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1. Kapitel. Immelmann, der erste deutsche Luftbezwinger.
ОглавлениеDie „neue Waffe“, die Waffe der Flugzeuge und Luftschiffe, hat sich im großen Weltkriege außerordentlich bewährt. Als der Krieg begann, wussten wir wohl, dass auch in dem kommenden Ringen Zeppeline und Flugapparate eine Rolle spielen sollten, aber kein Deutscher konnte ahnen, dass schon wenige Wochen später in den Luftkämpfen Heldentaten vollbracht werden sollten, die sich ebenbürtig dem Mut und der Tapferkeit unserer Feldgrauen am Gewehr und an der Kanone zur Seite stellen können.
Heute wissen wir, dass der Kaiser als oberster Kriegsherr keiner Truppe verhältnismäßig so viele der höchsten Orden verliehen hat, als gerade der Fliegertruppe.
Und das bezeugt, dass unsere Flugzeuge und Luftschiffe von Helden bedient und geführt wurden, die wieder einmal bewiesen, dass dem deutschen Soldaten nichts unmöglich ist. Wir wurden die Bezwinger unserer vielen Feinde nicht nur zu Lande und zur See, sondern auch in der Luft.
Der erste „Bezwinger der Luft“, der uns in den amtlichen Kriegsberichten genannt wurde, war Max Immelmann. Musste er auch jung sein Leben lassen, so wird dieser Held doch für Jahrhunderte und Jahrtausende fortleben. Neben den vielen großen Helden des Altertums und des Mittelalters und der Neuzeit deren Namen uns schon in der Schule geläufig gemacht wurden, wird Immelmann als einer der glorreichsten genannt werden.
Der „Schmied des deutschen Reiches“, der Eiserne Kanzler Bismarck hatte einmal gesagt: „Niemand in der Welt vermag uns den deutschen Leutnant nachzumachen.“ Wenn der tote Kanzler unsern Immelmann, und wir wollen gleich hinzufügen unsern Boelcke, Parschau, Wintgens, Mulzer, Althaus usw. gekannt hätte, dann hätte er eine glänzende Bestätigung seiner Ansicht gehabt.
Im Juni 1916 erhielten wir die das ganze deutsche Volk, ja die ganze Welt betrübende Nachricht, dass Immelmann tot sei. In den Sielen ist er gestorben (wie Bismarck es sich so oft wünschte), bei Erfüllung des Berufs, den er so sehr liebte, und in dem er, der an Jahren noch junge, aber an kriegerischer Erfahrung und sieghaftem Erfolge so reiche, allen anderen deutschen Fliegern ein Vorbild war. Wir können nur sagen: Jung stirbt, wen die Götter lieben! Süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben. So dachten auch seine Mutter und seine Angehörigen, als sie in der Todesanzeige erklärten, keine Trauerkleidung anlegen zu wollen.
Max Immelmann war uns der Typus des neuen Kämpfers und Bezwingers der Luft. Immelmann war unserm ganzen Volke eine Quelle der Zuversicht. Alt und Jung wusste: mit solchen Leutnants, mit solchen Helden musste es gelingen, die Vernichtungsabsicht, die unsere vielen Feinde gegen Deutschland und Österreich-Ungarn hegten, zu Schanden zu machen.
Max Immelmann war gewaltig gefürchtet von den weißen und farbigen Engländern und Franzosen. Gerade die Franzosen, die uns im Flugwesen vor dem Kriege voraus waren, mussten seine Überlegenheit über alle ihre „Kunstflieger“ mit Groll im Herzen anerkennen. Die Feinde flohen, wenn Immelmann mit seinem Fokker-Kampfflugzeug von ihren Beobachtern gemeldet wurde. Unsere Hauptfeinde, die Engländer, die sich bei ihrer sonstigen Heuchelei und teuflischen Bosheit wenigstens auf dem Gebiet sportlichen Wettbewerbs den gesunden Menschenverstand bewahrt hatten, schrieben ihm in ihren sonst vor Lügen strotzenden Zeitungen wahre Bewunderungsaufsätze. Sie nannten ihn den „Adler von Lille“. Und dabei erschien er infolge seiner Kühnheit, die vor keinem Kampf zurückschreckte, auch an der Übermacht der gegnerischen Flieger nicht, gewappnet wie der „gehörnte Siegfried“ der alten deutschen Heldensage. Immelmann war unser Siegfried der Luft!
