Читать книгу The Walking Dead: Taifun - Wesley Chu, Уэсли Чу - Страница 10

5 DIE BEGRÜSSUNG

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Zhus Augenlider flatterten. Er stöhnte zweimal. Das erste Mal, als er wieder zur Besinnung kam und sich auf einmal so fühlte, als hätte man ihm eine Eisenstange ins Gehirn getrieben. Das zweite Mal, als er den Mund öffnete, um diesem unangenehmen Gefühl Ausdruck zu verleihen, und die Bewegung seines Kiefers eine neue Schmerzwelle über ihn hereinbrechen ließ.

Zhu schloss fest die Augen und biss sich auf die Lippe, während er darauf wartete, dass die Schmerzen nachließen, dann analysierte er seine Lage. Sein Kopf pochte und sein Kiefer schmerzte, aber es fühlte sich nichts gebrochen an. Allerdings hatte sich möglicherweise ein Zahn gelockert. Seine ganze linke Seite war taub und nass. Seine Handgelenke waren aufgeschürft und hinter dem Rücken gefesselt. Abgesehen davon war er sehr durstig. Und hungrig. Wie lange war er bewusstlos gewesen?

Zhu öffnete ein Auge und blinzelte. Er lag mit dem Gesicht nach unten auf der Seite. Seine Wange lag in einer Pfütze. Er sah nichts außer Schlamm und dem Stamm eines alten Baums. Er drehte den Kopf in Richtung Himmel. Es war Nacht. Er schien auf einem von niedrigem, größtenteils zertrampeltem Unkraut bedeckten Feld zu liegen. Panik ergriff ihn. Nachts ungeschützt draußen zu sein, während die Toten umherzogen, war praktisch eine Todesstrafe.

Dann fiel ihm ein, was passiert war. Die beiden verhüllten Gestalten. Überlebende. Der Knüppel. Sie hatten ihn geschlagen … aber wieso hatten sie ihn nicht umgebracht? Das Blut gefror ihm in den Adern, als er die Antwort darauf fand.

Geier. So nannte man die Leute, die sich der Revolution der Lebenden nicht anschließen wollten, sondern es stattdessen vorzogen, unabhängig vom Lichtblick zu überleben. Es gab ständig Gerüchte über Kannibalismus bei den Geiern. Sie bewahrten ihn wohl für ihre Vorratskammer auf.

Die Angst krampfte Zhus Magen zusammen. Dass er möglicherweise jiāngshī zum Opfer fallen und selbst zu einem werden würde, hatte er längst akzeptiert. Doch die Vorstellung, von anderen Menschen gegessen zu werden, zu Nahrung zu werden, war um ein Vielfaches schlimmer. Die jiāngshī waren Wesen ohne Verstand, eine Naturkatastrophe wie ein Waldbrand oder ein Erdbeben. Aber Menschen, die wissentlich das Fleisch anderer Menschen aßen … das waren Ungeheuer.

Zhu musste fliehen. Er drehte sich auf den Rücken und setzte sich auf. Er war in einer Art Lager. Ein Feuer brannte knapp außerhalb seiner Sichtweite. Er sah das Leuchten und die dünne Rauchfahne, die in den Himmel stieg. Es war dumm von seinen Entführern, ihr Lager auf offenem Gelände aufzuschlagen. Das machte sie zu einer leichten Beute für die Toten.

Er widmete sich seinen Fesseln und stellte überrascht fest, dass sie nicht aus Seilen, sondern aus Stoff bestanden. Je stärker er daran zog, desto tiefer schnitten die Fesseln in seine Handgelenke. Schon bald erkannte er, dass seine Bemühungen vergebens waren. Er sah sich am Boden nach etwas Scharfem um, einem Stein, einem abgebrochenen Zweig, irgendetwas. Dann beschloss er, einfach zu fliehen. Er zog das Risiko, mit hinter dem Rücken gefesselten Händen den jiāngshī zu begegnen, einem Verbleib unter Kannibalen vor.

