Читать книгу Im Himmel ess' ich Zuckerwatte - Wiebke Vahlbruch - Страница 6
ОглавлениеDAS BAUCHGEFÜHL BELÜGT DICH NIE
Manchmal hat man so ein Bauchgefühl. Es gibt Menschen, die hören darauf. Und es gibt Menschen, die überhören es gerne. Aber unterm Strich hat man instinktiv immer Recht.
Wenn man Pläne macht, dann fällt das Schicksal lachend vom Stuhl. Oh ja. Es kommt meistens anders als man denkt. Aber ganz am Ende ergibt oft vieles einen Sinn.
Ich möchte euch eine Geschichte erzählen. Ein Geschichte von dem wohl mutigsten Tiger den ich kenne.
Dieser Junge, von dem ich erzählen möchte, heißt Moritz. Aber eigentlich war er für alle von Anfang an Momo. Diesen Spitznamen hatte er schon weg, da war er noch nicht mal auf der Welt. Seine Schwester Emma war damals erst 2 Jahre alt und konnte Moritz noch nicht aussprechen. Und so hatte Momo schnell seinen Namen weg.
Momo war von Anfang an ein besonderes Kind. Schon im Mutterleib war nichts so, wie man es erwartet hatte. Das Ersttrimesterscreening war damals auffällig und somit wurden wir zur Fruchtwasseruntersuchung nach Münster geschickt. Die Ergebnisse waren nicht wirklich zufriedenstellend. Es wurde zwar Trisomie 21 und Co ausgeschlossen, allerdings sagten die Ärzte damals, dass dennoch "etwas nicht so ist wie normalerweise". Sei es ein Gendefekt oder sowas in der Art. Aber was es schlussendlich ist, konnte uns zu diesem Zeitpunkt niemand sagen. Wir hätten noch unendlich viele Untersuchungen machen können um noch mehr darüber heraus zu finden. Aber diese ganzen Untersuchungen sind natürlich immer mit einem Risiko verbunden.
Und irgendwann muss man überlegen, wofür man das alles macht. Ob man aufgrund der Ergebnisse eine Entscheidung treffen würde oder ob diese Entscheidung schon längst feststand. Für uns war es klar. Wir wollten dieses Kind. Wir liebten dieses Kind. Und wir würden im Leben nicht daran denken es abzutreiben, wenn wir erfahren hätten, dass es eine Behinderung hat. Somit war dieses Thema für uns durch. Wir haben auf sämtliche Untersuchungen verzichtet und warteten auf den Tag X. Auf den Tag der Geburt. Und auch diese war so ganz anders als bei seiner Schwester. Wie hätte man vorher wissen sollen, dass "solch besondere Kinder" fast immer gleich auf die Welt kommen, wie ich später durch viel Literatur erfahren habe. Momo kam nach 33 Stunden heftigen Wehen völlig still auf die Welt. Wir lagen die erste halbe Stunde ( gefühlt waren es Stunden ) einfach nur da und schauten uns an. Und es lag etwas besonderes in der Luft. Dass die Schwestern immer wieder Momo auf den Po klopften und ihn dazu animierten zu schreien, blendete ich komplett aus. Er war ruhig und still und lag einfach nur da. Wir waren heilfroh, dass er gesund war und alles andere erschien uns nicht mehr wichtig. Wir hatten uns und das war das Wichtigste.
Die nächsten zwei Jahre waren so, wie man es sich vorstellt. Wir wuchsen als Familie zusammen. Emmi war so stolz und hat sich ganz liebevoll um ihn gekümmert. Natürlich haben sie sich auch oft gefetzt, aber das ist bei Geschwistern ja ganz normal.
Im August 2017 bin ich an Borelliose erkrankt. Das ist eine Erkrankung die durch einen Zeckenbiss ausgelöst wird. Ich habe dadurch eine beidseitige Gesichtslähmung bekommen und war ganze 8 Wochen im Krankenhaus. Das war eine schwere Zeit. Ich habe die Kinder kaum gesehen, da ich aussah wie geistig behindert und die Kinder damit schwer umgehen konnten.
