Читать книгу Die Alpen - Werner Bätzing - Страница 8

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5 Das Varaita-Tal in den Cottischen Alpen gehört zu den Entsiedlungsregionen der Alpen. Die Gemeinde Pontechianale zählte 1871 1542 Menschen, heute sind es nur noch 169. Die Erträge der Wasserwirtschaft – vorn der Stausee Lago di Castello, 1575 m – bleiben nicht im Tal, sondern fließen nach Rom; links oben der Monte Viso, 3841 m, der höchste Berg der Cottischen Alpen (August 2016).

Einleitung

Üblicherweise geht man bei einem solchen Bildband davon aus, dass seine Bilder auf manche Menschen schön, auf andere dagegen hässlich oder nichtssagend wirken, und dass man über die Schönheit von Bildern und Landschaften – genauso wie über Geschmack – nicht diskutieren oder streiten könne, weil dies rein subjektive Empfindungen seien. Damit folgt man unbewusst derjenigen Konzeption von Ästhetik, wie sie der Philosoph Immanuel Kant entworfen hatte.

Mit einer solchen Ästhetik sieht man allerdings in den Alpen nichts Relevantes, und man kann ihre Landschaften nicht in Hinblick auf das Mensch-Umwelt-Verhältnis lesen, was sich in ihnen ausdrückt. Deshalb gehen dieser Band und die in ihm abgedruckten Bilder von der Ästhetik-Konzeption des Philosophen G. W. F. Hegel aus, für den Ästhetik den unmittelbaren, sinnlich-emotionalen Ausdruck vom „Wesen“ einer Sache oder eines Objekts bedeutet.

Das Wesen oder die wesentlichen Elemente einer Alpenlandschaft sind geologische Strukturen, eiszeitliche Formungen, Vegetations-, Siedlungs-, Wirtschafts- und Verkehrsstrukturen in ihrem wechselseitigen Zusammenwirken. Ästhetik bedeutet nach Hegel, diese Strukturen und ihr Zusammenspiel so darzustellen und ins Bild zu setzen, dass sie der Betrachter spontan wahrnimmt und erkennt, also ohne lange Erklärungen unmittelbar ein intuitives Verständnis davon bekommt.

Dies ist jedoch keineswegs identisch mit der Dokumentation des Ist-Zustands einer Alpenlandschaft, sondern erfordert eine bewusste Bildkomposition, einen angemessenen Bildausschnitt, eine spezifische Perspektive und ganz bestimmte Lichtverhältnisse, damit die wesentlichen Elemente und Strukturen überhaupt herausgearbeitet und sichtbar gemacht werden können.

Die Bilder, die auf diese Weise entstehen, unterscheiden sich deutlich von den Bildern, mit denen wir permanent im Alltag konfrontiert werden. Ihnen fehlt das Überraschungs- oder Überrumpelungselement (der „Wow-Effekt“), mit dem die Werbefotografie versucht, unsere Aufmerksamkeit für wenige Sekunden auf sich zu lenken. Stattdessen wirken diese Bilder auf den ersten Blick wenig spektakulär, und man muss sich auf sie einlassen und länger betrachten, damit sich ihr Inhalt erschließt. Dann jedoch erhält man auf spielerische Weise ein intuitives Verständnis des Mensch-Umwelt-Verhältnisses mit seinen heutigen Möglichkeiten und Problemen.

Der Anspruch dieses Bildbandes ist es, mittels der Auswahl von aussagekräftigen Bilder und einer bestimmten Bildfolge, ergänzt durch kurze Erläuterungen, die aktuelle Situation der Alpen versteh- und erfahrbar zu machen. Am Anfang dieses Buches wird geklärt, welche Alpenbilder wir – meist unbewusst – im Kopf haben und wie diese unsere Wahrnehmung der Alpen prägen (Kapitel 1). Dann werden die Landschaften der Alpen im Naturzustand dargestellt (Kapitel 2). Um den heutigen Wandel verstehen zu können, werden dann die traditionellen Kulturlandschaften vorgestellt (Kapitel 3). In Kapitel 4 wird die Modernisierung der Alpen, gegliedert nach zentralen Themenbereichen, gezeigt. Und zum Schluss bilanziert Kapitel 5 die heutige Situation und fragt nach einer Zukunft für die Alpen, bei der sie ein dezentraler Lebens- und Wirtschaftsraum mit Respekt vor der Natur bleiben bzw. wieder werden können.

Jedes Kapitel beginnt mit einem doppelseitigen Luftbild und einer einseitigen Texteinführung ins Thema, und dann folgen jeweils 6 – 7 Abschnitte. Dabei behandelt jede Doppelseite immer ein eigenes Unterthema; dominierend sind auf jeder Doppelseite stets die Bilder, die zurückhaltend in den Bildlegenden kommentiert und durch kürzere Hintergrundtexte ergänzt werden.

Die Bilder, die hier präsentiert werden, stammen aus sehr unterschiedlichen, teilweise auch aus sehr unbekannten Alpenregionen und sollen Lust machen, die Vielfalt der Alpen aktiv zu entdecken.


6 Das Oberengadin (hier von Muottas Muragl aus gesehen) ist eine der ältesten und berühmtesten Tourismusregionen der Alpen. Deshalb sind die Tourismusorte St. Moritz (Bildmitte) und Celerina (rechts am Rand) sehr stark gewachsen und sehr stark zersiedelt (August 2008).

Die Alpen

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