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ОглавлениеKAPITEL 1: Die Ströme im Kopf
Die Vermessung des Gehirns
100 Milliarden Nervenzellen mit jeweils Tausenden von Kontaktstellen, um Signale zu empfangen und Informationen fließen zu lassen – das menschliche Gehirn gilt als die komplizierteste Struktur des Universums. Entstanden ist sie in einem Zeitraum von 650 Millionen Jahren. So lange brauchte die Evolution, um aus einfachen Nervensystemen, wie sie zum Beispiel in Quallen zu finden sind, jenes komplizierte Hochleistungsgebilde zu formen, das heute 25 Prozent des Sauerstoffs und 70 Prozent des vom menschlichen Körper insgesamt verbrauchten Zuckers für seine Arbeit benötigt.
Und zweifellos gehört zu dieser Arbeit auch das Denken sowie die vielen anderen Leistungen des Bewusstseins. Daher werden wir in der Frage nach dem Wesen der Gedanken öfter auf die Forschungen am Gehirn zurückkommen – allerdings auch radikal andere Ansätze zur Erklärung des Phänomens „Geist“ berücksichtigen.
Die Theorie, dass alle menschlichen Denk- und Bewusstseinsleistungen auf die Tätigkeit von Nervenzellen zurückzuführen und somit körperlich erklärbar sind, ist relativ neu. Sie hat sich erst im 19. und 20. Jahrhundert etabliert – und ist, soviel sei vorweggenommen, bis heute nicht bewiesen.
Vor gar nicht allzu langer Zeit gingen auch die bedeutendsten Denker von einer Zweiteilung von „Leib“ und „Seele“ aus. Noch in der beginnenden Neuzeit formulierte beispielsweise der französische Philosoph und Naturwissenschaftler René Descartes (1596–1650), dem wir die geniale Kurzformel „Cogito, ergo sum“ – „Ich denke, also bin ich“ – verdanken, dass der Mensch aus zwei unterschiedlichen Wesenheiten bestehe. In der Zirbeldrüse, einem kleinen Organ im Zwischenhirn, so war er überzeugt, treten das materielle und das geistige Wesen miteinander in Kontakt. Und für gläubige Menschen war die Existenz einer immateriellen Seele sowieso eine gottgegebene Selbstverständlichkeit. Was sonst sollte nach dem Tod bewusst als „Ich“ weiterleben, wenn nicht etwas Eigenständiges, das dem Körper nur angeschlossen wurde?
In einer Gesellschaft, in der das Aufschneiden eines menschlichen Körpers weitgehend tabu war und es vor allem auch technisch unmöglich gewesen wäre, die Gehirntätigkeit am lebenden „Objekt“ zu beobachten, schien es selbstverständlich, dass die physische Außenwelt und die psychische Innenwelt zweierlei sind. Die Gedanken wurden dabei bisweilen als „Ausdünstungen“ jenseits der fünf Sinne betrachtet – unsichtbar, nicht greifbar, aber spürbar in der Wirkung.
So erzählt man beispielsweise, dass der österreichische Kaiser Joseph II. (1741–1790), der in Wien den „Narrenturm“ errichten ließ (das weltweit erste Spezialgebäude zur Unterbringung psychisch Kranker), sich gern vom gedanklichen „Odem“ der Narren inspirieren ließ. Angeblich hielt er sich deshalb häufig in der Laterne des Turmes auf, um hier Kreativität zu tanken.
Kranke Menschen boten dann auch in der medizinischen Forschung die entscheidenden Schlüssel für die Erkenntnis, dass offenbar untrennbare Zusammenhänge zwischen Gehirntätigkeit und Bewusstseinsleistungen bestehen.
Vom 19. Jahrhundert an bis heute wurden immer detailliertere neurologische Untersuchungen durchgeführt, die viele Wissenschaftler zum Schluss führten, dass es gar keine Leib-Seele-Dualität gäbe. Eine revolutionär neue Sichtweise etablierte sich, der zufolge Bewusstsein lediglich aus der Gehirntätigkeit resultiere. Sie veranlasste den deutschen Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) zu seiner bekannten spöttischen Bemerkung, das Denken sei, so betrachtet, nichts anderes „als Pissen“.
Unter Wissenschaftlern ist die Ansicht heute weit verbreitet, dass das Denken und Fühlen, dass Intelligenz und Bewusstsein sowie das Ich-Erleben im Grunde nur materielle Prozesse seien. Allerdings konnte sie sich allgemein nicht wirklich durchsetzen. Wohl vor allem deshalb nicht, weil diese Auffassung allzu radikal unserer Alltagserfahrung widerspricht.
Es mag ja faszinierend sein festzustellen, dass unter der eigenen Schädeldecke so viele Neuronen feuern, dass man einen Lastwagen mit Anhänger benötigte, um sie alle zu fassen, sofern jedes so groß wie ein Sandkorn wäre, oder dass man schätzungsweise 32 Millionen Jahre brauchte, um die Gesamtzahl der möglichen neuronalen Verbindungen – eine pro Sekunde – zu zählen. Solche Erkenntnisse mögen Aufsehen erregend und spektakulär sein – aber haben sie wirklich etwas mit uns zu tun? Mit der eigentlichen menschlichen Persönlichkeit?
Sollen wir uns selbst ernsthaft mit den unansehnlichen Windungen namens Hirn identifizieren, sie als unseren Wesenskern akzeptieren, berührt das eher unangenehm. Als Mensch sieht man sich lieber in gepflegter äußerer Form, genießt das Empfinden von Schönheit und Harmonie und möchte nicht kampflos hinnehmen, dass jedes Werte-Bewusstsein und Idealstreben auf dem Altar eines materialistischen Menschenbildes geopfert wird.
Und doch haben außergewöhnliche Krankheitsgeschichten in den vergangenen Jahrhunderten immer eindrucksvoller den engen Zusammenhang zwischen der Gehirntätigkeit und allen typisch menschlichen Denk- und Bewusstseinsleistungen aufgezeigt.
So führen beispielsweise Schädigungen in dem für die Sprachproduktion zuständigen „Broca-Zentrum“ (benannt nach dem französischen Arzt Paul Broca, 1824–1880) zu Problemen in der Sprachproduktion oder überhaupt zur Unfähigkeit des betroffenen Menschen, sprechen zu können – selbst dann, wenn Kehlkopf und Zunge voll funktionsfähig sind.
Auch führten Untersuchungen an sogenannten „Split-Brain-Patienten“ zu bemerkenswerten Ergebnissen. Solche Patienten haben infolge eines chirurgischen Eingriffs ein „geteiltes Gehirn“. Die Verbindung zwischen der bildorientierten rechten und der sprachorientierten linken Großhirnhälfte ist in ihrem Kopf getrennt. Der deutsche Neurobiologe und Autor Franz Mechsner beschrieb Experimente mit einem solchen Patienten: „Zeigt man der wenig sprachbegabten rechten Hemisphäre ein obszönes Bild, beginnt der Patient vielleicht zu grinsen. Gefragt, warum er grinse, gibt er jedoch nicht den wahren Grund an, sondern sagt etwas wie: ‚Ihr Hemd sitzt so komisch‘.