Ich konnte weder richtig sprechen noch die kleinste Mimik in meinem Gesicht zeigen. Als sie mich das erste Mal wieder sahen, hat man den Schock in ihren Gesichtern gesehen. Emmi, meine Tochter, hatte sich relativ schnell daran gewöhnt. Für Momo war es schwieriger. Gut..er war auch jünger, aber er konnte nicht so gut damit umgehen. Er hat die ganze Zeit versucht mich zum Lachen zu bringen und ich habe auch laut losgelacht. Nur mit meinem Gesicht konnte ich es nicht zeigen. Es hat mir das Herz gebrochen. Daran habe ich heute noch zu knabbern.
Als ich entlassen wurde, ging relativ schnell die Reha los und mein Gesicht nahm nach und nach wieder Form an. Der "normale Alltag" konnte wieder los gehen.
Allerdings hielt diese Normalität nicht lange an.
Im November erfuhr ich dann, dass mein Mann es mit der Treue seit 2 Jahren nicht so genau nimmt. Meine ganze Welt ist zusammen gebrochen. Ich bin froh, dass ich das alles auch erst jetzt aufschreibe, denn sonst würde dieser Part wahrscheinlich böse ausarten. Aber das ist Vergangenheit und sowas von unwichtig geworden.
2 Wochen später änderte sich unser aller Leben grundlegend.
Ich war dabei mich intensiv auf Wohnungssuche zu begeben. Den Kindern sagten wir natürlich noch nichts. Es war alles zu viel, zu früh, zu erschlagend. Wie soll man den Kindern etwas so normal wie möglich erklären, wenn man es selbst noch nicht versteht? Und wo noch so unendlich viel Wut und Enttäuschung und Traurigkeit hinter steht? Das wäre nicht fair.
the best vieiw comes after tthe hardest climb (pinterest)
Momo klagte zu dem Zeitpunkt des öfteren über Beinschmerzen. Er aß seit einiger Zeit schon nicht mehr richtig..was für Momo wirklich sehr ungewöhnlich war, weil er immer ein Kind war, dass gerne aß. Er sah bei näherem Betrachten blass aus und irgendwie…schlapp. Er war oft weinerlich und dann wieder fröhlich. Immer wieder im Wechsel. Ich dachte, dass er vielleicht etwas ausbrütet, aber dennoch war er nicht der Gleiche seit einiger Zeit. Und dann kam der 4. Dezember 2017.
Manchmal hat man so ein Bauchgefühl… Der ganze Tag schien mir schon eigenartig vorzukommen. Und es war erst der Anfang. Momo klagte seit Wochen über Schmerzen in der Hüfte. Er konnte nicht richtig laufen. Wir waren beim Kinderarzt, wurden dann überwiesen in das Krankenhaus im Nachbarort. Hüftschnupfen hieß es. Das müsse man aussitzen. Laut der Ärzte wäre das in 10-14 Tagen gegessen. Momo ging es von Tag zu Tag schlechter. Er war nicht mehr der Gleiche. Wollte nicht mehr spielen, nicht mehr essen und war generell wahnsinnig antriebslos und schlapp. Auf den AAArrrm..das waren seine Worte. Den ganzen Tag. Nach einer Woche Schmerzmittel und keine Sicht auf Besserung (im Gegenteil..es wurde immer schlimmer) ging ich erneut zum Arzt. Wir wurden wieder in das selbe Krankenhaus geschickt. Der behandelnde Arzt sagte mir dann, er würde jetzt die Schmerzdosis erhöhen und man könne nichts mehr machen. Ich wollte mich nicht abwimmeln lassen und sagte ihm, dass ich möchte, dass sie von ihm ein Röntgenbild machen. Er machte sich schon fast lustig und verneinte..bei diesem 'Krankheitsbild' würde ein Ultraschall reichen und ich könnte jetzt gehen.
Ich war außer mir. Wie konnte man ihn nur so leiden lassen. Irgend etwas stimmte nicht und als Mutter merkt man sowas einfach. Eine weitere Woche verging und Momo konnte auf einmal nicht mehr seinen Kopf zur Seite drehen. Er nahm für jede Bewegung den kompletten Oberkörper mit.
