge behauptet sich gegen alle Angriffe. Im Riesengebirge haben wir Spindelmühl aufgegeben und den gegnerischen Vormarsch vor St. Peter und im Elbtale vor der Weißwassermündung aufgehalten. Bei Liebau—Friedland tobt ein heftiger Kampf um die Passstraße. Unsere Front wird ständig durch neue Abteilungen der roten Arbeiterwehr aus dem Waldenburger Bergland und durch rote Truppen vom Truppenübungsplatz Lambsdorf verstärkt.

Eine starke russisch-polnisch-deutsche Armee hat von der Weistritzlinie aus den Nordvormarsch angetreten. Im Adlergebirge wurden alle Angriffe abgeschlagen. Der rechte Flügel der französischen Armee versuchte bei Kudowa vergeblich, in den Glatzer Kessel einzudringen. Die italienische Front zwischen Glatz und Pressburg ist vollkommen in Auflösung begriffen. Brünn ist von roten Truppen besetzt worden. In ganz Mähren rücken die roten Armeen in Eilmärschen nord- und westwärts vor. Große Teile der italienischen Truppen haben sich uns angeschlossen und nehmen am Vormarsch teil.

Die Ereignisse in Wien

Schon vor der Erhebung der Wiener Arbeiter sind Tausende von italienischen Soldaten desertiert und haben sich von den Wiener Arbeitern Zivilkleidung geben lassen. Dann kam die Nachricht von den verlustreichen Kämpfen nördlich Pressburg. Ganze Truppenteile meuterten und kämpften Seite an Seite mit den aufständischen Wiener Arbeitern. Innerhalb von 24 Stunden war ganz Wien in unserer Hand. Anschließend begann unser Vormarsch nach Osten, der mit der Gefangennahme der letzten italienischen Norddonautruppen endete. Die Eisenbahn fährt wieder. In Linz ist die Macht vom Arbeiterrat ohne Kampf wieder übernommen worden. Von Passau aus fahren rote Eisenbahner mit Panzerzügen donauaufwärts. Von Salzburg aus gehen rote Truppenzüge nach Rosenheim ab. Sie sollen den Münchener Arbeitern zu Hilfe eilen.

Die Donau ist bis zur Draumündung überall westwärts überschritten worden. Nördlich und südlich des Neusiedlersees kam es zum Kampf mit zurückflutenden italienischen Truppen, die sich aber bald ergaben. Das Gros der roten Balkanarmee hat überall die Saulinie hinter sich gelassen. Rote Kavallerie hat die Drau an mehreren Stellen nordwärts überschritten. Das nördliche und südliche Drittel der Eisenbahnlinie Agram—Budapest ist in unserer Hand. Fast alle italienischen Truppenabteilungen in Kroatien und Slavonien sind gefangen genommen worden oder kämpfen unter der roten Fahne.

Auf dem Peloponnes wird der Vormarsch in südlicher Richtung fortgesetzt.

Cypern ist von roten Landungstruppen besetzt. Die Seeschlacht vor Port Said hat mit einem vollen Siege der vereinigten roten Mittelmeerflotten geendet. Wieder haben sich mehrere Schiffe der englisch-französischen Flotte uns angeschlossen. Der Rest hat sich in den Suezkanal zurückgezogen. Auch auf den Schiffen im Suezkanal sind Matrosenräte gebildet worden, ohne deren Genehmigung die Schiffsleitung nichts unternehmen darf. Die Flottenleitung fürchtete sich, gegen die Matrosenräte einzuschreiten, da die Mannschaft mit den Roten sympathisiert. Unser Vormarsch auf den Suezkanal ist vorläufig eingestellt worden. Die roten Truppen sind durch den übereilten Vormarsch erschöpft, auch ist ihre Ausrüstung für den Wüstenkampf ungeeignet.

Die Nordstrecke der Küstenbahn ist jetzt notdürftig wiederhergestellt. Durch Palästina rollen ständig neue deutsch-türkisch-russische Verstärkungen heran. Der nördliche Teil der Transjordanbahn ist in unserer Hand. Ein kleiner Teil der arabischen Stämme hat sich bereits am Kampf gegen die Engländer beteiligt. Ibn Saud verhält sich vorläufig neutral. Er will sich am Kampf gegen England beteiligen, wenn die völlige Unabhängigkeit Palästinas und Arabiens in einem einheitlichen Staat garantiert wird und Palästina sofort von arabischen Kräften besetzt werden kann. Die Verhandlungen schweben noch. Östlich Port Said, westlich Alexandria und im Nildelta sind rote Truppen gelandet worden. Die Aufstandsbewegung in Ägypten und im Sudan breitet sich schnell aus.