Die sprachbegabte linke Hemisphäre, die wegen der gekappten Verbindung zur rechten nichts von dem Bild weiß, fabuliert sich einfach eine Geschichte zusammen.“ („Die Suche nach dem Ich“, GEO 2/1998)
Genügt also ein chirurgischer Schnitt, damit plötzlich zwei „Ichs“ in einem Schädel sitzen? Jedenfalls leiten manche Forscher aus solchen Beobachtungen ab, dass unser Gehirn die Tendenz hat, sich selbst etwas vorzumachen, eine Wirklichkeit zu konstruieren – und sich auf diese Art in letzter Konsequenz auch den Eindruck von einem Ich-Bewusstsein zu verschaffen. Demnach wäre das menschliche Ich nichts weiter als das Ergebnis der Phantasiekunst des Gehirns. Das Ich würde nicht – wie Descartes meinte – selbst willentlich denken, sondern es würde vom Gehirn erdacht werden. Der Eindruck, den wir von uns selbst haben, von unserer geistigen Unabhängigkeit und Willensfreiheit, wäre demnach nur eine simple Illusion, die darauf beruht, dass das Gehirn alle Gedanken, Worte und Handlungen einem „Selbstmodell“ zuschreibt – und zwar einfach, wie der US-amerikanische Philosoph und Konstrukteur Daniel C. Dennett vermutet, „um seine Aktivitäten zu organisieren.“ Von Dennett stammt übrigens auch das „materialistische Glaubensbekenntnis“ zum Wesen des Menschen: „Ja, wir haben eine Seele, aber sie besteht aus lauter winzigen Robotern“.
Für den engen Zusammenhang zwischen Gehirnaktivitäten und bewusster Wahrnehmung sprechen nicht zuletzt auch Experimente, bei denen bestimmte Hirnareale elektrisch gereizt wurden, wodurch Erlebnisse oder auch Verhaltensänderungen ausgelöst werden konnten. Mit der gezielten Stimulation des „Gyrus angularis“, einer Windung der Großhirnrinde, ist es sogar gelungen, das Erlebnis des Austritts aus dem Körper, also außerkörperliche Wahrnehmungen, zu provozieren.
Solche Beobachtungen haben dazu geführt, dass die Mehrzahl der Wissenschaftler heute davon ausgeht, dass unser Bewusstsein vom Gehirn produziert wird – eine Ansicht, die wir allerdings noch gründlich hinterfragen werden. Denn viele Forscher, die sich eingehender mit der Wirkung von Gedanken beschäftigen, widersprechen ihr heftig.
Gehirnströme als Steuersignale
Unabhängig von so weitreichenden Schlussfolgerungen hat der Blick in das menschliche Gehirn in jüngster Zeit faszinierende Forschungsarbeiten ermöglicht und zu beeindruckenden Entwicklungen im Bereich der Medizintechnik geführt. Denn es ist möglich geworden, Geräte oder Prothesen allein durch Gedanken zu steuern.
Längst vorbei sind die Zeiten, in denen – etwa vom englischen Arzt und Philosophen Robert Fludd (1574–1637) – ebenso spekulative wie falsche Karten zur Architektur des Gehirns gezeichnet wurden, in denen man annahm, dass jeglichem Denken und Fühlen bestimmte Areale zugewiesen seien und sogar ein „Diebessinn“ sowie ein „Würge- oder Mordsinn“ im Gehirn verortet wurden. Alles Unsinn – soviel ist heute klar.
Die Gehirnforschung erlebte gegen Ende des 20. Jahrhunderts durch den Einsatz computerunterstützter Bildgebungsverfahren einen entscheidenden Durchbruch. Denn seither ist es möglich, die Vorgänge im Kopf, die Auswirkungen des Denkens und Fühlens am lebenden Menschen zu beobachten.
Dadurch erfahren wir immer detaillierter, wie unser Denk- und Steuerorgan wirklich „tickt“. So haben die Entdeckungsreisen in das schier endlos verzweigte und dabei sich unaufhörlich neu formende Labyrinth in unserem Schädel gezeigt, dass es nur sehr wenige Leistungen gibt, die eindeutig ganz bestimmten Hirnregionen zugeordnet werden können – etwa die Bewegungskoordination. Meist sind neuronale Netze aktiv, die sich über weite Teile des Gehirns spannen. Diese Tatsache macht es von vornherein schwierig, aus der Messung von Gehirnströmen auf Denkprozesse zu schließen.
Dennoch erzielte die Forschung gerade in diesem Bereich in jüngster Zeit große Fortschritte – und zwar nicht nur in der Theorie, sondern auch im Hinblick auf praktische Anwendungen. Einige revolutionäre medizintechnische Entwicklungen nutzen inzwischen Gehirnströme, um Geräte zu steuern. Es ist zum Beispiel möglich, allein durch die „Kraft der Gedenken“ Prothesen für Arme und Hände zu verwenden. Muskelgruppen können dabei so gezielt angesteuert werden, dass hochgradig gelähmten Menschen, die auch Ellbogen und Schulter nicht mehr selbsttätig bewegen können, das so entscheidend wichtige Greifen mit der Hand wieder ermöglicht wird.
Zu den diesbezüglich führenden Forschungseinrichtungen zählt das „Institut für semantische Datenanalyse“ an der Technischen Universität Graz. Die Pionierarbeit, die hier geleistet wird, hat entscheidend dazu beigetragen, dass manches, das man vor wenigen Jahren noch als pure Science-fiction bezeichnet hätte, mittlerweile Realität geworden ist.
Professor Gernot Müller-Putz, Leiter dieser Forschungsarbeiten, befriedigte im folgenden Gespräch, das ich im Herbst 2012 mit ihm führen konnte, freundlicherweise meine Neugier über den Stand der Dinge:
Sie arbeiten mit Ihrem Team im Institut für Semantische Datenanalyse an Möglichkeiten, nur mit Hilfe von Gedanken Computer und Geräte zu steuern. Was geschieht dabei? Haben Sie den Schlüssel zum Gedankenlesen gefunden?
Müller-Putz:
„Den Schlüssel zum Gedankenlesen haben wir nicht. Wir verwenden aber sehr wohl das Denken, um verschiedene Geräte und Anwendungen zu steuern, indem wir Denkmuster herausfinden. Das funktioniert im wesentlichen so, dass Patienten oder Benutzer durch verschiedene Gedanken Gehirnmuster erzeugen, die wir dann durch Messungen erkennen. Wenn man zum Beispiel weiß, dass der Benutzer entweder an eine Handbewegung denkt oder an eine Fußbewegung, dann kann man daraus ein Steuersignal erzeugen und damit eine Computeranwendung, zum Beispiel ein Schreibprogramm, steuern. Patienten mit schweren motorischen Beeinträchtigungen sollen dadurch wieder kommunizieren, schreiben, im Internet surfen können oder ihre Umwelt steuern.“
Ein wesentliches Ziel ist also, Menschen mit Bewegungsbeeinträchtigungen zu helfen. Befragungen von hochgradig querschnittgelähmten Menschen brachten ja immer wieder zum Ausdruck, dass das Greifenkönnen für sie eines der wichtigsten Anliegen ist und ihre Lebensqualität auch entscheidend verbessern würde. Ist eine solche Technologie, dass ein Patient also nur mit Hilfe von Gedankenkraft im Alltag wieder greifen kann, in Sicht?
Müller-Putz:
„Ja, das Greifen ist ganz wichtig. Man macht so viele Dinge unbewusst mit den Händen, und wenn das plötzlich alles wegfällt, dann bricht eine Welt zusammen. Wenn man also für Patienten mit sehr hohen Querschnittlähmungen ein einfaches Greifen wieder herstellen könnte, dann würden diese Menschen viel von ihrer Eigenständigkeit zurückbekommen. Wie kann man das machen?
