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Kapitel 01: Erlebnisse und Beobachtungen in den Vorkriegsjahren und dem ersten Jahr des Krieges
ОглавлениеIch schreibe diese Zeilen aus dem Gedächtnis, da ich damals kein Tagebuch führte. Aus diesem Grunde werde ich mit der Nennung von Namen und Daten vorsichtig sein, sofern ich nicht absolut von ihrer Richtigkeit überzeugt bin.
Ich wurde im Jahre 1839 im Bezirk St. Landry Parish in Louisiana geboren. Im Alter von etwa 14 Jahren wurde mir aus den Gesprächen der Erwachsenen erstmals bewusst, dass im Norden und Süden unserer Nation unterschiedliche Ansichten zur Institution der Sklaverei herrschten. Mein Vater war ein aufmerksamer Zeitungsleser und verfolgte die Fragen, welche die Nation bewegten, mit großem Interesse. In seinen jüngeren Jahren war er ein Sklavenaufseher in Texas und später in Louisiana gewesen und so kannte er sowohl die vorteilhaften als auch die unmenschlichen Seiten der Sklaverei aus eigener Erfahrung. In Texas hatte er die Aufsicht über 15 "lebhafte Schäfchen" (wie er sie nannte) geführt, die frisch aus ihrem Geburtsland eingetroffen waren und die er während General Santa Annas Invasion von Texas vom Brazos River aus nach Louisiana brachte. [Anm. d. Übers.: Obgleich der internationale Sklavenhandel in den Vereinigten Staaten seit 1808 verboten war, wurden besonders in den Wirren der Texanischen Revolution (1835-1836) zahlreiche Sklaven über Kuba nach Texas geschmuggelt und von dort aus weiterverkauft.] Mein Vater war durch seine Arbeit zu der Überzeugung gelangt, dass die durch unmenschliche Sklavenhalter verübten Grausamkeiten dermaßen gravierend waren, dass eine aufgeklärte und humane Gesellschaft zweifellos früher oder später auf die eine oder andere Weise das Ende dieser Institution herbeiführen würde. Er befürchtete, dass dies durch einen Krieg geschehen könne, da sowohl im Norden als auch im Süden die Aufwiegler das lauteste Wort zu führen schienen und die gemäßigten Staatsmänner offensichtlich in der Minderheit waren. Sollten die Dinge nicht schon bald einen anderen Verlauf nehmen, so war damit zu rechnen, dass unweigerlich der Boden zahlloser Schlachtfelder das Blut der jungen Männer trinken würde.
Die Überzeugung meines Vaters war bereits damals unpopulär und wurde im Laufe der Jahre bei der Bevölkerung nur noch unbeliebter, sodass er sie schließlich nur noch gegenüber seinen engsten Freunden äußerte, für die der freie und ungehemmte Meinungsaustausch selbst bei kontroversen Themen eine Selbstverständlichkeit darstellte. Die hitzköpfigen Politiker und Prediger schienen die öffentliche Meinung nach Belieben formen zu können, ohne sich dabei um das Wohl der Nation zu scheren. In Nord wie Süd verwies man auf die Bibel und die Verfassung, um die Richtigkeit und Gerechtigkeit des eigenen Standpunktes zu beweisen. Die Prediger sahen Gott auf ihrer Seite und hatten entsprechende Bibelpassagen parat, während die Politiker die Verfassung zitierten und überzeugt waren, "Gott und sämtliche zivilisierten Nationen" auf ihrer Seite zu haben. Unter dieser kompromisslosen Rhetorik wuchs eine Generation von kämpferischen, selbstsicheren Männern heran und so musste schließlich Blut fließen. Blut erschien ihnen als die einzige Lösung und es wurde wahrlich genug davon vergossen.
Mein Vater hielt unseren überwiegend von Negern besiedelten Distrikt für einen denkbar schlechten Wohnort während des Krieges, von dessen baldigem Ausbruch er so fest überzeugt war, und so verkaufte er Haus und Hof und wir zogen nach Texas, wo wir uns im Juni 1856 bei Wiess Bluff in Jasper County niederließen. Dort machte mein Vater die Bekanntschaft von Simon Wiess, einem belesenen und intelligenten alten Herrn, der die Ansichten und Befürchtungen meines Vaters teilte, sich dem drohenden Unglück jedoch auf andere Weise zu entziehen trachtete. Ich hörte ihn meinem Vater gegenüber anmerken, dass er versuchen wollte, seinen Besitz ohne allzu großen Verlust zu verkaufen und in die Republik Mexiko zu ziehen, um seine Söhne vor dem Heeresdienst zu bewahren. Während wir bei Wiess Bluff lebten, hörte ich außer Vater und Wiess niemanden jemals von einem Krieg sprechen.
Im Jahr 1859 zogen wir nach Beaumont, Texas und dort gab es nur wenige hitzköpfige Kriegstreiber, allerdings waren die wenigen, die ihre Stimme erhoben, über alle Maßen radikalisiert. Man hörte Behauptungen wie: "Ich kann jederzeit meine wenigen Neger bewaffnen und selbst die können eine ganze Kompanie Yankees in den Norden zurückjagen" oder: "Ein einziger Südstaatler kann mit seiner überlegenen Schießkunst all die verdammten Blaubäuche niederschießen, sobald sie in Sichtweite kommen." Tatsächlich hörte ich vor dem Krieg und auch noch in den ersten Kriegsmonaten die häufig geäußerte Meinung, dass der Krieg lediglich ein kurzes Abenteuer sein würde und nur die allerersten Freiwilligen Gelegenheit haben würden, an dem Spaß teilzuhaben. All diese Parolen überwältigten mühelos mein bisschen gesunden Menschenverstand und so glaubte ich den Politikern das meiste und den Predigern alles, da diese ja auf die Heilige Schrift verwiesen. Jenen Ansichten, wie sie mein Vater vertrat, begegneten wir jungen Männer damals so, wie die Jugend stets den Meinungen des Alters begegnet: Sie mochten durchaus ihre Berechtigung haben, erschienen uns jedoch schlicht nicht zeitgemäß.