DA STIMMT WAS NICHT!!
Ich hatte mir geschworen, ich werde nie wieder in diese Klinik fahren, denn dort nehmen die mich sowieso nicht ernst. Ich fuhr also erneut um Hausarzt. Es war eine Vertretung da und zu meinem Glück schaute diese mal mit anderen Augen hin. Momo ließ sich kaum untersuchen. Sie brach das Ganze irgendwann ab und sagte: 'Sie fahren jetzt sofort in die Kinderklinik nach D.
Dort muss er einmal komplett durchgecheckt werden. Da stimmt etwas nicht. Ach neeeeee. Meine Güte. So fuhren also Uli, mein Schwiegervater, und ich (es war schon spät und dunkel und ich kannte den Weg nicht, deshalb ist er gefahren) in die Kinderklinik. Wir wurden stationär aufgenommen und legten uns nach diesem turbulenten Tag erst einmal schlafen. Am nächsten Morgen wurden wir zum Ultraschall zitiert. Bis dato wurden schon einige Ultraschalle gemacht. Das Ganze dauerte sonst höchstens 5 min., aber bei diesem Ultraschall war alles anders. Der Arzt sprach nicht ein einziges Wort und schallte eine halbe Stunde lang. Erst habe ich mir nichts dabei gedacht. Im Nachhinein wird einem natürlich vieles klar. Er verließ irgendwann das Zimmer mit den Worten: 'Ich muss das einmal mit meinem Kollegen besprechen'. Soweit so gut. Ich fühlte mich gut aufgehoben, da endlich jemand genauer hinschaute und sich Zeit nahm. Uli, der kurz vorher zu Besuch gekommen ist, wartete vor dem Behandlungszimmer. Als wir gerade dabei waren wieder hoch auf unser Zimmer zu gehen, wurden wir direkt zum Röntgen gerufen. Es war eigentlich nicht geplant, aber ich war sehr glücklich darüber, da -wie gesagt- endlich jemand genauer hinschaute. Was mir erst im Nachhinein bewusste wurde war, dass die Ärzte
Röntgenaufnahmen vom Thorax (Oberkörper) gemacht haben. Was hatte das Ganze also mit der Hüfte zu tun? Die Bilder wurden sofort ausgewertet. Die Schwester brachte uns wieder auf Station und sagte, dass der Arzt nach der Auswertung kommen würde und uns alles erklärt.
Wir waren eigentlich guter Dinge. Ich dachte mittlerweile an einen Leistenbruch oder Ähnliches. Ich war für alles gewappnet. Für fast alles…wie sich heraus stellte.
Irgendwann kam die Schwester ins Zimmer und bat uns mit ins Behandlungszimmer zu kommen, da der Arzt mit mir sprechen möchte. Selbst in diesem Moment dachte ich an nichts Schlimmes. Wir gingen also guter Dinge in dieses Behandlungszimmer (Uli kam mit) und dachten, wir bekommen endlich eine Diagnose und die Erlösung für Momos Schmerzen. Der Arzt begrüßte uns sehr nett und bat uns zu setzen. Und wie er anfing zu sprechen werde ich wohl niemals in meinem Leben vergessen:
„Frau Vahlbruch, wir haben den Moritz gründlich untersucht und haben etwas gefunden womit wir alle nicht gerechnet haben. Der Moritz hat 3 Tumore im Bauch. 2 in der Nierengegend und einen im Halsbereich. Wir können noch nicht genau sagen um welche Art von Krankheit es sich handelt, aber wir werden jetzt anfangen ihn noch genauer zu untersuchen. Mit MRT Aufnahmen. Wir werden ihm einen Katheter legen, damit wir schnellstmöglich mit der Chemotherapie anfangen können …"
Und so weiter und so weiter. Chemotherapie. Alleine dieses Wort löste in mir tausend Ängste aus. Die nachfolgenden Tage sind nicht mehr in meinem Gedächtnis. Kompletter Filmriss. Ich weiß nur noch, dass wir aus diesem Behandlungszimmer heraus gestolpert sind und Uli und ich komplett zusammen gebrochen sind im Flur der Station. Die Kinder, die dort unterwegs waren, fragten ihre Mütter was denn los sei. Was denn passiert sei. Wir konnten nur noch weinen. Nichts mehr sagen. Ich hatte Momo im Arm und ich weiß nicht mal mehr wie er reagiert hat. Es ist wie gelöscht in meinem Kopf.