Wichtige Teile Nordafrikas sind in der Gewalt der Aufständischen. Die italienischen Truppen und die Soldaten der französischen und spanischen Fremdenlegion haben es in vielen Fällen gar nicht erst zum Kampf kommen lassen, sondern sich mit den Aufständischen verbrüdert. Im Flussgebiet des Indus ist die revolutionäre Bewegung stärker geworden. Ein Angriff auf Peschawar misslang. Ein neuer Angriff ist eingeleitet. In Bombay hat sich ein Arbeiter- und Soldatenrat gebildet und die Macht übernommen. Der Aufstand in Kalkutta wurde niedergeschlagen. Die aufständische Bewegung breitet sich aber im ganzen Gangestal und im mittleren Hindostan weiter aus. Auf Ceylon sind Unruhen ausgebrochen.

Die Aufstandsbewegung in Indonesien macht weitere Fortschritte.

Peking und die meisten europäischen Settlements sind in der Hand der Aufständischen. Um Hongkong wird gekämpft.

In Japan und Korea sind Unruhen ausgebrochen. Der Aufstand auf den Philippinen macht Fortschritte. In Buenos Aires ist ein Arbeiteraufstand niedergeschlagen worden.

Blutige Weihnachten

Weihnachten, das christliche Fest der Liebe und des Friedens, ist für den Proletarier noch nie ein Fest der Freude gewesen. Aber niemals, auch nicht im imperialistischen Kriege, waren diese Tage so waffenklirrend und schicksalsschwer, niemals aber auch waren sie so verheißungsvoll wie in diesem Jahre. Diese Tage wären friedlicher, wenn wir vor dem Kapitalismus bedingungslos kapituliert und uns zu dauernden Tributzahlungen an die inländischen und ausländischen Kapitalisten bereit erklärt hätten, wenn wir den Befehl der kapitalistischen Weststaaten befolgt und die Rolle der Henkersknechte an der östlichen Revolution übernommen hätten. Aber dafür müssten wir den Kapitalismus im eigenen Lande wieder aufbauen und müssten weiter für unsere Ausbeuter schuften. Und alle Jahre zu Weihnachten würden von den Kanzeln süße Töne der Liebe und des Friedens erklingen, während man immer neue und immer schrecklichere Vernichtungsmittel fabriziert, um im nächsten Kriege die Proletarier wieder abschlachten zu können. Wir sind froh, dass es anders gekommen ist, dass wir nach den Schrecken des imperialistischen Krieges noch den Mut aufgebracht haben, den Kampf für den Sozialismus aufzunehmen. Wir haben schwere Opfer gebracht, und wir werden sie weiter bringen. Aber diese Opfer werden für den Sozialismus, für die Freiheit aller Menschen und aller Völker gebracht und nicht mehr für ein kleines kapitalistisches Vaterland, das dem Proletarier niemals ein Vaterland war. Wir haben große Erfolge errungen und sehen dem Endsieg entgegen.

Die Weihnachtstage werden die Entscheidung bringen. Heute morgen ist vom Interalliierten Hauptquartier funkentelegraphisch ein Waffenstillstandsangebot eingegangen. Die Entente bietet den Frieden an. Aber sie verkleidet dieses Angebot mit heuchlerischen Phrasen und unverschämten Forderungen. Sie weist stolz auf angebliche Erfolge der Regierungstruppen gegen die Revolutionäre in England, Frankreich und Nordamerika hin. Sie fordert sofortige Einstellung aller Kampfhandlungen, Auslieferung aller englischen und französischen Schiffe, die sich der roten Flotte angeschlossen haben, Auslieferung aller Kriegsgefangenen und der englischen und französischen Genossen, die in unseren Reihen kämpfen, vorläufige Anerkennung der weißen deutschen Regierung. Pressefreiheit, „demokratische" Wahl einer Nationalversammlung in allen Donau-, Balkan- und Oststaaten. Es ist natürlich nicht daran zu denken, dass wir auf solche Forderungen eingehen. Wir sollen dem Kapital die Möglichkeit geben, die Schmutz- und Lügenkloaken der bürgerlichen Presse zu öffnen, das Volk mit demokratischen und sozialen Phrasen zu umnebeln-, damit Mitteleuropa wieder in eine Reihe von kleinen Staaten zerfällt, in denen zuerst einmal „demokratische" Regierungen entstehen, die der kapitalistischen Diktatur den Weg ebnen. Niemals!

