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Der Türöffner

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Thores Vater war sehr aufgebracht. Obwohl sein Sohn noch nicht von seiner Mission zurückgekehrt war, wollte der Moralausschuss die Sache zu den Akten legen und in einer Verschlusssachendatei ab-legen. Damit wäre sein Sohn, zumindest bis ans natürliche Ende der Kontinuen, in diesen gefangen geblieben. In einigen Jahren sollte der Schritt vollzogen werden. Von seinem Sohn hatte er seit geraumer Zeit nichts mehr gehört. Das letzte Mal konnte er ihn erreichen, als er sich noch in dem infizierten Kontinuum befand. Doch als das scheußliche Machwerk, welches er selbst produziert hatte, komplett in das schöne Kontinuum seines Chefs eintrat und sein Sohn die Infektion überraschend dorthin zurückführ-te, war der Kontakt abgebrochen. Durch zwei Kontinuumhüllen hindurch war eine Kommunikation einfach nicht möglich. Als seine Frau von dem Vorhaben der Moralisten erfuhr, drängte sie ihn immer wieder etwas zu unternehmen. Sein Chef war nicht begeistert von seinem Vorhaben, in das Kontinuum einzudringen. Wir haben bereits deinen Sohn in das eklige Kontinuum geschickt. Hoffentlich ist er nicht gefressen worden, meinte er. Ich will doch nur durch die erste Hülle, drängte Thors Vater, dann werde ich versuchen, Kontakt aufzunehmen, um den Stand der Sache zu erfahren. Ohne das, brauche ich gar nicht mehr nach Hause kommen.

Der Chef überlegte. Wenn du aber nicht in der Lage sein wirst zurück zu kommen, dann würdest du bis ans natürliche Ende der Kontinuen dort verbleiben müssen. Hüte dich davor, direkt nachzuhelfen. Du weißt, was einem Vernichter von Ebenbildern blüht? Thores Vater lief es eiskalt den Rücken herunter. Ja, er wusste, dass er eine grausame Selbstauflösung vor sich hätte. Moralisten hin oder her. Bei ihren seltenen Bestrafungen standen sie den ekligen „Fressern“ in nichts nach. Über Doppelmoral wollte er nicht weiter nachdenken, darüber sollten andere urteilen. Das war Politik. Er war Pragmatiker und vorrangig sorgte er sich um seinen Sohn. Ich werde den Schritt wagen, sagte er entschlossen zu seinem Chef. Wenn wir nicht bis zum Termin zurück sind, bleiben wir in der Ablage, bis die Kontinuen aufhören zu existieren. Grüße dann meine Frau. Sie soll ihre Göttin fragen, ob sie alles richtig gemacht hat. Ist eventuell nicht verkehrt, wenn ich meine Frau und meinen anderen Chef mal einige Äonen lang nicht sehe, meinte er lächelnd. Sein Chef konnte darüber nicht lachen, aber er verstand Thores Vater und etwas bewunderte er ihn. Ob er selbst den Mut dazu gehabt hätte wusste er nicht.

Sein Mitarbeiter verabschiedete sich kurz und trat an seinen Arbeitstisch. Dann geriet er in einen Strudel, wurde dünner und dünner und verschwand im Kontinuum. Viel Glück, rief sein Chef ihm nach, viel Glück mein Freund. Auf einer weichen Unterlage fand sich Thores Vater wieder. Dieses war also das tolle Kontinuum, welches sein Chef konstruiert hatte. Noch etwas langweilig, dachte er. Aber es ist ja auch noch nicht mit Inhalten gefüllt. Nun wollen wir doch mal unsern Junior in meinem Problemkontinuum suchen. Er durchdrang mit all seinen geistigen Möglichkeiten, die eines Daseinsverwalters würdig waren, die Begrenzung seines Kontinuums. Thore war nirgends zu finden und nicht zu erreichen. Hoffentlich war er nicht in der von ihm erdachten Fehlkonstruktion umgekommen. Aber die, die hier eine Infektion hervorgerufen hatten waren in der Nähe des Grenzbereiches. Wenn sein Sohn umgekommen sein sollte, würden sie seine Rache spüren.