Kurz vor seinem Tode gab Immelmann Auskunft über seine persönlichen Verhältnisse. Danach war Max Immmelmann ein „heller Sachse“. Er wurde am 26. September 1890 zu Dresden geboren. Sein aus Stendal in der preußischen Altmark stammender Vater besaß eine Kartonagenfabrik in Dresden. Seine Mutter wurde als Tochter eines Generalauditeurs in Dresden geboren.
Der Name „Immelmann“ wird mit „Imme“ oder „Biene“ in Verbindung gebracht. Das deutete unser Held so, dass seine Vorfahren wahrscheinlich Bienenzüchter in der Mark gewesen sind. Das Familienwappen zeigt drei fliegende Bienen. Dass Max der Bienenmann gut fliegen und tödlich stechen konnte, das haben die von ihm aus der Luft herab geholten Engländer und Franzosen gut erfahren!
Die Imme, im Althochdeutschen „imbi“ oder „impi“ bedeutet nicht etwa das waffenlose Männchen, die Drohne (althochdeutsch „tremo“ griechisch „tethremi“) sondern die stachelbewaffnete Arbeitsbiene. Im Hoch deutschen ist das Wort nur noch in der Bezeichnung „Imker“ gebräuchlich. Mundartlich hört man Imme noch im schwäbischen Lande, wie in dem bekannten Gedicht: „Die Imbli hent g‘soge, hent g‘floge, hent Zelli gebaut“. Max Immelmann war also eine wehrhafte Biene, die mit scharfem Stachel die Feinde zu Fall brachte.
Noch bezeichnender ist daher sein Name wenn man der Ableitung weiter nachgeht und ihn mit dem griechischen „empis“ in Verbindung bringt, was so viel wie „Stechmücke“ bedeutet.
Seine ersten Jugendjahre verlebte Max Immelmann auf einem sogenannten Weinberge der Loschwitzer Höhen bei Dresden, wo sein Großvater ein Landgütchen besaß. Er soll ein stiller ruhiger Junge gewesen sein, der aber nie das einmal gewollte Ziel aus den Augen ließ. Sein Vater war kränklich und die Mutter zog daher mit dem Manne und dem jungen Max viel von einer Lufterholungsstätte zur andern. So konnte Max Immelmann schon vor Beginn seiner Schulzeit zweimal eine Alpenreise machen, die ihn auch nach Meran in Tirol führte.
Als der Vierjährige die Bergesriesen der Alpen hoch in die Luft ragen sah. sagte er oft zur Mutter: „Kann man da oben nicht hinaufkommen?“
„Jetzt noch nicht lieber Junge“ antwortete die Mutter „so weit können deine Füßchen noch nicht wandern, und fliegen wie die Vögel kann der Mensch nicht.“
„Warum kann denn der Mensch nicht fliegen. Mutti? Die Vögel fliegen doch auch.“
„Der Mensch hat keine Flügel, mein Söhnchen“ erwiderte die kluge Mutter.
Der Wissbegierige war aber noch nicht zufrieden gestellt. Nach Art kluger Kinder fragte er weiter: „Mutti, gibt es nicht einen so großen Vogel, auf den man sich aufhucken kann, um in die Lust und auf die hohen Berge zu fliegen?“
„Auch einen so großen Vogel gibt es nicht. Nur auf einem Pferd kann man reiten, nicht aber auf einen Vogel.“
„Das ist aber schade“ bedauerte der Kleine. „Ich würde einmal gern hoch in die Luft fliegen.“
Der Knabe ahnte nicht, dass keine zwanzig Jahre später sein Wunsch in Erfüllung gehen sollte und er als einer der ersten „Bezwinger der Lüfte“ Höhen noch höher als die Alpenberge auf einer mechanischen Taube erreichen sollte! — Seinen ersten Unterricht erhielt Max Immelmann in den Jahren 1897 bis 1899 in der Gemeindeschule des Sanatoriums „Weißer Hirsch“ bei Dresden. Dorthin war die Familie mit dem kranken Vater übergesiedelt. Der Vater starb daselbst an der Lungenschwindsucht. Die Mutter kehrte mit ihrem Max, der ein kräftiges Bürschchen zu werden versprach, noch Dresden zurück und brachte ihn in der vierten Bürgerschule unter. Als er zehn Jahre alt war, trat unser Held in die Sexta des Königlichen Gymnasiums zu Dresden ein, vertauschte diese Schule aber bald mit dem Martina Catharineum zu Braunschweig.