Man kann es sich so vorstellen, dass man mit Hilfe der funktionellen Elektrostimulation, also durch Muskelstimulation, den gelähmten Arm ansteuert und ein einfaches Greifen erzeugt. Der Patient kann also durch die sogenannte Neuroprothetik seine Hand öffnen und die Finger wieder schließen, also etwas angreifen, und diese Neuroprothetik muss irgendwie angesteuert werden. Das könnte man mit einem Schalter machen, der am Körper angebracht ist. Wenn Patienten aber auch Schulter und Ellbogen nicht mehr bewegen können, dann gibt es nicht mehr viele Möglichkeiten, wie man ein solches Steuersignal erzeugen kann, und deshalb kommt unsere Arbeitsgruppe ins Spiel. Wir wollen das Denken an die Bewegung in eine tatsächliche Bewegung des gelähmten Arms umsetzen.“
Ihr Team arbeitet auch an verschiedenen EU-Forschungsprojekten mit. Eines davon hat den Titel „Brainable“. Dabei geht es um die Entwicklung einer möglichst komfortablen „Mensch-Computer-Schnittstelle“ mit dem Ziel, dass man allein durch die Gehirntätigkeit befähigt ist, bestimmte Handlungen vorzunehmen. Geht es dabei auch um medizinische Anwendungen?
Müller-Putz:
„Ja, die EU-Projekte, an denen wir arbeiten, haben alle medizinische Zielsetzungen. Das, von dem ich vorhin gesprochen habe, fällt unter das EU-Projekt „TOBI“ – Tools für Brain Computer Interaction. Im EU-Projekt „Brainable“ geht es darum, beeinträchtigte Menschen mit einer Steuerung für ihre Umwelt auszustatten. Das heißt, dass diese Patienten wieder eine Kontrolle über ihre Umwelt bekommen, dass sie beispielsweise das Internet oder generell IT-Techniken benutzen können, also E-Mails schreiben, Internetsurfen, twittern, aber auch ihre Umgebung steuern. Diese Patienten können ja zum Beispiel nicht einfach hingehen und das Licht einschalten. Aber assistierende Technologien, die von einem „Brain Computer Interface“ angesteuert werden, können das machen. Das heißt, ich wähle beispielsweise den Befehl aus: „Licht einschalten“ oder: „Jalousie herunterfahren“ oder ich wähle einen bestimmten Film aus, den ich mir gerne anschauen möchte – in diese Richtung geht das „Brainable“-Projekt.“
Es gibt auch schwerkranke Menschen, die praktisch keinen Kontakt mehr zur Außenwelt haben, Stichwort Wachkomapatienten. Bei diesen Patienten gibt es ja immer wieder Fälle tragischer Fehldiagnosen. Man nimmt an, dass solche Menschen von ihrer Außenwelt gar nichts mehr mitbekommen, und stellt irgendwann doch fest, dass ein bestimmter Grad von Bewusstsein noch vorhanden ist. Sehen Sie technische Möglichkeiten, bessere Diagnosewerkzeuge für solche Wachkomapatienten herzustellen, die auch gezielt mit den Gehirnströmen arbeiten?
Müller-Putz:
„Ja, es gibt ein Projekt mit dem Namen „Decoder“. Hier geht es genau darum, ein Diagnosetool zu schaffen, um eben festzustellen, ob Patienten noch Bewusstsein, ein Restbewusstsein oder fallweise ein Bewusstsein haben oder ob sie definitiv kein Bewusstsein mehr haben und sich in einem vegetativen Zustand befinden. Dafür benötigt man dringend ein Diagnosetool.“
Und was macht man, um Bewusstsein zweifelsfrei festzustellen oder auszuschließen?
Müller-Putz:
„Man kann bestimmte Gehirnfunktionen mit ganz einfachen Experimenten überprüfen. Zum Beispiel kann man feststellen, ob ein Patient verschiedene Pieptöne unterscheiden kann. Wenn man weiß, dass sein Hirn das kann, dann kann man den Schwierigkeitsgrad etwas erhöhen und zum Beispiel Sätze vorgeben, die entweder semantisch richtig oder semantisch falsch sind … Grundsätzlich startet man mit ‚passiven Paradigmen‘, wo also der Patient nur zum Zuhören eingeladen wird, und dann gibt es noch die aktiven Paradigmen, wo man zum Beispiel sagt: ‚Bitte zählen Sie die Pieptöne, die von den normalen Pieptönen abweichen‘.
Man kann mit Hilfe solcher Experimente feststellen, ob der Patient diese Anweisungen mitmacht oder auch nicht. Und wenn man sieht, dieser Patient, zu dem man so keinen offensichtlichen Zugang hat, hört die Anweisungen und macht mit, dann kann man feststellen, dass er eigentlich in diesem Moment Bewusstsein hat, es aber nicht nach außen transportieren kann. Die Analyse der Gehirnströme macht das sichtbar.
Die Idee ist, ein ganz einfaches ‚Brain Computer Interface‘ anzudocken, wodurch der Patient mental Antworten geben kann oder einen simulierten Tastendruck erzeugt, um zum Beispiel Ja oder Nein zu sagen. Das Ziel des ‚Decoder‘-Projektes ist also eine ganz einfache, rudimentäre Kommunikation mit Patienten, die noch Bewusstsein haben. Man hat natürlich schon mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie gezeigt, dass solche Patienten Anweisungen befolgen können. Aber ein Scanner ist ein sehr großer Apparat. Unser Projekt soll die Erkenntnisse aus der Magnetresonanztomographie in die Elektroenzephalographie überleiten, also in das Aufzeichnen der Gehirnströme, denn das dafür nötige Gerät kann man überallhin mitnehmen, wodurch man ganz einfach vor Ort, auch zu Hause arbeiten kann. „
Welche medizinischen Möglichkeiten stehen denn mit dieser Technologie noch in Aussicht? Es gibt ja noch weitere EU-Projekte, an denen Sie arbeiten …
Müller-Putz:
„Diese Projekte beschäftigen sich unter anderem mit der Schlaganfall-Rehabilitation, zum einen bei Schädigungen an der oberen Extremität, also der Hand und des Armes, zum anderen aber auch an der unteren Extremität. Hier geht es darum, einen Patienten während der Therapie zu beobachten. Wenn er seine betroffenen Extremitäten bewegen soll, sie aber nicht bewegen kann, lässt sich anhand der Analyse der Gehirnmuster feststellen: Jetzt hat der Patient versucht, den Arm zu bewegen oder die Hand zu bewegen. Diese Beobachtung wird dann an den Therapeuten und an den Patienten zurückgemeldet, nach dem Motto: Ja, das war gut, das ist der Weg, den Arm zu bewegen – auch wenn die Bewegung tatsächlich nicht stattgefunden hat. Man kann dann zum Beispiel ein robotisches Gerät oder eine Elektrostimulation verwenden, um den Arm entsprechend zu bewegen. Durch die Bewegung werden dann Signale von der Extremität an das Gehirn geliefert, und das Gehirn versucht dann, irgendetwas mit diesen Signalen zu machen. Der Ansatz geht also dahin, dass das Gehirn mit Hilfe des „Brain Computer Interface“ und durch die Rückmeldung der Bewegung schneller lernt, die Extremität wieder zu bewegen. „
Wo liegen denn nach Ihrer heutigen Einschätzung die Grenzen dieser Technologie, dass man gedankliche Tätigkeiten von außen analysiert und dann in Nutzanwendungen umsetzt? Gibt es da Grenzen?
