Читать книгу Der Parkhausfinne Band 1 - Waltraud Batz - Страница 7
ОглавлениеKapitel 3 – Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!
Am darauffolgenden Montag war es schon so weit, das Essengehen stand an. Corinna hatte Bärbels Umfrage ignoriert und Termin und Ort selbst festgelegt, auf Restaurantvorschläge war sie gar nicht erst eingegangen. Aber so war Corinna nun mal.
Trotz Corinnas Termindespotismus’ freute Bärbel sich auf den Abend und hatte sich auch im Internet schon mal das Restaurant angeschaut. Es war eines der teuersten in Frankfurt, damit hatte sie gerechnet.
Sie zog sich um und betrachtete sich im Spiegel ihres Kleiderschrankes. Ja, das würde so gehen. Sie fand sich mit dunkelbrauner Jeans, farblich passender Bluse, Stiefeletten und einem Kurzmantel nobel genug eingekleidet. Sportlich, aber trotzdem schick.
Das Universum war ihr wohlgestimmt und sie bekam einen Parkplatz genau vor dem Restaurant. An dem geschmackvoll eingedeckten Fenstertisch saßen schon zwei alte Schulfreunde von Bärbel und begrüßten sie herzlich. Kurz darauf trafen zwei weitere Schulfreundinnen ein. Mehr Leute hatten leider so kurzfristig keine Zeit gehabt. Es war ein großes Hallo, schließlich sah man sich ja nicht oft, obwohl alle immer noch im Umkreis wohnten.
Mit einer halben Stunde Verspätung hatte dann auch Corinna ihren Auftritt. Sehr selbstbewusst und wie die Erbin eines weltweiten Großkonzerns betrat sie erhobenen Hauptes das Restaurant. Sie hatte ihren Mann Clemens mitgebracht, der im Vergleich zu ihr farblos und unscheinbar wirkte. Er trug einen formellen, dunklen Anzug und sie ein elegantes Abendkleid.
Schon vom ersten Augenblick an ließ Corinna das Personal des Restaurants merken, dass sie sich für etwas Besonderes hielt, und das allein durch die Art, wie sie nach ihrer Reservierung fragte. Der Kellner wies in Richtung des reservierten Tisches, wo ihr bereits alle entgegengrinsten.
„Wisst ihr schon, was ihr nehmt?“, fragte Bärbel nach ein paar Minuten des Speisekartenstudiums. Allgemeines Gemurmel wurde laut. Pia fragte in die Runde, was denn eigentlich in Bouillabaisse genau drin sei.
Corinnas Kopf ruckte sofort nach oben. „Du weißt echt nicht, was das ist? Das ist total lecker! Wobei die deutschen Restaurants sie kaum hinbekommen. Clemens, weißt du noch …“
Sein genuscheltes „Hm?“, reichte Corinna als Aufforderung, weiterzusprechen. „Weißt du noch, die Bourride in Cannes? Zusammen mit diesem vorzüglichen Château Val D’Arenc … das war ein Gedicht!“ Corinna seufzte theatralisch.
„Und was ist da jetzt genau drin?“, fragte Bärbel nach und blätterte ohne aufzuschauen schon mal zu den Desserts. Wenn sich Corinna schon so gut auskannte in der kulinarischen Welt, konnte sie ja sicherlich auch Pias Frage beantworten, wenigstens aus Höflichkeit. Corinna jedoch schwieg. Pia lief knallrot an und entschied sich für einen Salat. Bärbel bestellte ein Rinderfilet, medium. Das war zwar teuer, aber da hatte sie jetzt so richtig Lust drauf.
Der restliche Abend war noch sehr unterhaltsam. Sie erzählten sich Anekdoten aus der Schulzeit und lachten, bis ihnen die Tränen kamen. Auch Clemens schien seinen Spaß zu haben.
Mit steigendem Alkoholpegel wurde Corinna jedoch immer biestiger. Als sie begann, sich über die Anwesenden und deren Unzulänglichkeiten aufzuregen, wurde es immer unangenehmer. Bärbel kam noch recht gut weg, sie war immerhin nur hässlich wie die Nacht und die straßenköterblonden, halblangen Haare gehörten mal ordentlich geschnitten und gestylt. Pia kam nicht so gut weg, gerade in Bezug auf ihre Essgewohnheiten, und eine Kulturbanausin war sie auch noch. Clemens versuchte, Corinna zu beruhigen und lenkte auf ein anderes Thema um.
Nach einem kurzen, heftigen Streit der beiden untereinander, ob man übermorgen mit dem Bentley oder dem Jaguar zum Flughafen fahren würde, breitete sich am Tisch eine unangenehme Stille aus. Diese Angelegenheit würde sich wohl erst bei einem Showdown vor Ort klären lassen.
„Wo fliegt ihr denn hin?“, fragte Marie in Richtung Corinna.