Mit der Schule und ihren Anforderungen in allen Fächern, konnte sich Max Immelmann zunächst gar nicht auf einen guten Fuß stellen. Die Halbjahrszeugnisse wiesen stets einige „mangelhaft“ auf. Er musste „repetitionis causa“ — der „Wiederholung“ halber, wie er sich als Leutnant später ausdrückte — zwei volle Jahre die Bänke der Quinta drücken. Dass dieser Junge später einmal sich einen Namen in der Weltgeschichte erwerben könne, haben seine Magister damals und auch während seiner späteren Schulzeit nicht geahnt, überhaupt nicht für möglich gehalten. Max Immelmann ist also wieder ein Beweis dafür, dass aus schwachen Schülern oft die bedeutendsten Männer des Lebens werden!
Er war nicht für die Schule geschaffen. Ein mächtiger Drang nach Freiheit brach in den Quartaner- und Tertianerjahren in ihm durch. Er fand es schließlich langweilig, ruhig auf der Schulbank zu sitzen und den Worten des Lehrers zu folgen. Ein mächtiger Drang nach Freiheit brach in dem Jungen durch. Die Zensuren in Betragen bewiesen dies der Mutter bald.
Es wurden die Kampfspiele und auch ein bisschen Raufen und Katzbalgen mit den Kameraden seine liebste Unterhaltung.
Schon damals trat denn auch seine einseitige geistige Begabung hervor: er hatte fast nur noch Intresse für alles, was Maschine hieß. Wurde der Elf- oder Zwölfjährige gefragt, was er einmal werden wolle, so klang ruhig aber bestimmt seine Antwort: „Ich will Ingenieur werden!“
Seine Mutter siedelte von Braunschweig wieder nach Dresden über und brachte auf Anraten verwandter Offiziere den Sohn 1905 in das königliche sächsische Kadettenkorps. Die straffe militärische Zucht der Kadettenanstalt war in der Folge recht wohltätig für den vaterlosen Knaben.
Infolge seiner Lust am Maschinenwesen zeigte Max Immelmann von der Tertia an sehr guten Fleiß in den mathematischen Fächern. Die Physikstunden waren ihm die liebsten und er konnte seiner besorgten Mutter bald Halbjahrszeugnisse vorlegen, in denen in Mathematik und Physik das Urteil „sehr gut“ prangte. Seine Kameraden überragte er in diesen Fächern ganz bedeutend: in den freiwilligen Urlaubsstunden saß er im Apparatesaal und experimentierte auf eigne Faust. Der Lehrer übertrug ihm sogar die Aufsicht über die Apparatespinden. Seine kleine Privatbücherei umfasste bald eine ganze Reihe von physikalischen und maschinentechnischen Schriften. Auch Abenteurererzählungen und Kriegsgeschichten las er gern. Abenteuerliche Erzählungen, die in phantastischer Weise die Eroberungen der Luft als Zukunftsideal schilderten, wurden mit großem Interesse von ihm gelesen. Der zukünftige erste deutsche Bezwinger der Luft legte bereits den Keim zu seinen späteren glorreichen Erfolgen.
Seine Vorliebe für das Maschinenfach wurde immer größer und an dem streng geregelten, scharf beaufsichtigten Leben im Kadettenkorps fand er nicht mehr die rechte Freude.