Müller-Putz:
„Ja, da gibt es klarerweise Grenzen. Ein Signal, das vom Gehirn kommt, könnte man direkt im Gehirn sehr gut messen, aber es gibt ja verschiedene Schichten, Gehirnhäute, Knochen, die Haut, das alles dämpft das Signal sehr stark ab. Was wir am Kopf messen, das hat nur noch Millionstel Volt, das Signal ist also sehr, sehr klein. Um es zu messen, braucht man bestimmte Apparaturen, sogenannte Messverstärker, die diese Spannungen soweit verstärken, dass man sie überhaupt in einem Computer verarbeiten kann. Außerdem haben die Elektroden, die wir am Schädel platzieren, einen Durchmesser von etwa acht Millimetern. Darunter sind Millionen von Nervenzellen, die alle ihre Aktivität haben. Diese Nervenaktivität breitet sich kugelförmig aus. Durch den Abstand vom Kortex bis zur Elektrode ist es nur noch möglich, am Schädel die Summe der Nervenaktivität zu messen. Das heißt, es sind von der Messmethode her bestimmte Grenzen gesetzt. Ich kann mit meinen Elektroden nur ganz grob detektieren, ob es sich zum Beispiel um eine Handbewegung oder um eine Ellbogenbewegung handelt. Fingerbewegungen klar zu messen, zum Beispiel die Bewegung nur des kleinen Fingers, wird mir nicht mehr möglich sein. Um das weiterzuspinnen: Wenn Sie an eine Katze oder an ein Auto denken, kann ich das unmöglich messen, denn es gibt kein Katzenzentrum oder Autozentrum im Gehirn. Die Möglichkeit des Gedankenlesens, die man durch diese Technologie allgemein manchmal befürchtet, sehe ich, wenn überhaupt, in sehr, sehr weiter Ferne.“
Auf Gehirnströmen „in die Seele surfen“
Medizintechnische Nutzanwendungen wie die hier beschriebenen Projekte betreffen die konkretesten, oder besser gesagt, jene Wirkungsmöglichkeiten des menschlichen Denkens, die sich am leichtesten dokumentieren lassen: die Steuerung bestimmter Körperfunktionen.
Aber unsere Gedanken umfassen viel mehr als das. Streng genommen spielt dieser Bereich in unserem bewussten Alltagsleben überhaupt nur eine untergeordnete Rolle. Wir steuern unseren Körper ja nur in Ausnahmefällen bewusst durch Gedanken. Üblicherweise erledigt das Gehirn derlei selbsttätig, unbewusst, also ohne dass wir darüber erst nachdenken müssen. Und das ist sehr praktisch so. Denn dadurch sind wir offen für Eindrücke, Erlebnisse, neue Erfahrungen und Erkenntnisse – für all das, was uns gerade wichtig ist.
Aber inwieweit ist es möglich, aus den Gehirnströmen die Individualität eines Menschen zu erkennen und sozusagen einen Blick in seine Persönlichkeit zu werfen?
Solche Ansätze sind umstritten. Dennoch wird auch in dieser Richtung geforscht – zum Beispiel im Stuttgarter „Institut für Kommunikation und Gehirnforschung“. Hier wurde ein spezielles Messverfahren – die EEG-Spektralanalyse – weiterentwickelt, das offenbar sehr detaillierte Einblicke in individuelle Persönlichkeitsstrukturen gewährt.
Das Grundprinzip ist theoretisch einfach: Gehirnströme sind die messbaren Auswirkungen der Gedankentätigkeit. Die Art der Gedanken wiederum ist das Ergebnis einer inneren Haltung. Wie wir auf Situationen des Lebens oder einfach auf Fragen reagieren, zeigt etwas über unsere Persönlichkeit, über unsere Stärken oder Schwächen. In dem Stuttgarter Institut unter der Leitung von Günter Haffelder werden daher Gehirnströme gemessen, während die Personen gleichzeitig einen Katalog von Fragen beantworten müssen. Daraus könne man dann, so Haffelder, „genau erkennen, was sich in dem Moment im Menschen tut“. Voraussetzung dafür seien Messungen am „limbischen System“, das der Verarbeitung von Emotionen dient und mit dem Triebverhalten in Zusammenhang steht. Dieses System im Gehirn reagiere auf bestimmte Fragestellungen sehr deutlich, und aus der Analyse ließen sich klare Rückschlüsse auf die Befindlichkeit des Patienten ziehen.
Um mehr darüber zu erfahren, wie man auf den Gehirnströmen gewissermaßen „in die Seele surfen“ kann und vor allem, wozu das dienen soll, habe ich mit Günter Haffelder das folgende Gespräch geführt:
Was kann man denn aus Ihrer Sicht zusammenfassend sagen: Ist es wirklich möglich, über Gehirnstrommessungen etwas Konkretes über die Persönlichkeit eines Menschen auszusagen? Und wenn ja, wie weit geht eine solche Aussage?
Haffelder:
„Ja, wir können heute mit unserem Messverfahren, also mit der EEG-Spektralanalyse, die Persönlichkeit sehr präzise erfassen. Das hat den Hintergrund, dass wir am limbischen System messen und frontal ableiten, also an der Stirn. Die Analyse hängt aber immer auch mit bestimmten Fragen zusammen, die wir stellen. Das limbische System reagiert eben gefühlsmäßig darauf.
Solche EEG-Spektralanalysen sind eine Spezialität Ihres Instituts. Was konkret kann man denn aus einer solchen Analyse zum Beispiel herauslesen?
Haffelder:
„Wir können die Befindlichkeit des Patienten herauslesen und wir können die Gefühle herauslesen. Je nachdem, welche Fragen wir stellen, reagiert das Gehirn darauf. Es zeigen sich auch Blokkaden, Barrieren. Wenn ich zum Beispiel einen Mann auffordere, er solle an seine Familie denken oder an seine Ehefrau, kann ich sofort erkennen, ob dort alles stimmt oder nicht, ob da Blockaden sind, ob da Ängste sind und so weiter.“
Und was machen Sie auf Grund dieser Analyse? Welche therapeutischen Möglichkeiten gibt es für eine Hilfestellung?
Haffelder:
„Erst einmal führen wir mit jeder Person einen Grundtest durch, und auf der Grundlage aller Tests, bei denen wir natürlich sehen können, was sich verändert, was vom normalen Standard abweicht, erstellen wir eine sogenannte neuroaktive CD. Das ist Musik mit ganz gezielten Impulsen, die dann im Gehirn bestimmte Botenstoffe aktivieren oder Blockaden auflösen.“
Welche Musik verwenden Sie für diese Therapie?