So eine Nachricht reißt einem in Sekundenschnelle den Boden unter den Füßen weg. Ich kann nicht mal mehr beschreiben wie man sich fühlt. Es ist Wut und Leere und Angst und Hilflosigkeit. Alles gleichzeitig. Man begreift die Welt nicht mehr. Man fragt sich die ganze Zeit, warum man selbst nicht diese ganzen Schmerzen und diese Krankheit auf sich nehmen kann.
Was in den kommenden Wochen passierte ist nur noch bruchartig in meinem Kopf. Wir mussten MRT Bilder machen, Szintigraphie, Ultraschall und und und. Der Broviak-Katheter wurde in einem Nachbarkrankenhaus gelegt, da das KH in dem wir waren keine Chirurgie besaß. Der Broviak ist ein Dauerzugang, der direkt in die große Hohlvene zum Herzen eingesetzt wird. Damit Momo nicht jedesmal neu gepikst werden muss. Und natürlich für die kommende Chemotherapie äußerst wichtig. Gleichzeitig wollten sie ihm Tumorgewebe am Hals entnehmen, damit sie einen Namen für die Erkrankung finden können. Momo musste eine Narkose nach der nächsten über sich ergehen lassen. Noch dazu kam, dass er bei jeder Narkose auf einmal Herzrhythmusstörungen bekam. Im Laufe der Zeit bekamen wir diese in den Griff. Am Anfang war es jedoch sehr beängstigend.
Es war geplant, dass Momo nach der OP wieder direkt in die Kinderklinik gebracht wird. Allerdings landete er nach der OP auf Intensivstation, da er Herzrhythmusstörungen entwickelte. Seine ersten Worte nach Aufwachen aus der Narkose waren 'MAMA' und '
KAKAO'.
Als wir irgendwann nach 1 1/2 Wochen wieder in der Kinderklinik eintrafen, hatten die Ärzte endlich einen Namen für diese Erkrankung.
o NEUROBLASTOM STADIUM 4
Es ist nicht ratsam sich dazu im Internet zu belesen. Die meisten Infos haben wir eh vom Chefarzt bekommen, aber irgendwie schaut man trotzdem nach. Er sagte uns, dass bei dieser Erkrankung in diesem Stadium eine Überlebenschance von 20% besteht. Und das sollte noch nicht alles sein.
Es wurden Tumore im Kopf gefunden. An der Nebenniere ging alles los. Dann schlängelte sich der Tumor einmal am Hauptstrang der Bauchschlagader herum bis hoch zum Hals.
Wir wussten nicht, ob wir geschockt sein sollten oder gefasst, weil wir es eh schon wussten. Aber mit diesem Ausmaß hatte natürlich keiner gerechnet. Es fühlte sich an, als ob die 'schlechten Nachrichten' kein Ende nahmen. Als ob wir von einem bösen Fluch verfolgt wurden. Ein nicht endender Alptraum..
Es hat lange gedauert bis man begriffen hat, dass Tumor gleich Krebs bedeutet. Dieses Wort „Krebs“ war so unglaublich weit weg.
Als die Diagnose stand, haben sie am nächsten Tag direkt mit der Chemotherapie begonnen. Momo war so geschwächt, dass er vorher noch Erythrozyten, also rotes Blut, brauchte. Den 'ersten Chemoblock', wie man ihn so schön nennt, hat Momo nicht so locker weggesteckt wie die kommenden. Er war sehr schlapp, hat viel gebrochen, hatte Angst, weil er nicht wusste was kommt. Das war alles andere als leicht. Jede Behandlung war für ihn die Hölle, weil er nicht wusste was passiert. Nach dem ersten Block durften wir kurz vor Heilig Abend nach 4 endlos langen Wochen Krankenhaus endlich nach Hause. Man kann sich nicht vorstellen was das für ein Gefühl ist. Freiheit. Die pure Freiheit. Und auch wenn es verrückt oder naiv klingt, hat es sich auch ein wenig nach Normalität in diesem ganzen Chaos angefühlt.