„Wir halten Vorträge auf einem internationalen zahnmedizinischen Kongress in Berlin“, antwortete Clemens anstelle von Corinna.
„Ihr beide?“, fragte Marie nach.
„Ja!“, sagte Corinna laut. „Mein Vortrag wird die Fachwelt sicherlich in Erstaunen versetzen. Und danach noch ein bisschen die Lufffft der Hauptstadt schnuppern! Nicht wahr?“
„Ja, nach dem Kongress bleiben wir noch zwei Tage da“, sagte Clemens.
Einen Moment lang herrschte Ruhe am Tisch. „Duuhuuu, Cleeemensh?“, fragte Corinna ihren Mann.
„Ja, was denn, Mauseherz?“
Hatte sie das wirklich gesagt? Mauseherz? Das ging ja gar nicht. Bärbel verdrehte die Augen.
Corinna reckte den Hals, sodass sie aus dem Fenster schauen konnte. „Clleemenssh, isch will auch so ein bla…bl…bl…blaues Auto! Jaaaa?“ Ihr Tonfall schwankte zwischen Forderung und flehender Bitte.
Clemens folgte Corinnas Blick und legte dann seinen Arm um sie. Sein Daumen massierte ihre Schulter. „Schatz, nein, so einen kaufen wir nicht. Den gibts nur als V6, sowas kommt mir nicht ins Haus.“ Clemens’ Stimme war weich und einschmeichelnd.
Bärbel schrie innerlich auf. Das würde sie nicht auf sich sitzen lassen. „Den gibts auch als V8“, sagte sie mit fester Stimme und orderte eine heiße Schokolade beim Kellner, der gerade vorbeigekommen war, um die Nachtischbestellungen aufzunehmen.
„Nein, da liegst du falsch.“ Clemens zog kurz die Mundwinkel hoch, verlangte nach einem Backpflaumendessert und faltete die Hände vor sich.
„Isch hätt aber so … so gern so eins!“ Corinna stülpte die Unterlippe vor.
„Das da draußen ist ein Mustang GT V8“, sagte Bärbel und faltete ebenfalls ihre Hände vor sich, worauf Clemens ein abwertendes Schnaubgeräusch produzierte und seine Handhaltung änderte. „Nein, den GT gibt es nicht als V8. Nur den Shelby. Das da draußen ist ein älterer, von vorletztem Jahr. Und den normalen GT und den GT premium von 2013 gibt es nur mit einem ziemlich lahmen V6. Glaub mir ruhig, ich kenne mich mit Autos aus.“ Er lächelte künstlich.
„Wollen wir nachgucken?“, fragte Bärbel und griff nach ihrem Handy.
„Nein. Du verstehst es nicht. Das ist wie mit euch Frauen und Abseits. Das werdet ihr auch nie verstehen.“ Er schob noch ein halbherziges „Sorry“ hinterher.
Der Tonfall in Clemens’ Stimme gefiel Bärbel überhaupt nicht. Sie überlegte, ob sie ihm anbieten sollte, rauszugehen, sodass er nachschauen konnte. Als er ihr dann auch noch zuzwinkerte, hatte sie eine andere Idee. Na warte.
„Wetten?“, fragte sie.
Clemens setzte sich aufrecht hin. „Was, wetten?“, entgegnete er.
Die Gespräche am Tisch verstummten. Sein Tonfall ließ keinen Zweifel darüber, dass er es nicht besonders schätzte, dass Bärbel immer noch keine Ruhe gab.
„Wetten, dass das da draußen ein V8 ist und kein V6?“
„Babette … ich habe dir doch gerade erklärt, dass es den eben nicht als V8 gibt. Das kannst du mir schon glauben! Ich kenne mich aus!“ Er schaute um sich, als ob er Applaus erwartete. Clemens’ herablassende Art und Weise brachte Bärbel innerlich zum Kochen.
Er wich ihrem Blick aus und setzte an, ein Gespräch mit seinem Sitznachbarn zu beginnen, aber diese Rechnung hatte er ohne Bärbel gemacht.
„Ich heiße Bärbel. Nicht Babette. Klingt komisch, ist aber so. Und den Mustang GT von 2013 gibt es als V8. Um was wetten wir?“ Komm schon Clemens, komm schon.
Clemens schaute kurz erneut zum Mustang und dann lehnte er sich mit verschränkten Armen zurück. „Um was willst du denn wetten?“, fragte er.
Falsche Frage Clemens, falsche Frage. Bärbel überlegte kurz. „Wie wäre es, wenn ihr mich mitnehmt nach Berlin? Flug und Hotel gehen auf euch. Ich habe gerade Urlaub und Berlin wollte ich mir schon immer mal anschauen. Und nachdem eure Zahnarztmesse rum ist, gucken wir zwei Tage lang die Stadt zusammen an.“
„Sonst noch was?“, Clemens konnte seine Verachtung kaum verbergen. Er schaute sich hilfesuchend um, erntete aber reihum nur breites Grinsen, gemischt mit einer guten Portion Sensationslust.