Ich saß gerade auf dem Dach eines zweistöckigen Hauses und verlegte die letzten Schindeln, als Kapitän William Rogers angelaufen kam und die Kapitulation von Fort Sumter sowie die folgende Kriegserklärung verkündete. Die Neuigkeit hatte ihn durch einen Flussdampfer erreicht, der gerade aus Sabine Pass eingetroffen war. Ich machte mir Sorgen, mich womöglich nicht mehr rechtzeitig zu den Soldaten melden zu können, da ich ja noch mein Dach fertigdecken musste und so arbeitete ich hastig weiter und löcherte dabei Kapitän Rogers mit Fragen. Sobald die Arbeit vollbracht war, erklärte ich Rogers, dass ich am nächsten Tag die Eisenbahn nach Houston, und falls notwendig gar nach Galveston, nehmen wolle, um mich auf irgendeinem Wege bei einem Regiment zu verpflichten. Rogers erklärte sich bereit, die Hälfte meiner Fahrtkosten zu zahlen. Am folgenden Tag sicherte ich mir also einen Platz in einem Güterwaggon und traf einige Stunden später in Liberty ein, wo ich auf eine Handhebeldraisine umstieg und mir die Seele aus dem Leib pumpte, bis ich Houston erreichte. Ich traf gegen Einbruch der Nacht dort ein und begann sogleich, mich nach den örtlichen Rekrutierungsbüros zu erkundigen. Es stellte sich heraus, dass noch keine organisierte Anwerbung von Freiwilligen stattfand, aber mit dem baldigen Beginn derartiger Bemühungen zu rechnen war. Man gab mir zu verstehen, dass ich mir keine Hoffnungen auf Erfolg zu machen bräuchte, da sämtliche jungen Burschen der Stadt bereits begierig seien, sich bei der ersten Gelegenheit zu den Fahnen zu melden. Ich begab mich also am nächsten Tag nach Galveston, doch dort erging es mir nicht anders als in Houston und so nahm ich das erste Dampfschiff zurück nach Liberty. Hier kam mir zu Ohren, dass ein Mann namens Bryan im Begriffe war, eine Kompanie Soldaten aufzustellen und so lief ich unverzüglich zu seinem abseits des Ortes gelegenen Haus. Er teilte mir mit, dass er die örtlichen Jungs bevorzugte und hoffte, genug von ihnen zusammenzubekommen, doch ich wollte mich mit dieser Absage nicht zufriedengeben und konnte ihn schließlich überzeugen, Rogers und mich in die Stammrolle seiner Kompanie aufzunehmen. Ich kehrte für einige Tage nach Hause zurück, bevor ich nach Lynchburg ging, wo ich vereidigt wurde. Hier verbrachten wir einige weitere Tage, bis wir nach Richmond, Virginia geschickt wurden. Rogers hatte eine Stellung auf einem Dampfschiff angenommen und war deshalb nicht gemeinsam mit mir vereidigt worden. Auf unserem Weg nach Richmond kamen wir durch Beaumont, wo sich weitere Rekruten der Kompanie anschlossen und auch während wir Louisiana durchquerten, stießen einige Männer zu uns.
Die Abschiedsworte meines Vaters lauteten: "William, ich habe diese Tragödie schon seit Jahren kommen gesehen und die Entwicklung der Dinge ist zweifellos reiner Wahnsinn, da der Süden nicht die geringste Aussicht hat, diesen Krieg zu gewinnen. Der Norden wird unsere Seehäfen blockieren und nicht nur über eine Übermacht an Menschen und Material verfügen, sondern sich zudem noch aus dem unbeschränkten Handel mit der gesamten Welt verstärken. Wenn du lebendig aus dem Krieg zurückkehrst, wirst du wissen, dass meine Vorhersagen eingetroffen sind. Ich bin stets ein entschiedener Gegner dieses Krieges gewesen, aber nun, da er ausgebrochen ist, möchte ich dir sagen, dass du mit der Verteidigung deiner Heimat den einzigen ehrenvollen Weg gewählt hast."
In Beaumont gingen wir an Bord eines Dampfschiffes nach Niblets Bluff, Louisiana. Nach unserer Abfahrt war Beaumont noch nicht außer Sicht, als bereits mehrere Gruppen auf dem Deck beisammensaßen und dem Glücksspiel frönten. Anscheinend hatten die Jungs diesbezüglich binnen weniger Minuten bereitwillig sämtliche Selbstbeschränkungen des Zivillebens fahren gelassen. Bald hatten wir Niblets Bluff erreicht und dort verblieben wir für einige Tage. Während unseres Aufenthalts traf ich einen alten Bekannten, der dort einen kleinen Kaufladen betrieb und mir prompt ein kleines Spielchen vorschlug. Ich zeigte mich einverstanden und da er gerade keine Kundschaft zu bedienen hatte, setzten wir uns rittlings auf die Ladentheke und spielten zwei oder drei Stunden lang Karten mit fünf Cents Einsatz je Partie. Am Ende betrug sein Gewinn fünf Cents. Abschließend schlug er mir eine Runde "Seven Up" vor; der Sieger von zwei aus drei Partien sollte eine Flasche Zitronensirup und Zucker im Wert von 40 Cents gewinnen. Ich war einverstanden und konnte die Runde für mich entscheiden. Nun schloss er seinen Laden und wir liefen zu einer nahegelegenen Quelle, wo wir uns gründlich an frisch zubereiteter Limonade satt tranken. Es war dies das erste und letzte Mal, dass ich um Geld Karten spielte.
Schließlich verließen wir Niblets Bluff und nach einer Boots- und Eisenbahnfahrt sowie einem Fußmarsch erreichten wir New Orleans. Dort wurden wir in einer Baumwolllagerhalle einquartiert und uns selbst überlassen. In der ersten Nacht gingen einige der Jungs in die Stadt und am nächsten Tag erzählten sie uns von der vergnüglichen Zeit, die sie dort gehabt hatten. In der folgenden Nacht wollten sich also noch viel mehr Burschen die Annehmlichkeiten von New Orleans ansehen und sie mussten mich nicht lange beschwatzen, ehe ich mich bereiterklärte, sie zu begleiten. Ich schloss mich einem Grüppchen von drei weiteren Jungs an und wir nahmen eine Kutsche, um einen Teil der Nacht in der Stadt zu verbringen. Ich hatte zwanzig Dollars in Gold bei mir, welche eigentlich als Notgroschen dienen sollten und die Mehrzahl der Jungs verfügte über ähnliche Ersparnisse, aber es stellte sich heraus, dass meine Begleiter sämtlich pleite waren und so musste ich den Kutscher bezahlen. Jedes Etablissement, das wir betraten, warb mit "freiem Eintritt", doch bevor wir es verließen, war stets eine Rechnung aufgelaufen, die ich zu begleichen hatte. Auf diese Weise war ich bald ebenso abgebrannt wie meine Kameraden und so nahmen wir nach einer "schönen Zeit" eine Kutsche zurück zu unserem Quartier. Als der Kutscher dort sein Geld forderte, stülpten wir unsere leeren Hosentaschen nach außen und gestanden ihm unseren Bankrott. Ich hege den leisen Verdacht, dass die heutzutage unter Kutschern verbreitete Sitte, ihr Geld vor Fahrtbeginn zu verlangen, womöglich auf unser kleines Grüppchen zurückzuführen ist.