Eine Bekannte der Familie schrieb über Immelmanns Kadettenzeit im Juni 1916 folgendes:
„Der plötzliche Tod eines unserer Größten, des kühnen Helden der Luft, Max Immelmann, ruft auch in mir eine Erinnerung an den Mann wach, der heute in aller Munde lebt. Lange liegt das zurück. Ich ging noch zur Schule und verbrachte die Ferien oftmals bei meiner Freundin, die eine Base Immelmanns ist, und deren Eltern in der Nähe Dresdens ein Besitztum mit einem großen Garten hatten. Dort lernte ich ihn auch eines Tages kennen. Er war gerade damals Kadett in der Residenz und kam an dienstfreien Nachmittagen mit seinem Rad auch manchmal nach Deuben hinausgefahren.
Noch ganz deutlich sehe ich ihn vor mir. wenn er in seiner blauen Uniform so plötzlich in unsern Kreis hereingeschneit kam, immer ein frohes, sorgloses, heiteres Lächeln auf seinem frischen Knabengesicht. Dann tollten wir gemeinsam durch den Garten, kletterten auf die Obstbäume oder schaukelten so lange um die Wette, bis uns Mädchen schlimm und übel wurde. Aber das, was uns schon damals Bewunderung für ihn entlockte, waren seine Radkunststückchen. Er vollführte mit größtem Wagemut die tollsten Sachen. Fuhr rückwärts — kroch während des Fahrens immer zwischen beiden Rädern durch oder stand gar mit dem Kopf auf dem Sattel. Da bei war die Straße vorm Hause bergig und hügelig, doch das schien ihn nicht im Mindesten zu genieren. Er versuchte und probierte alles und hat wohl schon damals an seinem Zweirad unbewusst seine Kühnheit für seine spätere Fliegertätigkeit erprobt. Schon wenn er ankam. Ein schrilles Klingeln ohne Unterbrechung, und ehe man nach ihm ausschauen konnte, war er da — wie der Blitz. Und wenn er wegfuhr, war es das Gleiche. Er schwang sich auf sein Stahlross, und fort ging‘s in rasendem Tempo: so dass die friedlich auf der Straße spielenden Kinder kreischend auseinanderflohen und Hühner und Gänse flatternd das Weite suchten.
Und war sein blauer Rock dann gleich einem immer kleiner werdenden, enteilenden Punkte um die letzte Ecke entschwunden, so bildete Max und seine Kühnheiten das Tagesgespräch. Das währte mindestens ein Stündchen.“
Immelmanns Mutter die innerlich mit großer Sorge der einseitigen Entwicklung ihres Sohnes wahrnahm, beugte sich schließlich seinem immer wieder ausgesprochenen sehnlichen Wunsch, schon mit Primareife aus der Kadettenanstalt in das Heer einzutreten. Später aber änderte er doch seine Pläne und bestand sogar mit Leichtigkeit die Abgangsprüfung. Ostern 1911 verließ er die Kadettenanstalt.
Gleich darauf trat er, um seiner Mutter und seinen Verwandten zu gefallen, als Fähnrich beim Eisenbahnregiment Nr. 1 in Berlin-Schöneberg ein. Aber innerlich konnte er immer noch nicht seinen Lebenslauf als Berufssoldat sich vorstellen. Er wäre auch noch lieber als zu den Eisenbahnern nach Berlin, zu den sächsischen Pionieren nach Riesa gegangen.
Berlin mit seinen mannigfachen Anregungen fesselte den jungen Fähnrich in vieler Beziehung. Namentlich setzte er seine Liebhabereien für den Maschinenbau fort. Die Motore ließen ihm keine Ruhe. Das Motorrad war seine Beförderungsart auf feinen täglichen Ausflügen in die Berliner Umgebung. Wenn der soldatische strenge Dienst beendet war und andre Kameraden beim schäumenden Schoppen saßen, schwang sich Max Immelmann auf sein Motorrad und sauste im Lederkleide davon.
Im August 1911 wurde er nach der Kriegsschule in Anklam befohlen und blieb dort bis zum März 1912.
Die Motoren ließen ihm aber auch in der pommerschen Kriegsschule keine Ruhe. Der Motor war ihm bald ein völlig vertrautes Ding. So nahm er eines Tages sein Motorrad vollständig bis zur letzten Schraube auseinander und setzte es am nächsten Tage wieder vollständig kunstgerecht zusammen. Sogar die übliche Mittagsmahlzeit an der gemeinsamen Tafel der Kameraden vergaß er darüber, sodass sie ihn am Abend mit den humoristischen Worten begrüßten: „Mäxchen du lebst wohl nur noch von Öl und Benzin!“
„Wichtiger als Kartoffel, Fleisch und Alkohol ist auch Öl und Benzin“ erwiderte lachend Immelmann.