Der Zentralexekutivrat des B. d. S. R. S. hat als Antwort sofort folgendes Funktelegramm aufgegeben: „Zu spät! Wir erkennen die kapitalistischen Regierungen nicht mehr an und verhandeln nur noch mit den Vertretern der englischen, französischen und italienischen Arbeiter. Übergebt sofort die Macht an die Arbeiter- und Soldatenräte! Erst dann werden wir den Kampf einstellen. Der größte Teil der alliierten Flottenbesatzungen, die Mehrheit der italienischen Truppen und Hunderttausende von englischen und französischen Kameraden kämpfen bereits in unseren Reihen für ihr zukünftiges sozialistisches Vaterland. Wir fordern alle Kameraden in den kapitalistischen Armeen der Entente auf, dies Beispiel nachzuahmen und sich mit uns zu verbrüdern!" Gleichzeitig ist im Namen und im Auftrage der sozialistischen Parteien Englands, Frankreichs, Belgiens, Hollands, Dänemarks, Italiens und der Schweiz folgender Aufruf verbreitet worden:

Auf die Barrikaden!!

Arbeitende Männer und Frauen in allen Ländern, die noch von Kapitalisten beherrscht werden! Erhebt euch! Ergreift die Waffen! Zerschmettert eure Peiniger! Befreit die Welt von der Profitwirtschaft! Millionen mussten verbluten, eure Söhne und Väter, Brüder und Gatten wurden in den Tod geschickt und zu gegenseitigem Mord gezwungen, weil die Interessen der Ausbeuter es verlangten. Und noch immer setzen diese Verbrecher am Menschengeschlecht das Gemetzel fort, obwohl ihre Sache völlig aussichtslos ist! Macht Schluss! Wer heute noch — nach soviel Elend und Zerstörung — das Kapital verteidigt, verdient den Namen Mensch nicht mehr und muss vernichtet werden gleich Ungeziefer!

Soldaten der kapitalistischen Heere: kämpft mit, statt gegen uns! Kehrt eure Waffen um! Setzt eure Befehlshaber ab, und wenn sie sich nicht fügen, macht sie nieder!

Und ihr im Hinterland, die man vier Jahre lang missbrauchte und zum Schweigen zwang, folgt dem Gebot der Stunde: kündigt euren Herren und ihrem ganzen Anhang den Gehorsam! Kein Zaudern und kein Mitleid! Schlagt jeden nieder, der sich euch entgegenstellt! Und wenn sie sich verstecken, in ihren Ämtern und Villen verkriechen, lasst euch nicht täuschen! Räuchert sie aus! Zwingt sie, Farbe zu bekennen! Und schont sie nur, wenn sie sich bedingungslos ergeben! Jede unangebrachte Milde wäre ein Verbrechen an der Menschheit. Denkt daran: die weißen deutschen Regierungen in Berlin und München haben in den wenigen Tagen ihrer Herrschaft Zehntausende von Freiheitskämpfern hingemordet. Dasselbe droht den Besten unter euch, wenn ihr jetzt versagt!

Nicht sollt ihr Gleiches mit Gleichem vergelten, lasst euch von der Empörung eurer Gegner nicht zu Grausamkeiten hinreißen! Das hieße nur, unsre gute Sache beschmutzen. Unterlasst auch sinnlose Zerstörungen! Denn was heute Wenigen gehört, wird morgen das Eigentum aller sein. Aber seid unerbittlich. Tut eure Pflicht, auch wenn es eine blutige Pflicht ist. Es geht um das Schicksal der Menschheit.

Auf zum Kampf!

Auf die Barrikaden! Zu den Waffen!

Es lebe der Sozialismus!

Es lebe die Revolution!

Berlin - Vorwärts - 29. Dez. 1918

Berlin befreit!