„Wenn du schon so anfängst, können wir ja auch noch alle anderen hier am Tisch mitnehmen“, sagte er.
Pia verschluckte sich an ihrem Apfelsaft und Marie gluckste überrascht. Thorsten und Nils, die Bärbel mit dem Auto hatten kommen sehen, schauten sich verdutzt an und warfen gleich ein, dass sie leider so kurzfristig keinen Urlaub bekommen würden.
„Gute Idee. Und du zahlst heute hier die Rechnung“, vollendete Bärbel den Wetteinsatzvorschlag. So Clemens, und jetzt du.
Er räusperte sich. Corinna stieß ihm den Ellbogen in die Seite. „Clemens, was wird das?“, zischte sie zu ihm rüber.
„Lass mich in Ruhe, ich weiß, was ich tue.“
Corinna hob kurz die Schultern an und ihr Blick sagte ‚Ja dann mach halt’.
„Und was ist dein Einsatz? Was machst du, wenn du verlierst?“, fragte Clemens Bärbel herausfordernd. Thorsten und Nils warfen sich vielsagende Blicke zu.
„Was?“, fragte Clemens aggressiv in deren Richtung. Beide hoben entschuldigend die Hände und Clemens wandte sich wieder Bärbel zu.
„Wenn ich verliere, bezahl ich euch zehn Kisten Wein aus dem Restaurantkeller. Was genau, könnt Ihr euch aussuchen.“
Das hatte gesessen. Clemens und Corinna schauten sich mit offenen Mündern an und jemand im Raum pfiff anerkennend durch die Zähne. Die beiden Restaurantmitarbeiter, die mittlerweile gespannt zuhörten, lachten. „Das wird teuer“, murmelte der Kleinere der beiden zu seinem Kollegen. Auch die Besatzung des Nachbartisches war seit einiger Zeit still und schaute gespannt herüber.
„Bist du verrückt?“, fragte Marie mit aufgerissenen Augen und rückte ein Stück von Bärbel weg.
„Und wir nehmen den teuersten Wein, der da ist! Darauf kann die Gift nehmen!“, flüsterte Corinna zu Clemens, es war aber immer noch laut genug, dass es jeder im Raum hören konnte. Clemens setzte sich aufrecht hin. „In Ordnung“, sagte er ruhig und hielt seiner Kontrahentin die Hand hin.
Bärbel schlug ein. Jippi, kostenlose Berlinreise gewonnen! Sie unterdrückte einen Jubelschrei und sah sich um. Die Zuschauer johlten kurz, wurden aber augenblicklich wieder ruhig. Clemens zog mit triumphierendem Blick sein Smartphone aus der Hosentasche und begann, den Beweis für Bärbels Niederlage zu erbringen.
Sie ließ ihm die Freude. Seine Gesichtsfarbe durchlief in den nächsten Minuten mehrfach die gesamte Skala zwischen kalkweiß und tomatenrot und nachdem jemand vom Nachbartisch ein ungeduldiges „Und?“ rübergerufen hatte, wurden seine Fingerbewegungen auf dem Telefondisplay immer fahriger und hektischer.
Während er noch versuchte, seinen Wettsieg zu retten, schob Bärbel ihm die Zulassungsbescheinigung des Mustangs hin, die er erst gar nicht wahrnahm. Wohl aber Corinna. Ihre Augen wurden riesig groß und sie schaute zwischen Bärbel, Clemens und dem Dokument hin und her.
„Hilft dir das vielleicht beim Suchen?“, fragte Bärbel bemüht neutral.
Clemens schaute erst auf, als Corinna ihn anstupste. Er warf einen eher beiläufigen Blick darauf. „Was ist das?“, fragte er genervt.
„Wir können auch gern rausgehen und du darfst nachschauen.“ Bärbel wartete.
Clemens starrte Bärbel mit zusammengekniffenen Augen an und verstand es erst, als Bärbel auch noch ihren Autoschlüssel auf den Tisch legte. Der kleine Plüschtapir, der als Schlüsselanhänger daran befestigt war, stand nun aufrecht und sah Clemens ebenfalls an. Der legte sein Handy weg, atmete tief durch und rieb sich die Schläfen.
„Was denn?“, fragte Corinna mit leicht panischem Unterton.
„Ich hatte unrecht“, sagte Clemens kaum hörbar und scheuchte mit einem gekonnten Blick einen der mittlerweile drei zuschauenden Kellner auf.
Clemens bekam die Rechnung gebracht, zahlte ohne mit der Wimper zu zucken die Gesamtrechnung des Abends und zog neben einer wild schimpfenden Corinna seinen Mantel an. Er ließ sich noch Papier und Stift bringen, notierte etwas und gab Bärbel den Zettel über den Tisch. „Schickt mir bitte eure Namen und Adressen, wegen der Buchungen.“