Der Dienst bei der Truppe war ihm aber inzwischen immer mehr unbefriedigend geworden. Er war ein Mann der Maschine und das so notwendige Gleichmaß des täglichen militärischen Friedensdienstes gab ihm nicht genug zu tun. Er war eben eine Tatnatur wie sie die moderne Technik gebraucht.
Seiner Mutter schrieb er dies in allen Briefen. Und dann handelte er. Kurz entschlossen nahm er im Mai 1912 seinen Abschied und ließ sich als Student der Maschinenbaukunde an der Technischen Hochschule in Dresden einschreiben. Er wurde im soldatischen Verhältnis gerade an dem Tage zur Reserve überschrieben, als seine Kameraden an der Kriegsschule Anklam zu Leutnants befördert wurden. Ein einziges Mal in seinem Leben hat er bereut, dass er schon vor der Beförderung zum Offizier den Abschied nahm, das war, als der Weltkrieg ausbrach und er nicht sofort ins Feld ziehen konnte.
Zwei Jahre, bis zum August 1914 studierte er nun in Dresden. Selten hat es einen eifrigeren Studenten der Maschinenwissenschaft gegeben als Max Immelmann! An den studentischen Bummeleien und jugendlichen Vergnügungen fand er wenig Gefallen.
Immelmann war dabei eine straffe Jünglingsgestalt! er hatte nichts vom Stubenhocker an sich. Sein prächtiger Wuchs zeigte stets auch im Hörsaal und im Maschinenlaboratorium eine stramme soldatische Haltung. Das blonde Haar trug er über dem rechten Auge gescheitelt. Seine Stirn war eine hohe Denkerstirn, seine Augen blickten freundlich. Sein Mund konnte oft recht sarkastisch lächeln.
Immelmann war auch — was bekanntlich sehr selten ist — ein abstinenter Student! Den Alkohol mied er, das Rauchen hatte er sehr eingeschränkt.
Seine noch erhaltenen Niederschriften und Ausarbeitungen aus der Studentenzeit zeigen von einem hohen wissenschaftlichen Denken und seine kurzen treffenden Sätze sind mathematisch aufgebaut, wie er sich seine Maschinen — besonders den Motorbau — dachte. Wäre er nicht der große deutsche Fliegerheld gewesen, so wäre er gewiss einer der größten deutschen Techniker geworden.
Während der Studentenzeit trieb er auch weiter eine rege sportliche Betätigung. Sein Fach war nach wie vor Motorrad und Autosport. Er hätte auch auf den Motorrennbahnen eine gute Figur gemacht. — Es wurde ihm dazu auch von Freunden geraten, aber der Natur Immelmanns widerstrebte ein öffentliches Auftreten. Und gerade dieser Jüngling hat wenige Monate später seinen Namen für alle Zeiten in die Reihen der von allen jetzigen und kommenden Geschlechtern genannten deutschen Kriegshelden eingetragen.
Als der Sturm der Begeisterung beim Kriegsausbruch durch die deutschen Jungmannschaften brauste, als zwei Millionen von Freiwilligen jeden Alters sich zum Eintritt in das Heer meldeten, als Schulen, Hörsäle und Werkstätten verlassen wurden, um für Deutschlands Macht und Ehre einzutreten, da trat auch Max Immelmann wieder ins Heer.
Er wurde am 18. August 1914 zunächst wieder in seinen alten Truppenteil, in das Eisenbahnregiment Nr. 1, in Berlin-Schöneberg eingestellt.
Als Freund des Motors machte er unter Hinweis auf sein Lieblingsstudium ein Gesuch um Einstellung in eine Fliegertruppe. Von Tag zu Tag wartete er auf Bescheid.
