Читать книгу Das Geheimnis vom Planeten Calinor: Die Raumflotte von Axarabor - Band 210 - Wilfried A. Hary - Страница 7

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Erst als Eranore Selaski schon wieder daheim war, wurde ihr so recht bewusst, was ihr überhaupt widerfahren war. Sie hatte das hilflose Baby in ihre leichte Sommerjacke eingewickelt, um es zu schützen, trug es immer noch auf den Armen und sah es jetzt in einer Art und Weise an, als würde sie es überhaupt zum ersten Mal bemerken.

Die Situation war einfach nur absurd. Eigentlich sogar mehr als absurd. Das Baby schlief, weil es sich anscheinend auf ihren Armen wohl fühlte.

Eranores Blick irrte in die Runde.

Aber wie sollte es jetzt weitergehen? Wie sollte sie es beispielswiese ihrem Lebensgefährten Krumir erklären? Was auch immer sie ihm sagen würde: Wie würde er darauf reagieren?

Auf die Wahrheit wahrscheinlich wie jeder Mensch auf diesem Planeten: Er würde sie für verrückt halten. Vielleicht würde er sogar die Polizei einschalten – und diese wiederum das Jugendamt. Würde doch alles dafür sprechen, dass sie dieses Kind der wahren Mutter gestohlen hatte.

Sie überlegte fieberhaft, doch es wollte ihr einfach keine passende Erklärung einfallen. Weil es dafür keine passende Erklärung gab?

Und sobald sie das Baby auf ihren Armen wieder ansah, das wohlig schlummerte, wusste sie definitiv, dass sie es niemals wieder hergeben wollte.

Was aber, wenn man ihr das Baby einfach wegnahm?

Wie sollte sie das denn überhaupt verhindern können?

Jedenfalls nicht ohne eine passende Erklärung eben.

Sie lief einige Male unruhig auf und ab, schaukelte dabei das Baby sanft, damit sich ihre eigene Unruhe nicht übertragen konnte, wie sie hoffte. Und es wollte ihr immer noch nichts Passendes in den Sinn kommen.

Ein Blick auf die Uhr. Noch knapp eine Stunde. Dann würde Krumir von der Arbeit kommen. Und er würde sie hier mit einem Baby vorfinden, für dessen Vorhandensein es absolut überhaupt keinen Grund zu nennen gab.

Abermals fiel ihr Blick auf das winzige Etwas in ihren Armen.

War es überhaupt echt?

Eine Frage, die zwangsläufig sich stellte. Bis jetzt hatte sie es allerdings erfolgreich verstanden, jeglichen Zweifel daran zu unterdrücken.

Aber galt sie denn nicht als psychisch höchst instabil? Musste sie denn deswegen nicht ständig Medikamente zu sich nehmen? Was, wenn sich ihr Zustand trotzdem dermaßen noch verschlimmert hatte, dass sie sich jetzt sogar ein Baby einbildete, das überhaupt nicht vorhanden war?

Sie ging zum Sofa hinüber und setzte sich nieder, immer noch das Baby auf den Armen. Vorsichtig legte sie das Baby, das nach wie vor in ihre leichte Sommerjacke eingewickelt war, auf das Sofa neben sich.

Ihr war ein neuer Gedanke gekommen: Völlig unabhängig davon, wie Krumir darauf regieren würde: Irgendwann würde das Kind wieder erwachen. Es hatte kein Windeln an, und was passierte mit Babys ohne Windeln?

Unwillkürlich schlug sie die Sommerjacke zurück, um sich persönlich davon zu überzeugen:

Das Baby war nach wie vor völlig sauber.

Andererseits: Es war ja erst vom Himmel gefallen und hatte seitdem weder gegessen noch getrunken. Also konnte es ja irgendwie noch keine Ausscheidungen haben.

Dabei merkte sie, dass sich ihre Gedanken mehr und mehr verwirrten, weil sie zwangsläufig von einer Absurdität zur anderen kam. Weil eben die ganze Situation vollkommen absurd erschien.