Währenddessen näherten sich unsere Freunde der Begrenzung ihres Alls. Und nun, fragte Rigo? Auch Bernhard und Agnes schauten sich ratlos an. Wenn Manfred Schultern gehabt hätte, hätte er mit ihnen gezuckt, denn er wusste erst einmal auch keinen Rat. Jetzt sind wir so weit gereist und wollten ein Loch bohren, haben aber keinen Bohrer dabei, lachte Agnes in sich hinein. Zumindest keinen, der ein solch großes Loch bohren könnte, dass da Träume durch passen würden, meinte Rigo. Meinst du das etwa anzüglich? Agnes mochte solche Anspielungen nicht.

Entweder du stehst zu deinem Bohrer oder du lässt es, haute sie raus und verschwand mit rotem Kopf in ihren privaten Gefilden. Lasst uns zum Wesentlichen zurückkehren meinte Manfred, als plötzlich etwas Wesentliches geschah. Vor ihnen öffnete sich ein Raumspalt in der Begrenzung und hindurch kam ein Wesen, welches wie ein Mensch aussah, jedoch im freien Raum existieren konnte und von dem etwas Übermächtiges ausging. Ich bin der Erschaffer dieses Kontinuums, donnerte eine Stimme in den Hirnen der Freunde und selbst Manfreds Neuronen erzitterten. Manfred raffte allen Mut zusammen und donnerte zurück. So einen hatten wir hier schon einmal. Wir brauchen nicht noch einen Vernichter. Manfreds Donnerstimme wirkte etwas piepsig gegen die Stimme des Wesens.

Der Daseinsverwalter kam langsam näher und begann mit gemäßigter Stimme ein Gespräch. Das ist interessant, ertönte eine sonore Stimme in den Köpfen aller. Augenscheinlich hat sich in meinem Kontinuum des „Größten“ und „Kleinsten“ doch noch etwas anderes entwickelt, als die menschenfressenden Ebenbilder. Wohlwollend tastete er mit seinen Sinnen in Manfreds Geist. Dann kam er wieder auf sein eigentliches Anliegen zurück. Was habt ihr mit meinem Sohn gemacht? Lebt er noch? Ich kann ihn nicht erreichen und bin in Sorge. Ach, du bist der Vater von diesem missratenen Schwerverbrecher Thore?, fragte Manfred frech. Er wusste, dass er der Macht dieses Wesens nichts entgegen zu setzen hatte. Dazu war Thores Vater zu mächtig. Dieser lächelte. Na, na, meinte er, mein Sohn hat immerhin die Ebenbilder, äh, die Menschheit meinte ich, geschaffen. Und er wollte sie wieder ausgerottet sehen, meinte Manfred, dafür hat er allerhand getan. Aber keine Sorge. Wir haben Thore gefangen und gut unter Verschluss. Er kann nicht mehr durch die Gegend springen und Hetzer und Despoten die Menschen aufwiegeln lassen.

Der Daseinsverwalter überlegte. Lasst ihn vorerst dort. Wir beide haben es verdient. Aber sagt mir, warum seid ihr wieder hier, habt ihr Sehnsucht nach ein paar süßen Träumen? Nein, meinte Agnes, die von der lauten Stimme geweckt neugierig geworden war, unsere süßen Träume machen wir uns selbst. Sie hatte wieder einmal die Lacher auf ihrer Seite und bekam prompt wieder einen roten Kopf. Wir wollten ein kleines Loch in die Hülle unseres Kontinuums bohren und etwas Traumsubstanz bekommen, um die Menschheit zu retten. Jetzt musste Thores Vater herzhaft lachen. Ihr würdet in tausenden Zeitaltern kein so großes Loch in diese Hülle bekommen um so etwas zu erlangen, selbst wenn eure Motive noch so ehrenhaft sein mögen. Das würde auch meinem Chef so gar nicht gefallen. Und erst den Moralaposteln, unvorstellbar, lachte er. Dann erzählte er der Gruppe, wie er deren Kontinuum entwickelt und wieder verworfen hatte, wie der halbwüchsige Thore damit gespielt und ein Sakrileg nach dem anderen begangen hatte. Auch, wie seine Frau sie wegen ihrer glaubensbedingten Wahrheitsliebe verraten hatte und es zum Prozess gekommen war. Als er alles seinem staunenden Publikum gebeichtet hatte, ergänzte er noch, Thore und ich würden wahrscheinlich niemals zu Hause sein, bevor die Moralisten die Akten versiegeln werden. Also müsst ihr uns wohl bis ans En-de eurer Tage ertragen.