Als Momo Zuhause ankam war der Freude keine Grenzen mehr gesetzt. Er hat Weihnachtslieder gesungen und gespielt und sich seines Lebens gefreut, dass er endlich wieder Zuhause ist. Natürlich ist Emmi auch vor Freude komplett ausgeflippt. Es war so schön und der Abend hätte am Liebsten niemals enden können..
In den Chemopausen durften wir (wenn Momo kein Fieber, Schnupfen etc hatte und die Blutwerte stimmten) für 2 Wochen nach Hause. Man musste sich alle 2-3 Tage in der Klinik melden. Dort wurde das Blut kontrolliert. Momo brauchte immer mal wieder Erythrozyten (rotes Blut) und Thrombozyten (Blutplättchen).
Someiimies real superheroes live in the hearts of small children fighting big battles. (Pinterest)
21.01.18
Es ist wieder ordentlich viel Zeit vergangen. Momo brauchte zwischendurch immer mal wieder dieses und jenes Blut. Silvester hat er dann direkt noch Fieber bekommen, sodass wir im Krankenhaus bleiben mussten. Wir waren beide so kaputt, dass wir Silvester einfach verschlafen haben. Ist auch alles nicht wichtig..
Der 2. Chemoblock hat begonnen. Wir konnten nicht früher starten, weil die Werte so schlecht waren.Eigentlich hätten wir es fast geschafft und könnten nach Hause, aber es kommt natürlich immer anders als man denkt. Momo hat sich im Schlaf den Katheter so weit heraus gezogen, dass wir am Dienstag direkt weiter in die Nachbarklinik fahren müssen. Dort wird er komplett neu gelegt. Sie lassen den Rest der Chemo aber noch weiter laufen. Auch wenn er nicht mehr dort liegt, wo er eigentlich liegen sollte.
28.01.18
Momo hat die OP gut überstanden. Der Katheter sitzt und wir wurden sogar mit dem Krankenwagen zurück gefahren. Das war das Highlight des Tages. Erst hatte Momo etwas Angst, aber zum Schluss sagte er dann:'..das war schööööön!'
Jetzt sind wir Zuhause aber alle krank. Alle..bis auf Momo. Das ist schon eine Meisterleistung. Wir laufen den ganzen Tag mit Mundschutz rum. Ich schlafe sogar neben Momo mit Mundschutz. Es ist sehr gefährlich im Moment ihn anzustecken, weil er nur 700 Leukozyten hat. Das ist so gut wie nichts.
Noah, Lorena und David, mein Neffe, meine Schwägerin und Schwager, sind oft zu Besuch gekommen und es war jedesmal wieder schön. Momo hat sich so gefreut Noah zu sehen, dass es ihm immer schlagartig besser ging. Auf einmal war die Übelkeit und Appetitlosigkeit vergessen und es wurde gespielt. Das war grandios.
Die Schwestern und Ärzte sind alle unheimlich nett hier. Wir fühlen uns wahnsinnig wohl. Wenn man das überhaupt über so einen Ort sagen kann. Aber sie sind alle mit so viel Herzblut dabei. Für Momo malen sie täglich Monstertrucks, Feuerwehrmann Sam und Co auf die Pflaster. Selbst seine Infusionsbeutel werden mit 'MOMO' und einer Sonne oder Sternen bemalt. Es ist alles sehr liebevoll.
Wir haben den Teddy, den Momo von Omi und Opi Bentwisch bekommen hat, 'verarztet'. Teddy hat jetzt auch einen Brovi, wie Momo ihn liebevoll nennt. Momo kann ihm 'Nudelwasser' in einer Spritze geben und noch vieles mehr. Nudelwasser sagen die Schwestern hier immer zu den Infusionen. Das macht die ganze Sache nicht so…hart. Für Momo ist das total toll, weil er dadurch wesentlich weniger Angst hat. Es ist irgendwie einfacher zu erklären und ich habe das Gefühl, dass Momo das sehr gut damit versteht.