Haffelder:
„Wir benutzen bisher Mozart-Musik, und für die Einspielungen steht mir glücklicherweise ein sehr gutes Orchester zur Verfügung. Wir müssen die Musik, die wir für therapeutische Zwecke verwenden, deshalb neu einspielen, weil der normale Grundton A bei 440 Hz gestimmt ist, und das ist für unsere Zwecke zu hoch. Wir verwenden die alte französische Stimmung von 432 Hz. Alle Körperrhythmen sind mit dieser Stimmung verbunden, also benutzen wir sie und lassen dann immer langsamer spielen, bis wir bei EEG-Messungen auf Grund von bestimmten Parametern sehen, dass zum Beispiel der Spiegel eines Botenstoffs, der unbedingt für das Lernen notwendig ist, steigt. Wenn er angestiegen ist, dann wissen wir, jetzt haben wir die richtige Geschwindigkeit. Wir benutzen die Musik also quasi als Träger, und darauf kommen zum Beispiel spezielle „Frequenzpatterns“, die wir erstellen, um bestimmte Blockaden zu lösen.“
Können Sie Beispiele nennen für Erfolge, die Sie mit dieser Therapie hatten? Welche Indikationen gibt es da?
Haffelder:
„Wir können zum Beispiel bei Lernstörungen helfen. Wir können ein Lernfenster im limbischen System öffnen, und dadurch ist es dann völlig egal, was der Mensch oder das Kind lernen soll; wenn dabei die Musik gehört wird, ist das Lernen erfolgreich. Allerdings brauchen wir dazu auch noch Bewegung. Das heißt, wir setzen das Kind auf ein Kissen, das mit Luft gefüllt ist, so dass es immer in einer Mikrobewegung ist. Das bedingt, dass die Lerninhalte gut im Gehirn abgelegt und vernetzt werden. In diesem Bereich haben wir sehr große Erfolge.“
„Inception“ made in Japan
Möglicherweise wird es künftig nicht bei solchen „sanften“ Manipulationen bleiben. Denn weltweit gibt es Forschungsansätze, um von Gehirnströmen Rückschlüsse auf konkrete Gedanken oder Erlebnisinhalte ziehen zu können. Dabei geht es nicht nur um das Tagbewusstsein, sondern bereits auch um Traumerlebnisse.
„Neuroimaging“ lautet ein aktuelles Schlagwort für die Versuche, Denkprozesse mit Computerhilfe zu visualisieren. Beispielsweise wurden bereits Vorhersagemodelle entwickelt, die es erlauben, anhand der Aktivitätsmuster im Gehirn Aussagen dahingehend zu treffen, welches Bild jemand gerade betrachtet. Entwickelt wurden diese Modelle mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie, die zur Erfassung der Gehirnaktivitäten eingesetzt wurde, während die Versuchspersonen Tausende von Bildern anzuschauen hatten.
Seit kurzem gibt es nun Belege dafür, dass das Gehirn Traumoder Phantasiebilder in ähnlicher Weise verarbeitet wie Bilder, die tagbewusst wahrgenommen werden. Einem japanischen Forscherteam der „ATR Computational Neuroscience Laboratories“ in Tokio gelang es bereits, eine Art Traumdatenbank zu erarbeiten, also spezifische Hirnsignale korrekt bestimmten Trauminhalten zuzuordnen.
Für diese Forschungen mussten zahlreiche Probanden im „heimeligen“ Umfeld eines Magnetresonanztomographen schlafen. Nach der ersten Traumphase wurden sie geweckt, damit sie berichten konnten, was sie gerade gesehen hatten. Nachdem auf diese Weise Daten gesammelt worden waren, gelang es den Forschern mit einer Neuroimaging-Software, weitere Messungen am Gehirn direkt in „Traumbilder“ umzuwandeln, wobei diese künstlich generierten Bilder in immerhin 60 Prozent aller Fälle mit den „echten“ Traumbildern der Versuchspersonen übereinstimmten. Ein beachtlicher Erfolg! Allerdings müsse, so Yukiyasu Kamitani, der Versuchsleiter dieser Studie, „bis zur Dechiffrierung zum Beispiel von Gerüchen, Farben, Gefühlen oder gar einer ganzen Traumsequenz noch viel Forschungsarbeit geleistet werden“.
Wie weit der Weg dann noch bis zur Manipulation von Träumen ist, wird die Zukunft zeigen.
Vor einigen Jahren lief im Kino der Science-fiction-Blockbuster „Inception“, in dem es um die gezielte Beeinflussung von Träumen geht, und sorgte für angeregte Diskussionen über die möglichen Zusammenhänge von Gehirnströmen und Bewusstsein. Werden Technologien, wie sie in diesem Film gezeigt wurden, bald in greifbarer Nähe sein? Und sollten wir uns vor all dem, was plötzlich machbar erscheint, lieber schon jetzt fürchten? Vor manipulierten Soldaten beispielsweise, denen Angst, Schmerz und Empathie neurotechnisch ausgetrieben wurden, damit sie in ihrer Mission von keiner altmodischen menschlichen Regung behindert werden können?
Ansätze in dieser Richtung gibt es bereits: In Tierversuchen ist es Wissenschaftlern der „Harvard Medical School“ gelungen, die visuelle Wahrnehmung von Ratten mit Hilfe von Ultraschallwellen zu unterdrücken. Wie weit ist es also noch bis zur Verwirklichung der Vision von einem „Schallwellenhelm“ oder einem „Hirnschrittmacher“ für Soldaten?
Allerdings könnte sich demnächst auch erweisen, dass all die großen Utopien im Hinblick auf die Manipulation oder die künstliche Erzeugung von Bewusstsein doch nur der Ausdruck einer ziemlich engen gedanklichen Sackgasse waren – weil unser Menschsein letztlich doch nicht so maschinengleich funktioniert.
Einsteins attraktives Hirn
Momentan jedenfalls steht die Vorstellung, das Gehirn erzeuge Bewusstsein und die Besonderheit des Menschseins erschöpfe sich in den neuronalen Möglichkeiten, noch ziemlich protzig im Raum. Das zentrale Steuerorgan des physischen Körpers und dessen größtmögliche Intelligenz haben es unserer Gesellschaft angetan.
Fast karikaturhaft spiegelt sich diese Gesinnung in einer Anekdote rund um das Gehirn Albert Einsteins wider, die der österreichische Journalist Klaus Kamholz im Magazin „Format“ (26/1999) unter dem Titel „Einsteins Hirn“ veröffentlichte: Als der wahrscheinlich bedeutendste Denker des 20. Jahrhunderts in der Nacht zum 18. April 1955 im Krankenhaus der Princeton University (USA) im Alter von 76 Jahren starb, entnahm der Chefpathologe des Spitals, der die Obduktion durchzuführen hatte, dem toten Körper das Gehirn, fotografierte das wertvolle Stück und zerschnitt es in 240 Teile, um einen Bericht über die gewiss ganz besonderen grauen Zellen des Nobelpreisträgers zu schreiben. Nachdem der Pathologe bald danach seine Kündigung erhielt, nahm er das konservierte Hirn kurzerhand mit, was in der Folge dazu führte, dass immer wieder einmal über Einsteins unfreiwillige Hinterlassenschaft berichtet wurde. „Sein Hirn zu berühren ist, wie wenn man die Weißen Zwerge, die Schwarzen Löcher, den Urknall und die Geisterwellen berührt. Es ist, als reite man auf einem Lichtstrahl …“, geriet einer der Journalisten, der dem Schatz besonders nahe kommen durfte, in himmlische Verzückung.
Einstein selbst schätzte sich übrigens bedeutend nüchterner ein. Er meinte sinngemäß, dass besonders starke Denkkraft bei ihm nur in bescheidenem Ausmaß vorhanden sei. Auch zeigte sein Denkorgan, wie sich nach dem Tod des berühmten Physikers herausstellte, mit 1.320 Gramm ein recht durchschnittliches Gesamtgewicht.
