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Zwei

Im Dorf, wo er wohnt und nicht nur da, sondern beinahe überall im Berchtesgadener Land kennt man ihn inzwischen schon sehr gut. Zu gut meinen die einen. Ein bisschen weniger würde auch schon genügen, das sagen die anderen. Aber es sind halt die Meinungen einiger Leute, die nicht in diesem Dorf, wo er mit seiner Familie wohnt, aufgewachsen sind.

Andere wiederum sind ohnehin bestraft genug. Sie müssen mit einem naturumgebenen Neidkomplex in der Welt herumlaufen. Und das ist in einer urigen Region, wie im südlichsten Winkel des Berchtesgadener Landes, nicht unbedingt das angenehmste.

Das Drumherumgerede ist ihm aber wieder so was von wurscht, wie auch der hilflosen Weißwurst am Oktoberfest. Er schaut und vor allem hört er nicht auf die anderen, weder auf die dort drüben am Kirchplatz Stehenden noch auf jene, die hier vor Ort zu ihm aufschauen möchten, weil sie was von ihm haben wollen.

Ein kerzengrader Michl ist er halt, da Mürz Peda. Unter diesem Namen kennt man ihn hier überall. Doch in seinem Jagdschein steht Mürzschlaghofer Peter. Unter diesen Namen kennt man ihn hier kaum bis gar nicht.

Auch in der Politik, zumindest in seinem gut tausend Seelen zählenden Dorf, mischt da Mürz Peda gehörig mit, obwohl er nie ein gewählter Mandatar der hiesigen Gemeindevertretung gewesen war. Seine deftige Sprache, sein Zusammengehörigkeitsgefühl und seine grobschlächtige Sensibilität allem Fremden gegenüber, sind jedoch weit über die Gemeindegrenzen hinaus bekannt. Seine aneckende Verhaltensweise brachte allerdings schon so manchen Streit zum Überkochen. Gott sei Dank ist es ihm immer noch mithilfe seiner überzeugenden Argumentation gelungen, sich selbst im letzten Augenblick aus der heißen Brühe herauszuwursteln.

Und so einen Menschen brauchte Dietwald Rothgleiber für sein Jagdrevier, vor allem dann, wenn er nicht vor Ort, sondern in Berlin sein musste.

Das Werbegetue von einem plötzlich dahergelaufenen Preußen in Richtung eines gestandenen bayrischen Mannsbildes brauchte mehr als nur Überzeugungskraft. Das wird man sicherlich verstehen. So war es nicht gerade einfach für den Stadtmenschen, wie Dietwald Rothgleiber einer ist, so eine erdverbundene Persönlichkeit für seine Interessen anzuwerben.

Bei den diversen Stammtischlern im Ort schienen ohnehin Kriegszustände auszubrechen. Nämlich als bekannt geworden war, dass ein beträchtlicher Teil vom königlich bayrischen Jagdrevier in der Region an einem Preußen verpachtet werden sollte, ohne die örtliche Gemeindevertretung auch nur am Rande zu informieren.

Dieser Zustand muss jedenfalls ein anderer werden. Mit so ähnlichem Getue dürften aufgebrachte Bürger, unter der Führung von Mürz Peda, schreiend durchs Land bis hin zum Landratsamt gezogen sein. Einen Erfolg brachten sie jedoch nicht mit nach Hause.

Ganz im Gegenteil.

Diese Erfolgsgeschichte mit dem Preußen und dem Jagdrevier ließ sich bekanntlich nicht mehr aufhalten. Nicht einmal die vielen Quertreiber konnten an der Situation etwas ändern. Für Dietwald Rothgleiber kam schließlich gleich einmal die Stunde des Handelns. Als erfahrener Wirtschaftsboss wusste er, dass auch ein Jagdrevier, vor allem in dieser Größe, unabdingbar von der Mitarbeit, zu mindestens von einigen Einheimischen, abhängig ist.

Letztlich kannte er auch die kursierende Kritik in der Region über ihn. Er war gezwungen, dagegen aufzutreten. Das tat er dann auch, zwar nicht so derb wie die Gegenseite, aber immerhin. Von der ersten Stunde an wusste er, dass einige Dorfbewohner sich maßlos wegen seiner Übernahme des Jagdreviers aufgeregt und dagegen protestiert hatten.

Er wollte aus dieser Aufgeregtheit das Beste daraus machen und wendete einen sogenannten psychologischen Kunstgriff an. Geschult in Psychologie war er ja nicht, aber er konnte auf Jahrzehnte lange Erfahrungen im Umgang mit Menschen zurückgreifen. Es kam zwar nicht tagtäglich vor, aber mehrmals in der Woche schon, da musste er mit seinen Mitarbeitern in der Firma in Berlin hin und wieder Konflikte ausfechten und diese so gut wie es eben ging auch auflösen.

Es gelang ihm zwar nicht jedes Mal, doch die positive Durchschnittsquote konnte sich ohne Weiteres sehen lassen. Und wollte er diese Masche auch in dem kleinen Dorf im Berchtesgadener Land anwenden.

Dietwald Rothgleiber verfolgte die Spuren der Widersacher und konnte schließlich auch in Erfahrung bringen, wer im Dorf der größte und kräftigste Lackel mit dem losersten Mundwerk war. Der Name Mürz Peda wurde schier hundertfach genannt.

So zog der Industrielle halt eines Tages los, diesen Mann aufzusuchen.

Es war Freitag der 7. März 2008 am frühen Vormittag. Der Schnee lag noch tief im Revier und die Wildfütterungen wurden vertragsgemäß noch vom vorhergehenden Jagdherrn organisiert, da klopfte Dietwald Rothgleiber an die Tür von Mürzschlaghofer Peter vulgo Mürz Peda. Von Türklopfen war aber kaum die Rede, weil in Empfang genommen wurde er von einem kleinen rassigen Jagdhund, der ihn obendrein noch ordentlich verbellt hatte.

Die massive Haustür aus Eichenholz mit geschnitzten Ornamenten und der Jahreszahl 1957 gehörte zu dem prächtigen Bauwerk. Das Parterre war mit weiß gekalktem Mauerwerk und die eineinhalb Stockwerke darüber mit bereits arg verwittertem Lärchenholz aufgebaut. Das Schöne an der Fassade und an dem ausladenden Balkon war unbestritten das Holz. Die unendlich vielen, von Wind und Wetter geprägten Rillen und Furchen, aber auch die Farben wie Orange und Braun von der Patina, gaben dem Haus eine unverwechselbare Note. Die lieblich ländliche Architektur ist Dietwald Rothgleiber sogleich aufgefallen.

Er hatte kaum die Zeit die Schönheit des Bauwerkes in sich aufnehmen und noch dazu den kleinen Jagdhund zu beruhigen, da erschien im nächsten Moment eine Frau an der Haustüre. Sie befahl dem Hund mit einem lauten Waldi aussss und fragte den erstaunten Berliner, was er hier wohl zu suchen hätte. Das Autokennzeichen seiner Großstadtlimousine hatte ihn ja klar und deutlich als einen Norddeutschen identifiziert.

Noch bevor Dietwald Rothgleiber seinen Grund für den Besuch genannt hatte, dachte sich die Frau `oije da Preiss is do`. Beinahe zur selben Zeit kam aus dem etwas dahinterliegenden Objekt, das offensichtlich ein Wirtschaftsgebäude war, ein Mann hervor, der mit lauter Stimme zu seiner Frau brüllte:

„Wos geits Resi?“

Dietwald Rothgleiber ließ die Frau und den Hund stehen und ging auf den Mann zu und sagte sein Sprüchlein auf:

„Ich gehe wohl recht in der Annahme, dass sie Herr Peter Mürzschlaghofer sind?“

„Jo und na, wei i bi da Mürz Peda! Verstehst mi?“

Mürzschlaghofer Peter vulgo Mürz Peda ist ein bayrischer Kraftlackl mit einer besonders auffallenden Statur. Er trägt ungefähr einhundert Kilogramm an Körpergewicht mit sich herum. Dafür verantwortlich sind sein derber Knochenbau sowie die einschließenden weithin sichtbaren Muskelmassen im Allgemeinen. Er ist knapp einen Meter neunzig groß, fünfundvierzig Jahre alt, hat eine Glatze wie ein junger Kapuziner im Kloster und einen Bartwuchs, der eher einem Baby Popo ähnelt als einem ausgewachsenen Mannsbild. Als Gegenleistung aber bekam er direkt von Oben massenweise Brusthaare geschenkt. Mit diesen würde er wie ein Gorilla ausschauen, wenn er diese Pracht öffentlich herzeigen würde. Einen Friseur für Brusthaardekor denn gibt’s auch in ganz Bayern nicht. Gezwungenermaßen verdeckt er diese affengeile Körperbehaarung meist sehr geschickt unter seinen diversen Oberbekleidungen.

Füße hat er schier ebenso große wie Hände. Die noch gängige Schuhgröße 45 ist ihm im Regelfall zu klein. Bei Sandalen geht es gerade noch. Dann berühren beim Gehen die zwei größten Zehen mit ihren Spitzen den Boden, wo es dann hin und wieder zu Blasenbildungen auf der robusten Hornhaut kommt.

An den Werktagen zieht er meistens seine Elefantenhatscher an, wie Resi, seine Frau, diese Mordstrümmer bezeichnet. Für die Jagd hat er eigene wasserdichte zwiegenähte Lederschuhe, die der Größe 47 schon eher entsprachen. Die ließ er schon in grauer Vorzeit bei einem alten Schustermeister im Pinzgau machen.