„Es muss mir gelingen,“ sagte er zu seinen Kameraden, „es ist gewiss ehrenvoll, als Eisenbahner Brücken und Bahnen für die Kämpfenden und so schnell vorrückenden Truppen zu bauen, aber das herrlichste muss doch sein, seinen Motor im Flugzeug durch die Lüfte zu schrauben und im blauen Äther mit der neuen Waffe zu kämpfen.“
Und es gelang ihm auch. Sein Gesuch wurde genehmigt. Am 13. November 1914 wurde er zur Fliegerschule nach Johannisthal bei Berlin abkommandiert.
Der Zufall fügte es, dass in der Fliegerabteilung, die damals als eine der ersten auf dem sonst friedlichen Wettbewerb dienenden Flugplatz Johannisthal für das Kriegsheer eingerichtet wurde, neben Immelmann auch der später berühmt gewordene Leutnant Boelcke mit ausgebildet wurde.
Immelmann und Boelcke wurden die beiden Vorkämpfer der Deutschen Kampffliegerei. Sie wurden die beiden ersten, die den höchsten preußischen Kriegsorden, den Pour le mérite, erhielten.
Bescheiden sagte Immelmann später von sich, dass er auf der Fliegerschule Johannisthal ein ,,guter Durchschnittsschüler“ gewesen sei. Der Durchschnittsschüler zeigte aber bald durch seine Ruhmes-Taten, dass er ein Meister, in seinem Fache war!
Im Herbst und Winter 1914 machte Immelmann seine Probeflüge über Berlin und Umgegend. In der Reichshauptstadt und in der Mark Brandenburg sieht man täglich Flieger in den Lüften ihre Kreise ziehen.
Aber wer ahnte, dass gerade einer dieser vielen Flieger der erste Meister unter den Bezwingern der Luft werden würde!
Abgesehen von einigen Schrammen und einer kleinen Verstauchung der — Nase, die er sich bei einem Gleitflug zuzog, ging Immelmanns Fliegerausbildung glatt von statten. Den Motor beherrschte er meisterhaft, mit dem Flugzeug-Maschinengewehr wusste er in kurzer Zeit fertig zu werden. Ihm war das Flugzeug der mathematische Körper, mit dem er im unendlichen Lufträume operierte.
Sehr schnell machte unser Held die vorgeschriebene Kriegs-Flieger-prüfungen, am 9. Februar 1915 die erste und am 11. Februar schon die zweite. Manch anderer Flugschüler hat dazu Monate gebraucht, wozu Immelmann nur drei Tage brauchte. Schon am 26. März 1915 legte er die dritte und schwerste Feldflieger-Prüfung mit ausgezeichnetem Erfolge ab.
Seine Vorgesetzten waren jetzt schon auf den Tüchtigen, der bei aller Begabung so bescheiden im Auftreten und Umgang war, aufmerksam geworden und erhofften von ihm Großes. Er hat die Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern übertroffen.
Im April 1915, als der gewaltige Krieg schon 8 Monate wütete, erhielt Max Immelmann den sehnlichst erwarteten Befehl zum Ausrücken an die Westfront. Begeistert teilte er seiner Mutter die Nachricht mit.
Zuerst kam der jung ausgebildete Feldflieger Unteroffizier Immelmann zu einer Abteilung, die auf den blutgetränkten Kalkgefilden der Champagne ihre Tätigkeit entfaltete. Zu Luftkämpfen gelangte Immelmann hier noch nicht. Er hatte nur tägliche Erkundungsflüge zu leisten, brachte aber wertvolle Meldungen über französische Truppenbewegungen.
Vier Wochen später, im Mai 1915 kam er sodann in das Gebiet seiner ersten so erfolgreichen Tätigkeit, nach Nord-Frankreich, hier wurde er bald der „Überhabicht“. der „Adler von Lille“ — zwei ehrende Bezeichnungen, die ihm seine Feinde, die Engländer, bald beilegten.
Auch den ganzen Sommer 1915 hindurch machte Immelmann nur Erkundungsflüge.
Das Flugzeug ist ja auch ein außerordentlich wertvolles Mittel der Aufklärung im Weltkriege geworden. Noch in den Deutschen Einigungskriegen — namentlich 1870/71 — war die Reiterei das „Auge der Armeen“. Diese Eigenschaft hat im Weltkriege das Flugzeug übernommen, unterstützt durch' den Fesselballon, von dem wir später noch sprechen werden.