Großer Gott, entfuhr es Bernhard. Ach nö, winkte Thores Vater ab. Nur nicht so dick auftragen. Nennt mich einfach Norbert. Eigentlich sollte ich Manfred heißen, aber den Namen mochte meine Mutter nicht. Gott sei Dank, dachte Manfred nur, aber Norbert ist auch nicht viel besser. So ihr „Kleinen“, begann Norbert erneut, da mein Sohn und ich hier auf Dauer festhängen, können wir so viel Schabernack treiben und Mist bauen wie wir wollen. Also wie ich das sehe, braucht ihr einen Daseinsverwalter, um euer Vorhaben durchzuziehen. Dann wollen wir mal meinem Chef etwas Substanz rauben. Das Kontinuum ist für ihn sowieso verloren. Erstaunt über die Wandlung Norberts, vom mächtigen Überwesen zum spielerischen Verbündeten, schauten sich die Freunde an.

Sollten sie ihm vertrauen? Schließlich war er immer noch Thores Vater, und als ausgewachsener Daseinsverwalter wahrscheinlich noch wesentlich mächtiger als der Sohn. Aber er hätte uns auch dazu zwingen können, ihm den Weg zur Erde zu zeigen. Auch hätte er dann dort weitermachen können, wo sein Söhnchen versagt hatte, überlegte Agnes. Nach einigem Hin und Her kamen sie zu dem Ergebnis, dass ihnen gar nichts anderes übrig blieb, als dem Wesen Norbert zu vertrauen. Er schien wirklich an dem augenscheinlich von ihm entwickelten Kontinuum und selbst an dem Fehltritt seines Sohnes, den Ebenbildern, Interesse zu haben.

Na gut, sagte Manfred zu Norbert gewandt, wir können deine Hilfe brauchen. Manfred erklärte noch einmal ihren Plan die Traummaterie in ihr Kontinuum zu leiten und zu versuchen, mit positiven Träumen, die sich dann materialisierten, die Menschheit zu retten und die Lebensbedingungen erträglicher zu machen. Norbert überlegte eine ganze Weile und meinte dann, es könnte gelingen. Ihr würdet aber riesige Mengen der Traummaterie benötigen, um in so einem Kontinuum wie dem unseren damit Erfolg zu haben. Das größte Problem ist nicht das Loch zu bohren. Dieses darf aber nicht so groß sein, dass eines der Kontinuen platzt. Es darf aber auch nicht so klein sein, dass es eine zu große Zeitspanne benötigt, um die Erde zu erreichen. Sonst wären die Ebenbilder nicht mehr vorhanden, bevor ihr ihnen mit Träumen helfen könntet. Außerdem darf sich das Loch nicht schließen und es muss gewährleistet sein, dass immer so viel Energie und Materie aus diesem Kontinuum hinüberwechselt, wie Traummaterie zu euch kommt. Ich würde ja zu gern mit zur Erde kommen und in das dumme Gesicht meines Sprösslings blicken. Aber ich glaube, ihr braucht für die nächste Zeit einen Türsteher.

„Du kommst hier nit rein.“ Rigo konnte es nicht lassen diesen Halbhirnspruch abzulassen. Sehr witzig, dachte Manfred und auf Norberts fragenden Blick meinte er nur: Das lohnt nicht, es zu erklären. Nun kam der Daseinsverwalter wieder zum Wesentlichen. Bevor wir beginnen, müssen einige Fragen geklärt werden, damit die Aktion nicht in die Hose geht. Wie wollt ihr die Traummaterie transportieren?