In New Orleans bestiegen wir schließlich Bahnwaggons, die uns nach Richmond brachten, dabei aber nur langsam vorwärts kamen. Als wir uns Lynchburg, Virginia näherten, hatten wir unsere Rationen bereits aufgebraucht und wir waren furchtbar hungrig, hatten jedoch kein Geld, um uns Essen zu kaufen. In Lynchburg wurden uns einige Stunden Rast gegönnt, um frische Verpflegung zu erhalten, doch wir hatten uns kaum vor der Ausgabestelle aufgestellt, als wir ein großes Fass Zucker und eine nahegelegene Apfelplantage erspähten und als die erste Ration ausgegeben wurde, hatten wir unseren Hunger bereits überreichlich mit gesüßtem Apfelmus gestillt.
Nach unserer Ankunft in Richmond marschierten wir etwa acht Kilometer weit zu unserem Feldlager, wo wir einige Zeit verbrachten, während wir unsere ersten Drillübungen abhielten und in Regimenter, Brigaden usw. eingegliedert wurden. Meine Kompanie wurde Kompanie F der 5th Texas Infantry und unsere Brigade umfasste die 1st, 4th und 5th Texas sowie die 3rd Arkansas Infantry. In diesem Lager grassierten unter den Jungs etliche Krankheiten und am übelsten setzten uns wohl die Masern zu. Auch ich bekam die Masern und wurde nach Richmond in ein Hospital gebracht, wo ich einige Tage verbrachte. Mein Krankenbett war ich schon bald gründlich leid und so zeigte ich mich von meiner besten Seite, um mich bei der Pflegerin, welche die Aufsicht über meine Krankenstation führte, einzuschmeicheln. Ich konnte sie schließlich überreden, mir einen Entlassungsschein auszustellen und kehrte an einem kalten, frostigen Morgen in mein Lager zurück. Bereits am nächsten Tag wurde ich mehr tot als lebendig ins Hospital zurückgeschafft. Man legte mich in ein kleines Einzelzimmer, das über eine eigene Feuerstelle verfügte und wies mich strengstens an, das Bett zu hüten und stets unter meinen warmen Decken zu bleiben. Dort lag ich also einige Tage lang, glühte förmlich vor Fieber und nahm brav jede Medizin, die mir verabreicht wurde. Mir kam zu Ohren, dass unter den Patienten des Hospitals die Krätze weitverbreitet war und ich hatte kaum das Fieber überstanden, als ich bemerkte, dass auch ich unter ihr litt. Bei der nächsten Visite des Arztes holte ich meine Arme unter den Decken hervor und zeigte ihm die charakteristischen roten Quaddeln, worauf er mir versicherte, mir ein Medikament bringen zu lassen, das mich im Nu heilen würde. So lag ich also unter meinen Decken, rieb alle juckenden Stellen mit Medizin ein und spürte tatsächlich schon bald eine Besserung (oder bildete es mir zumindest ein), was ich dem Arzt mitteilte. Hierauf hielt er mir einen Vortrag darüber, wie wichtig es sei, stets unter meinen warmen Decken zu bleiben. An jenem Abend besuchte mich Jeff Chaison von Kompanie F und ich erzählte ihm, dass ich unter der Krätze litt, doch er antwortete nur: "Bill, du hast nicht die Krätze. Ich gehe jede Wette ein, dass du dir nur Läuse eingefangen hast. Die ganze Bude hier wimmelt von den Viechern." Diese Behauptung ärgerte mich und ich fragte ihn mit deutlichen Worten, wie er es wagen konnte, mich für einen dermaßen verdreckten Burschen zu halten und versicherte ihm, dass ich in meinem gesamten Leben noch keine Laus mit eigenen Augen gesehen hatte. Jeff wandte sich zum Gehen und erwiderte über die Schulter: "Keine Sorge, das wirst du schon noch. Die Biester werden so groß wie ein Weizenkorn." Er war noch nicht lange gegangen und ich war noch immer zornig, als sich beim Kratzen der juckenden Stellen etwas unter einem meiner langgewachsenen Fingernägel verfing. Ich zog meine Hand unter der Decke hervor, hielt sie ans Licht und sah tatsächlich, dass sich unter dem Fingernagel etwas regte; ich konnte deutlich die strampelnden Beinchen erkennen. Mit einem Satz war ich aus dem Bett und an der Fensterbank, wo ich die umherkrabbelnde Laus beobachtete. Das Gefühl von Scham und Ekel, das in mir aufstieg, lässt sich kaum beschreiben. Ich begutachtete gründlich meine Kleidung und Bettwäsche und fand jede Menge Läuse in verschiedensten Größen sowie hunderte von Nissen. In der Feuerstelle brannte ein Feuer und mit Hilfe des danebenstehenden Kohleeimers fachte ich die Flammen ordentlich an, hielt die gesamte Wäsche an die Hitze und röstete die meisten der Biester. Danach waren meine Kleidung und die Bettwäsche angesengt, aber die Nissen in den Säumen schienen die Hitze überstanden zu haben. In jener Nacht schlief ich nur wenig, doch zumindest ließ mich der Arzt in Frieden, da es mir (mit Ausnahme der Läuse) wieder besser ging. Am nächsten Morgen rollte ich meine verlauste Kleidung zu einem Bündel zusammen und suchte die Wäscherei des Hospitals auf. Dort schienen ausschließlich Frauen zu arbeiten, was mich in beträchtliche Verlegenheit brachte, da ich auf einen männlichen Ansprechpartner gehofft hatte und mich bereits der Gedanke, meine Kleidung einer Dame auszuhändigen, zutiefst beschämte. Ich erkannte schon bald, welcher Frau offensichtlich die Leitung der Wäscherei oblag und so ging ich zu ihr hin und erklärte ihr peinlich berührt mit gedämpfter Stimme, dass meine Kleidung verlaust sei und sie sie bitte für mich kochen solle. Sie antwortete mit laut dröhnender Stimme: "Ha, nein, mein Junge! Kochendes Wasser wird die Biester nicht töten!", woraufhin sich sämtliche Damen im näheren Umkreis nach mir umwanden und zu lachen begannen.
