Читать книгу Teamarbeit und berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit - Werner Fleischer - Страница 8
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1 Einleitung: So tickt eine gute Teamleitung – Grundsätzliches
»Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile«
Aristoteles (384–322 v. Chr.)
Oberste Priorität für eine Teamleitung bei der Bildung eines Teams ist ein Überblick, was jede*r Einzelne der Gruppe an Kompetenzen und positiven beruflichen Erfahrungen mitbringt, um die geforderten Aufgaben zu erfüllen. Das beginnt für die Pflegeleitung oft mit einer Fleißarbeit: Wenn eine Leitungskraft ein Pflegeteam übernimmt, macht es Sinn, mit Unterstützung der Personalabteilung, Akten, Zeugnisse, Weiterbildungsnachweise und eventuell auch die vereinbarten Ziele aus den Mitarbeiter-Jahresgesprächen jedes Teammitgliedes zu lesen. Schon hier sind gelegentlich Informationen erkennbar, die im täglichen Umgang untergehen. Sie sind ein wertvoller Schatz für die Integration des Mitarbeiters in das Team: Welche Einsatzbereiche in anderen Kliniken und bei vorangegangenen Arbeitnehmern sind erkennbar? Wie werden das Leistungs- und Sozialverhalten aus vorangegangenen Stellen bewertet? In welchen Projekten hat er oder sie sich besonders hervorgetan? Gibt es persönliche Interessen, die auch in der aktuellen Tätigkeit förderlich sind?
Wer wissen will, wie fit seine Mitarbeitenden fachlich, mental und körperlich sind, sollte sie hin und wieder bei der Arbeit begleiten und auch regelmäßig unterstützen. Denn nur so ist zu erkennen, wie eine Pflegekraft im Umgang mit anvertrauten Menschen agiert, ob sie in der Lage ist, die erforderlichen Tätigkeiten präzise und souverän auszuüben bei gleichzeitiger Patientenorientierung und ob sie motiviert bei der Sache ist. Erkennt die Führungskraft Mängel, gibt es immer Möglichkeiten, entgegen zu wirken: durch Anleitung, Hospitation, Coaching, Fortbildungen – entweder für einzelne Mitarbeitende oder das ganze Team. Mitarbeitervisiten sind zusätzlich eine gute Gelegenheit, Pflegequalität zu überprüfen, Feedback zu geben und den allgemeinen Austausch über Vorgehensweisen und Prozesse voranzutreiben.
Machen Sie die Augen auf, beobachten Sie und nehmen Sie sich Zeit für Ihre Mitarbeiter und deren Werdegänge. Sammeln Sie Eindrücke und investieren Sie Zeit, Aufmerksamkeit und Interesse für die Kolleginnen und Kollegen. Das sind wichtige Voraussetzungen, um aus einzelnen Individuen eine Mannschaft zu formen. Das ist zwar eine anspruchsvolle Herausforderung, aber sie ist zielführend und macht Spaß.
Eine Pflegeleitung muss, auch über mehrere Stationen hinweg, immer alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Blick haben:
• Wo kann wer am effektivsten eingesetzt werden?
• Wer wäre an einem anderen Einsatzort eventuell zufriedener und damit effizienter?
• Wo liegen die individuellen Stärken und Schwächen?
• Gibt es augenscheinliche psychische Blockaden?
• Was könnte unterstützend dabei wirken, alle Potenziale bestmöglich zu entwickeln und einzubringen?
Ein Team zu bilden und zu pflegen kostet Zeit und fordert Engagement. Wer jedoch die Chancen, Bedürfnisse und Potenziale einzelner nicht nutzt, vergrößert mittelfristig sogar seine persönliche Belastung. Wer alle im Team über einen Kamm schert, wird nicht erfolgreich sein. Eine gute Teamleitung setzt sich differenziert mit jeder*m Einzelnen auseinander, kennt die Reifegrade bzgl. der Schlüsselaufgaben und sorgt so dafür, dass sich einzelne Teammitglieder gegenseitig unterstützen, fördern, aneinander wachsen und gemeinsam stärker werden. Auf der anderen Seite wird die Pflegeleitung durch ein gut funktionierendes Team entlastet, weil sie an einigen Stellen Aufgaben an andere Spitzenkönner delegieren kann – immer in der Gewissheit, dass alle Aufgaben dann auch zur vollkommenden Zufriedenheit erfüllt werden. Eine gute Analyse und die Umsetzung der Erkenntnis daraus, machen die Arbeit effizienter und damit für die Pflegeleitung leichter.