Gesetzt den Fall, ihr bekommt sie heil bis zur Erde, wie verhindert ihr, dass sie von den falschen Träumern missbraucht wird? Dann würdet ihr die Ausrottung der Menschheit beschleunigen. Außerdem weiß selbst ich nicht genau, wie die Hülle eures Kontinuums reagiert, wenn ein Spalt dauerhaft offengehalten wird. Es kann durchaus sein, dass sich der Spalt selbstständig verbreitert und das Loch zu groß wird, um den Prozess aufzuhalten. Ich habe kein Handwerkszeug dabei und ich wäre dann machtlos. Und was könnte schlimmstens passieren?, fragte Manfred besorgt. Schlimmsten Falls könnte sich erst eure Begrenzung auflösen und der schnelle Austausch würde das Traumkontinuum so sehr erschüttern, dass auch dessen Hülle platzt. Dann brauchten wir alle uns keine Gedanken mehr um unsere Zukunft und unser Dasein zu machen.

Und für wie wahrscheinlich hältst du diese Möglichkeit?, fragte Manfred noch besorgter. Keine Sorge, sagte Norbert, auch dieser Daseinsverwalter und sein Sohn würden dann vernichtet, da die Sache bei uns versiegelt ist, bis die Menschheit auf natürliche Weise ausgestorben ist und darüber hinaus bis zur Auflösung der Kontinuen. Auch wir würden so einem Crash nicht entkommen. Also werde ich mein Möglichstes tun, dass das nicht passiert. Aber eine Wahrscheinlichkeit von vielleicht fünf Prozent nehme ich schon an. Das ist viel, meinte nun Rigo dazu.

Gut, bei einer Überlebenschance von fünf Prozent bei jedem Einsatz, wäre der Weltkrieg, in dem ich gekämpft habe, mangels Masse schneller zu Ende gewesen, aber wenn nun du zufällig zu diesen fünf Prozent gehörst? Er führte den Gedanken nicht zu Ende. Es ist eine fünfundneunzigprozentige Chance zu überleben, korrigierte Professor Bernhard ihn. Und das zweitschlimmste Szenario?, fragte Manfred. Wie das erste, nur das die Hülle des Traumkontinuums halten würde. Die Kontinuen würden sich verbinden, was zur Folge hätte, dass für alle Wesen die träumen können, viele Träume in Erfüllung gingen. Wir Daseinsverwalter würden diese Lage für doppelt eklig erachten, da das „Fressen und Gefressen werden“ sich potenzieren würde.

Aber, das wäre doch auch niedlich, wenn jeder arme Straßenköter sich zum Frühstück einen riesigen Knochen träumen könnte, dachte Agnes schwärmerisch. Das würde dazu führen, dass mancher Köter sich haufenweise Knochen erträumen würde und seine Beutetiere in kürzester Zeit ausgestorben wären, erklärte Bernhard. Igitt! Norbert wandte sich schaudernd ab. Aber so ist es auch mit den Menschen. Nur wegen dieser Fehlentwicklung deines Sohnes und der tollen Grundlage, die du geschaffen hast, sind wir hier und suchen nach einem Ausweg diesen Scheußlichkeiten zu helfen, ereiferte sich Manfred. Na, na, meinte Bernhard verärgert, immerhin sind einige dieser Scheußlichkeiten deine Freunde und Weggefährten und auch nicht mit Straßenkötern zu vergleichen. Die drei Scheußlichen waren ernsthaft vergnatzt und beleidigt. Entschuldigt, aber ich wollte euch auch nicht mit Straßenkötern vergleichen. Oder sind die Köter etwa Ebenbilder von Daseinsverwaltern? Norbert zog die Stirn kraus. Nein, nun verstehe du mich nicht auch noch verkehrt, meinte Manfred nur kleinlaut.

Aber fünf Prozent sind wirklich sehr hoch, lenkte er von den Fettnäpfen ab, in die er gesprungen war. Wenn das erste Szenario eintritt, ist das genauso im Ergebnis, als wenn die Menschheit ausstürbe, überlegte Norbert. Moment, protestierte Manfred, meine Art sind keine Menschen und wir wären auch beseitigt. Ach ja, ich vergaß kurzfristig, dass hier noch ein anderes Wesen mitspielt. Du bist im Verhalten so menschlich geworden, lächelte Norbert. Kein Grund mich zu beleidigen, schnaubte Manfred und merkte zu spät, dass er Norbert in die Falle gegangen war und wieder mit beiden Beinen im Fettnapf stand.