Die Flieger können mithin das Kampffeld und das Gelände hinter diesem aus luftiger Höhe überschauen, können Einblick gewinnen nicht nur in die Stellung des Gegners, sondern können auch über die Versammlung und den Anmarsch seiner Reserven berichten. Gerade im modernen Stellungskriege, wo die Schlachtlinien sich kaum merkbar vom Gelände abheben, wo die Schützenlinien wie die Batterien hinter und unter Erddeckungen verborgen sind, die auf kunstvolle Weise dem Auge entzogen werden, gelingt die erforderliche Aufklärung häufig einzig und allein durch die Beobachtung vom Flugzeug aus. Daher ist nicht nur die Tätigkeit des Fliegers selbst, sondern auch die des ihm beigegebenen Beobachters von der allergrößten Bedeutung. Beide sind der gleichen Gefahr ausgesetzt, beide müssen Nerven von Stahl haben. Und die besaß unser Immelmann, das hat er bis zu seinem Tode' gezeigt.
Am 1. August 1915 unternahm unser Held dann seinen ersten Kampfflug und zwar auf einem Eindeckerapparat nach dem System Fokker. Und am gleichen Tage hatte er seinen ersten Erfolg: eine halbe Stunde nach seinem Aufstieg lag ein Feind, eine Beute, zerschmettert mit seinem englischen — oder vielmehr „neutral“ amerikanischen — Flugzeug am Boden!
Das war ein glückverheißender Anfang!
In den ersten Wochen seiner Kampftätigkeit flog Immelmann abwechselnd Doppel- und Eindecker: vom September 1915 aber benutzte er nur noch die sich ausgezeichnet bewährenden Fokker - Eindecker.
Am 15. Juli 1915 war Immelmann schon zum Offizier befördert worden. Am 18. April 1916 wurde er — was hier gleich bemerkt werden mag — Oberleutnant.
Bis zum Herbst 1915 war der „Fliegerleutnant Immelmann“ in weiteren Kreisen noch nicht bekannt, nur seine Vorgesetzten und seine engeren Kameraden der Feldfliegertruppe kannten ihn genauer und wussten seinen Wert zu schätzen. Aber am 11. Oktober 1915 kam der Name in die breiteste Öffentlichkeit. Der so kurze militärische Heeresbericht nannte ihn zum ersten Male als „Held“, indem er meldete, dass Leutnant Immelmann den vierten Engländer in den Lufttod befördert hatte.
Man wurde allgemein aufmerksam auf diesen sächsischen Flieger
und hörte dann auch bald mehr von ihm. Als er den achten Gegner zur Strecke gebracht hatte, wurde er als Ritter des Ordens Pour le mérite im amtlichen Heeresbericht verzeichnet. Nach kurzer Zeit hatte der Held auch die höchste sächsische Auszeichnung, das Kommandeurkreuz des Heinrichsordens erhalten. Dass er das Eiserne Kreuz erster und zweiter Klasse schon vorher hatte, versteht sich von selbst. Dazu kamen dann noch eine Reihe anderer Kriegsorden.
Selten ist in der Kriegsgeschichte aller Zeiten ein Jüngling in den zwanziger Jahren mit so hohen Auszeichnungen belohnt worden, wie unser „Adler von Lille“, unser Volksheld Max Immelmann.
Wir werden von seinen kühnen Taten im nächsten Abschnitt unseres Buches erzählen. Als er am 18. Juni 1916 seinen letzten Flug gemacht hatte, klagte W. Geisenheyner:
Nun hat der große Flieger dich geholt,
Der stets um deine Bahn gekreist.
Nun hat mit einem Griff er kalt und dreist
In deines Vogels Fittiche gefasst
Und ihn zerdrückt zu plumper Eisenlast. —
Jäh, wie ein Stern schoss er herab,
Zog letzte Glanzspur und verblich.
Doch jeder fühlt es tief in sich:
Als Last und Mensch zerschmettert war.
Erhob sich himmelan ein Deutscher Aar!