Sieg auf der ganzen Linie

Die italienische Regierung hat die Macht den Arbeiter- und Soldatenräten übergeben. Die Regierungen Englands und Frankreichs haben bis heute nacht vergeblich versucht, sich zu halten. Die französische Regierung flüchtete heute morgen nach Bordeaux in den Machtbereich der amerikanischen Armeen. Die englische Regierung befindet sich in Dover an Bord eines amerikanischen Kriegsschiffes. Die Amerikaner haben bereits am 25. ihre Truppen aus der Kampffront in Schleswig-Holstein zurückgezogen und sich für neutral erklärt.

Die letzten Kämpfe

Während in ganz Westeuropa die aufständischen Arbeiter und Soldaten mit dem Kapitalismus aufräumten, holten wir an den militärischen Fronten überall zum entscheidenden Schlage aus.

Am heftigsten tobte der Kampf am Nordflügel der Oderfront. Das zweitägige schwere Ringen wurde schließlich durch einen groß angelegten Flankenstoß entschieden, der von einer roten Flottenabteilung gedeckt und durch Truppenlandungen verstärkt wurde.

Es gelang dem Gegner nicht, rechtzeitig Verstärkungen heranzuführen, da alle rückwärtigen Verbindungen unterbrochen waren. Der linke Flügel der kapitalistischen Ostfront befindet sich in vollkommener Auflösung. Die meisten Mannschaften sind zu uns übergegangen. Nur in Mecklenburg irren noch einzelne versprengte weiße Truppenteile umher, die letzten Reste der stolzen kapitalistischen Armeen. Der Widerstand östlich von Berlin war geringer als wir vermutet hatten. Die in diesem Abschnitt besonders gute Zersetzungsarbeit wurde durch die demoralisierende Wirkung der Niederlagen vor Küstrin unterstützt. (Einen genauen Bericht über die Kämpfe in und um Berlin bringen wir morgen.)

Noch stärker war die Demoralisation der Ententetruppen im Kampfabschnitt südlich Berlins, wo ganze Formationen meuterten und in geschlossenen Verbänden zu uns übertraten.

An der Elster, zwischen Torgau und Finsterwalde, wurden die letzten kämpfenden Abteilungen eingekreist. Von Osten her kam die rote russisch-deutsche Armee, von Westen her sächsische Arbeiterwehr. In Niederschlesien war der Gegner zwischen drei rote Fronten eingekeilt. Die Hauptkräfte wurden durch die von Osten heranrückende rote Armee gefesselt. Die rote Südarmee konnte am 24. Dezember über die Linie Bunzlau— Haynau nordwärts vordrängen. Vom Westen her überschritten rote Abteilungen aus Sachsen die Queis-Linie. In der nächsten Nacht vereinigte sich die sächsische Vorhut bei Löwenberg am Schützenhaus mit den roten Südtruppen. In Löwenberg lag eine ganze französische Division. Die Höhen rings um die Stadt waren von roten Truppen besetzt. In den Morgenstunden ergab sich die gesamte französische Besatzung. Weitere 200000 Franzosen waren in dem Raum zwischen dem Bober und dem kleinen Bober von unsern Truppen eingekeilt. Zwischen Jauer und Hertwigswaldau war eine zweite französische Armee von etwa 100000 Mann von schwächeren deutschen Truppen eingeschlossen. Auch an der oberen Neiße standen noch einige französische Divisionen. Alle diese Truppen standen untereinander durch Flieger und Funkspruch in Verbindung. Das weiße Kommando hatte beschlossen, in der Nacht vom 26. zum 27. XII.

einen Durchbruch mit dem gemeinsamen Ziel Goldberg zu versuchen. Diese Vereinigung hätte gelingen und uns eine Zeitlang Schwierigkeiten verursachen können. Wir klärten aber die französischen Kameraden durch Funksprüche und von Fliegern herabgeworfene Flugblätter darüber auf, dass ihre Lage, auch nach gelungenem Durchbruch, hoffnungslos, dass also jeder weitere Kampf auch für diejenigen, die noch für den Kapitalismus kämpfen wollten, zwecklos sei. Am Nachmittag erhielten wir die Nachricht, dass rote Soldatenräte gebildet und die Offiziere abgesetzt worden seien. Die Kämpfe im Riesengebirge wurden eingestellt, nachdem die Franzosen vergeblich versucht hatten, die steilen Höhen am Elbfall, im Weißbachtal, am Roseggerweg bei St. Peter, an der Planura und bei Schatzlar zu berennen.