Wenn wir nicht auf dich angewiesen wären, würde ich dir jetzt in deinen imaginären Hintern treten, versprach Rigo Manfred, und die anderen dachten wie er. Ich gebe euch mein Ehrenwort, das ich euch nicht verletzen wollte, versprach Manfred. Ehrenworte zählen auf der Erde nichts mehr, wenn sie jemals etwas gezählt haben, meinte Rigo immer noch eingeschnappt.

Aber wie kommen wir nun weiter, begann Norbert und kam wieder aufs Wesentliche zu sprechen. Was wäre denn das Drittschlimmste, fragte Manfred, der froh war wieder aus der Peinlichkeit heraus zu finden. Das Drittschlimmste wäre, ihr bekämet die Traummaterie heil nach Hause und sie würde einen der Alpträume realisieren, die viele gequälte und geschundene Individuen haben, überlegte Norbert.

Das kenne ich, Rigo grinste, dann wäre die halbe Welt voller Latexhexen. Agnes wendete sich brüskiert um und verschwand unter grausamen Flüchen ins Séparée. Seht ihr, das meinte ich, dachte Rigo noch. Aber ich dachte an etwas anderes, entgegnete Norbert böse. Eventuell könntet ihr jetzt mal mit dem Beleidigungsaustausch aufhören? Die Sache ist zu ernst, auch wenn das gegenseitige Ärgern noch so unterhaltsam sein mag. Bernhard war bereits der arg verletzten Agnes hinterhergelaufen und tröstete sie ausgiebig. Du solltest auch gehen und dich entschuldigen, riet Manfred und Norbert pflichtete ihm bei. Rigo tat, was ihm empfohlen worden war und ging langsam, sich Entschuldigungen zurechtlegend, hinter den beiden her.

So, nun sind wir unter uns. Also, von einem Nichtmenschen zum anderen, was hast du wirklich vor?, fragte Manfred. Norbert überlegte. Ich werde dir reinen Wein einschenken. Erst wollte ich, besorgt wie ich war, nach meinem Sohn sehen. Der ist vorerst bei euch gut und sicher untergebracht. Dann schlossen unsere Moralaffen den Vorgang und Thore und ich sitzen nun hier fest, bis das natürliche Ende der Kontinuen gekommen ist. Nicht etwa nur bis die Menschheit ausgestorben ist. Wie du als langlebiges Wesen weißt, liegt da eine sehr lange Zeitspanne zwischen den beiden Ereignissen. Da ich nicht an Langeweile sterben will und auch Thore wohl bereits so etwas in seinem Gefängnis verspürt, habe ich beschlossen, euch und der Menschheit zu helfen. Dass die Menschheit dadurch noch eine Weile länger existiert ist unerheblich. Aber das Ganze kann, selbst für einen Daseinsverwalter und dessen hoffnungsfrohen Nachwuchs recht lehrreich sein. Das Argument wirst du als Wissenssammler wohl nachvollziehen können.

Auch Thore wird euch bei eurem Vorhaben hilfreich sein, wenn ihr erlaubt, dass ich mit ihm Kontakt aufnehmen kann. Er hat bereits ein paar Fähigkeiten entwickelt, die auch ich habe und er wird sicher helfen können. Immerhin sind die Ebenbilder auf seinem Mist gewachsen und uns beiden nicht fremd in ihren Handlungsweisen. Außer natürlich ihre abartigen Fressgewohnheiten und ihr dadurch verstärktes Aggressionspotential.