Die Untersuchungen klappen immer besser. Momo macht das wahnsinnig toll.
Der Krankenhausalltag ist ansonsten eher unspektakulär. Ich versuche Momo so viel schöne Stunden wie möglich zu schaffen. Wir spielen viel mit seinen Monstertrucks, Kneten, Malen, spielen Spiele und und und. Oft gehe ich mit ihm im Flur auf und ab. Er darf im Krankenhaus leider sonst nirgendwo hin, da die Ansteckung zu groß ist und er Menschenansammlungen eher meiden muss. In den Chemopausen sind Spielplätze auch tabu. Aber es gibt noch so viele Alternativen. Das hält uns nicht davon ab einen schönen Tag zu haben.
02.02.2018
Wir sind immer noch alle krank. Sind nach wie vor sehr, sehr vorsichtig. Tag und Nacht laufen wir mit Mundschutz herum. Es ist sehr anstrengend.
Momo hat täglich Heißhunger auf Nudeln mit Käse und Soße.
Momentan bekommen wir unglaublich viele Briefe und Pakete zugeschickt. Dort haben die Menschen Brovi-Beutel (Beutel für den Katheter ) für Momo genäht, Mützen, Kuscheltiere, Spiele und und und. Es ist unglaublich wie viel Anteilnahme da statt findet. Wir sind sprachlos.
03.02.18
Heute ist ein guter Tag. Emmi und Momo verkleiden sich schon den ganzen Morgen und führen singend ihre Outfits vor.
06.02.18
Momo liegt wieder auf seinem Zimmer im Krankenhaus. Er ist noch nicht aus der Narkose erwacht und wird am Monitor überwacht. Die Untersuchung, die sie vorhatten (Knochenmark & Nervenwasser entnehmen + MRT) hat länger gedauert, weil sie anfangs kein Knochenmark gewinnen konnten. An diesen Moment, wenn der Anästhesist Momo auf meinem Arm die 'Vollnarkose' gibt, er einschläft und man ihn abgeben muss, werde ich mich wohl niemals gewöhnen. Furchtbar!
>> 18: 50
Die Vorergebnisse sind da.
DER TUMOR IM KOPF IST WEG !!!!!!!!!!!
Er ist weg! Ist das zu glauben? Ich werde wohl diese Woche nicht mehr aufhören können zu weinen. Die Tumore am Hals und im Bauch sind ungefähr um die Hälfte geschrumpft. Unfassbar!! Und das nach 2 Chemoblöcken. Ich bin sprachlos, überglücklich, überwältigt, erleichtert und alles gleichzeitig.
Die Ärztin und die Schwestern fielen uns direkt in die Arme. Es ist unglaublich!!
Der Chefarzt sagte, dass die Ergebnisse des Knochenmarks ungefähr eine Woche dauern. Wenn das Knochenmark in Ordnung ist, dann werden sie danach in der Uniklinik Stammzellen entnehmen. Da die Knochen auch befallen sind, muss das Knochenmark erst 'rein' sein, damit man Stammzellen entnehmen kann.
Momo kann aufgrund seiner Erkrankung keinen Fremdspender bekommen. Die Ärzte haben es uns so erklärt, dass der Körper die Fremdzellen bei dieser Art von Erkrankung zu 90% abstoßen würde. Und das verpackt der kleine Körper nicht. Deshalb gehen sie das Risiko gar nicht erst ein.
Wir müssen -wenn es soweit ist- jeden Tag zur Uniklinik fahren um zu schauen, ob Stammzellen im Blut sind. Das ist sehr schwierig über das Blut zu filtern.
Es ist nur an 1-2 Tagen möglich (wenn wir nach der Chemo Granozyten gespritzt haben), dass man die Stammzellen überhaupt im Blut filtern kann. Wahnsinn wie das alles funktioniert.