Da es Handschuhe in der Größe, wie es der Mürz Peda zum Arbeiten brauchen hätte können, immer noch nicht als Designerware im Handel zu kaufen gibt, muss er halt notgedrungen auf solche vom Baumarkt zurückgreifen. Und von diesen hatte er gleich mehrere Paare in Reserve.

Mürz Peda ist gelernter Huf- und Wagenschmied und hat auf seinem Anwesen eine guteingerichtete Werkstätte. Aus dieser ist er im selben Moment herausgekommen, als Dietwald Rothgleiber mit seiner Frau vor dem Haus gesprochen hatte.

Seine Erträge, die er mit seinem Beruf zurzeit erwirtschaftet, sind nicht mehr so rosig, wie es früher einmal gewesen sein mag. Finanziell schlecht ging es ihm und seiner Familie bestimmt nicht, aber große Sprünge machen konnten sie halt auch wieder nicht. So blieben ihm Ansparungen von Kapital zurzeit mehr oder weniger versagt, was im Grunde in der gegenwärtigen Zinsenpolitik ohnehin schnurzegal ist.

Ja als Hufschmied hatte er schon immer wieder Aufträge bekommen. Zeitweise wurde er in das grenznahe Salzburger Land zu einigen in Mode gekommenen Pferdegestüten gerufen, um dort die Pferde zu beschlagen. Das kam zwar nicht jede Woche vor, dass er ins Ausland musste, aber eine gewisse Regelmäßigkeit war schon erkennbar. Jedenfalls war es ein guter Zuverdienst.

Daheim im Berchtesgadener Land war er weit und breit der einzige noch befähigte Wagen- und Hufschmied. Er war auch in der Lage die bereits ins Alter gekommenen landwirtschaftlichen Gerätschaften noch zu reparieren, um sie wenigstens einsatzfähig zu erhalten. Damit verdiente er den Großteil seines Lebensunterhaltes.

Und so läpperten sich seine Einnahmen langsam, in Wahrheit aber vom Zufall abhängig von Monat zu Monat zusammen.

Für die Familie Mürzschlaghofer waren die Jahre zwischen 2000 und 2008 nicht unbedingt die rosigsten. Resi und Peter Mürzschlaghofer hatten noch ihre zwei Söhne Sepp und Hans in Ausbildung sowie die Nachzüglerin Anna Theresia, die die Grundschule im Dorf besuchte, zu versorgen.

Mürz Peda war zwar in all den Jahren niemals in großen finanziellen Schwierigkeiten, aber ein Familienoberhaupt mit drei Kindern sollte schon einen Verdienst ins Haus bringen, der auch zum Überleben gereicht.

Gezwungenermaßen nahm Mürz Peda als geprüfter Jäger auch manches Mal Führungen im Auftrag von einigen Jagdherren an. Auch die oftmals beschwerliche Winterversorgung der Tiere übernahm er mit seinen beiden heranwachsenden Söhnen in verschiedenen Revieren. Dafür gab es schließlich einen guten Lohn und für Mutter Resi weniger Sorgen.

Nach dem Dietwald Rothgleiber mitten am Hof zwischen Werkstätte und Wohnhaus dem Mürz Peda in knappen Wort zu erklären versucht hatte, warum er ihn aufgesucht, und was er eigentlich von ihm wollte, da kam auch schon seine Frau näher an die Zwei heran. Auch der kleine Vorstehhund, aus der Rasse der Münsterländer, legte sich am Boden in die Nähe seines Herrl.

Die im Stehen geführten Gespräche zwischen den drei Leuten hätten sicherlich noch eine Weile gedauert, wenn nicht Resi eingegriffen hätte.

„So hiatz reichts Mannda, mia gengan ins Haus eini, do kim ma a gscheit weidatoa.“

Der Berliner verstand damals höchstens Bahnhof, wenn das Wort gesprochen worden wäre. Aber so verstand er rein gar nichts, was die Hausfrau Resi soeben gesagt hatte. Aber Mürz Peda ergriff mit seinen Pranken die zarte Hand von Dietwald Rothgleiber, zog ihn mit und murmelte:

„Koit is, einigeh damma, verstehst mi!“

In der gemütlichen Wohnküche, die niemals so pedantisch aufgeräumt werden wird wie der Wohnsalon in der Villa bei ihm zuhause, saßen sie dann auf der hölzernen Eckbank auf einer dicken Wolldecke, die als wärmende Unterlage herhalten musste, beisammen. Vor ihnen stand der schwere Eichentisch, der gut und gerne an die zwei Meter lang und vielleicht auch einen Meter breit war. Darauf stand noch ein Korb mit Bauernbrot.

Da gerade die richtige Zeit für eine Bayrische Brotzeit gekommen war, lud Mürz Peda den Preußen zum zünftigen Mitjausnen ein. Dabei blieb es allerdings nicht, es kam dann die Zeit für das Mittagessen und für den Nachmittagskaffee.

Zwischendurch wurde beinhart, mal leise und mal lauter, wenn man das so sagen kann, am Eichentisch diskutiert. Es wurde verhandelt und man setzte sich in lebensferner Weise mit Problemen auseinander, dass jeder Außenseiter und Mithörer aus Angst Schweißfüße bekommen hätte.

Dietwald Rothgleiber musste einige Male den massiven Verhandlungstisch wegen angeblich unbedingt notwenigen Handygesprächen verlassen.

Damals waren die Handys noch sechs bis zehn Mal so groß, wie die Neumodernen von heute. Da gab es eigene Handytaschen die Außen am Gürtel getragen werden mussten, weil in der Rock- oder Hosentasche dafür kein Platz gewesen wäre. Und Fotos konnte man ebenso keine machen, und schon gar nicht konnte man SMS damit verschicken. Nur simple Telefonate ließen sich, wenn man das Glück hatte, halbwegs durchführen. Aber auch nur dann, wenn ein Funkturm mit entsprechender Leistung in der Nähe stand. Vor dem Haus von Mürz Peda stand keiner, aber es funktionierte zur Not.

Diese Zwischenzeiten nützte die Resi, um ihren Mürz Peda mit heftigen Worten zu bombardieren, dass er am Ende nicht mehr so recht gewusst hatte, ob er nun in Zukunft unter weiblicher oder unter preußischer Kuratel gestellt werden würde.

Resi, eigentlich Theresia Magdalena Mürzschlaghofer, geborene Schneider, ist eine wohlgeformte Vierzigerin. Vor ihrer Ehe hatte sie in der Stadt Reichenhall eine kaufmännische Lehre absolviert und war dann dort auch noch einige Jahre in verschiedenen Geschäften als gefragte sachkundige Verkäuferin von Schuh- und Lederwaren aller Art tätig.

Resi ist um einen Kopf kleiner als ihr Peter. Vor allem ist sie aber eine gestandene kerngesundene Hausfrau und Mutter sowie eine ebensolche Ehefrau. Doch sie weiß, was sie will.

Und das wissen auch leider ihr Ehemann, ihre Söhne Sepp und der Hans. Die Jüngste in der Familie ist ja die Tochter Anna Theresia. Die ist zwar auf den Papa fixiert, tut aber fast immer genau das, was die Mama von ihr verlangt.

Zugegeben, das Angebot von Dietwald Rothgleiber, welches er von Stunde zu Stunde behutsam einer gegenseitig willentlichen Anpassung herangeführt hatte, konnte auch der dickhäutige Quadratschädel eines Mürz Peda nicht ablehnen. Noch dazu wollte er, dass das Bombengeschwader seiner Resi endlich zur Landung gezwungen wurde. Um es mit einem Satz zu begründen: Der Mürz Peda hat aus freiem Willen den Beruf als zukünftigen Aufsichtsjäger im Revier von Dietwald Rothgleiber bereits in seinem Hinterkopf einbürgern lassen. Doch rein äußerlich ließ er sich noch nichts anmerken.

Resi, die nahezu uneingeschränkt regierende Finanzmanagerin im Haushalt, sah endlich wieder einmal Lichtstrahlen am sonst schwachen Finanzhimmel auf sie zukommen. Aus diesem Grunde schon befeuerte sie ihren Mann mit Geknatter von zum Teil hier nicht wiederholbaren Wörtern, endlich auch einmal sein Hirn anzustrengen und an das Wohl seiner Familie zu denken.

Und dann kam er wieder einmal bei der Tür herein, der Preuß.

Dietwald Rothgleiber war ja, wie bereits bekannt sein dürfte, ein ausgefuchster und mit allen Wassern durchtriebener Geschäftsmann. Wäre es anders gelaufen, hätte er bestimmt nicht so bedeutende Erfolge eingefahren.

Es waren wieder einmal taktische Schachzüge, die er im Haus von Peter und Resi Mürzschlaghofer zur Anwendung gebracht hatte. Der Mann gefiel ihm. Zwar nicht auf Anhieb, aber schön langsam doch. Er hatte Prinzipien und war deshalb auch nicht leicht herumzukriegen! Man konnte ihn nicht so ohne weiters verbiegen und er behielt seinen Standpunkt, wenn er überzeugt war, dass er richtig ist.

Außerdem ist der Mürz Peda und selbstverständlich auch seine Frau grundehrlich. Diese Kriterien waren für die Entscheidungsfindung von großem Vorteil. Insgeheim hatte Dietwald Rothgleiber durch die Vorinformationen, die er auf seiner Erkundungstour aus der Bevölkerung erhalten hatte, selbst die Entscheidung schon getroffen. Er wollte ihn haben, den Mürz Peda.