Aus der Struktur eines Gehirns eindeutige Rückschlüsse auf menschliche oder intellektuelle Qualitäten ziehen zu wollen, dieser Ansatz bleibt grundsätzlich fragwürdig. Jedem seriösen Forscher ist klar, dass alles bisher gesammelte Wissen bei weitem nicht dafür ausreicht.
Sicher: Das Denkvermögen jedes Menschen widerspiegelt sich im Gehirn und im neuronalen Feuer, das es „erleuchtet“. An dieser Tatsache ist nicht zu zweifeln. Aber definiert sich dadurch unser Menschsein? Sind Gedanken wirklich nichts weiter als Gehirnströme, beschränkt auf den Kopf, der sie denkt? Oder sind umgekehrt die Gehirnströme erst die Folge der Gedankentätigkeit, das „Nachglühen“ einer geistigen Befähigung, die wir in ihrer Eigenart noch nicht ansatzweise begriffen haben?
Günter Haffelder hat im Laufe seiner langjährigen Forschungsarbeit immer wieder Belege dafür gefunden, dass das menschliche Bewusstsein mehr umfasst als nur Gehirnströme und Nervenimpulse, die auf den Körper beschränkt sind. „Die Gehirnströme sind nur die Oberfläche“, sagt der Stuttgarter Forscher, „da liegt noch sehr viel darunter oder darüber.“
Mit „darunter oder darüber“ spricht er die persönlichen Fähigkeiten jedes Menschen an, und zwar nicht nur die intellektuellen, sondern auch solche, die man allgemein recht vage als „besondere Bewusstseinszustände“ beschreiben würde.
Haffelder hat seine EEG-Spektralanalyse-Studien gezielt auch bei sogenannten Geistheilern, Qigong-Meistern … sowie bei einem Österreicher durchgeführt, der über einen „Röntgenblick“ verfügt. Und er hat dabei dokumentiert, dass außergewöhnlichen Fähigkeiten stets mit auffälligen Messergebnissen korrelieren. „Wir haben festgestellt“, sagt er, ein wenig geheimnisvoll, „dass es Ebenen gibt, in die solche Menschen mental gehen können, die anderen nicht zugänglich sind.“
Der Heiler mit dem Röntgenblick
Der Mann mit dem Röntgenblick, Georg Rieder aus Niederösterreich, interessiert mich besonders. Bei meinen Recherchen finde ich einige Zeitungsberichte und auch Aufzeichnungen von Fernsehauftritten, bei denen er für Verblüffung sorgte, weil er offenbar ohne jede Vorinformation Krankheiten durch bloßes Hinschauen erkannte. In einer TV-Show testete man live auch Georg Rieders angebliche Fähigkeit, durch Wände sehen zu können: Nur für die Zuschauer sichtbar, stand ihm ein exotisch gekleidetes Mädchen gegenüber, um dessen Hals und Oberkörper sich eine Schlange schmiegte. Nach wenigen Sekunden lautete Georg Rieders „Diagnose“ für das, was sich jenseits der Wand befand: „Ich sehe eine Frau mit einem Schal, aber der Schal bewegt sich …“
Wenn so etwas wirklich möglich sein sollte, denke ich, würde es das übliche Welt- und Menschenbild gehörig auf den Kopf oder doch mindestens in Frage stellen. Ich hätte eine gute Möglichkeit, die Fähigkeiten des in Amstetten praktizierenden „Energetikers“ (oder „Energethikers“, wie sich manche Angehörige dieser Berufsgruppe nennen, um den ethischen Aspekt in ihrer Arbeit zu betonen) zu testen: ein spezielles Problem mit meinem rechten Knie, von dem der Mann mit dem Röntgenblick nichts wissen kann.
Georg Rieder willigt ein, mir ein Video-Interview zu geben – ausnahmsweise allerdings nur, denn er macht grundsätzlich wenig Öffentlichkeitsarbeit, und nach jahrzehntelanger Praxis will er niemandem mehr etwas beweisen.
Was mich als erstes überrascht: Mein Gesprächspartner erweist sich als angenehm bodenständiger Mensch, macht keinerlei Hokuspokus um seine Beratungsarbeit und beantwortet bereitwillig alle Fragen. Und außerdem beweist er vor laufender Kamera tatsächlich eindrucksvoll seine Fähigkeiten: Die Diagnose, die er mir und einem Kollegen aus dem Filmteam stellt, ist nicht nur erstaunlich präzise und umfasst sogar seelische Befindlichkeiten, sondern sie hätte jeden Geschwindigkeitsvergleich mit medizintechnischen Diagnosegeräten gewonnen.
Georg Rieder reicht es offenbar, wenn er jemanden eine knappe Minute lang aus einer Entfernung von etwa vier Metern betrachten kann, um ihn im wahrsten Sinn des Wortes zu durchschauen. In unserem Gespräch verzichte ich denn auch auf allzu skeptisches Nachhaken, sondern lasse mich einfach auf seine Sicht der Dinge ein. „Berichten, nicht richten“ lautet eine journalistische Grundregel.
Wie funktioniert das? Was sehen Sie, das andere Menschen nicht sehen können?
Rieder:
„Ich habe die Fähigkeit, in den Körper hineinzusehen. Ich sehe die Knochen und Organe und kann feststellen, was nicht richtig funktioniert oder krankhaft ist.“
Wie haben Sie diese Fähigkeit entdeckt? War sie schon immer da oder hat sie sich irgendwie entwickelt?
Rieder:
„Das ganze hat 1977/78 durch eine Fernsehsendung begonnen, in der es um Stimmen aus dem Jenseits ging. Herbert, ein guter Freund von mir, und ich sind nach dieser Sendung zu dem Herrn, über den der Beitrag berichtet hatte, nach Wien gefahren und haben mit Hilfe seiner Methode jemanden gerufen, der mit dem Motorrad tödlich verunglückt war, und wir haben glasklar seine Antworten gehört. Das war mein Einstieg.“
Der Einstieg zu Wahrnehmungen, die nicht jeder hat …
Rieder:
„Ja, wir haben uns dann auch mit Tischrücken befasst, und das Tischchen hat nach ein paar Versuchen wirklich angefangen zu schreiben. Aber diese Kontakte wurden irgendwann uninteressant. Eines Tages hat mein Freund dann begonnen, sich mit Hypnose zu beschäftigen, wofür er ein freiwilliges Zwangsopfer brauchte, und das war ich. Ich selbst habe später auch hypnotisieren gelernt, und wir sind bald draufgekommen, dass der Körper in Hypnose Dinge tut oder kann, die er normalerweise nicht zusammenbringt. Eines Tages, nachdem Herbert begonnen hatte, sich mit Themen wie Aura und Astralkörper zu befassen, hat er mich in Hypnose versetzt und mir gesagt, dass ich seinen Astralkörper sehen soll. Er fragt mich also: „Wie siehst du mich denn jetzt?“ Und ich sage: „Na ja, ich sehe dich ganz normal!“ Er hat damals ein gelbes T-Shirt und eine blaue Schlosserhose angehabt. „Und sonst siehst du nichts?“ – „Nein!“ – In Ordnung, hat halt nicht funktioniert! Wir haben dann noch über alles Mögliche gesprochen, aber auf einmal sehe ich, wie sich bei Herbert in der Hüftgegend eine Art Rauch entwickelt – auf die Seite zu, normalerweise steigt Rauch ja auf. Dieses Rauchgebilde wurde dann drei- oder viermal so breit wie er, bewegte sich links und rechts nach oben und traf sich über seinem Kopf, wobei es zwischen dem Körper meines Freundes und dem Rauchrand in violetten und braunen Farben fluoreszierend funkelte. So etwas habe ich dann bei anderen Leuten auch gesehen, und irgendwie kam mir daraufhin der Gedanke: So, jetzt möchte ich Herberts Knochen sehen – das ist mir ebenfalls gelungen, und ebenso konnte ich dann auch sein Herz sehen.“
Wie spielte sich dieses Sehen denn ab?