Das Ziel sollte es sein, ein Top-Team zu schaffen, das am Ende in der Lage ist, sich selbst zu supervidieren, zu analysieren, eigene Regeln zu finden und sich auch daran zu halten. Wer als Pflegeleitung ein Team verantwortet, das selbstständig lösungsorientiert agiert, Prozesse und Strukturen im Blick hat und selbst Verantwortung übernimmt, entlastet sich erheblich.
Ein gutes Beispiel hierfür sind häufig Hebammen, die aufgrund ihrer Abgrenzung zu anderen Berufsgruppen, die in einer Klinik tätig sind, gelernt haben, in eine hohe Eigenverantwortung zu gehen. Sie pflegen ihre Teamzusammengehörigkeit, oft sehr intensiv und erfolgreich. Sehr ähnlich verhält es sich auch auf Intensivstationen und in Notaufnahmen und auf Intensivstationen. Dort sind gute Teams keine Seltenheit, da sie aufgrund der hohen beruflichen Belastung und Anspannung gelernt haben, sich aufeinander zu verlassen, sich zu vertrauen und so effizient und effektiv gemeinsam zu arbeiten. Insuffizienz kann auf solchen Stationen Menschenleben in Gefahr bringen. Auch hier kann es zwar zu Konflikten kommen, aber auf der anderen Seite sind diese Teams auch in der Lage, schneller und konstruktiver Lösungen zu finden.
Zusammengefasst heißt das: Die Leitungskraft muss, bezogen auf die anstehenden Aufgaben,
• das Wissen der Mitarbeitenden kennen,
• ihre Erfahrungen und übertragbaren Leistungen im Blick haben,
• die Motiovation, Initiative und Ziele der Mitarbeitenden kennen
• wie viel Selbstvertrauen ein*e Mitarbeitende*r hat.
Im Mittelpunkt der Beobachtungen bei der Entwicklung zum Team steht das Leistungsverhalten. Leistung ist jedoch mehr als lediglich die Erfüllung der Aufgaben. Weitere Parameter sind die Zeit: schafft ein*e Mitabeitende*r die erforderlichen Arbeiten auch in der dafür festgesetzten Zeit und in dem erwarteten hohen pflegerischen Qualitätsstandard. Auch das Sozialverhalten während der Schicht im Umgang mit Kolleg*innen, Patient*innen, das Feedback-Verhalten, die gegenseitige Unterstützung usw. spielen eine große Rolle in der Analyse des Teamzustandes.
Eine Pflegeleitung ist dann gut in ihrem Job, wenn es gelingt, ein Team zu formen, in dem sie von jedem Mitglied in 80 % der Zeit weiß, wie es um ihn oder sie in Bezug auf Wissen, Erfahrung, Motivation, Selbstvertrauen und Belastung steht – alles natürlich im beruflichen Kontext.
»Warum über die Dunkelheit jammern, wenn man eine Kerze anzünden kann«
Chinesisches Sprichwort
Es gibt immer noch Pflegebereiche, in denen es katastrophal läuft – mit hohem Krankenstand, schlechter Führung, mieser Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten und genereller Unzufriedenheit. Daraus resultieren noch mehr Unzufriedenheit und damit verbunden auch mangelnde Sorgfalt bei der Versorgung der Patient*innen. Gleichzeitig sind viele Dinge im Gesundheitsbereich im Wandel und werden aktiv – durch Gesetzgebung oder Ambitionen von Klinikleitungen – verändert. Sehen Sie diese Veränderungen als Chance und nicht als eine weitere Bedrohung. Noch nie wurde über Pflege, den Beruf im Allgemeinen, die Ausbildung, die Belastungen und die gesellschaftliche Anerkennung so intensiv gesprochen und debattiert wie zurzeit. Zwar kann niemand garantieren, dass sofort alles besser wird. Aber Mitarbeitende in der Pflege haben jetzt die Möglichkeit, sich aktiv in die Veränderungsprozesse einzubringen, Vorschläge zu machen, sich von Missständen abzugrenzen und die Veränderungsprozesse bewusst mitzugestalten. Nicht meckern, dass es jetzt beispielsweise eine Pflegekammer geben soll, sondern die Chancen sehen und nutzen. Lernen Sie wieder, von Ihrem Berufsstand mit Achtung und Respekt zu sprechen. Dann können Sie ihn auch anderen gegenüber und in der Öffentlichkeit selbstbewusst verteidigen. Seien Sie Gestalter der Zukunft ihres Berufsstandes.