So verließ Dietwald Rothgleiber halt mit einem Vorwand telefonieren zu müssen zwischendurch die Küche und ließ eine Zeitlang die zwei Eheleute alleine diskutieren. Aber ganz umsonst ging er nicht ins Freie hinaus. Er telefonierte mit seinem Prokuristen Dr. Michael Rabenschwartz und erteilte ihm den Auftrag, einen Vertragsentwurf zusammenzustellen, aus dem eine zehnjährige Verbindung zwischen Dietwald Rothgleiber als Jagdherr und Peter Mürzschlaghofer vulgo Mürz Peda als Aufsichtsjäger im näher bezeichneten Jagdrevier hervorgehen soll.

Als Dietwald Rothgleiber nun schon zum dritten Mal die Küche verlassen und wieder betreten hatte spürte er eine gewisse Anspannung zwischen den Eheleuten. Es war eher eine positive Ausstrahlung, die man aus den beiden Gesichtern ablesen konnte. Mürz Peda begann einen sehr selten gewordenen, mehr als zehn Silben langen Satz zu sprechen:

„Jo hock di her do. Woasst bei ins do in die Berg sand olle miteinand per du und so wird’s a sei, wann mia zwoa ins Geschäft kemma soin, verstehst mi!“

Dietwald Rothgleiber nickte zustimmend, obwohl er nicht alles sofort verstanden hatte. Doch die Resi übersetzte postwendend:

„Bei uns im Land ist es der Brauch, dass man in den Bergen herin bei ins do moan i, olle Leit mit du anredn.“

Dietwald Rothgleiber nickte abermals und sagte darauf er hätte nichts dagegen, wenn wir auch geschäftlich zusammenkommen würden.

„Nocha is eh guat, i bi da Peda, des is die Resi und bist da Didda, weil Waldi ko i jo mit bestn Wüln net sogn, weil insa Hund scho so hoast.“

Diese zukunftsweisende Erklärung von Mürz Peda beinhaltete die quasi die grundsätzliche Zustimmung dafür, dass er das Angebot seines künftigen Jagdherrn annehmen werden wird.

Zur Feier dieser Stunde, es war ja bereits spät am Nachmittag, wurde mit einem echten selbstgebrannten Voglbeeschnaps auf das allgemeine Wohl angestoßen.

„So Didda hiatz moch ma Nägl mit Köpf. I bi dabei und die Resi is eivastondn damit.“

Die Gespräche dauerten noch bis gegen acht Uhr am Abend. Auch die Resi versprach im Jagdhaus gelegentlich mithelfen zu wollen, vor allem dann, wenn Gäste kommen und nur wegen der Wäsche halt. Die wichtigsten Dinge wurden zuerst einmal geklärt und mit schriftlichen Notizen von beiden Seiten festgehalten.

Dietwald Rothgleiber erläuterte im Anschluss auch seine zukünftigen Pläne, insbesondere den Ausbau der bestehenden Jagdhütte in ein geräumiges Jagdhaus. Geklärt wurde auch die Aufbewahrung der Jagdwaffen, die Dietwald Rothgleiber während seiner oftmals wochenlanger Abwesenheit niemals unbeaufsichtigt zurücklassen wollte. In der Jagdhütte gibt es zwar einen versperrbaren Waffenschrank, aber man weiß ja nie. Mürz Peda hatte einen entsprechenden Waffentresor im Haus, der vorübergehend ohne Weiteres noch Platz für einige Gewehre einen gesicherten Platz bot.

Über die Entlohnung wurde naturgemäß gleich zu Beginn verhandelt und bald darauf auch entsprechende Einigkeit erzielt.

Es war ein langer konstruktiv verlaufender Freitag geworden. Mürz Peda hatte sein Tagespensum in der Werkstätte bei Weitem nicht erreicht, ja gewissermaßen total verfehlt. Er musste seine Vorhaben auf den nächsten oder übernächsten Tag verschieben.

Andererseits hatte er mehr oder weniger eine Fixanstellung in der Tasche, die zumindest einmal für zehn Jahre vertraglich gesichert war. Ab sofort war er der Aufsichtsjäger im ansehnlichen Jagdrevier des Industriellen Dietwald Rothgleiber geworden.

`Hüfeee die Preißn kemman`, das hatte der Mürz Peda zukünftig nicht mehr in den Mund genommen.

Zufrieden war auch die Resi mit dem Verhandlungsergebnis, wenn sie auch mehrmals Klartext mit ihrem sturen Ehemann unter vier Augen reden musste. Aber das war im Hause Mürzschlaghofer ohnehin keine Seltenheit. Auch die beinahe erwachsenen Söhne und die kleine Tochter freundeten sich mit dem neuen Arbeitgeber ihres Vaters sogleich an.

Dietwald Rothgleiber wurde von nun an in respektvoller Weise Didda genannt.

Am Montag den 17. März 2008, so gegen zehn Uhr vormittags kam Dietwald Rothgleiber mit dem jagdfreundlichen Notar Dr. Unterberger aus Traunstein wieder ins Haus. Dieses Mal kam er mit einem fertigausformulierten Dienstvertrag. Darin standen alle diese Vereinbarungen sowie Dienstpflichten und Berechtigungen, die Mürz Peda gewisse Freiheiten für spontane Entscheidungen geben sollten. Nach dem alles haarklein unter juristischer Aufsicht nochmals besprochen und ausdiskutiert worden war, wurde der drei Seiten lange Vertrag noch vor dem Mittagessen von Mürz Peda, Dietwald Rothgleiber sowie auch vom Notar unterfertigt.

Während des Mittagsessens, das Resi meisterhaft zubereitet hatte, erläuterte der Jagdherr am Tisch neben dem Herrn Notar so beiläufig, dass er einen weiteren Mitarbeiter, der für das Organisatorische und für das Kaufmännische zuständig sein sollte, noch gerne einstellen würde.

Kaum war gegen vierzehn Uhr dreißig der Mittagstisch samt Kaffeetassen abgeräumt, hat sich der Notar verabschiedet. Nur Dietwald Rothgleiber wollte im Anschluss an das Kulinarische die Gedanken von vorhin mit Mürz Peda und seiner Frau weiterführen.

Dietwald Rothgleiber betonte mehrfach, dass es eine Person sein sollte, die ein überragendes kaufmännisches Wissen und darüber hinaus auch organisatorische Fähigkeiten besitzen müsste. Diese Person sollte jedenfalls in der Lage seine Terminvereinbarungen mit diversen Jagdgästen, die aus dem In- und Ausland kommen werden, zu koordinieren. Auch müsste diese Person selbständig in der Lage sein, den finanziellen Aufwand für Abschüsse festzulegen, sowie die allenfalls anfallenden Nebenleistungen zu kalkulieren und letztlich entsprechende Rechnungen zu legen. Das war schon sehr viel auf einmal.

All das, so hob Dietwald Rothgleiber hervor, geschehe das am besten gleich per EDV. Mit einer Steinzeitlösung wolle er dieses Unternehmen nicht beginnen, auch dann nicht, wenn es auch genug Steinböcke im Revier geben sollte.

„Des is zwoa vü auf oamoi, aba so an Wunderwuzi, denk i, wissad i scho,“ sagte die Resi spontan dem verdatterten Dietwald Rothgleiber mit einem Lächeln ins Gesicht.

„Jo wer soi den des so auf die gachn sei?“

Mischte sich ihr Mann in das laut gewordene Denken seiner Frau ein und setzte nach:

„Aba net der?“

„Jo genau der. Der wa da Richtige für des Gschäft wos da Didda grad gmoant hot das a mochn soit. Und kinna tuatas a, des woaßt du genauso guat wie i.“

Dietwald Rothgleiber verstand dieses Mal wirklich außer Bahnhof, über den ja nie gesprochen wurde, rein gar nichts. Er ließ die Zwei einfach weiterdiskutieren. Irgendwann würde der Übersetzungs- und Erklärungsversuch schon noch eintreten.

Gut eine kleine Weile lang ging das Hin und Her der zwei Eheleute so weiter, bis dann Resi als bereits bewunderte Dolmetscherin den entscheidenden Punkt am Schluss der Geschichte setzte.

„So Didda mia zwoa glaubn, dass wir schon einen kenna tatn. Mia kennan oan Mann, der des ois kinna kuntat, wo du da zerscht gmoat host. Auf guat deitsch, der sämtliche Kriterien erfülln toa tatat.“

Im Anschluss sprachen dann alle drei mehr oder weniger solange durcheinander bis sich auch der Mürz Peda schlussendlich nicht mehr ausgekannt hatte und dem Gerede einen Endpunkt setzte.

Auch sein Neojagdherr hatte sich gedanklich zurückgezogen und lauschte nun angestrengt den halbwegs verständlichen Vokabeln, die Mürz Peda schön langsam von sich gab.

„Da Sagler Andi wa so a Mo der des macha kunt, glabt hoit die Resi, wei die insrige Buchhoitung fürn Steierberota mocht er jo a. Er is hoit a ganz genauer, a unsympathischer Pedant is a, a ganz raffinierta obndrei, host mi.“

„Is jo net woar, Didda, er ist ein korrekter Mensch“, sagte Resi zum Jagdherrn und drehte sich dann zu ihren Mann um und zischte: „Sei jo stad, weils woar is a.“

Im Telefonbuch stand Andreas Schöngruber. Er wohnt mit seiner gleichaltrigen Frau Gusti und einer zehnjährigen Tochter Sofie, die aber Soferl gerufen wird, in der Nachbargemeinde. Die Telefonvorwahl ist dieselbe wie hier im Dorf.

Dietwald Rothgleiber wollte den Mann auf jeden Fall kennenlernen, aber nur dann, wenn er auch an einer Mitarbeit im Jagdrevier interessiert sei.