Zhu zog seine Knie unter sich und kam auf die Beine. Er lief los und schaffte ungefähr fünf Schritte, bevor er das Klirren einer Kette hörte. Etwas riss so kräftig an seinen Handgelenken, dass er sich beinahe die Schultern ausgekugelt hätte, als er brutal zu Boden geschleudert wurde. Er keuchte wie ein Fisch auf dem Trockenen.

Etwas raschelte hinter ihm. Schritte. Gehörten sie zu Kannibalen oder jiāngshī? Zhu wusste es nicht, aber es spielte auch keine Rolle. Beides sprach gegen sein Überleben. Er schloss die Augen und regte sich nicht.

Er hörte zwei recht jung klingende Stimmen. Sie sprachen darüber, dass sie hungrig waren. Die Stimmen senkten sich zu einem Flüstern, als sie sich ihm näherten.

»Glaubst du, dass er ein Ungeheuer ist?«, fragte eine von ihnen.

»Nee. Er ist zwar genauso dürr, aber er sieht nicht tot aus.«

Die Schritte kamen näher.

»Was machst du da?«, fragte die erste Stimme alarmiert. » hat gesagt, wir sollen nicht mit ihm reden, nur den Teller hinstellen und gehen.«

Eine Erinnerung schoss durch Zhus Kopf. Er war sieben oder acht Jahre alt. Er hatte seine Arme und Beine um das Bein seines yéye geschlungen. Der hielt eine weiße Henne an den Füßen fest und schleppte ihn mit in die Küche. Zhu schluchzte und bettelte, seine Schreie hallten durch das Bauernhaus.

»Ich hatte dir doch gesagt, dass du ihnen keine Namen geben sollst«, knurrte sein Vater, während er Zhu wegzerrte.

»Nimm ein anderes«, schluchzte der kleine Zhu. »Báibái ist mein Lieblingshuhn.«

»Das sind alles deine Lieblingshühner. Stell dich hin und sieh zu.«

Der kleine Zhu war von tiefem Entsetzen ergriffen, als er sah, wie sein yéye das Huhn am Hals packte, es auf ein Küchenbrett legte und das Metzgerbeil hob. Da Schlimmste kam anschließend, nachdem Báibáis Kopf vom Körper getrennt worden war und das Blut dafür sorgte, dass die Hand seines yéye glitschig wurde. Das Huhn glitt aus seinem Griff, lief kopflos durch die Küche und spritzte alles mit Blut voll. Der Anblick hatte sich tief in Zhus Erinnerung eingebrannt.

Auf dem Waldboden pikste etwas Spitzes in seinen Rücken. Zhu regte sich nicht.

»Was machst du?«, fragte die Stimme.

»Ich glaube, er ist tot«, erwiderte die andere. Sie gehörte einem Jungen. Er pikste Zhu erneut.

Dieses Mal warf sich Zhu herum und trat dem Jungen die Beine unter dem Körper weg. Er war ein dürrer Teenager, vielleicht fünfzehn Jahre alt. Bei dem anderen Jungen handelte es sich offensichtlich um seinen rund zwölfjährigen Bruder. Der Ältere ging mit einem überraschten Schrei neben Zhu zu Boden und Zhu setzte sich auf ihn und presste ihm ein Knie auf die Brust und das andere auf die Kehle.

Er wandte sich dem Jüngeren zu. »Schneid mich los. Lass mich frei, sonst breche ich ihm das Genick.« Der kleinere Junge wich zurück und schien davonlaufen zu wollen. »Wenn du gehst, wird dein Bruder bei deiner Rückkehr nicht mehr leben«, warnte Zhu.

Der Jüngere zog ein kleines Messer. Seine Hände zitterten. »Wenn du ihm etwas antust, bringe ich dich um.«

»Vielleicht«, erwiderte Zhu. »Aber nicht, bevor ich deinen Bruder umgebracht habe. Wenn du mich befreist, werden wir alle überleben. Das verspreche ich.«

»Tu es nicht, Huangyi«, sagte der Junge unter Zhus Knie gurgelnd. »Lauf weg, hol Hilfe.«

»Wenn du gehst, stirbt dein Bruder.« Zhu hielt inne und warf einen Blick auf die Brüder. Alte Erinnerungen tauchten in seinem Kopf auf. Bei genauerer Betrachtung kamen ihm die beiden bekannt vor. Er runzelte die Stirn. »Moment mal. Heißt ihr Huangyi und Huangmang? Habt ihr eine Schwester?«