Ich machte mich schleunigst davon und meine Wangen glühten vor Scham. Hätte ich nur das nötige Geld gehabt, so wäre ich trotz der Kälte sofort in die Stadt gelaufen, hätte mir einen Satz neue Kleidung gekauft und die alte verbrannt. Es dauerte jedoch nicht lange, bis mein diesbezügliches Schamgefühl abebbte und ich akzeptierte, dass jedermann um mich herum von der gleichen Plage befallen war. Ich wurde von meinem kleinen Hinterzimmer in ein Krankenzimmer im zweiten Stockwerk verlegt. Unter dem Fenster meines Zimmers hatte ein Obsthändler seinen Marktstand auf dem Gehsteig aufgeschlagen. Wir konnten aus dem Fenster direkt auf seine prächtigen, reifen Früchte schauen und der bloße Anblick ließ einigen von uns das Wasser im Munde zusammenlaufen. Ein weiterer Bursche aus Kompanie F lag mit mir zusammen im Hospital; sein Name lautete Pemberton, aber alle nannten ihn nur "Wild Bill". Er stammte aus dem westlichen Texas, war ein aufrichtiger, freundlicher Junge und hatte jede Menge Cowboygeschichten zu erzählen, was ihm auch seinen Spitznamen eingebracht hatte. Bill schaute in meinem Zimmer vorbei und entdeckte sofort die köstlichen Früchte unter dem Fenster. Er sagte mir, der Anblick mache ihn hungrig und fragte mich, ob ich keine Lust auf das köstliche Obst verspürte. Ich antwortete: "Selbstverständlich! Ich wünschte, ich hätte ein wenig Geld oder der Bursche dort unten würde mir seine Köstlichkeiten nicht länger unter die Nase halten." Hierauf entgegnete Bill: "Wenn du mich aus deinem Zimmer heraus operieren lässt, kann ich uns entweder so viel Obst verschaffen, wie wir nur essen können oder den Kerl da unten zumindest dazu zwingen, seine Waren in Sicherheit zu bringen. Ich denke, wir wären dabei moralisch auf der sicheren Seite, denn immerhin schämt der Bursche sich nicht, zwei mittellose Jungs mit seinen köstlichen Früchten in Versuchung zu führen." Ich war einverstanden und fragte ihn, wie er die Sache zu bewerkstelligen gedachte, doch er erwiderte nur: "Warte nur ab, das wirst du morgen schon sehen." Am nächsten Tag brachte Bill einen geradegebogenen Angelhaken an einer Schnur mit, die er an ihrem unteren Ende ausreichend mit einigen kleinen Gewichten beschwert hatte, sodass die Spitze im freien Fall eine brauchbare Harpune abgab. Der Obststand unter uns grenzte direkt an die Fassade des Hospitals und der Verkäufer konnte von seinem Standort aus seine Ware fast nicht einsehen. Bill war also eine Zeit lang ein gerngesehener, täglicher Gast in meinem Zimmer und man konnte ihn jeden Tag gegen 10.00 Uhr an meinem Fenster beim "Angeln" beobachten. Dies tat er folgendermaßen: Er ließ seinen Haken aus dem Fenster hinab, bis dieser etwa einen Meter über dem Obst hing, von wo aus er sich dann im freien Fall in das Fleisch einer Frucht bohrte, die Bill nun an der Schnur nach oben zog. Dies wiederholte er nach Belieben, wobei er stets dann zuschlug, wenn der Händler durch einen Kunden abgelenkt war. Wir taten dies einige Tage lang, bis der Obststand plötzlich von dem Gehsteig verschwunden war. Das war bedauerlich, doch Bill und ich hatten uns bereits mit jeder Menge an Früchten versorgt, ehe der Händler uns auf die Schliche kam. Wir glaubten, dass er selbst das Verschwinden der Früchte niemals bemerkt hätte, aber von einem aufmerksamen Passanten darauf aufmerksam gemacht wurde. Wir hatten unseren Spaß, als wir bemerkten, dass die Anwohner auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit einem breiten Grinsen auf den Gesichtern unserem Treiben zusahen. Einige von ihnen schienen dem täglichen Schauspiel förmlich entgegenzufiebern und mit jedem Tag wurde unser Publikum ein wenig größer. An einem Sonntagabend wenige Tage nach dem Verschwinden des Obststandes fragte mich Wild Bill, ob ich wohl Appetit auf einige Früchte hätte. Als ich bejahte, sagte er nur knapp: "Dann lass uns gehen und uns einige besorgen." Ich fragte ihn, wie er dies bewerkstelligen wollte und er erwiderte: "Schnapp dir einfach deinen Brotbeutel und komm mit in die Stadt. Wenn wir auf einen Obst- oder Süßigkeitenhändler treffen, der unter einem dermaßen überfüllten Warenlager leidet, dass er einen Teil seiner Köstlichkeiten auf den Gehsteig auslagern muss, gehst du zu ihm in den Laden und tust so, als hättest du Geld und wolltest etwas kaufen. Zeig Interesse an irgendeiner Ware, die den Händler zwingt, der Straße den Rücken zuzukehren oder, noch besser, auf sein Leiterchen zu steigen. Halt ihn hin, solange du kannst, denn immerhin willst du dich als zahlender Kunde von der Güte seiner Waren überzeugen. Letztlich kann er dir schwerlich böse sein, wenn sein Angebot nicht deinen Vorstellungen entspricht oder zu teuer für dich ist und während du den Burschen drinnen ablenkst, bleibe ich draußen und mache unsere Besorgungen." Ich willigte ein und schon bald darauf schlenderten wir durch die Straßen und gingen von einem Kaufladen zum nächsten, bis wir einen fanden, in dem nur ein Mann arbeitete. Rasch war der erste unserer beiden Brotbeutel prall gefüllt und wurde gegen einen leeren ausgetauscht, bevor auch der zweite Beutel sichtlich anschwoll. Mein Komplize erklärte mir, dass diese Art der Nahrungsbeschaffung keinen wirklichen Schaden anrichte, da die Händler das Fehlen eines winzigen Teiles ihrer Waren nicht einmal bemerkten und er vertrat die philosophische Ansicht, dass ein Ding, welches nicht vermisst wurde, sich niemals wirklich in irgendjemandes Besitz befunden habe. Er fragte mich, ob ich jemals zuvor an einer derartigen Unternehmung teilgenommen hätte, was ich verneinte. Hierauf entgegnete Wild Bill, dass dies bei den meisten jungen Burschen der Fall sei und dass viele von ihnen es auf diesem Gebiet mit etwas Übung weit bringen könnten. Mich hielt er diesbezüglich für ein Naturtalent und er meinte, ohne sein Zutun wäre ich womöglich gestorben, ohne meine wahre Begabung zu erkennen. In der Tat ging mir die Sache sehr leicht von der Hand. Während des Krieges nannten wir diese Unternehmungen "Nahrungsbeschaffung", aber in Friedenszeiten ist die Bezeichnung "Diebstahl" gebräuchlicher.