Man kann von der Resi halten so viel man möchte, aber sie hatte eigentlich das unbezahlbare Talent der Vermittlungsfähigkeit. So war es kein Wunder, dass sie noch bevor Dietwald Rothgleiber in dieser Frage gedanklich am Ende gewesen war, den Sagler Andi am Telefon in seiner Firma schon erreicht hatte. Sie teilte ihm in kurzen prägnanten Sätzen mit, wie halt das bei der Resi gang und gäbe ist, dass der neue Jagdherr einen profunden Mitarbeiter brauchen würde und sie, die Resi hätte halt dabei an ihn gedacht. „I ho eahm scho gsogt, er soi netta ganz gach herkemma.“

Resi drehte sich zum Dietwald Rothgleiber hin und übersetzte ihren soeben ausgesprochenen Satz noch einmal in Hochdeutsche.

„I hob ihm netta am Telefon gesagt, er möge ganz gach, gschwind hoit hob i gemeint, da hier her kemma.“

Ganz so geschwind war das auch nicht möglich, weil von Reichenhall bis hier her ins Dorf, das dauert eine Weile.

Nach dem die Resi bei ihm im Geschäft angerufen hatte, fuhr er direkt von seiner Arbeitsstätte in Bad Reichenhall, wo er als stellvertretender Filialleiter des Schuhdiskontladens EUKALYP, früher hieß das Geschäft noch HOFMANN-SCHUHE, nach Hause.

Seine Frau, die Gusti, und auch die Tochter waren nicht im Haus. Auf den Küchentisch legte er einen gefalteten Papierbogen, auf den er mit seiner ausgewählten, beinahe gestochen schönen Steilschrift die Nachricht hinterließ, wo er sich in den nächsten Stunden aufhalten werde.

Der Sagler Andi ist stets korrekt gekleidet. Er trägt im Geschäft meist eine gebügelte Hose und verzichtet dabei auf saloppe Jeansbekleidung. Man sieht ihn in der Öffentlichkeit selten ohne Sakko und wenn, dann nur in der heißen Jahreszeit. Da genügt ihm ein kurzärmliges Hemd oder ein Poloshirt. In der kälteren Jahreszeit ist für ihn Krawattenpflicht, zumindest im Geschäft. Krawatte trägt er auch auf der Hin- und Rückfahrt. Den Großteil seiner Reisebewegungen macht er ja mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, mal mit dem Zug oder mit dem Bus.

Ein paar Minuten nach sechzehn Uhr schritt er gemächlich auf das Haus von Mürz Peda und seiner Resi zu. Resi und er sind ja ziemlich gleich alt, das heißt, die beiden haben gemeinsam die Grundschule besucht und nicht nur das. Sie haben auch, allerdings nur ein paar Monate lang, im selben Schuhgeschäft gearbeitet.

Unter dem Namen Sagler Andi, kennen ihn die meisten Leute aus den umliegenden Dörfern. Seine Großeltern und seine Eltern betrieben in der Umgebung jahrzehntelang ein kleines Kraftwerk mit angeschlossenem Sägewerk. So entstand auch der Haus Name Sagler. Ausnahmslos wurde allen Familienmitgliedern von der einheimischen Dorfbevölkerung vor den jeweiligen Vornamen der vulgo Name Sagler aufgezwungen. Das war schon seit eh und je so und daran hat sich bis heute nichts geändert.

Der Sagler Andi selbst hat mit dem inzwischen auf Sparflamme geführten Sägewerk nichts mehr zu tun. Der Betrieb gehört nach wie vor seinem Vater. Einer seiner Brüder oder gar seine Schwester wird vielleicht diesen Kleinbetrieb weiterführen. Er selbst ist immer noch in der Schuhbranche tätig.

Als Person ist der Sagler Andi sozusagen das absolute Gegenstück von Mürz Peda. Allein schon sein äußerliches Erscheinungsbild zeigt den Unterschied auf.

Der Sagler Andi ist gut und gerne noch einen Kopf kleiner als die Resi. Dünn ist er auch, aber nicht so, dass man versuchen würde, ihn als magersüchtig einzureihen. Das ganz und gar nicht. Aber ein kraftprotzendes Mannsbild schaut halt anders aus.

Dort, wo der eine, nämlich der Mürz Peda seine Muskeln dem interessierten Publikum hin und wieder präsentiert, hat der andere, nämlich der Sagler Andi, kaum welche, die herzeigbar gewesen wären. Man muss hier an dieser Stelle wissen, dass der Mürz Peda im benachbarten Ausland menschenschindendes Muskeltraining betreibt. Das tut er in der Ringerhochburg in Wals bei Salzburg, und zwar wöchentlich einmal. Seinen Muskelpaketen wird dort allerhand abverlangt. Dafür schaut´s bei ihm im Hirnkastl drin schon anders aus.

Der Sagler Andi hat einfach gesagt mehr Hirnschmalz. Er aktiviert mit seinem regelmäßigen, ganz und gar pedantisch anspruchsvollen Querdenken wesentlich mehr Gehirnwindungen, als so mancher Gscheidling. Daher ist er auf diesem Gebiet, dem Mürz Peda deutlich, ja haushoch überlegen. Vielleicht nicht direkt haushoch, weil in der Region gibt es neuerdings schon eine größere Anzahl von Vielstockhäusern. Wie auch immer, der Sagler Andi ist durch und durch ein Wiffzack.

Nach leisem Anklopfen kommt er auch schon zur Tür herein. Als schüchtern kann man ihn gewiss nicht einstufen, aber ein erstauntes Gesicht machte er schon. In der Küche saßen nicht nur Mürz Peda und seine Resi, sondern auch ein für ihn wildfremder Mann.

Resi stand sogleich auf und stellte dem Sagler Andi den neuen Jagdherrn vor.

„Du Andi des is da Didda, insa neia Jogdherr und der mecht di a kenna learna. Huck di her zu ins.“

Andreas Schöngruber ging mit einem Lächeln auf Dietwald Rothgleiber zu, der von seinem Sessel aufgestanden war. Beide verbeugten sich leicht zueinander und schüttelten sich die Hände. Der Sagler Andi murmelte danach:

„I bin da Andi!“

Nach dieser kurzen, aber hochoffiziellen Begrüßungszeremonie setzten sich alle wieder an Tisch und führten ihre zwanglose Unterhaltung fort. Das ging einige Minuten so weiter bis Resi dem Sagler Andi auf die Schulter klopfte, ihn aufforderte, sich vorzustellen.

Sie forderte quasi von ihm, er möge seinen Lebenslauf vor dem preußischen Auswärtigen, noch dazu im Telegrammstil und gschwind auch noch herunterbeten, wo er doch sein bisheriges Leben für Zuagroaste unter Datenschutz gestellt hatte.

Der Sagler Andi ist ganz bestimmt nicht auf den Kopf gefallen und wie gesagt, schüchtern war er ja auch nie. Also stand er von seinem Sessel auf, positionierte sich in voller Größe, räusperte und dachte zwischenzeitlich nach, was er wohl seinem Gegenüber sagen sollte.

Seine Erscheinung insgesamt betrachtet würde man auf keinen Fall als charismatisch einstufen. Aber wie er so scheinbar hilflos dagestanden und dem Dietwald Rothgleiber durch seine kreisrunden Gläser seiner Nickelbrille angesehen hatte, könnte der Jagdherr auf den ersten Blick gedacht haben, was soll der komische Vogel eigentlich hier. Das wäre wohl eine Täuschung ersten Grades gewesen, wenn er in diese Richtung weitergedacht hätte. Zum Glück hörte er dann ein Räuspern von dem Mann und gleich darauf den Versuch, einen ersten Satz hervorzuzaubern.

Als nun der Sagler Andi nach Ablauf seiner Denksekunde zu reden begann, stoppte der angesprochenen Didda auch sofort den begonnenen Meinungsbildungsprozess und verwarf ihn sofort. Das Kurzreferat, welches der Sagler Andi in einem klar verständlichen Hochdeutsch, ohne Einfärbung des ihm anhaftenden bayrischen Dialekts, von sich gab, beindruckte nicht nur Dietwald Rothgleiber.

Der Mürz Peda und seine Resi haben dabei nicht nur die Augen und die Ohren weit aufgemacht, sondern auch, vor allem der Mürz Peda, den Mund. Weil so ausgefeilt sprechen haben sie den Federfuchser, wie sie ihn halbscherzhaft zu nennen pflegen, noch nie gehört.

Dietwald Rothgleiber ließ den Mann knapp zehn Minuten ohne Unterbrechung referieren, erst dann gestattete er sich selbst ein paar Zwischenfragen.

Grundsätzlich war er ja bereit, wenn auch der Sagler Andi den Bedingungen zustimmt, diesen Mann für die kaufmännischen und organisatorischen Aufgaben, die bestimmt nicht wenig sein werden, einzustellen. Wenn auch vorerst nur für drei Monate, die als Probezeit zu gelten hatte.

Beim Mürz Peda verzichtete er von vorneherein auf Probemonate. Zum einen ist er ein geprüftes Jagdorgan und zum anderen ist er Mann genug, selbständig zu arbeiten. Darauf würde sich er als Jagdherr schon verlassen können. Aber in der Person vom Sagler Andi schaut es schon ein wenig anders aus. Es geht um viel Geld, um nicht zu behaupten um sehr viel Geld. Das möchte er als Jagdpächter nicht so leicht aufs Spiel setzen und womöglich damit dem Staat, sprich dem Finanzamt, unnötige Sorgen zu bereiten. Viel lieber geht er auf dem Weg mit der roten Markierung, wo steht: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.

Nach rund einer halben Stunde beendete Dietwald Rothgleiber das Frage- und Antwortspiel und machte dem Sagler Andi spontan ein Angebot. Eine wortgetreue Wiedergabe des gemachten Vorschlages ist hier nicht mehr möglich, weil einiges widersprüchlich aufgezeichnet worden war.