Huangmang, der Ältere, der unter Zhus Knien lag, sah ihn düster an. »Woher kennst du meine jiĕ

Zhu seufzte. »Ich bin Chen Wenzhu. Meiner Familie gehörte der Lebensmittelladen. Wir hatten Hühner im Garten.«

Huangyi, der Jüngere, wirkte unsicher. », was soll ich machen?«

»Ich habe das Dorf vor über fünf Jahren verlassen, um in der Stadt zu arbeiten. Huangyi erinnert sich vielleicht nicht mehr an mich. Ich weiß noch, er reichte mir damals kaum bis zur Hüfte.« Zhu nahm sein Knie vom Hals des Jungen und reduzierte den Druck auf dessen Brust. »Huangmang, du hast oft Nudelpackungen ins Geschäft gebracht, weißt du noch?«

»Ja, der Lebensmittelladen. Ich erinnere mich daran, shūshu«, sagte Huangmang, der ihn nun endlich erkannte. Er wand sich unter Zhu hervor, kam auf die Füße und wich zurück. »Schön, dich zu sehen.«

»Es ist alles in Ordnung.« Zhu versuchte, nicht bedrohlich zu wirken. »Heutzutage ist es hier draußen gefährlich. Kannst du mir die Fesseln abnehmen?«

»Ja, shūshu

Zhu stand auf und streckte die Arme aus. »Sind noch andere aus dem Dorf hier?«

Der erste Schlag auf den Hinterkopf ließ ihn taumeln. Beim zweiten knickte er ein. Er krachte mit dem Gesicht nach unten auf den Boden. In seinem Kopf dröhnte es. Er drehte sich auf den Rücken, sah die beiden Jungen an und wollte etwas sagen. Ihm kam jedoch kein Wort über die Lippen.

»Huangyi, hol jiĕ und die Ältesten«, sagte der ältere Junge.

»Was ist denn los? Du hast doch gesagt, dass du ihn kennst. Wie heißt er noch gleich?«

Huangmang zuckte mit den Schultern. »Mir egal. Ich will kein Risiko eingehen.«

»Ich …«, setzte Zhu an.

»Halt den Mund, húndàn!« Huangmang trat ihm in die Rippen. Zhu krümmte sich zusammen. »Du hast meinen kleinen Bruder bedroht. Ich werde dich erschlagen!«

Zhu beschloss, sich weitere Verletzungen zu ersparen, und schwieg. Huangyi kehrte einige Minuten später zurück. Er hatte einige Erwachsene dabei, die unterschiedliche landwirtschaftliche Werkzeuge in den Händen hielten. Einer hatte sogar ein Jagdgewehr dabei. Sie zogen Zhu auf die Füße. Ein Tritt in den Hintern ließ ihn losstolpern.

Die Gruppe führte ihn durch ein spärlich bewachsenes Gebiet mit hohem Gras und einigen Bäumen. Die Nacht war bewölkt, mond- und sternenlos. Das einzige Licht stammte von einer Taschenlampe, die der Mann ganz vorn in der Hand hielt. Jeden Moment konnte ein jiāngshī aus der Dunkelheit treten und sie angreifen, bevor jemand etwas merkte. Doch anscheinend befanden sie sich auf einem gesicherten Gelände. Zhu sah sich um. Die Menschen wirkten entspannt. Sie schienen zu glauben, dass sie in keiner Gefahr schwebten, aber wie konnte das sein? Selbst der Lichtblick, der einer Festung glich, war von Mauern umgeben. Sein forschender Blick wurde mit einem harten Schlag auf den Hinterkopf belohnt.

Sie betraten eine große Lichtung, die von Zelten und primitiven Holzverschlägen gesäumt wurde. In der Mitte brannte ein Lagerfeuer herunter. Es war von etwas umgeben, das wie ein öffentlicher Sitzbereich wirkte. An einer Seite gab es einen Stall mit einigen Dutzend Schweinen, Gänsen und einer einsamen, mageren Kuh. Auf der anderen sah Zhu einen großen, gepflegt aussehenden Gemüsegarten.