Ich hatte mich kaum von den Masern erholt, als mich der Mumps erwischte. Ich wurde gemeinsam mit etlichen weiteren Erkrankten auf ein Kanalboot verladen und an einen entlegenen Ort gebracht, der (wenn ich mich recht entsinne) "Huguenot Springs" hieß. Dort verblieb ich, bis ich wieder dienstfähig war. Ich erkundete die dortige Gegend und angesichts des winterlichen Wetters waren meine Streifzüge reichlich leichtsinnig. Einmal fiel ich aus einem vereisten Persimonenbaum und zog mir einige schmerzliche Blessuren zu. Ich schleppte mich ins Hospital zurück und war eine Zeit lang bettlägerig. Mein Krankenzimmer teilte ich mit einigen anderen Jungs und wir erhielten täglich Besuch von einer fürsorglichen alten Jungfer, die stets einige Leckereien mitbrachte und unter uns aufteilte. Sie schien sich am liebsten mit mir zu unterhalten und so nannten die Jungs sie "mein altes Mädchen" und versicherten mir, dass ich mit bemerkenswerter Regelmäßigkeit die besten Stücke ihrer Mitbringsel erhielt. Da ich nach meinem kleinen Missgeschick ans Bett gefesselt war, war sie sehr begierig zu erfahren, welche Verwundung mich niedergestreckt hatte und mit jedem Besuch wurde sie zudringlicher. Ich wich ihren Fragen aus, so gut ich es vermochte, aber eines Tages stellte sie mir beim Betreten des Zimmers ein Ultimatum: Ich müsse ihr am nächsten Tag die Geschichte meiner Verwundung erzählen oder sie würde mir nichts mehr zu essen geben. Als sie gegangen war, amüsierten die Jungs sich auf meine Kosten und auch am folgenden Morgen begannen sie sogleich wieder, mich zu necken und fragten mich, was ich denn nun zu tun gedenke. Ich erwiderte nur, man müsse abwarten und schauen, wie die Dinge sich entwickelten. Zur üblichen Zeit trat also "mein Mädchen" ins Zimmer, adrett und lieblich wie immer. In Händen hielt sie einen großen Teller, auf dem sich allerlei Köstlichkeiten türmten. Sie bedrängte mich sofort mit ihrer Neugierde und so sagte ich schließlich: "Wenn Sie es wirklich wissen wollen, werde ich es Ihnen sagen." Ich begann also zu erzählen und die anderen Jungs brachen sogleich in Gelächter aus. Sie hatte sich wohl eine ruhmreichere Geschichte erhofft, denn sie stürmte schon bald aus dem Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Den Teller mit den Köstlichkeiten nahm sie mit. Zuerst lachten die Jungs aus vollem Halse, doch dann begannen sie zu fluchen, als ihnen bewusst wurde, dass wir fürderhin wohl nur noch Besuche von den Krankenpflegern erhalten würden.
Nach meiner Entlassung aus dem Hospital meldete ich mich bei meinem Kommando, das unweit Dumfries lagerte. Yankees und Rebellen standen einander an den beiden Ufern des Potomac River gegenüber. Im Frühjahr des Jahres 1862 verlegten wir unser Feldlager. Die Männer waren zu diesem Zeitpunkt überreichlich mit Kleidung und sogar Bettdecken und Kissen versorgt und fast alle von uns schleppten einen Haufen mehr oder minder unnötiger Ausrüstungsgegenstände mit uns herum. Bereits am ersten Tag des Marsches war der Wegesrand kilometerweit mit fortgeworfenen Kleidungsstücken, Decken und dergleichen mehr bedeckt. Die Jungs warfen alles von sich, was sie nur irgend entbehren konnten, um sich Erleichterung zu verschaffen. Gemüse war im Winterlager stets eine begehrte Rarität und so hielten wir auf dem Marsch die Augen offen, ob sich womöglich irgendwo welches auftreiben ließe. Wir schlugen vor Einbruch der Dunkelheit unser Nachtlager auf und die Zelte meiner Messe standen an einem felsigen Abhang. Während der Rest meiner Messe die notwendigen Arbeiten im Lager verrichtete, machte ich mich auf die Suche, um etwas Abwechslung in unseren Speiseplan zu bringen. Es dauerte nicht lange, bis ich auf einen Gemüsehändler traf, dem ich zwei Kohlköpfe abkaufte. Bei meiner Rückkehr ins Lager hatten die Jungs bereits ein Feuer angefacht, aber der Abhang war dermaßen steil, dass wir die Holzscheite abstützen mussten, um sie am Hinabrollen zu hindern. Wir hängten unseren Kochkessel über das Feuer, warfen den Kohl hinein und gaben schließlich noch unsere Speckrationen hinzu. Während unsere Mahlzeit zu köcheln begann und dem Kessel ein betörender Duft entströmte, saßen wir um das Feuer herum und schwärmten von dem bevorstehenden Schmaus. Die Flammen hatten unbemerkt eine der Stützstangen angebrannt und als diese plötzlich brach, fiel der Kessel auf die Erde und rollte den Abhang hinab. Einige der Jungs versuchten ihn einzufangen, aber sie erreichten ihn erst, als er eine beträchtliche Strecke hangabwärts zum Liegen gekommen war. Ich starrte dem Kessel nach und sah, wie große Stücke Kohl und Speck aus ihm herausgeschleudert wurden, sooft er dröhnend gegen einen Stein prallte. Der Anblick war so bizarr, dass ich laut lachen musste, während alle um mich herum schimpften und je schallender ich lachte, desto wüster verfluchten sie unser Unglück. Als sie mich fragten, wie ich über dieses Missgeschick nur lachen könne, antwortete ich: "Es ist nun mal nicht mehr zu ändern, also versuche ich, das Beste daraus zu machen. Außerdem soll Lachen ja gesund sein." Einer von ihnen erwiderte nur brummend: "Aber mit Sicherheit nicht so gesund wie Kohl mit Speck."
Wir schlugen unweit Fredericksburg unser Lager auf und verbrachten einige Zeit dort. In diesem Lager zog ich mir einen schweren Fall von Gelbsucht zu und als unser Kommando die Zelte abbrach, erhielt ich einen Krankenschein, der es mir erlaubte, mich in Fredericksburg in einem Hotel einzumieten. Im Lager hatte ich aufgrund meiner Erkrankung kaum Nahrung zu mir genommen, doch bereits am ersten Abend meines Aufenthalts im Hotel verspürte ich ein gewisses Hungergefühl und so suchte ich ein Restaurant auf und aß eine Portion Austerneintopf. Ich hatte mich nach meiner Rückkehr ins Hotel kaum zu Bett begeben, als ich unter argen Leibschmerzen zu leiden begann, da mir die Austern auf die Verdauung schlugen. Ich litt ganz erbärmlich unter einer überwältigenden Übelkeit und konnte weder auf Hilfe noch auf Linderung hoffen. In den frühen Nachtstunden wurde plötzlich meine Tür geöffnet und ein kleiner Trupp der Militärpolizei betrat das Zimmer, um meine Papiere zu überprüfen. Ich blieb regungslos im Bett liegen. Der leitende Offizier des Trupps richtete den Schein seiner Laterne auf mein Gesicht und raunte: "Männer, hier sind wir falsch. Der hier ist eher ein Fall fürs Beerdigungskommando." Sie wandten sich prompt um und gingen hinaus. Ich kam zu dem Schluss, dass ich wahrhaft erbärmlich aussehen musste. Der Offizier musste geglaubt haben, ich wäre tot oder läge im Sterben, denn andernfalls hätte er mir zweifellos zumindest einige Fragen gestellt.