Der Sagler Andi ist, nachdem er seinen Vortrag beendet und das Angebot des Jagdherrn geistig aufgenommen hatte, um sich gleich darauf wieder hinzusetzen, saudumm vom Sessel gerutscht. Dabei ist er auf den Fliesenboden gefallen. Zum Glück hatte er sich zwar nicht verletzt, nur seine gebügelte dunkle Hose bekam akkurat dort einen nicht unerheblichen Riss, wo bei genauer Betrachtung sein rechter Oberschenkel, anatomisch gesehen, beginnt. Die hervorscheinende grüne Unterbekleidung, sprich Unterhose, war dann der eigentliche Anlass, warum der Mürz Peda dann zwingend hinaus, in die frische Luft gehen musste. Er konnte das Lachen nicht mehr zurückhalten.

Mittlerweile war es schon zehn Minuten nach sieben Uhr abends. Der Mürz Peda kam wieder zurück in die Küche. Alle haben sich beruhigt und Dietwald Rothgleiber wiederholte soeben sein Angebot nochmals und verlangte von Sagler Andi, dass er sich halt bis am kommenden Freitag, so gegen sechzehn Uhr, entscheiden werde müssen. Dann wollten sich alle wieder hier treffen.

Dietwald Rothgleiber fuhr zurück in seine Jagdhütte und brachte vorher Sagler Andi zu seiner Familie zurück.

Ehefrau und Tochter waren längst schon wieder im Haus. Sie haben ausnahmsweise ihr Nachtmahl verdrückt und erwarteten Ehemann und Vater mit Sorge. So ein langes Fernbleiben, noch dazu nach Dienstschluss, das hat es bei ihm noch nie gegeben. Er, der immer so gewissenhaft und punktgenau seinen Lebensrhythmus zu pflegen wusste, kam einfach ohne Ankündigung Stunden später ins Haus. Das war absolutes Neuland für die Gusti. Daher ist es nicht Wunder, dass sie ihren Gatten bereits in der Garderobe empfangen und ihn mit dem Ausfratschlen überfallen wollte.

Aber dann sah sie seine zerrissene Hose und wäre beinahe in Ohnmacht gefallen, wenn sie sich nicht geistesgewärtig am Türrahmen der Küche angehalten hätte.

„Jo wos is den do passiert? Wos für a Weib hot dir die Hosn zrissn? Du glabst woi i nah des wieda zsamm, geh hi wost gwen bist.“

Gusti, die resolute Ehefrau, musste nach dieser Tirade einmal kräftig durchatmen. Diesen Zwischenraum nützte der Sagler Andi und erzählte ihr haarklein, was heute Nachmittag im Haus von Mürz Peda vorgefallen war.

Man muss verstehen, Gusti ist eine zaundürre, bohnenstangen- ähnliche und darüber hinaus mit allen Wassern geschliffene Kneifzange.

Sie ist gut einen halben Kopf größer als ihr Mann und kann daher ganz gut von oben herab auf ihn mit Verbalattacken eindreschen.

Wenn sie mal in Rage kommt, dann kann man sie kaum mehr bremsen. Das gelingt dem Sagler Andi mit seiner kleinkrämerischen Veranlagung schon lange nicht mehr. Da würde Gusti bei einem ihrer Wutausbrüche sich eher noch in Auswegloses hineinsteigern, als einen geordneten Rückzug anzutreten. Zuletzt ganz oben am Gipfelpunkt wartet immer noch die unzähmbare Eifersucht auf einen nicht vorhersehbaren Ausbruch. Der könnte, wenn der Sagler Andi es nicht im Zaum zu halten vermag, ganz schön heftig ausfallen.

Beim Anblick der grünen Unterhose, der durch den seitlichen Schlitz der modischen Hose, freilich ungehemmt möglich gewesen war, hätte beinahe ein Ausbruch der Stärke sechs nach der nach oben unbeschränkten Schimpfskala stattgefunden, wenn nicht der Betroffene selbst die Reißleine frühzeitig gezogen hätte. Zur Hilfe kam ihm Gott sei Dank auch noch seine Soferl, die beschwichtigend auf ihre Mama zusprach.

Der Sagler Andi bugsierte die zwei weiblichen Personen sanft in die Küche. Er drückte seine Gusti auf ihren Sessel und verbot ihr gleichzeitig den Mund aufzumachen. Dann begann er ausführlich über das Zusammentreffen mit dem Mürz Peda, seiner Resi und dem Jagdherrn zu sprechen. Unterbrechungen seitens seiner sich zunehmend beruhigenden Frau duldete er im Moment nicht. Erst nach knapp zwanzig Minuten stand er auf, zog sich die Hose aus und gab sie seiner Gusti mit den Worten:

„So hiatz woasst ois und flick ma bittsche die Hosn wieda zsamm.“

Am Freitag den 21. März 2008 fand wie angekündigt so gegen sechzehn Uhr im Haus vom bereits ernannten Aufsichtsjäger Mürz Peda, im Beisein seiner Resi sowie von Sagler Andi, seiner Gusti mit Soferl und nicht zuletzt von Dietwald Rothgleiber die gewissermaßen entscheidende Generalversammlung statt.

Resi hatte genug Kaffee gemacht und Gusti brachte selbstgemachte Topfenschnitten mit. Soferl bekam von Mürz Peda persönlich einen gesunden Holler Saft, der noch aus der vorvergangenen Herbsternte stammte. Der Vorratskeller im Haus der Familie Mürzschlaghofer ist ja übervoll von gesunden, selbst hergestellten Produkten, die es im Handel nach wie vor schwer haben, verkauft zu werden.

Angefangen von Marmeladen, die neuerdings im EU-Regelwerk nur mehr mit Konfitüre bezeichnet werden dürfen, sowie auch jede Menge von Säften und Liköre waren dort verstaut. Auch Flaschen mit zugekauften Schnäpsen aus der näheren und ferneren Nachbarschaft, ja sogar Wein von der Mosel, standen auf den Regalen im Keller. Resi oder ihr Mann musste lediglich über die Außenstiege in den Naturkeller hinuntersteigen, das diffuse Licht einschalten und griffsicher nach den begehrten Köstlichkeiten ihre Hände auszustrecken. Das taten sie auch heute zur Feier des Tages wieder.

Gestern schon hat der Sagler Andi in seinem Haus in Anwesenheit mit seiner Gusti mit Mürz Peda Vorgespräche geführt. Dabei wurden schon Vorentscheidungen getroffen. Aber definitive Zusagen wollte der Sagler Andi erst in Anwesenheit vom Jagdherrn aussprechen.

So saßen sie halt alle beisammen, tranken Kaffee und Holler Saft, aßen den Topfen solange bis ihre Mägen einen Schlussrülpser ausgestoßen hatte. Dietwald Rothgleiber klopfte dann mit der Kuchengabel leise an das Glas von der Soferl. Und schon hatte er die volle Aufmerksamkeit zu seiner Person hingelenkt.

Man kann ja ohne Weiteres verstehen, dass ein selbstgemachter Topfenkuchen, wo die Milch wahrscheinlich aus den bayrischen Bergen stammt, sehr selten bis gar nicht die Gaumen eines Berliner Stadtmenschen erreicht und diesen überdies noch erfreut. Aber Gaumenfreuden und Geschäftsinteressen sind zwei Paar Schuhe. So wird halt bei einem Norddeutschen das Geschäftliche noch immer den Vorzug erhalten.

Topfenkuchen hin oder her, es blieben halt noch drei mittelgroße Stücke von der Mehlspeise am Teller, der mitten am Eichentisch von Gusti platziert worden war, stehen.

Gusti war in ihrem Innersten überaus geschäftstüchtig. Was man auf alle Fälle behaupten kann, wenn man hier an dieser Stelle nicht das Wort Brotneid verwenden möchte. Sie wollte nämlich die drei übriggebliebenen Kuchenstücke sofort in ihren mitgebrachten Korb verstauen. Böse Blicke von der Resi trafen sie ins Herz und ein kräftiger Fußtritt ins Schienbein folgte von ihrem Mann unterm Tisch.

Dietwald Rothgleiber wiederholte nun vor den versammelten Personen seine Vorhaben, die er im Laufe der nächsten Jahre im Jagdrevier umsetzen möchte. Im speziellen sprach er über die Aufgabengebiete, die sein Aufsichtsjäger Mürz Peda zu erfüllen hat.

Er setzte das Gespräch dann mit feinsinnigen Konturen einer Wahrscheinlichkeit fort. Ob sich nämlich alles so erfüllen wird, wie er sich das in seinen selbstgemalten Bildern vorstellt, liegt zwar im Reich der Illusionen, aber mithilfe der zwei Urbayern könnte es gelingen. Davon war er nach dem Gespräch, insbesondere mit der Gusti, überzeugt.

Man muss nämlich unbedingt noch was wissen. Die Schöngruber Gusti hat in ihrer Familie bei fast allen geschäftlichen Entscheidungen, wie man landläufig es so schön formuliert, wenn die Ehefrau das Sagen hat, die Hosen an. Sie war die aufmerksame Zuhörerin und Nachfragerin bei einigen überaus komplizierten Themen, wie zum Beispiel:

„Wos krieagt er oft nocha, da Andi, wann a do mittuat? I moa wia vü Rewag schaut dabei aussa?“ Oder: „Muass er in da Nocht a beim Jagan dabei sei? Wei des dalab i eahm goar net gern!“

Sämtliche Fragen wurden einvernehmlich unter Zuhilfenahme der profunden Dolmetscherin Resi geklärt und so blieb am Ende auch der Gusti nichts anders mehr übrig zu sagen:

„Du Andi, des tuast, verstehst!“

Der Sagler Andi hatte schon Tage vorher, nach seinem ersten Gespräch mit Dietwald Rothgleiber, die Weichen in seinem Betrieb auf Ausfahrt gestellt. Er hatte schon vorsorglich die Geschäftsleitung mit einem kleinen Druck auf Gehaltserhöhung dahingehend gelenkt, dass er von der Chefetage gezwungenermaßen als unentbehrlich eingestuft werden musste. So senkte er schließlich mit der Eigenmacht des stellvertretenden Filialleiters des Schuhdiskontladens EUKALYP seine verpflichtenden Wochenstunden um ein Drittel ab und erwirkte gleichzeitig von den Oberbossen eine Lohnerhöhung um dreihundert EURO.