Sie sind also insgesamt etwas mehr als nur Zeitvertreib für uns. Außerdem gibt es hier im Kontinuum des „Größten und Kleinsten“ noch viele weitere, halbwegs intelligente Spezies, die auch interessant und lehrreich sein könnten. Da kannst du dich drauf verlassen, du unwissender Daseinsverwalter, dachte Manfred. Ich glaube dir und hab auch in deinen Er-klärungen keine Falschheit entdeckt. Aber ob das alles auch eure Ebenbilder so sehen? Zumindest vor Thore haben sie große Ängste entwickelt und Angst ist ein sehr schlechter Ratgeber. Aber nun zum Nahe-liegenden zurück. Wie hast du dir konkret die Sache mit dem Traummaterietransit vorgestellt? Es wird so einfach nicht werden. Die Traummaterie wird in eurem Kontinuum einen flüchtigen Zustand annehmen und das Bedürfnis haben, sich zu verteilen. Deshalb muss es jeweils in einer eigenen Hülle verpackt werden. Ohne Werkzeug ist es für mich zwar schwer, aber nicht unmöglich. Es sind jedoch sehr kleine Mengen, die du mit in den gekrümmten Raum nehmen kannst. Du wirst deine liebe Not damit haben, so etwas auf der Welle vor dir her zu balancieren, meinte Norbert noch. Das werde ich schon hinbekommen, antwortete Manfred. Da habe ich keine Zweifel, aber es gibt noch ein weiteres Problem, nämlich der Zeit-faktor. Trotz deiner Möglichkeit, den Raum zu krümmen, wird die Reise von der Kontinuumgrenze bis zur Erde eine längere Eigenzeit beanspruchen.

Hin und zurück ist es dann das Doppelte, wenn ich richtig gerechnet habe, schmunzelte Manfred. Richtig, aber selbst wenn du hundert Jahre immer hin und her fliegen würdest, bekämest du die Masse nicht zusammen, die gebraucht würde, um genügend positive Träume zu generieren, die sich materialisieren würden. Wie ihr in dem Traumkontinuum bereits feststellen konntet, ist der Raum für eine Traummaterialisation sehr begrenzt. Es wird zwar alles hilfreich sein, was wir versuchen, aber ich befürchte es wird nicht ausreichen, sagte Norbert geknickt. Jedenfalls werdet ihr Thores Hilfe brauchen. Kommt gar nicht in Frage, wetterte Bernhard, der mit dem Rest der Gruppe wieder aus der Versenkung erschien. Deinen bösartigen Sohn haben wir gut unter Verschluss und da bleibt er auch, wenn ihr mich fragt. Die anderen stimmten dem zu und es bedurfte eingehender Erklärungen und einer beruhigenden Spiegelung ihrer Geister, bis sie widerwillig zustimmten. Nun haben wir zu dem Vaterwesen bereits etwas Vertrauen aufgebaut, dann werden wir es auch zum Ablegerwesen versuchen aufzubauen. Bleibt uns ja gar nichts anderes übrig, murrte Rigo. Dann lasst uns beginnen, meinte Norbert nur, wartet hier. Ich bringe euch dann die erste Ladung Materie. Sprach ś und entfernte sich von Manfred und den Freunden in Richtung der Begrenzung. Es dauerte eine Weile, bis sie die Auswirkungen der Bohraktion sehen konnten. Die eintreten-de Traummaterie war schwarz oder farblos, zumindest absorbierte sie alles Licht, welches hier am Rande des Nichts sowieso rar gesät war. Im Gegenzug verließ Substanz des hiesigen Kontinuums den angestammten Raum und drang ins Traumkontinuum ein.

Das Loch in der Wand wuchs langsam wieder zu, als der Daseinsverwalter wieder zu ihnen stieß. Er hatte eine große Kugel dabei, in der sich eine schwarze, bedrohlich wabernde Masse befand. Manfred übernahm den Ball vorsichtig und balancierte ihn auf einer seiner kurzen Seiten. Stammt er nun von einer Robbe oder einem Delfin ab, fragte Rigo Bernhard scherzhaft. Du bleibst gleich bei Norbert, drohte Manfred, oder ich sperre dich zu Thore in den Krystallkäfig. Rigo war augenblicklich ruhig. Vergesst nicht meinem Sohn zu sagen, dass ich ihn sprechen muss. Er braucht nur auf meinen Kontakt zu warten. Ich weiß ja, dass er auf dem Gebiet noch nicht voll ausgereift ist, sagte Norbert, und sie nahmen kurz Abschied voneinander. Norbert wollte den Spalt nicht ganz zugehen lassen.

Seelenspiegler

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