Rieder:
„Es begann ein Licht zu leuchten, immer greller, der Lichtkegel wurde immer größer, und plötzlich habe ich in seinem Körper etwas gesehen, das sich bewegt. Ich war zuerst erstaunt, denn ich hatte etwas Herzförmiges erwartet, aber das Herz sieht eben anders aus. Danach wollte ich den Magen sehen, und der Lichtkegel wanderte dorthin. Diesen Lichtkegel sehe ich heute nach wie vor, und ich habe auch die Möglichkeit, mir ein Organ von der Oberfläche her anzuschauen oder Millimeter für Millimeter in das Organ hineinzugehen. Ich kann mir auch einzelne Zellen vergrößern – nur ist das ein riesengroßer Konzentrationsaufwand.“
Wann hatten Sie denn diese erste „Röntgen-Erfahrung“?
Rieder:
„Das ganze hat sich am 16. März 1980 ergeben, als wir in einer gemütlichen Diskussionsrunde beisammen saßen. Am nächsten Tag habe ich dann wieder versucht, in einen Körper hineinzuschauen, aber es hat eine Dreiviertel Stunde gebraucht – konzentrieren, fokussieren … eine Dreiviertel Stunde lang, das war mühevolle Arbeit. Heute geht es dagegen relativ schnell.“
Waren Sie diesen ungewöhnlichen Fähigkeiten gegenüber selbst jemals skeptisch? Haben Sie sich, vor allem anfangs, gefragt: Bilde ich mir das nicht nur alles ein?
Rieder:
„Na ja, beim erstem Mal gelang es unter Hypnose, und da geht man ja davon aus, dass der Mensch Dinge kann, die er normalerweise nicht fertigbringt. Wenn man zum Beispiel jemandem unter Hypnose Alkohol zu trinken gibt und ihm dabei sagt, es sei Wasser, dann wird er nicht betrunken. Oder er beißt herzhaft in eine Zwiebel, wenn der Hypnotiseur sagt, es sei ein Apfel … ich habe dann aber irgendwann erkannt, dass der Mensch in Hypnose Dinge gegen seinen Willen tut, denn normalerweise beißt er in keine Zwiebel, da gibt es Blockaden im Gehirn, deshalb habe damit aufgehört. Aber weil in der Hypnose eben manches nach einer anderen Logik funktioniert, habe ich mir zuerst gedacht: Gut, das war jetzt deshalb möglich, weil ich unter Hypnose stand. Nur, es hat halt dann am nächsten Tag und am übernächsten Tag ohne Hypnose noch immer funktioniert …“
Wie gehen Sie denn mit Kritikern um, die sagen, das alles sei Schwindel? Trifft sie das?
Rieder:
„Kaum. Früher wäre ich jedem nachgelaufen, um ihn von meinen Fähigkeiten zu überzeugen. Nur mache ich das ganze jetzt seit 32 Jahren und habe in dieser Zeit immer wieder definitive Beweise erfahren, dass ich wirklich in den Menschen vor mir reinschauen kann. Zum Beispiel hatte ich einmal mit einem Medizinalrat und Gerichtsmediziner Kontakt, der wissen wollte, was ich sehe und als Schulmediziner ein bisschen skeptisch war. Und ich habe geantwortet: „Na ja, ich sehe die Knochen und die Organe!“ Daraufhin fragte er, was er tun muss, damit ich bei ihm jetzt die Knochen anschaue, und ich sagte ihm, er solle sich drei bis vier Meter weit wegstellen. Dann habe ich ihn von vorn und von hinten angeschaut und gesehen, dass sein rechtes Schulterblatt ein Loch hat. Das habe ich ihm gesagt, und es war eine fast niederschmetternde Antwort für ihn, weil von dem Loch im Schulterblatt außer ihm niemand wissen konnte; es war im 2. Weltkrieg entstanden.
Daraufhin hat mich der Arzt in seine Praxis eingeladen, wo ich fünf gut bekannte, mit ihm befreundete Patienten angeschaut habe, bei denen ich teilweise Sachen gesehen habe, die nicht einmal er gewusst hat. Einem seiner Freunde habe ich gesagt, dass die Niere auf der rechten Seite doppelt so groß ist wie normal. Daraufhin hat er eine Ultraschalluntersuchung machen lassen, und es wurde klar: rechts eine Doppelniere. Solche Erfahrungen haben alle Zweifeln beseitigt.“
Stimmt das, was Sie sehen, nach Ihren Erfahrungen immer zuverlässig mit schulmedizinischen Untersuchungen überein?
Rieder:
„Ich sehe die Dinge teilweise anders. Für mich gibt‘s zum Beispiel einen Unterschied, ob ein Magengeschwür durch unregelmäßige Essgewohnheiten, durch schlechte Ernährung und so weiter entsteht, oder weil jemand Kummer, Sorgen, Probleme, Stress schluckt. Es gibt viele solche Unterschiede, die ich erkennen kann. Ich sehe auch Zusammenhänge, die schulmedizinisch nicht so richtig verfolgt werden können. Zum Beispiel ist mir bei vielen Leuten aufgefallen, dass sich nach einer Mandeloperationen plötzlich die Schilddrüse zu verändern beginnt. Oder ich habe schon 1982/83 beobachtet, dass der Körper eines Krebspatienten auffallend Eiweiß speichert. Damals war in der Medizin vom Eiweißspeichern noch keine Rede. Solche Zusammenhänge bemerke ich – ich habe früher halt monatelang nichts anderes gemacht als nur das Körperinnere beobachtet: Was passiert, wenn jemand einen Kaffee mit Milch trinkt; was passiert, wenn jemand Schmerzmittel nimmt – und so weiter.“
Machen Sie ausschließlich Diagnosen oder sind Sie selbst auch therapeutisch tätig?
Rieder:
„Ich vermittle meist geeignete Therapien, aber ich kann Schmerzen, Entzündungen und solche Dinge auch selbst durch Handauflegen wegbringen. Es gibt nach meiner Erfahrung keine unheilbaren Krankheiten, weil ich alles schon irgendwann einmal weggebracht habe, aber es gibt unheilbare Patienten, die notwendige Änderungen in ihrem Leben nicht vornehmen wollen.“
Gedankenmuster und Verhaltensroutinen haben wohl einen großen Einfluss auf Krankheit oder Gesundheit.