Einige Leute, die am Feuer und am Tisch saßen, standen auf und folgten ihm mit ihren Blicken, als man ihn ins Lager hineinführte. Zwei Männer und eine Frau, vermutlich die Dorfältesten, erwarteten ihn schon. Alle drei sahen so aus, als wären sie gerade geweckt worden, worüber sie sich zu ärgern schienen. Man stieß Zhu auf einen der Stühle.

Der Älteste zu seiner Linken, ein kahler Mann mit einem deformierten Kopf, gähnte und sagte genervt: »Ich dachte, wir wollten morgen früh über das Schicksal des Eindringlings entscheiden.«

»Richtig«, bestätigte der Mann in der Mitte. Im Gegensatz zu seinem Kollegen hatte er lange weiße Haare und einen dazu passenden Bart. »Aber er hat zwei unserer Jungen angegriffen, als sie ihm etwas zu essen bringen wollten.«

»Das erleichtert uns die Entscheidung«, erwiderte der Glatzkopf. »Jagt ihm eine Eisenstange in den Kopf und dann ist Ruhe.«

»Wieso hat Jincai ihn überhaupt in den Hain gebracht?«

»Weil er mit seinem Lieferwagen bis zum Eingang gefahren ist. Jincai wusste nicht, was er mit ihm machen soll.«

»Wir sind keine Mörder«, mischte sich die Frau nun ein. Sie war die Älteste und hatte einen krummen Rücken und dünne graue Haare, die sie zu einem Dutt zusammengebunden hatte. »Einer der Jungen sagte, dieser Mann behauptet, er stamme aus dem Dorf.«

Der haarige alte Mann kniff die Augen zusammen. »Ich kenne ihn nicht.«

»Ich bin vor fünf Jahren nach Changsha gezogen«, sagte Zhu rasch. »Ich bin der Sohn vom alten Chen.«

Die drei musterten ihn leidenschaftslos. Der Glatzkopf verschränkte die Arme vor der Brust und sah die anderen an. »Hatte Chen einen Sohn? Ich dachte, er hätte zwei Töchter gehabt.«

»Du meinst Chen, den Metzger. Der hatte drei Töchter«, erklärte die Frau. »Aber es gab auch noch den Chen, dem der Laden gehörte.«

Die drei stritten miteinander, als würden sie Mahjong spielen.

»War Chen nicht der mit dem illegalen Glücksspiel?«

»Nein, das war Jiurang.«

»Wer ist dann Chen?«

Der Glatzkopf zuckte mit den Schultern. »Spielt es eine Rolle, ob er aus dem Dorf stammt oder nicht? Jincai sagt, er würde zum Lichtblick gehören. Wenn wir ihn gehen lassen, wird er Soldaten zu uns führen.«

Darin schienen die drei sich einig zu sein. Sie dachten noch immer über sein Schicksal nach, als jemand auftauchte und ihnen die Entscheidung beinahe abgenommen hätte. Eine junge Frau, die einen der Jungen am Handgelenk hinter sich herzog, stürmte ins Zelt. Ihre Augen funkelten wütend, als sie mit dem Finger auf Zhu zeigte. »Huangyi, ist er das?«

Der Junge, der aussah wie ein erschrockenes Kaninchen, nickte nur stumm.

Bevor Zhu den Mund öffnen konnte, stürzte sich die Frau auf ihn. Er erstarrte, als eine kalte Klinge seine Kehle berührte und die Haut verletzte. »Du wolltest meinem kleinen Bruder etwas antun? Ich bringe dich um!« Sie wollte gerade zustoßen und all seine Probleme beenden, als sich ihre Augen weiteten. »Moment. Ich kenne dich.«

In dem trüben Licht dauerte es einen Moment, bis sich alles in Zhus Kopf zusammenfügte. Die großen Augen, der leicht schräge Mund, das schmale, ovale Gesicht. Ihm fiel die Kinnlade herunter und er brachte kein Wort hervor, obwohl sein Leben davon abhing. Schließlich kam ihm aber doch noch eines über die Lippen: »Meili?«

The Walking Dead: Taifun

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