Das war der erste Geniestreich, ohne dass seine Ehehälfte dabei einen Muckser machen konnte und der Zweite folgte auf dem Fuße.

Im Dachgeschoß seines Hauses lag, wie in so vielen Haushalten, oftmals nur Gerümpel herum. Nicht so bei Sagler Andi. Er hatte stets darauf geachtet, dass die feuerpolizeilichen Vorschriften, ganz besonders was den Dachboden betrifft, penibelst genau eingehalten wurden. Er wusste auch ganz genau wo und was dort im Laufe der Jahre alles abgestellt worden war. Gut, nicht alles konnte er wissen, weil seine Gusti halt auch das eine oder andere unnötig gewordene Brauchbare klammheimlich hinaufgetragen hatte. Ihrer Meinung nach gab es verschiedene Gegenstände, die sie unbedingt auch aufbewahren wollte. Nur über die Jahre hinweg hat sie selbst ebenso den Überblick in diesen schwer zugänglichen Räumlichkeiten verloren.

Das war die eigentliche Chance wiederum für ihn. Er begann nun im Dachboden mit den zum Teil altersschwachen Möbelstücken, die kreuz und quer herumgestanden sind, in dem einzig vorhandenen, durch eine Tür getrennten Raum, ein kleines Arbeitszimmer einzurichten. Stromanschlüsse gab es genügend. Auch das inzwischen für Fernsehen und Computer unverzichtbar gewordene Koaxialkabel hat er von einem Freund verlegen lassen. Nur die Wasserleitung wurde nie in dieses oberste Geschoß verlegt. Es gab dort oben auch keine Heizung. Aber das tat seiner Idee keinen Abbruch.

Was will er mehr: Er hatte einen Arbeitstisch und zwei oder mehrere Sessel zu Verfügung. Regale, soweit sie notwendig werden, würde er sich noch bei IKEA in Salzburg holen und mithilfe seiner Soferl zusammenbauen. Seine Tochter war ungemein praktisch begabt. Sie konnte ohne große Mühe Schrauben setzen und Nägel einschlagen, nämlich an solchen Stellen, wo sie gar nicht hingehören. Aber Kinder müssen schon im frühen Alter den Umgang mit Werkzeugen lernen. Jedenfalls war der Sagler Andi davon überzeugt. Die Infrastruktur eines neuen Arbeitsplatzes schien vor der Vollendung zu stehen.

Die Aufforderung seiner Gusti `des tuast, verstehst´ war lediglich eine theatralische Inszenierung ihrerseits vor den anderen. Im Wesentlichen galt sie wahrscheinlich dem Dietwald Rothgleiber. Alle Unklarheiten waren nach ihrem Ausspruch für den Sagler Andi und allen anderen beiseitegeschafft.

Bevor sich die Anwesenden nun gegenseitig verabschiedeten, lud der Jagdherr seine zwei neuen Mitarbeiter samt den Frauen, versteht sich, für den nächsten Vormittag zwischen zehn und elf Uhr auf eine Besichtigungstour ins Jagdrevier ein.

Gusti musste gleich absagen, weil sie mit ihrer Soferl außerschulische Vorbereitungen zu treffen hatte und die nicht verschoben werden konnten, weil diese schon eine Zeitlang vereinbart waren.

Der Sagler Andi liebte seine Frau. Das schon. Aber in dem Moment schickte er als gläubiger Christ ein Danke gen Himmel und nicht zuletzt auch an die Schule. Er freute sich auf morgigen Samstag.

Mürz Peda, seine Resi und der Sagler Andi fuhren gemeinsam zur Jagdhütte hinauf. Gegen zehn Uhr dreißig kamen sie dann dort auch an. Mürz Peda kannte das Revier ja schon aus früheren Zeiten und somit auch die Jagdhütte, allerdings nur von außen. Auch die unweit entfernt gelegenen Almen kannte der Jäger bestens. Aber davon wollte er eigentlich in der Gegenwart seiner Resi nichts dazu sagen.

Dietwald Rothgleiber hatte schon auf sie gewartet und führte sie zuerst durch die Räumlichkeiten. Im Anschluss erörterte er seine Ausbaupläne, in die er große Hoffnungen setzte.

Er wollte mit einem größeren Jagdhaus und neu zu schaffenden unterirdischen Garagen- und Lagerplätzen zwar nicht ein Viersterne Blockhaus errichten, aber ein wenig Komfort möchte er für sich und seine Frau, die ja auch fallweise mitkommen wird, schon haben. Abgesehen von den honorigen Jagdgästen, die mit einer Überzahl aus dem Norddeutschen in das geschützte Bayrische eindringen werden und bestimmte Annehmlichkeiten von zuhause gewohnt waren. Das zuletzt Ausgesprochene wurde mit einem verschmitzten Lächeln von Dietwald Rothgleiber direkt in die Augen der Anwesenden hinbegleitet.

Der Mürz Peda war ja kein Anfänger auf diesem Gebiet. Er durfte, seit er die Jagdprüfung besaß, im Auftrag ehemaliger Jagdpächter in der Region zahlreiche Jagdgäste begleiten. Dabei konnte er sich ein respektables Nebeneinkommen erwirtschaften, das wiederum seiner Familie zugutegekommen ist. Genau das erhoffte er sich auch bei dieser Tätigkeit.

Nur jetzt ist er allerdings fixangestellter Aufsichtsjäger mit allen aufgebürdeten Verpflichtungen, aber auch Rechten, die ihm zustehen. Dafür wird er ja auch bezahlt.

Jagdgäste hin oder her!

Das angebotene und übliche Trinkgeld, zum Beispiel für eine Gams, ist ja nicht zu verachten. Auch werden bald wieder Steinböcke zum Abschuss freigegeben. Und so einer bringt natürlich dem Jagdherrn eine ordentliche Summe ein und dem Jagdbegleiter, also dem Mürz Peda, der kann, wenn er es geschickt anpackt, ebenso einen beachtlichen Trägerlohn einstreifen. Weil zusätzliches Büchsentragen, wird immer noch sehr gut honoriert.

Man kann von ihm halten so viel man will, aber eines ist er nicht, nämlich blöd. Der Sagler Andi weiß über die Gepflogenheiten zwischen dem Jagdgast und seinem Begleiter bestens Bescheid. Er, der Sagler Andi, ist gewissermaßen gleichberechtigter Angestellter von Dietwald Rothgleiber. Auch er hat in dessen Auftrag zumindest mittelbaren Kontakt mit den jeweiligen Jagdgästen zu pflegen. Hauptsächlich wird er ja die Organisationen leiten und dann die Rechnungen stellen. Und hier ist der Knackpunkt, der zwischen dem Mürz Peda und Sagler Andi entstehen könnte. Und genau das wollte der Sagler Andi von vorneherein ausgeräumt wissen.

„I bi jo eh mit zwanzg Prozent eivastandn“, sagte der Sagler Andi gegen Nachmittag auf der großzügig angebauten Veranda, als die beiden kurz alleine auf der Bank saßen. Nach langen hin und her einigten sich die beiden mit Handschlag. Diese Art von Vereinbarung ist immer noch maßgebend und hat ihre Gültigkeit. Jedenfalls hier in den Bergen ist das so.

„Na guat, du soist zwanzg Prozent vom Trinkgöd ham du Lump du ausschamter, aba Rechnung kriagst koane von mia, des sog i da glei sonst hoist mas wieda üban Steiaberota zruck, du varuckta Bazi du varuckta.“

Daraufhin folgte nochmals ein kräftiger Händedruck unter Freunden. Dieses Mal vom Mürz Peda an den Sagler Andi und der zählte im Anschluss seine Finger, ob er sie noch alle unversehrt waren.

Alle Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten, die zwischen den beiden in der Luft lagen, waren auf einmal wie weggeblasen. Sie waren auf gut Deutsch ein Team geworden. Gleich darauf kamen die Resi und der Jagdherr mit einer Jause aus der Hütte heraus.

In den nächsten Jahren entwickelte sich das Rothgleiberische Jagdrevier dank der loyalen Mitarbeit von Mürz Peda und dem Sagler Andi zu einem Erfolgsunternehmen. Nicht allein die finanzielle Situation war herzeigbar. Da hatte der Sagler Andi entsprechende buchhalterische Winkelzüge, natürlich nach Absprache mit dem Jagdherrn, einfließen lassen. Die entscheidenden Grundlagen dafür schuf allerdings Mürz Peda. Er verzögerte bei so manchem Jagdgast die Gelegenheit für die gebuchten und bezahlten Abschüsse, sodass die daraus resultierenden Nebenkosten rapide in die Höhe geschnellt sind.

Mürz Peda hatte das Talent und die Kraft dazu, die ganz Gescheiten so lange herumzuführen, bis auch das Wild es kapierte und sich eine Weile in unwegsames Gelände zurückzog.