Einige Zeit später stieß ich bei Yorktown zu meinem Kommando. Wir waren General Magruder unterstellt und hier war es, dass mein Dienst an der Front seinen Anfang nahm. Magruder hatte einen Abschnitt seiner Linie befestigt, indem er entlang einer bewaldeten, sumpfigen Ebene einen Damm hatte errichten lassen. Das Gelände dahinter wurde bis zu einer gewissen Höhe geflutet und bildete somit einen Frontabschnitt, der ausgesprochen leicht zu bewachen war. Einige Kanonen aus einer Geschützbatterie waren dort postiert, um zusätzlichen Schutz zu bieten. Hier erhaschte ich meinen ersten Blick auf den Feind, als ich gemeinsam mit einem großen Trupp Soldaten den Damm überwand, um in einiger Entfernung davor eine Vorpostenkette zu bilden. Mein Kamerad Toups und ich waren von Kompanie F zu diesem Dienst abgestellt worden und nachdem wir unsere Positionen unweit der Mitte der Postenlinie bezogen hatten, standen wir etwa 150 Meter voneinander entfernt. Unsere Linie ruhte, soweit ich dies erkennen konnte, mit ihrer linken und rechten Flanke an je einem Sumpf und verlief halbkreisförmig. Wir standen inmitten eines Waldes und nirgends um mich herum sah ich auch nur die kleinste Lichtung, die mir einen gewissen Ausblick ermöglicht hätte. Nach einiger Zeit wurde ich unruhig, denn ich war mir sicher, dass ich von meiner gegenwärtigen Position aus niemals einen Yankee zu Gesicht bekommen würde. Nach allem, was man mir seit Kriegsbeginn über die Yankees erzählt hatte, war ich überzeugt, dass sie Herausforderungen zu einer fairen Auseinandersetzung gerne aus dem Wege gingen und tatsächlich schien dies auch hier der Fall zu sein: Wir standen nahezu direkt in ihren Linien und waren zu jedem Kampf bereit, aber obgleich sie die Invasoren waren und folglich auf jede Möglichkeit versessen sein mussten, uns zum Gefecht zu stellen, taten sie es nicht, also mussten sie wohl Feiglinge sein. Derartiger Unsinn spukte zu jener Zeit in den Köpfen etlicher junger Burschen herum. Am späten Abend, als meine Geduld bereits gründlich erschöpft war, hörte ich plötzlich zu meiner Rechten einen Schuss. Ihm folgten in rascher Folge weitere Schüsse, die sich zudem meiner Position zu nähern schienen. Ich starrte angestrengt in den Wald vor mir und bevor ich so recht begriff, was um mich herum geschah, befand sich unsere Linie zu meiner Rechten und meiner Linken bereits auf der Flucht. Ich gab meinen ersten Schuss ab, worauf als Antwort prompt einige feindliche Kugeln in die Bäume um mich herum einschlugen. Ich begriff, dass mir jeden Augenblick der Rückzugsweg abgeschnitten werden konnte und so machte ich kehrt und rannte auf den Damm zu, so schnell mich die Füße trugen. Hin und wieder wurde ich ein wenig langsamer und versuchte, im Laufen nachzuladen, doch stets pfiff eine Yankeekugel an meinem Kopf vorbei und schien mir ins Ohr zu flüstern: "Lauf schneller!" Einige der Blauröcke schienen ausgesprochen gut zu Fuß zu sein, denn obgleich ich nur wenige dieser Ladepausen einlegte, schlossen sie rasch zu mir auf. Als meine Muskete schließlich schussbereit war, ließ ich mich hinter einen Baumstamm fallen und feuerte erneut. Die feindlichen Kugeln pfiffen nun schon von vorne und von beiden Seiten über mich hinweg und mir wurde vollends klar, dass ich mich nur retten konnte, indem ich um mein Leben rannte, denn selbst, falls die Yankees mich nicht treffen würden, so würden sie mich doch schon sehr bald entweder einholen oder umzingeln. Ich musste den Damm erreichen, koste es, was es wolle und so brach ich in wilder Flucht durch das Gehölz und sprang über gestürzte Baumstämme, wobei ich einen derartigen Lärm machte, dass ich die umherschwirrenden Geschosse kaum noch hören konnte. Als ich den Damm erreichte, sah ich etliche unserer Jungs, die versuchten, ihn zu überklettern. Niemand schien irgendeine Art von Kontrolle über die Männer auszuüben und offensichtlich trieb jeden von ihnen die nackte Panik vorwärts. Im Eifer des Augenblicks brüllte ich nahezu unbewusst: "Halt! Verteidigt den Damm!" und tatsächlich machten die Soldaten in meiner Nähe kehrt und eröffneten das Feuer auf den Feind. Als die Männer auf der Dammkrone den vermeintlichen Haltebefehl hörten und zudem sahen, dass vom Fuße des Damms aus geschossen wurde, bezogen auch sie (und zwar, wenn ich mich recht entsinne, ausnahmslos jeder von ihnen) Verteidigungsstellungen. Wir Soldaten am Fuße des Damms fanden wirksamen Schutz hinter dicken Bäumen und nach einem etwa viertelstündigen hitzigen Feuergefecht begann der Feind zurückzuweichen. Die vordersten Yankees waren bis auf weniger als 100 Meter an uns herangekommen. Wir waren damals überzeugt, sie hätten mit "Explosivgeschossen" auf uns gefeuert, da uns das Geräusch der in die Bäume einschlagenden Kugeln noch nicht vertraut war und wir es für außergewöhnlich hielten. Ich gab mehrere gezielte Schüsse ab, welche aber augenscheinlich nicht trafen. Die Art, wie sich die Yankees zwischen den Bäumen bewegten, verriet mir, dass sie wussten, was sie taten und dass wir es hier mit erfahrenen Burschen zu tun hatten. Ich machte Toups auf diesen Umstand aufmerksam und merkte an, dass mich ihre Bewegungen an wilde Truthähne erinnerten. Ich glaube nicht, dass wir einen von ihnen getötet oder auch nur verwundet hatten und auch wir selbst hatten keine Verluste zu beklagen, obgleich einige Kugeln beunruhigend nahe an uns vorübergepfiffen waren.
Auf dem Rückweg zum Lager unterhielten wir uns und ich musste eingestehen, dass sich meine Ansichten bezüglich der Yankees gewandelt hatten. Ich sagte: "Jungs, wenn wir uns nach dieser Aktion eben weiterhin vormachen, die Yankees wären verweichlichte Großstadtbübchen und lausige Schützen, so wird uns das früher oder später übel bekommen. Ich wage zu behaupten, in dieser Angelegenheit mit einiger Autorität sprechen zu können, denn ich bin seit meiner frühen Kindheit ein überaus geübter Angler und Jäger. Sowohl der weiße als auch der rote Mann haben mich das Überleben in der Wildnis gelehrt und die Art und Weise, wie sich diese Yankees zwischen den Bäumen umher bewegten, zeugt davon, dass auch sie geübte Naturburschen sind. Sie durchstreiften das Gehölz mit der Gewandtheit wilder Truthähne und ich befürchte, wenn jeder von uns im Laufe des Krieges auch nur einen von ihnen erwischt, so können wir uns das schon hoch anrechnen. Ich wüsste zu gerne, woher diese Yankees stammen und ob wir es mit vielen ihres Schlages zu tun haben. Jungs, wenn euch diesbezüglich etwas zu Ohren kommt, lasst es mich bitte wissen." Diese mysteriösen Yankees schienen das Interesse unserer Jungs geweckt zu haben, denn bereits wenige Tage später informierte mich einer meiner Kameraden, dass es sich um "Jäger und Fallensteller aus dem Westen" handele. Ich entgegnete mit einiger Erleichterung: "Gott sei Dank! Wir haben es zwar mit einer Übermacht zu tun, aber sie werden nur wenige dieser zähen Burschen in ihren Reihen haben."