Leider übernehmen immer noch Pflegekräfte die Leitung einer Station, die zwar fit in ihrem Beruf, engagiert und fleißig sind, aber oftmals noch keine systematische Qualifizierung durchlaufen haben, in der sie gelernt haben, Leitungsvoraussetzungen zu schaffen und Teamführung professionell zu praktizieren. Das ist ein grober Managementfehler, da so durchaus hervorragendes Potenzial einfach verschlissen wird. Denn Leitung muss gelernt werden. Nur dann sind Leitungskräfte auch in der Lage, einen zusammengewürfelten Haufen an Menschen zu einem Team zu entwickeln, in dem sie Zeit investieren, Kenntnisse und Erfahrungen vermitteln, in Jahresgesprächen Ziele vereinbaren, in Talentdialogen Potenziale erkennen und weiterentwickeln sowie in Feedback- und/oder Kritikgesprächen mangelhaftes Leistungs- und Sozialverhalten ansprechen und Verbesserung fordern.
Team und Arbeitszufriedenheit
Ob Uni-Kliniken, konfessionelle Häuser, kommunale Krankenhäuser oder auch private Kliniken – Pflegekräfte sind heute gut ausgebildete, professionelle Spezialist*innen mit Organisationstalent, medizinisch-pflegerischem Fachwissen und Beratungskompetenzen. Darüber hinaus ist immer noch für viele die Grundmotivation, diesen Beruf zu ergreifen, die ganz besondere Nähe zu Menschen: Für Kranke da zu sein, zu pflegen und zu begleiten. Das ist wichtig und wird immer noch gebraucht im Krankenhausalltag. Kranke Menschen möchten eine zugewandte Pflege.
In konfessionellen Häusern liegt oft zusätzlich eine ausgeprägte Wertestruktur vor. Aus dem Akt der Nächstenliebe wird die Pflege eine besondere Herausforderung.
Spannend sind Untersuchungen zwischen Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit. Hier ist eine erstaunliche Korrelation festzustellen: Ist die Patientenzufriedenheit in einem nicht-konfessionellen Haus eher hoch, ist die Mitarbeiterzufriedenheit tendenziell geringer ausgeprägt. In konfessionellen Häusern gibt es einen noch größeren Abstand, da aus dem Anspruch der Nächstenliebe die konfessionelle Pflegekraft alles tut, um die Schwächen des Systems zu kompensieren, damit Patient*innen daraus keinen Nachteil erfahren. Sie fühlt sich dadurch aber stark belastet (bis überlastet) und ausgenutzt, ohne es den Patient*innen zu zeigen. Dies kann tendenziell dazu führen, dass sogar ein negativer Wert der Mitarbeiterzufriedenheit, also eine hohe Unzufriedenheit, dennoch hohe Zufriedenheit bei den Patient*innen schafft.
In säkularen Kliniken ist es anders: Hat die Pflegekraft schlechte Laune, ist ausgebrannt und überarbeitet, merken das tendenziell auch die Patient*innen. Also ist auf allen Seiten die Zufriedenheit eher niedrig.
Die Stimmung im Team überträgt sich auf die Patientinnen und Patienten. Häufig besonders gut zu spüren ist das in der Psychiatrie – sowohl in der Kinder- und Jugend als auch in der Erwachsenenpsychatrie. Herrschen in Teams starke Spannungen, sind die Patientinnen und Patienten sich selbst und anderen gegenüber aggressiver oder erleiden schneller eine Verstärkung ihrer Symptome.