Je länger so ein Pirschgang dauerte und das konnte schon drei oder noch mehrere Tage sein, stieg nebenbei auch das Trinkgeld oder besser gesagt der Büchsentragerlohn. Und hier war er ehrlich, der Mürz Peda. Korrekt übergab er auch die zwanzig Prozent an den Sagler Andi weiter. Da gab es überhaupt kein Überdenken, weil Handschlag ist ebenso gut, wie jegliches notarische Geschreibsel.

Es kamen auch honorige Jagdgäste, denen der Ruf von Dietwald Rothgleiber schon vorausgeeilt war, sozusagen Geizkrägen oder Neidhammeln zu sein. Die gaben grundsätzlich kein Trinkgeld her. Hier mussten sich Mürz Peda und der Sagler Andi zu helfen wissen. Die Nebenkosten wurden also bei jenen Leuten umgehend soweit erhöht, dass trotzdem ein angemessenes Trinkgeld für die beiden herausgeschaut hatte. Da gab es halt keine Rechnungen.

Eine oder gar zwei Personen, sogenannte spezielle Gäste des Jagdherrn, kamen jedes Jahr. Einer davon war der Versicherungsmensch Dr. Ernest Knöttere. Der war ein ganz durchtriebener Schnorrer. Er bekam ohnehin nur ein billiges Rehwild oder einen verkrüppelten Hirsch für einen Abschuss geschenkt. Nur bei den täglich anfallenden Kosten, wo Didda so tat, als gehe ihm das gar nichts an, da griffen die zwei Fixangestellten schon tiefer als sonst in die jagdgastliche Geldbörse hinein. Außenstehende würden meinen, die Zwei hätten auch noch eine Freude mit ihm. Irgendwie hätten sie schon recht gehabt.

Resi und die Gusti wurden, ob sie wollten oder nicht, zu Kolleginnen. Aber von einer Freundschaft im eigentlichen Sinne zu sprechen, wäre bestimmt nicht richtig gewesen. Bei der sogenannten Generalversammlung am 23. März 2008 haben sie auch zu einem seltengewordenen einheitlichen Gesamtklang beigetragen, nämlich dem Vorschlag zugestimmt, im Jagdhaus, wenn Gäste im Haus waren, mitzuhelfen. Resi sagte zu, sich um das Reinigen und Auswechseln der Bettwäsche zu kümmern. Die Gusti erklärte sich bereit, die Besucher einmal am Tag, nämlich nur am Abend, mit entsprechender Nahrung zu versorgen.

Dietwald Rothgleiber honorierte prompt und großzügig die jeweiligen Arbeitsstunden und bezahlte die Zusatzausgaben, zum Beispiel für Wasch- und Reinigungsmittel sowie für die Lebensmittel, im Voraus. Der Sagler Andi ließ dann diese Nettobeträge mit gewissen Aufschlägen in die Aufstellung der Nebenkosten insgesamt miteinfließen.

Daher gab es stets erhebliche Gewinne in den nicht öffentlich zugänglichen Jahresabschlüssen. Die offiziellen Jahresabrechnungen, wo sämtliche Kriterien zur Vorlage an die Steuerbehörde vom Sagler Andi geschickt eingebaut worden waren, zeigten naturgemäß ein völlig anderes Bild. Dietwald Rothgleiber war happy, so einen Schlaumeier angestellt zu haben und entlohnte ihn daher auch jährlich mit einer sehr bescheidenen Zusatzprämie.

Der Reichtum des Jagdherrn vergrößerte sich daher von Jahr zu Jahr, obwohl die Ausgaben nicht unbeträchtlich gewesen sind. Die Jagdpacht als solches steuerte auf einen Erfolgskurz zu, wenn es nicht zu einem buchstäblichen schwarzen Freitag gekommen wäre ...

Davon wird später noch zu berichten sein.

Die Gusti sieht ja nicht unbedingt wie eine gutgenährte Köchin aus. Ganz im Gegenteil. Sie ist halt eine extrem dünne Person.

Na bitte.

Ob sie nun deswegen auch eine gute Köchin hergibt, mag dahingestellt sein. Jedenfalls ist sie immer für Überraschungen gut genug. Seit Jahren hat sich auch im Berchtesgadener Land das modern gewordene Catering eingebürgert. Jemand der etwas auf sich hält, lässt plötzlich ganze Herr- und Frauenschaften antanzen, die mit all möglichen, aber auch oftmals kaum essbaren Zeugs aufkreuzen. Das gibt’s bei Gusti nicht. Sie ist eine Expertin mit beinahe wissenschaftlichen Erfahrungen in Kulinarik.

Dietwald Rothgleiber ließ sich gewisse Speisen ihrer Kreationen niemals entgehen. So auch jene, um nur ein Beispiel herauszustreichen, die Florianikrapfen. Diese delikate Gaumenfreude entstand eigentlich aus der Komposition einer Fehleinschätzung.

Gusti wollte vor Jahren schon am hohen Feiertag der Feuerwehrleute etwas Besonderes zum Paradeplatz ins Dorf bringen.

Das, was sie ursprünglich servieren wollte, schien missraten zu sein. Aber Wegwerfen wollte sie das auch wieder nicht. Es war einfach schade, schon der Lebensmittel wegen. Und so aßen seinerzeit diese scheinbar missratenen Krapfen nur Freunde und Bekannte sowie die Familie Sagler selbst. Ein für Gusti unerwartetes Hallooooo signalisierte ihr stets Bewunderung. Sämtliche Verkoster wollten plötzlich das Rezept haben. Nicht zur Vorlage für das Krankenhaus, nein selbstverständlich nicht. Es hat allen ausnahmslos geschmeckt, auch dem obersten Dreisternegeneral der Dorffeuerwehr.

Und seit dieser Zeit gab es mindestens einmal im Jahr die Florianikrapfen. Die Rezeptur blieb selbstverständlich streng geheim, nur so viel dazu:

Eine Menge kleiner Quadrate vom Blätterteig ausschneiden, dunkle Schokolade einlegen, Teig oben und Teig unten zusammendrücken, kurz knackig überbacken, dann in den Gefrierschrank. Nach zwanzig Minuten wieder herausnehmen. In der Zwischenzeit mageren Speck und Zwiebeln sehr, sehr fein schneiden und dann in einer Pfanne knusprig anbraten. Auf einem Teller werden sodann die saukalten Krapfen portionsgerecht schön angerichtet. Dann kommt das glühend heiße Speck–Zwiebel-Fettgemisch zu Einsatz. Mit dieser Mischung werden die Krapfen mit einem Löffel fein säuberlich drapiert.

Diese Speise wird auch von eingefleischten Diätlern und Veganern niemals zurückgewiesen. Für die anschließend zwingend erforderliche Magen-und Darmreinigung wird in der Regel ein Voglbeeschnaps oder ein Marmeladewasser herumgereicht.

Mürz Peda, seine Resi sowie der Sagler Andi und seine Gusti lernten auch Agnes Rothgleiber kennen, die leider allzu früh verstorben ist. Sie reiste nie alleine, sondern immer mit ihrem Mann hier her ins Berchtesgadener Land. Mit der Resi und der Gusti pflegte sie eine gute Freundschaft. Darüber hinaus versuchte sie, gemeinsam mit ihnen, auch die ländlichen Gebräuche besser verstehen zu lernen. Für eine durchwachsene Preußin war das schon eine Herausforderung.

Sie kleidete sich auch betont trachtlerisch, wenn sie hier in der Gegend war. Durchaus nicht mit der bodenständigen Tracht, nein das nicht, aber ihre Auswahl an modernen Dirndln war schon beachtlich. So manche Einheimische könnte vor Neid erblassen, wenn man den Kleiderschrank von Agnes im Jagdhaus öffnen wollte.

Aber das wollte sie ohnehin nicht! Auffallen.

Weil alleine ihre Sprache eindeutig dem widersprach, was ihr Auftreten eigentlich ankündigte. Nur manches Mal wurde sie von den untypischen textilen Trachtgeschäften regelrecht missbraucht. Man schwatzte ihr gelegentlich angeblich modische Trachtenbekleidung auf. Offenbar waren es ehemalige Ladenhüter, mit denen sie hierzulande keinen Auftritt hätte wagen dürfen.

Gott sei Dank kamen Resi und Gusti zu Hilfe und die gestandenen bayrischen Weibsbilder brachten das missratene Outfit ohne Kommentar wieder zurück auf den Ladentisch. Die Verkäuferinnen kapierten sofort. Ware zurück. Geld zurück. Aus!

Bei den Schuhen war das ganz was anderes. Im Schuhdiskontladen EUKALYP in Bad Reichenhall war der Sagler Andi ohnehin der Vize Boss. Die Beratungen sowie die Auswahl bestimmter Berg- und Trachtenschuhe verliefen dort anstandslos.

Agnes war im Allgemeinen eine Hutverweigerin. Hingegen hatte sie Taschen im Überfluss und noch dazu in sämtlichen Variationen. Diesen Taschenreichtum verdankte sie ihrer besten Freundin Margaritha, die eine Expertin für Damenhandtaschen ist. Sie ist als Geschäftsführerin in einem Taschenerzeugungsbetrieb in Berlin tätig.

Die Hutgeschichte ist aber eine ganz andere. Grundsätzlich würden ihr niemals Kopfbedeckungen auf ihre Prachthaare kommen. Weil so ein Friseurbesuch ohnehin schon teuer genug ist und die Frisur ja buchstäblich darunter zu leiden hätte.

Das muss man verstehen und so als gegeben akzeptieren. Aber im Wald und auf den felsigen Hochplateaus mitten im Bergland herrschen eben andere Gesetze, als in einer Großstadt wie in Berlin vielleicht.