Toups war ein alter Bekannter (und womöglich gar ein entfernter Verwandter) von Captain Bryan und hatte sich in der Messe des Captains einquartiert. Unser Captain war ein Musterbeispiel eines edlen Menschen: Er war ausgesprochen tapfer, gerecht, gütig, hatte ein offenes Ohr für die Gedanken und Sorgen seiner Soldaten und behandelte einen jeden Mann so, wie dieser es verdiente. Fand er in seiner Kompanie eine Gruppe von Männern, in denen er eben jene Qualitäten erkannte, so rief er gerne deren Namen aus und verkündete, dass er mit einem Regiment derartiger Burschen auf dem Schlachtfelde alles vollbringen könnte, was einem Menschen nur möglich sei. Er bevorzugte unter seinen Soldaten die wilden, waghalsigen Kerle, die im Feldlager nichts als Unruhe stifteten und die man selbst in der Arrestzelle noch im Auge behalten musste. Bryan zählte auch mich zu dieser Sorte und war überzeugt, dass wir im Gefecht stets die Nähe des Feindes suchen würden, anstatt die Köpfe einzuziehen. Wir waren kaum von der peinlichen Angelegenheit am Damm in unser Lager zurückgekehrt, als einer der Jungs zu mir sagte: "Bill, ich habe gehört, wie Toups zum Captain gesagt hat, er hätte ihn bisher stets für einen ausgemachten Menschenkenner gehalten, der einen guten Soldaten auf den ersten Blick zu erkennen vermochte, aber nun sei er sich da nicht mehr so sicher und er glaube, bald würde auch Bryan selbst diesbezüglich an sich zu zweifeln beginnen."
Da wir in einiger Entfernung zur Front lagerten, bekamen wir nur wenig von den dortigen Vorgängen mit. Wir verbrachten unsere Zeit mit Drillübungen und den üblichen Lagerarbeiten. Unsere Rationen waren üppig, aber Gemüse war ausgesprochen rar, mit Ausnahme des wildwachsenden sogenannten "Indianerknoblauchs". Dieser wuchs in Hülle und Fülle und seine Zwiebeln waren die dicksten, die ich jemals gesehen habe. Bereits eine herzhafte Mahlzeit aus gekochtem Speck und Indianerknoblauch reichte aus, um den Appetit eines Mannes auf Gemüse für einige Zeit zu stillen.
Nach einiger Zeit begannen Magruders Truppen sich in Bewegung zu setzen, aber wir einfachen Soldaten wurden über den Grund natürlich nicht in Kenntnis gesetzt. Es dauerte nicht lange, ehe wir unser erstes größeres Gefecht mit dem Feind hatten. Beide Seiten erhielten ein lebhaftes Musketenfeuer aufrecht, richteten aber nur geringen Schaden an. Die Yankees beschossen die Wälder mit den großen Mörsern ihrer Kanonenboote; die Granaten waren riesig und machten beängstigende Geräusche, wenn sie über uns hinwegsausten und hinter uns explodierten. In einer der Kompanien der 1st Texas Infantry dienten einige Indianer und diese beschwerten sich angeblich, dass sie mit dieser Art der Kriegsführung nicht einverstanden seien, da sie jene Soldaten, welche die schweren Geschütze abfeuerten, mit ihren Gewehren nicht erreichen konnten und es somit kein ehrenhafter Kampf sei. Dies schien das Ende ihrer Zeit als Soldaten zu bedeuten, denn soweit ich weiß, wurden sie zurück nach Texas geschickt.
Ich hatte gemeinsam mit einigen anderen Jungs zu dieser Zeit ein recht amüsantes Erlebnis, das zudem ein glückliches Ende nahm: Wir litten unter jenem Gebrechen, das damals als "Lagerdiarrhoe" bezeichnet wurde und es ließ sich einfach kein wirksames Heilmittelchen für uns finden. Als wir also ins Gefecht zogen, war ich in größter Sorge, dass sich ein überaus peinliches Missgeschick ereignen könnte. Dieser Gedanke bereitete mir größere Sorgen als das Gefecht selbst und umso erstaunter war ich, dass die Aufregung und sonstigen Emotionen des Kampfes eine nahezu sofortige Genesung bewirkten. Ich erkundigte mich später bei einigen der anderen Betroffenen und auch sie konnten von einer wundersamen Heilung berichten.