Bei Liebau — Friedland wurde der französische Widerstand von roten tschechischen Legionären gebrochen, die sich damit das letzte Stück des langen Weges in die Heimat erkämpften.

Die Reste der weißen italienischen Truppen in Ungarn sind nördlich und südlich des Plattensees in hoffnungsloser Lage eingekreist.

Die Suezkanalflotte ist zu den Roten übergegangen. Der Suezkanal und halb Nordafrika sind fest in unserer Hand. Malta ist von heimfahrenden Schiffen der roten italienischen Flotte besetzt worden. Über Gibraltar ist noch nichts bekannt. In Spanien und Portugal macht die Revolution Fortschritte. Die einzigen Punkte, die der Gegner noch fest in der Hand hält, sind Bordeaux und Jütland, wo die amerikanischen Truppen sich rechtzeitig festsetzen konnten. Waffenstillstandsverhandlungen mit dem amerikanischen Kommando sind im Gange.

Der Abschluss des Seekrieges

Durch Überläufer wurde uns bekannt, dass die englische Flotte noch einmal zum konzentrischen Angriff eingesetzt werden sollte. Wir beschlossen, dem Gegner zuvorzukommen und setzten in den Morgenstunden die rote Flotte zum Angriff ein.

Bericht eines roten Matrosen

Im Schutze der Nacht rückten die roten Flotten heran zur letzten Schlacht. Aber es kam nicht mehr dazu. Englische Torpedoboote kamen uns entgegen und meldeten der roten Flottenleitung, dass auf den Ententeflotten Unruhen ausgebrochen seien. Mehr als die Hälfte aller Schiffe habe sich für die Revolution erklärt. Wir näherten uns langsam und wurden mit Sirenengeheul, Raketen- und Salutschüssen empfangen. Ein Meer von roten Fahnen begrüßte uns. Es entwickelte sich ein reger Verkehr von Schiff zu Schiff. Bald war kein Matrose mehr auf dem Schiff, auf das er gehörte. Überall wurden Verbrüderungsfeiern, Meetings und Deckversammlungen abgehalten. Ein internationales baltisches Flottenkomitee wurde gebildet. Inzwischen war die Nachricht aus Kiel eingetroffen, dass die Fahrtrinne durch Minensucher freigelegt worden sei. Es wurde beschlossen, gemeinsam nach Kiel zu fahren. Über eine Stunde dauerte es, bis alle Matrosen wieder auf ihren Schiffen waren. Dann setzte sich die unabsehbar lange Linie in Bewegung. Deutsche, französische, englische, russische, schwedische, norwegische und dänische Schiffe. Linienschiffe, Panzerkreuzer, Torpedoboote, kleine Kreuzer, Unterseeboote, Küstenkanonenboote, Transportdampfer, Kohlenschiffe, Tankdampfer, Hebeschiffe, Flugzeugmutterschiffe. Alles durcheinander, in einer kilometerlangen Kiellinie. Darüber kreisten Hunderte von Flugzeugen mit langen roten Wimpeln. Um drei Uhr nachmittags passierten die Spitzenschiffe den Leuchtturm von Friedrichsort. Lange nach Dunkelwerden kamen die letzten.

Das Fest der Weltrevolution

Der Empfang in Kiel war überwältigend. Schon draußen an der Außenförde waren beide Ufer schwarz von Menschen. Von Bülck und Schilksee bis Friedrichsort, auf der anderen Seite vom Schönberger Strand bis nach Laboe ein Meer von Menschen und roten Fahnen. Als die Spitze den Leuchtturm von Friedrichsort passierte, begannen alle Sirenen der Kieler Fabriken und Werften zu pfeifen. Die Glocken läuteten. Hunderte von Pinassen, Barkassen, Hafendampfern, Küstendampfern, unzählige Segel-, Motor- und Ruderboote umschwärmten die einfahrende Flotte. Überall rote Fahnen. Es war ein Triumphzug in das Herz der Revolution, in das rote Kiel, wo zuerst die Flamme des Aufruhrs in Mitteleuropa emporgelodert war. Hier, am Ursprungsort der deutschen Revolution, wurde der Sieg der Weltrevolution gefeiert. Von der Strandpromenade her dröhnte der Jubel von Zehntausenden. Die Kriegsschiffe aller Nationen antworteten mit Sirenengeheul und Hunderten von Salutschüssen. Von der Marineakademie und von der feudalen Seebadeanstalt her grüßten rote Fahnen. Dort hat früher die Internationale der Ausbeuter, der Rüstungsfabrikanten und der adligen Militärs ihre Feste gefeiert.