Glücksträhnchen stehen jedem(Pinterest)
07.02.18
Kliniktage können lang werden. Wir spielen viel mit den Monstertrucks, verarzten Teddy, malen, kleben Aufkleber und und und..
Momo hat mir heute Nacht den Schock meines Lebens verpasst. Er war heute Nacht an ein EKG-Gerät angeschlossen. Um Mitternacht fing dieses Ding auf einmal in einem Höllenlärm an durchgehend zu piepen. Als ob Momo keinen Puls mehr hätte. Ich bin aus dem Bett gesprungen und habe versucht ihn zu 'wecken'…keine Reaktion. Man muss dazu sagen, dass er eigentlich einen sehr leichten Schlaf hat. Ich habe mit ihm geredet, ich habe ihn 'geschüttelt'…keine Reaktion. Ich lief in den Flur und die Nachtschwester kam mir entgegen. In diesem Moment ist Momo zu sich gekommen. Oh mein Gott. Ich war fix und fertig. Konnte nicht mehr aufhören zu weinen und zu zittern. Die Kardiologin wurde gerufen. Wir behielten es strenger im Auge und es wurde zusätzlich ein 24h EKG angelegt. Die nächsten Nächte waren relativ unauffällig. 1-2x schlug das Gerät Alarm.
08.02.18
Chefarzt hat uns gerade darüber informiert, dass im Knochenmark noch Tumorzellen vorhanden sind. Das heißt, der Termin für Mittwoch in der Uniklinik wird abgesagt. Jetzt ist geplant, dass wir vor dem 4. Chemoblock noch einmal Knochenmark entnehmen um zu gucken, ob die Tumorzellen durch die jetzige 3. Chemo weggegangen sind. Man kann die Stammzellen nur dann entnehmen, wenn das Knochenmark 'sauber' ist. Mit jedem Chemoblock wird es natürlich auch schwieriger die Stammzellen zu filtern, weil die Werte generell immer weiter runter gehen. Ich habe den Doktor nochmals nach einem Fremdspender gefragt. Wenn keine andere Option mehr übrig bliebe. Er verneinte und sagte, dass er im Moment auch noch nicht wisse was wir machen, wenn es mit der Chemo nicht funktioniert. Wir müssen jetzt hoffen, dass die Chemo alles nötige abtötet und zerstört. Und dafür beten wir alle! Momo ist ein ganz tapferer kleiner Kämpfer!
11.02.18
Wir dürfen morgen nach Hause. Momo hat gestern Abend, heute Nacht und heute Morgen gebrochen. Aber jetzt geht es ihm etwas besser. Gestern Abend hat er noch einmal eine Bluttransfusion bekommen. Jetzt ist es mit ihm ein wenig besser. Aber er ist natürlich noch sehr geschwächt von der Chemo.
12.02.18
Karnevalsparty!! Momo macht als 'Gecko von PJ Masks' die Station unsicher.
Gesundheit ist der größte Reichtum, Liebe ist der kostbarste Schatz und Lachen die beste Medizin (Pinterest)
18.02.18
Zuhause sein tut gut. Momo verkleidet sich viel und spielt mit Emmi. Jeden 2.-3. Tag müssen wir zur Blutkontrolle.
Emmi hat es momentan nicht leicht. Ich bin ständig mit Momo unterwegs und im Krankenhaus. Philip, Uli und Gitte sind zwar immer da, aber natürlich fehlen wir uns gegenseitig. Sie sagt momentan oft, dass sie denkt, dass wir Momo lieber haben als sie. Mir blutet das Herz bei solchen Aussagen. Ich versuche jetzt auch während der Krankenhauszeit ganz viel mit Emmi zu machen und ihr all meine Liebe zu schenken, damit diese Gedanken ganz schnell wieder verschwinden.
Der Termin wegen der Stammzellentnahme hat trotzdem stattgefunden. Aber die haben uns nichts neues erzählt, sondern alle Dinge die wir schon wussten. Momo wurde dort noch Blut abgenommen und dann konnten wir nach Hause.