Hier in den Bergen ist es sehr oft notwendig, so ein stoffliches Zeugs, das sich Hut nennt und hin und wieder auch so ausschaut, sich auf das Haupt verpflanzen zu lassen. Irgendwie war es ja auch so eine Art von Tradition. Frauen mit Tracht und dann noch ohne Hut, wäre beinahe eine öffentliche Beleidigung.

Agnes hörte das gute Zureden von Resi und Gusti sehr wohl. Sie ließ sich aber von den beiden nur ein solches Unikum aufschwatzen. Nach Längerem hin und her entschied sie sich für einen typischen bayrischen Wilderer Hut. Und der passte ihr genauso, wie die Faust aufs Auge. Aber eines stand für Agnes von vorneherein fest: Diese Art von Kopfbedeckung würde sie ganz gewiss nicht nach Berlin mitnehmen. Das sagte sie unmissverständlich, noch dazu in einem feierlichen Ton zu den zwei begleitenden Frauen.

Gut. Zwei Jahre später brauchte sie ohnehin keinen Hut mehr.

Nach dem Tod von Agnes bemerkten Mürz Peda sowie Sagler Andi eine Veränderung im Leben ihres Jagdherrn. Er war jetzt viel öfter in seinem großzügig ausgebauten Jagdhaus mit integrierter Felsengarage und felsigen Lagerräumen. Seine Gäste kamen und gingen. Das Geschäft lief ungebrochen gut. Nur seine Gemütsverfassung ließ hin und wieder zu wünschen übrig.

Aufbrausend oder gar hektisch war er ganz bestimmt nicht und zu seine Mitarbeitern erst recht nicht. Aber er schien zu wissen, dass er seinen Lebensinhalt, ohne seiner Frau Agnes, neue Formen geben müsse, und zwar rasch.

Er hatte eine neue Familie in Berlin, nämlich seine Tochter Elita mit Schwiegersohn Dr. Reinhard Zingarelli und den kleinen Enkel Benjamin. Die besuchten ihn auch manches Mal in seinem Jagdhaus. Ganz verliebt war die Resi in den kleinen Buben. Sie hätte auch schon gerne einen Enkel gehabt, aber da war noch weit und breit bei ihren Söhnen keine Spur zu entdecken.

Nur mit der Jagd konnten sich weder Elita noch ihr Mann anfreunden. Dazu waren sie viel zu sehr tierlieb. Wenn die Familie Zingarelli im Berchtesgadener Land weilte, gab es für den Mürz Peda, aber auch für den Sagler Andi keine Nebenkosten einzutreiben.

Mürz Peda hatte im Revier ohnehin genügend zu tun und wenn nicht, dann genoss er die Freizeit oder arbeitete zuhause in seiner Werkstätte.

Der Sagler Andi nützte ebenfalls die ertraglose Zeit und blieb ein wenig länger in Firma, um seine Minusstunden abzubauen.

Es gab aber noch eine weitere Familie, die sich seit dem Tod von Agnes jedes Jahr ein oder gar zweimal hierher in die Berge verirrte. Es waren die nach Holland immigrierten Deutschen, und zwar: Brunhilde und ihr Ehemann Max Joachim Fichtlzauber mit ihren kleinen Sohn Heintje. Auch dieses Ehepaar verweigerte sich der Hohen Jagd.

Warum, das wusste auch der Mürz Peda nicht. Es gab bei Holländerdeutschen auch keine Nebenkosten zu verrechnen. Die Leute brachten, im Gegensatz zu den anderen, wenigstens essbare Geschenke mit. So ein Laib echt holländischer Käse zum Beispiel hatte schon mal seine fünf bis sechs Kilogramm und der sollte dann auch gerecht nach katholisch christlicher Manier aufgeteilt werden. Wie genau das letzte Mal die Verteilung abgelaufen war, das konnte hinterher niemand mehr mit Bestimmtheit angeben. Aber eines stand schon gleich danach fest: Die Gusti wird mit dieser Aufgabe nie mehr beauftragt werden.

Nur ob das immer ein lupenrein holländischer Käse gewesen ist, das wurde von der Resi arg in Zweifel gezogen. Sie wusste von Insidergerüchten aus der jüngsten Vergangenheit, dass die Flachgauer Bauern im Salzburgerischen sowie auch manche landwirtschaftlichen Unternehmungen im Chiemgau, Käsegranulate nach Holland exportierten. Derartige Transporte geschehen angeblich andauernd. Mit riesigen Sattelzügen, die mit Kesselaufbauten ausgestattet sind, werden die Granulate zu den Käsegenossenschaften nach Holland gekarrt.

Die Brunhilde, das wusste Resi aus Gesprächen mit ihr, ist so eine Chefin von einem dieser Käsegroßbetriebe.

Seit Dietwald Rothgleiber seinen Betrieb in jüngere Hände gelegt und damit auch die Verpflichtungen als Vorstandsvorsitzender der Rothgleiber-Gewerke abgelegt hatte, blieb er sehr oft sogar für eine längere Zeit, nicht mehr als nur ein bis zwei Wochen lang, in seinem Jagdrevier. Die gebirgige Schönheit um ihn wurde langsam zu seiner vertrauten Umgebung. Er war nicht mehr der Preuß, der sich hier heimlich eingeschmuggelt hatte, sondern er genoss auch bei der Dorfgemeinschaft beachtenswertes Ansehen. Dafür hatte schon der Mürz Peda Sorge getragen.

Auch für die Gebräuche interessierte sich der Jagdherr vermehrt. Ganz besonders scharf darauf war er, die Vorzüge des Schnupftabaks kennenzulernen. Hier in Bayern ist der Schmalzler, insbesondere bei Stammtischen in Wirtshäusern ein gerngesehenes Freizeitvergnügen. Der würzige Geschmack des Tabaks, mit wenig zusätzlichen Aromaten, hatte auch Dietwald Rothgleiber in einer launigen Gesellschaft fern seiner Jagdhütte ausprobieren müssen. Das darauffolgende Gelächter, das von den herumsitzenden Einheimischen losgebrochen ist, kann man sich ja bildlich vorstellen.

Nach diesem Intermezzo griff er lieber in die Rocktasche und holte seine Pfeife hervor. Das Pfeifenstopfen mit ausgesuchtem Tabak, im Anschluss dann das zwingend notwendige Anzünden, ist nicht so einfach, wie man es im ersten Moment vermutet würde. Dazu ist nämlich eine Geschicklichkeit erforderlich, die man erst nach jahrelanger Übung etappenweise erwerben kann. Da gehört das Schnupfen von Tabaken in eine der hintersten Kategorien im sportlichen Bewerbe des Tabakrauchens.

Obendrauf ist selbstverständlich die Ruhe und Gemütlichkeit, vielleicht bei einer Halbe Bier oder einer Tasse Kaffee, wünschenswert. In so einem Umfeld pflegte Dietwald Rothgleiber dann seine Pfeife zu rauchen.

Jährlich einmal, meist zur Jagdsaison im September oder anfangs Oktober, spendete Dietwald Rothgleiber, anlässlich einer Bauernherbst - Veranstaltung einen ansehnlichen Betrag zugunsten der örtlichen Jägerschaft sowie den Genossenschaften, die für die Wegeerhaltung verantwortlich sind. Mit dem Geld wurden bereits etliche Hochsitze neu errichtet aber auch hin und wieder Wege instand gesetzt, auf denen die Wanderer zu den zahlreichen Almen gesichert hin spazieren konnten.

Für den Sagler Andi war diese Spendenaktion ein weiteres Manöver gegen den Fiskus. Er erwarb sich dadurch auch große Verdienste.

Weil Spendengelder, die gezielt für das öffentliche Wohl und Interesse verwendet werden, allemal steuerlich einen Absetzbetrag darstellten. Und den nützte der schlaue Fuchs wie kein Zweiter. So erlitt Dietwald Rothgleiber brutto wie netto bei dieser Wohltat kaum finanzielle Einbußen.

Ende September 2014 war es wieder einmal soweit. Der Bauernherbst war eingeläutet und ein Besuch aus Holland stand unangemeldet vor der Jagdhaustür.

Brunhilde, ihr Mann Max Joachim und der kleine Heintje mit sechs Kilo Leerdammer im Gepäck überraschten den kurz davor von der Pirsch zurückkommenden Jagdherrn. Aber über die eigentliche Überraschung wurde erst am nächsten Tag gesprochen.

Resi wurde zum Jagdhaus gebeten, um die Gästebetten vorzubereiten und die sechs Kilo schwerverdaulichen Käse zu übernehmen. In gewohnter Eintracht wollte sie das riesen Drum mit der Gusti nach christlichen Prinzipien teilen. Aber dieses Mal ging das gar nicht, weil die gute Gusti mit ihrer Soferl für eine Woche in das Ausland, genauer nach Telfs in Tirol zu ihrer Tante mütterlicherseits abgereist ist. Ihre Rückkehr würde erst Ende der kommenden Woche sein. Da der Sagler Andi Käse nicht ausstehen konnte und schon gar keinen aus Holland, verschenkte Resi einen Gutteil davon an die Bäuerinnen, die an den Standln beim Bauernherbst ihre selbsterzeugten Waren aller Art verkauften.

Die Überraschung war groß. Dietwald Rothgleiber wurde am nächsten Tag, es war der Samstag, der 28. September von den drei immigrierten Holländern über die Staatsgrenze in den Oberpinzgau verschleppt.

So jedenfalls interpretierte der Mürz Peda das vorläufige Verschwinden seines Jagdherrn vor den Zuhörern am Jägerstammtisch beim Kirchenwirt nach einigen Prisen aus der Schmalzler Dose.

Zwischen Almsommer und Bauernherbst

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