Mit der Befürchtung, das Baby könnte sonst zu frieren beginnen, wickelte sie es wieder sorgfältig in die Sommerjacke ein.

Eines erschien jedenfalls glasklar: Sie konnte nicht einfach nur hier herumsitzen und abwarten, was als nächstes passieren würde. Es gab in dieser Wohnung nichts, mit dem man einem Baby gerecht werden konnte. Zwar hatten sie beabsichtigt, Nachwuchs zu zeugen, doch das war ja bislang ausgeblieben, und es hatte noch keinen Grund dafür gegeben, sich darauf entsprechend vorzubereiten.

Außer mit dem künftigen Kinderzimmer. Das jedoch längst zu einer Art Abstellkammer verkommen war.

Sie resümierte: Sie konnte nicht stillen, natürlich nicht. Es gab aber auch keine Babynahrung, keinen Wickeltisch, kein Kinderbettchen noch sonst irgendetwas Brauchbares für diese Situation. Und wie, um alles in der Welt, sollte sie es jetzt beschaffen, um dafür gewappnet zu sein, sobald das hilflose Baby wieder erwachte und alles dies verlangte?

Konnte sie es denn einfach hier liegen lassen und einkaufen gehen?

Ein ganz klares Nein.

Bestellungen per Datennetz? Aber wie lange würde es dauern, bis dann etwas geliefert werden würde?

Viel zu lange!

Abwarten, bis Krumir endlich nach Hause kam? Und dann ihn los schicken, obwohl sie noch immer keine vernünftige Erklärung parat hatte?

Die Verzweiflung schnürte ihr regelrecht die Kehle zu. Sie hatte endlich das ersehnte Baby, und vorübergehend hatte sie zum ersten Mal in ihrem Leben so etwas wie echtes Glück verspüren dürfen. Doch aus diesem Glück war die größte Verzweiflung entstanden, die sie sich überhaupt hatte denken können.

Abermals ein Blick auf das Baby. Es schlief immer noch.

Schlief es denn wirklich?

Alarmiert versuchte Eranore, den Puls des Baby zu erfühlen. Was, wenn das Baby gar nicht mehr lebte? Wenn es vom Himmel gefallen war, um nur einen recht kurzen Augenblick des Erwachens erleben zu dürfen, um hernach…

Sie hätte am liebsten laut aufgeschrien beim bloßen Gedanken daran. Und wie, bitte, fühlte man den Puls bei einem Baby?

Nein, nicht den Puls fühlen, sondern den Herzschlag. Und nicht fühlen, sondern am besten wohl hören.

Eranore brachte vorsichtig ihr Ohr ganz nah heran. Immer näher. Bis ihr Ohr fest auf der Brust des Winzlings lag.

Da war er, der Herzschlag. Viel schneller als bei einem Erwachsenen. War das denn normal?

Aber woher hätte sie das denn wissen sollen?

Sie blinzelte überrascht und richtete sich wieder auf.

Da hatte sie ihr Leben lang schon diesen brennenden Kinderwunsch verspürt – und hatte sich dennoch niemals auch nur im Geringsten damit beschäftigt, wie man mit einem Neugeborenen überhaupt umgehen sollte?

Ihre Panik hatte längst schon den Höhepunkt erreicht. Es gab keine Steigerung mehr.

Einerseits wäre sie ja am liebsten ohnmächtig geworden, um sich auf diese Weise jeglicher Verantwortung zu entziehen. Doch da war dieses winzige Bündel Mensch, das sie niemals im Stich lassen durfte. Das sogar wichtiger geworden war als sie selbst.

Und wieso fühlte sie sich dennoch so unendlich hilflos und überfordert, dass sie sogar Bange hatte, auch nur eine Hand zu heben, um nur ja nicht das Falsche zu tun?

Und das Baby schlief friedlich den Schlaf des wahrhaft Gerechten. Es änderte nichts. Das hieß, es wurde aber auch nichts besser.

Und Eranore hatte immer noch keine Erklärung parat, die sie ihrem Lebensgefährten hätte anbieten können.

Das Geheimnis vom Planeten Calinor: Die Raumflotte von Axarabor - Band 210

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