Das Gewimmel im Hafen wurde beängstigend. Den einfahrenden Schiffen fiel es immer schwerer, die notwendigen Manöver auszuführen und Platz zu finden. Als aber dann die Anker gefallen waren, setzte eine wahrhaft internationale Invasion ein. Gemeinsam mit den Arbeitern und Frauen Kiels kamen englische, französische und amerikanische, russische und belgische Soldaten an Bord, die von den Wellen der Revolution hierher verschlagen worden waren. Das interbaltische Komitee delegierte von jedem Schiff eine kleine Abteilung zur Begrüßung der roten Landtruppen, die in den nächsten Stunden in Kiel einrücken sollten. In den Straßen Kiels herrschte ein lebensgefährliches Gedränge. Mehr als dreihunderttausend Menschen, weit mehr, als Kiel Einwohner hat, waren bereits in Kiel zusammengeströmt, und weitere Massen wurden noch erwartet. Alle Schulen, Säle, öffentlichen Gebäude, Kasernen und Schiffe waren mit roten Truppen voll gestopft. Jede Arbeiterfamilie hatte rote Einquartierung. Die Villen in Düsternbrook wurden beschlagnahmt und mit roten Soldaten und Matrosen belegt. Immer neue Massen strömten heran, um das Fest der internationalen Verbrüderung mitzumachen. Das freudigste Fest, das es je gegeben hat und zugleich das dürftigste, wenn man das Festessen als wesentlichsten Bestandteil eines Festes ansehen will. Es reichte nicht einmal für den Hunger. Und doch überall freudige und strahlende Gesichter. Die roten Soldaten und Matrosen teilten brüderlich ihre Ration mit ihren Quartiergebern. Die Arbeiter des Schlachthofes hatten eine Nachtschicht eingelegt, um dem dringendsten Mangel wenigstens in diesen Tagen abzuhelfen. In der ganzen Umgebung wurde alles erfassbare Vieh aufgekauft und teilweise requiriert. Jeder wusste, dass uns weitere Hungermonate, ja vielleicht sogar Hungerjahre bevorstehen; aber einmal, am Tage der Weltrevolution, sollten sich doch die roten Arbeiter und Soldaten satt essen. Kiel war überfüllt. Nicht nur die Häuser und Schiffe, auch die Dächer, die Straßen und der Hafen. Und noch immer strömten neue Massen in die Stadt. Die Menschen standen fast übereinander, klebten auf Laternen und Häuserfronten, die jetzt zum ersten Mal seit langer, langer Zeit wieder hell erleuchtet waren. Immer wieder ertönten die Klänge der Internationale. Tausende sangen sie mit, in allen Sprachen. International waren die Hunderttausende von spalierbildenden Menschen. International die Kapelle und international die roten Truppen, die jetzt unter den Klängen roter Märsche herankamen. Russische Soldaten marschierten neben Kieler Werftarbeitern, die noch die Arbeitskleidung trugen, in der sie zur Verteidigung der roten Festung geeilt waren. Englische und französische Matrosen in Reih und Glied mit deutschen feldgrauen Infanteristen. Rote Kosaken neben deutschen Ulanen. Ratzeburger Jäger, 76 er und 85 er Infanteristen neben den Textilarbeitern von Neumünster und den Schuhmachern und Schlächtergesellen aus Preetz. Dahinter einige Gruppen amerikanischer Soldaten. Und wieder Engländer, Russen, Franzosen und Deutsche, nebeneinander, hintereinander. Das sind die roten Verteidiger der Südfront, die der letzte Vorstoß der kapitalistischen Truppen bis hinter Bordesholm zurückgeworfen hatte. Jetzt kommen die ersten geschlossenen englischen Formationen, sie rebellierten bei Voorde und überschritten die Eiderlinie nicht mehr als Feinde, sondern als Freunde unter wehenden roten Fahnen.