25.02.18
Wir sind seit 2 Tagen wieder im Krankenhaus. Die Blutwerte waren so schlecht, dass Momo sowohl Thrombozyten als auch Erythrozyten brauchte. Außerdem hat Momo Fieber bekommen.
Seine Nase hat ständig geblutet und er hat so schlimmen Husten, dass er davon brechen muss. Er bekommt jetzt ein Antibiotikum und ist dadurch natürlich sehr schlapp und müde. Und es scheint so, als ob er auf die ganze Welt sauer ist. Er beschimpft mich mit "geh weg" und lässt äußerst ungern Untersuchungen über sich ergehen. Ich bin natürlich bei jeder Untersuchung dabei…Somit ist er auf mich sauer. Ich muss ihn festhalten beim Spritzen, Röntgen und und und. Das muss furchtbar sein. Ich würde ihm das so gerne alles abnehmen, alles über mich ergehen lassen…das ganze Leid, die ganze Angst auf mich abwälzen. Aber das kann ich nicht und das macht mich fertig. Ich kann nur stark für ihn sein und ihm jeden Tag so schön wie möglich machen. Das ist NICHTS im Vergleich was er jeden Tag leistet. Aber es ist das Einzige was ich tun kann. Wenn ich ihm schon keine Kraft entgegen bringen würde, wie sollte er es dann alleine schaffen? Ich werde alles tun. Ich liebe ihn so sehr..meinen kleinen Schatz. Und ich bin so unglaublich stolz auf ihn.
Und ich bin immer bei ihm. Zusammen kriegen wir das hin.
Gestern haben Philip und ich getauscht, weil ich Emmi einen Mädelstag versprochen hatte. Das hat gut getan und war richtig, richtig schön. Wir machen das jetzt einmal die Woche.
27.2.18
Gestern wurde noch einmal in Ultraschall gemacht, weil es Momo seit 3-4 Tagen immer schlechter geht und er stark humpelt. Die Ärzte sagen, dass sich durch Momos Bronchitis Flüssigkeit in der Hüfte angesammelt hat. Alsooooo…Hüftschnupfen. Gleiche Diagnose wie ganz am Anfang. Also Beruhigung fühlt sich anders an…
1.03.18
Der Chef hat uns das Wochenende Zuhause "geschenkt". Montag geht Chemo wieder los.
06.03.18
Wir sind wieder im KH und der 4. Chemoblock hat begonnen. Momo ist super drauf und alles ist Tuttifrutti.
Ergebnisse vom Knochenmark haben wir noch nicht.
Für Emmi habe ich diese Woche einen Kalender gebastelt, damit die "Wartezeit" ( bis wir wieder da sind ) schneller vorbei geht.
08.03.18
Die Ergebnisse sind da. Im Knochenmark sind noch immer Tumorzellen. Der Chefarzt sagt jetzt, dass sie mit den Kliniken beratschlagen. Sie überlegen trotz vorhandener Tumorzellen Stammzellen zu entnehmen, da sie befürchten, dass sie am Ende nicht genug Stammzellen zusammen kriegen. Es gibt wohl ein bestimmtes Verfahren, welches die Stammzellen mit Hilfe von Magneten filtern kann. Allerdings ist das nicht 100%, da dort immer mal eine Tumorzelle kleben bleiben kann. Eine Klinik hat bereits ihr "ok" dafür gegeben. Jetzt warten sie noch auf die Antwort der Anderen.
19.03.18
Wir sind wieder im Krankenhaus. Momo sollte eigentlich nur Thrombozyten bekommen. Er hat daraufhin schlagartig hohes Fieber bekommen. War total schlapp und müde. Seine Leukozyten sind bei 200. Das ist ja gar nichts. Deshalb ist Momo direkt in Isolation gekommen. Die Schwestern und Ärzte müssen sich komplett verhüllen und Momo darf das Zimmer nicht verlassen. Es ist schrecklich ihn so zu sehen.
20.03.18
Momo baut immer mehr ab. Er hat wahnsinnigen Husten, Nasenbluten, hohen Puls & Blutdruck und ist unglaublich schlapp. Das Fieber macht ihm ganz schön zu schaffen.