Wir wichen langsam in Richtung Richmond zurück und währenddessen ereignete sich nur wenig Nennenswertes, mit Ausnahme einer spürbaren Verschlechterung unserer Versorgungslage, welche sich durch gelegentlichen Nahrungsmangel und daraus folgende Hungergefühle bemerkbar machte. Gelegentlich war es dermaßen schlimm, dass uns einige geröstete Maiskörner bereits als befriedigende Mahlzeit erschienen und ich erinnere mich noch, dass einmal unerwartet je 500 Gramm grobes Maismehl an uns ausgeben wurden. Ich rührte sogleich mit Wasser einen pappigen Brei daraus an und hatte nicht einmal Salz, um ihn ein wenig zu würzen. Während der Brei aufkochte, duftete er so köstlich, dass ich ihn am liebsten unverzüglich lauwarm verschlungen hätte. Ich glaube nicht, dass ich jemals zuvor oder danach eine Mahlzeit dermaßen genossen habe. Unser Rückmarsch endete schließlich unweit Richmond am Chickahominy-Sumpf. Hier mussten wir harten Arbeitsdienst verrichten, wurden aber immerhin wieder reichlich verpflegt. Hier war es auch, wo ich zum ersten Mal einen Beobachtungsballon aufsteigen sah. Der Feind sandte täglich an irgendeinem Teil seiner Front eines dieser Dinger in die Höhe, wo es wohl allerlei Beobachtungen machte, aber sie wurden stets hastig wieder eingeholt, sobald unsere Artilleriegeschütze einige Schüsse auf sie abgaben. Das Gelände, das wir besetzt hielten, war recht eben, stellenweise sumpfig und stand hie und da gänzlich unter Wasser. Ich erinnere mich noch gut an ein Erlebnis, während wir auf unserer Vorpostenlinie in einer Stellung standen, die eine in Richtung Richmond verlaufende Bahnlinie kreuzte. Die Wachmannschaft, der ich zugeteilt war, versah ihren Postendienst in einem Abschnitt, der von den Gleisen aus eine kurze Strecke nach links verlief. Das dortige Gelände war ausgesprochen unwirtlich, da es überschwemmt war. Wir mussten die durchnässte Erde mit Holzbohlen abdecken, um halbwegs trocken schlafen zu können. Wir breiteten eine Decke über den Bohlen aus, aber es blieb eine außerordentlich ungemütliche Bettstatt. Aus Unwissenheit oder womöglich Absicht (ich habe niemals erfahren, welches von beiden) hatte man uns zum Wachtdienst mit Intervallen von je zwei Stunden Posten und zwei Stunden Ruhe eingeteilt. Die kurzen Ruhezeiten machten uns die Zubereitung einer ordentlichen Mahlzeit sowie erholsamen Schlaf unmöglich und die ganze Angelegenheit ermüdete uns sehr. Es mochte dieses Ungemach jedoch durchaus auch sein Gutes gehabt haben, da wir notwendigerweise einigermaßen durchnässt waren und uns bei mehrstündiger, regungsloser Untätigkeit womöglich diverse Krankheiten zugezogen hätten. Der Feind betrieb auf dieser Bahnlinie eine Lokomotive, auf deren Schlepptender eine kleine Kanone installiert und einige Scharfschützen postiert waren. Die Yankees machten uns auf unserer Postenlinie das Leben schwer, indem sie diese Lokomotive rückwärts an unsere Vorposten heranfuhren und aus sicherer Entfernung Schrapnellgeschosse, Granaten sowie einige wohlgezielte Schüsse der Scharfschützen auf uns abfeuerten. Unser Postendienst in diesen Stellungen dauerte lediglich 24 Stunden, aber bei unserer Rückkehr ins Lager waren wir gänzlich erschöpft. Auf einer unserer Erkundungsmissionen in dieser Gegend drangen wir weit vor unsere vordersten Stellungen vor und mussten durch recht tiefes Wasser waten, während uns die Yankeekugeln nur so um die Ohren pfiffen. Es war dies das erste Mal, dass unser Captain seine "Schoßtierchen" (wie wir einfachen Burschen seine Günstlinge nannten) in Aktion beobachten konnte und die verzweifeltsten Einschmeichler unter seinen "Schoßtierchen" boten den erbärmlichsten Anblick. Besonders einer von ihnen war dermaßen verängstigt und schier von Sinnen in seiner Panik, dass er unser Mitleid verdient gehabt hätte, aber wir sagten einem jeden, der in dieser Lage "die weiße Feder zeigte", sich also als Feigling erwies, sogleich unsere Meinung und zwar in so lauten und deutlichen Worten, dass sie dem Captain nicht entgehen konnten. Kurze Zeit später gestand der Captain mir, er habe sich stets für einen profunden Menschenkenner gehalten, doch nun sei sein Selbstvertrauen diesbezüglich erschüttert, da das bisherige Verhalten der Männer unter Feuer einige beträchtliche Fehleinschätzungen seinerseits offenbart habe.
Wir verblieben eine Zeit lang an diesem Ort, der Seven Pines genannt wurde, und die häufigen Schusswechsel zwischen den feindlichen Postenlinien erreichten zeitweise eine beängstigende Heftigkeit. Hier war es, dass ich erstmals mit eigenen Augen Präsident Davis sah, obgleich stets die Gefahr eines Treffers durch verirrte Kugeln bestand. Der Präsident wurde von dem ehrenwerten Richter Reagan und einigen weiteren Würdenträgern begleitet. [Anm. d. Übers.: Der Anwalt und Politiker John Henninger Reagan vertrat Texas im US-Repräsentantenhaus, bis er im Zuge der Sezession des Staates sein Mandat niederlegte, um als Postminister in Jefferson Davis' Kabinett zu dienen.] Während unseres ausgedehnten Aufenthaltes in diesem sumpfigen Gelände waren unsere Füße nahezu ständig nass, was uns nach unserer Rückkehr in trockenere Gefilde arge Beschwerden bereitete. Einmal standen wir bei Seven Pines unweit unserer vordersten Stellungen Gewehr bei Fuß und mussten uns für den Bedarfsfall unverzüglich kampfbereit halten. Unsere Vorposten befanden sich ganz in unserer Nähe und unsere Position war noch kurz zuvor augenscheinlich von einer außerordentlich verlauten Einheit besetzt gewesen, denn wir konnten die kleinen Viecher im Gras und an den Baumstämmen herumkrabbeln sehen. So lernte ich meine Lektion, dass man sich ungeachtet der eigenen Sauberkeit leicht die Läuse eines anderen Burschen einfangen konnte, wenn man sein Quartier bezog oder anderweitig eng mit ihm zusammenlebte. Dabei hatte die graue Farbe der konföderierten Uniform gegenüber der Unionsuniform immerhin den Vorteil, dass man auf ihr die kleinen Biester kaum zu erkennen vermochte. Heutzutage herrscht bei den Zivilisten und sogar den Soldaten die Überzeugung vor, dass Lausbefall ein untrügliches Anzeichen von mangelhafter Hygiene sei. Dies mochte auf uns zu einem gewissen Grade zutreffen, konnte den Soldaten jedoch im Regelfalle nicht zur Last gelegt werden, besonders, wenn wir während eines anstrengenden und langandauernden Feldzuges keine Ersatzkleidung erhielten, bis uns die abgetragene Uniform förmlich in Fetzen vom Leib fiel und wir uns manchmal wochenlang nicht waschen konnten und an kochendes Wasser für die Wäsche praktisch nicht zu denken war. Ich glaube, dass die Infanterie in der Regel weitaus ärger unter Läusen zu leiden hat als die übrigen Waffengattungen, doch hoffe ich, dass den heutigen Soldaten effektivere Methoden zur Verfügung stehen, um eine verlauste Uniform zu säubern als uns damals. War unsere Kleidung dermaßen lausig, dass es nicht mehr zu ertragen war, so entfachten wir mit Stroh oder Blättern ein Feuer und hielten die Kleidungsstücke über die lodernden Flammen. In der Hitze fielen die Läuse ab und verbrannten entweder im Feuer oder landeten auf die Erde und krabbelten davon, um sich einen anderen armen Kerl als Wirt zu suchen. Hatte man einige besonders große Prachtexemplare beherbergt, so erinnerte ihr Knacken im Feuer an das Aufplatzen gerösteter Maiskörner. Der unbedarfte Leser mag nun denken, ich hätte dieses delikate Thema nun mehr als gründlich abgehandelt, doch kann ich ihm versichern, dass so mancher "hartgesottene Veteran" noch etliche Worte über diese Sache verlieren könnte.