Rieder:
„Ja. Zum Beispiel ist einmal eine Patientin zu mir gekommen, die auf Grund von Unterleibskrebs Metastasen hatte. Sie hatte 43 Chemotherapien überlebt, und war damit mehr oder weniger austherapiert, die Blutwerte waren kaputt, die Leber war von Metastasen befallen; man hat sie im Grunde zum Sterben nach Hause geschickt. Sie ist dann zu mir gekommen, und ich habe Sie dann „behandelt“ – das Wort verwende ich hier, weil behandeln ja mit den Händen was zu tun hat. Sie hat dann wirklich noch zweieinhalb Jahre gelebt, und ihre Lebensqualität war so hoch, dass sie auf 6.000 Meter hohen Bergen in Südamerika unterwegs war. Aber es geschah folgendes: Weil sich ihr Zustand immer weiter besserte, nahm sie irgendwann einen Pro-forma-Kontrolltermin in Anspruch, und weil die Metastasen fast ganz weg waren, meinten die Ärzte: „Endlich hat die Chemotherapie geholfen“. Also verschrieb man ihr noch weitere – aber in der Folge blieben meine Behandlungen fast wirkungslos, weil 90 Prozent der Energie dafür gebraucht wurden, die Nebenwirkungen der Chemo abzubauen. Die Frau ist dann verstorben, aber ich denke immer wieder an das, was sie als Rechtfertigung gesagt hatte: Sie wolle sich hinterher nicht den Vorwurf machen müssen, nicht alles probiert zu haben.
Oder ich hatte zum Beispiel eine Patientin, die im Alter von 27 Jahren die Diagnose Gebärmutterhalskrebs erfuhr. Man wollte ihr deshalb die Gebärmutter entfernen, aber das wollte sie nicht, weil sie gerade jemanden kennengelernt hatte und noch ein Kind bekommen wollte. Ich habe sie dann behandelt, sie hat auch in ihrem Leben etwas verändert und erkannt, dass sie unbewusst ihre Weiblichkeit ablehnt, weil ihr Ex-Mann sie mehrmals betrogen hatte, was auch Auslöser für viel Stress war, der die Magensäureverhältnisse veränderte; die Verdauung funktionierte in der Folge nicht mehr, Pilze im Darmbereich attackierten die Schleimhäute der Scheide, der Übergang zum Gebärmuttermuskel entzündete sich immer wieder, bis dann irgendwann die Krebsdiagnose folgte. Aber sie bekam ihr Leben doch wieder gut in den Griff und wurde schwanger. Ein Gedanke ließ sie dennoch nicht los: „Hoffentlich wird mein Kind nicht behindert“, dachte sie, weil ja womöglich meine Gebärmutter nicht in Ordnung ist. Sie hat deshalb Fruchtwasseruntersuchungen machen lassen, was allein schon eine Gefahr birgt, aber es war alles in bester Ordnung! Doch in der Nacht, bevor es dann soweit war, träumte sie wieder einmal, sie würde ein behindertes Kind bekommen – und bei der Geburt verkrampfte sie sich daraufhin dermaßen, dass das Baby im Geburtskanal steckenblieb. Für einen Kaiserschnitt war es zu spät, und der Bub erlitt einen schweren Sauerstoffmangel und kam schwerstbehindert zur Welt. So können Gedankenmuster wirken. Jeder Gedanke hat das Bestreben, sich zu erfüllen.“
Haben Sie sich mit dem Thema „Kraft der Gedanken“ auf Grund solcher Erlebnisse eingehender beschäftigt?
Rieder:
„Nein, nicht im allgemeinen, nur mit Aspekten, die in Zusammenhang mit Gesundheit und Krankheit stehen. Die Frage, warum jemand, der intensiv an eine Sechs im Lotto denkt, dann doch nicht gewinnt, ist für mich weniger interessant. Obwohl ich in dieser Richtung selbst eine interessante Erfahrung gemacht habe. Vor einigen Jahren ging mein Fernseher kaputt. Ein örtlicher Sportverein hatte gerade ein Fest organisiert, bei dem es eine Tombola gab. Auf dem Plakat las ich: 1. Hauptpreis: ein Flachbildfernseher. Und weil meiner gerade kaputt war, habe ich mir, vom Gefühl her felsenfest überzeugt, vorgenommen: Den ersten Preis werde ich gewinnen! „Der erste Preis!“ – der war für mich programmiert. Ich bin dann zur Verlosung gegangen, und habe tatsächlich den ersten Preis gewonnen. Allerdings war es nicht der Hauptpreis, sondern der erste Preis, der verlost wurde – ein Gutschein im Wert von 100 Schilling damals, gestiftet von einem Reifenhändler. Die Gedankenprogrammierung war offenbar nicht ganz richtig (lacht). Aber, wie gesagt, mit solchen Dingen beschäftige ich mich nur am Rande.“
Sie haben in Amstetten, Niederösterreich, eine neue Praxis eingerichtet. Welche Leistungen bieten Sie hier offiziell an?
Rieder:
„Ich habe einen Gewerbeschein als Energetiker, befasse mich mit Handauflegen und Interpretationen der Aura. Im Grunde schaue ich einen Menschen an, ohne dass er mir etwas von seiner Krankheitsgeschichte zu erzählen braucht, und ich sehe, was nicht richtig funktioniert oder was krankhaft ist. Ich sage ihm dann, was er hat und was er tun kann, auch, ob es zum Beispiel um Ursachen im Psychisch-Seelischen oder um karmisch bedingte Störungen geht. Ich schicke Patienten dann oft zu Ärzten, mit denen ich zusammenarbeite.“
Sie wollen also einfach im Sinne des Patienten Hilfestellungen geben – aber vermutlich nicht in Opposition zur Schulmedizin, sondern eher als Ergänzung.
Rieder:
„Es ist einfach so: Das was ich sehe, das sehe ich. Ich habe einmal in einem deutschen Institut für Parapsychologie 200 Testpersonen angeschaut und diagnostiziert, wovon 186 Einzeldiagnosen medizinisch bestätigt worden sind. Bei den 200 Leuten gab es nur fünf Fehldiagnosen, wovon sich in weiterer Folge drei doch wieder bestätigt haben. Demzufolge liegt meine Trefferquote bei 99 Prozent. Das ist, finde ich, gerade in Ordnung. 100 Prozent – das wäre unglaubwürdig.“
Ein erstes Resümee
Lassen wir diese Aussagen kommentarlos stehen – als möglichen Beleg dafür, dass es tatsächlich mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als unsere Schulweisheit sich träumen oder unsere Interpretation der Naturgesetze derzeit als möglich erscheinen lässt.
Wir werden später noch anderen Phänomenen begegnen, die schwer einzuordnen sind, und es wird bei unserer Suche nach dem Wesen der Gedanken und auch des menschlichen Bewusstseins immer drängender die Frage im Raum stehen, ob ein Weltbild, das sich auf Materielles beschränkt, wirklich geeignet ist, um Phänomene der Wahrnehmung und der geistigen Innenwelt zu ergründen.
Klar ist zunächst: Gedanken zeigen sich in Gehirnströmen. Diese kann man vielfältig nützen. Man kann sie auch beeinflussen, um dadurch Erlebnisse zu provozieren. Doch damit ist lediglich ein physischer Aspekt umrissen. Dass Gedanken eine Entsprechung in Gehirnströmen finden, heißt nicht zwangsläufig, dass Gehirnströme mit gedanklicher Tätigkeit gleichgesetzt werden können.
Es gibt aber noch einen grundlegend anderen Ansatz, der im Hinblick auf das Wesen unserer Gedanken weiterführend sein könnte: psychologische Erkenntnisse nämlich, die ebenfalls aus der modernen Hirnforschung resultieren.