Und zum Schluss, lange nach Mitternacht, marschieren die Abteilungen der Hamburger Arbeiterwehr heran. Sie haben Neumünster von Süden her wieder eingenommen und sind auf der Eisenbahn weiter vorgerückt, um die letzten englischen Truppen gefangen zu nehmen. Trotz aller Eile kamen sie zu spät Überall stießen sie auf rote Fahnen und auf rote Armbinden. Hundemüde sind die Hamburger Genossen. Seit Beginn des Aufstandes in Hamburg haben sie kaum einmal eine volle Stunde richtig schlafen können. Aber sie marschieren weiter unter den Klängen unserer Kampflieder. Sie haben es sich verdient. Sie müssen dabei sein beim Fest der Weltrevolution.

Extrablätter werden verteilt:

Die „Aurora" liegt draußen auf der Reede und verlangt einen Lotsen. Die „Aurora", das erste rote Schiff, das 1917 den Kampf für die Revolution aufgenommen und den Sieg der Revolution in Petrograd eingeleitet hatte. Die „Aurora" durfte beim Siegesfest der Weltrevolution nicht fehlen. Weshalb kommt sie erst jetzt? Sie hat am Sund Wacht gehalten und dann in Trelleborg die Mannschaft des havarierten deutschen Kreuzers „Augsburg" aufgenommen. Recht so, „Aurora" und „Augsburg", die Helden von Petrograd und Hamburg, gehören zusammen. Auch Mitglieder der schwedischen Räteregierung sind an Bord.

Drei Uhr nachts. Immer noch ballen sich in den engen Straßen der Altstadt dichte Menschenmassen. Dicht gedrängt stehen Zehntausende von Menschen, die zusehen wollen, wie die ersten Helden der deutschen, russischen, dänischen und schwedischen Revolution ihren Einzug in den roten Kieler Hafen halten.

Alle Schiffe im Hafen sind hell erleuchtet Drüben auf den Höben von Möltenort, Kitzeberg, Heikendorf und Ellerbek brennen Freudenfeuer. Manchmal werden in ihrem flackernden Schein die Silhouetten von Menschenmassen und Fahnen sichtbar. Stadt und Hafen wurden, soweit es in der Eile möglich war, illuminiert. Jetzt flammen die Scheinwerfer bei Friedrichsort auf. Das Scheiriwerferspiel beginnt im ganzen Hafen. Im grellen Lichte vieler hundert Scheinwerfer, unter dem Aufblitzen der Salutschüsse und dem Aufleuchten unzähliger Leuchtraketen ziehen die rotgeschmückten Truppen der Revolution langsam herein. An der Reeling und in den Masten: Kopf an Kopf rote Matrosen. Ein Feuersignal flammt auf, und jetzt setzen auf einen Schlag alle Schiffskapellen ein und spielen die Internationale. Feierlich dringen die Klänge über das Wasser. Hunderttausende fallen ein. Vielleicht sind es jetzt schon mehr als eine halbe Million Menschen, die diese Triumphstunden der Revolution miterleben. Musik und Gesang von allen Ufern und allen Schiffen durchdringen sich und verschmelzen zu einem einzigen feierlichen Massenbekenntnis zur Menschheit von morgen, zum Gedanken der Vereinigung aller Werktätigen in der ganzen Welt, zum internationalen Sozialismus. Im Osten hellte sich schon der Horizont auf, als die letzten Akkorde machtvoll verhallten. Ein neuer Tag bricht an, der Menschheitsmorgen dämmert. Die Strahlen der Wintersonne kämpfen sich durch den Nebel. Sie können noch nicht wärmen. Aber verheißungsvoll sagen sie uns, dass die Wintersonnenwende vorbei ist, dass bald der Frühling uns erstehen, dass bald die Sonne für alle scheinen wird, dass wir uns nicht fürchten sollen vor den kalten und trüben Monaten, die wir bestehen und bezwingen müssen, wenn wir den Menschheitsfrühling erleben wollen. Noch ruht die Macht der Vergangenheit schwer auf uns. Viel Schutt und Asche muss weggeräumt, viel Arbeit muss noch geleistet werden. Aber unter Asche, Schutt und Trümmern, unter Eis und Schnee sprießt doch das Neue, das Zukunftsträchtige. Mächtig und hoffnungsfreudig drängt es bereits zum Licht!

Wenn wir 1918 ...

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