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Der Dreißigjährige Krieg und der Winterkönig

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Für den Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges hatten politisch-konfessionelle Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten eine entscheidende Rolle gespielt, wobei insbesondere die protestantische Seite keinesfalls geschlossen auftrat. Die Calvinisten kämpften um die reichsrechtliche Anerkennung ihrer Konfession, die Katholiken hingegen wollten eine Eindämmung des Protestantismus. Die reichsrechtliche Anerkennung des lutherischen Bekenntnisstandes war zwar bereits im Augsburger Religionsfrieden von 1555 ausgesprochen worden, doch war selbst innerhalb des protestantischen Lagers strittig, ob sich diese Rechtsgarantie auch auf die verschiedenen protestantischen Bekenntnisse calvinistischer Prägung erstreckte. Dennoch gründeten acht protestantische Fürsten und siebzehn protestantische Städte um 1608 die sogenannte Union, ein Defensivbündnis unter der Führung der Kurpfalz. Als Reaktion darauf gründeten die Katholiken unter der Führung Maximilians von Bayern um 1609 die Liga, der sich die meisten katholischen Reichsstände anschlossen.

Seit Ende des Konzils von Trient im Jahre 1563 und der in diesem Zusammenhang erfolgten Ansiedlung der Jesuiten in den katholischen Territorien des Reichs setzte eine umfassende Rekatholisierung konfessionell indifferenter Gebiete ein. So auch in den habsburgischen Territorien – vor allem in Oberösterreich und Böhmen. Aufgrund der daraus resultierenden Spannungen zwischen Kaiser Rudolf II. (1576–1612) und den böhmischen Ständen wurde diesen schließlich im sogenannten Majestätsbrief von 1609 weitgehende Autonomie und vor allem Religionsfreiheit garantiert. Kaiser Matthias (1612–1619) forcierte die Gegenreformation und konnte trotz der wachsenden Opposition der böhmischen Stände noch im Jahre 1617 die Krönung seines Cousins Ferdinand von Innerösterreich zum König von Böhmen durchsetzen. Dies führte zu dem spektakulären Prager Fenstersturz. Als am 13. Mai 1618 eine protestantische Verschwörergruppe die kaiserlichen Statthalter Martinitz und Slavata aus einem Fenster der Prager Hofkanzlei warfen, brach der offene Aufstand gegen die Herrschaft der Habsburger in Böhmen aus.15 Am 20. März 1619 starb Kaiser Matthias. Durch die Böhmische Konföderation vom 31. Juli 1619 wurde Ferdinand als böhmischer König abgesetzt und der Protestantismus de facto Staatsreligion in Böhmen.

Nur knapp einen Monat später, am 27. August 1619, wählten die böhmischen Stände Friedrich V., den Kurfürsten von der Pfalz, zu ihrem neuen König. Friedrich war Calvinist und indem er die Wahl annahm, betraf die böhmische Sache das gesamte Reich – hatten doch die Protestanten nunmehr die Mehrheit im Kurfürstenkollegium und damit mittelfristig die Möglichkeit, einen protestantischen Kaiser zu wählen. Nicht zuletzt aufgrund des innerprotestantischen Gegensatzes zwischen Lutheranern und Calvinisten war dies jedoch vorerst nicht möglich, zumal viele lutherische Fürsten den Religionsfrieden von 1555 durch eine Aussöhnung mit dem Calvinismus nicht gefährden wollten. Am 28. August 1619, nur einen Tag nach der böhmischen Königswahl, gelang es daher, erneut einen Katholiken aus dem Haus Habsburg zum Kaiser zu wählen: Ferdinand II. (1619–1637), der erst kurz zuvor als König von Böhmen für abgesetzt erklärt worden war und nun seinen Anspruch auf die Krone Böhmens erst recht durchsetzen wollte. Verständlicherweise blieben die böhmischen Stände bei ihrer Weigerung, Ferdinand als ihren König anzuerkennen.

Mit Unterstützung Maximilians von Bayern und der katholischen Liga zog der Kaiser nun gegen Friedrich von der Pfalz und die protestantische Union zu Felde. Zuvor aber unterwarf er die protestantischen Stände in Oberösterreich, in seinen Erblanden. Nach dem Sieg der Liga in der Schlacht am Weißen Berg bei Prag am 8. November 1620 musste Friedrich aus Prag fliehen und die böhmische Krone an Ferdinand abtreten. Der ihm von der kaiserlichen Propaganda in Erwartung einer kurzen Herrschaft gegebene Spottname „Winterkönig“ blieb an ihm haften. Doch damit nicht genug: Kaiser und Liga warfen ihm vor, den Reichsfrieden gebrochen zu haben. Und da er sich dem Kaiser nicht unterwarf, wurde ihm bis 1623 noch die Kurwürde und die Herrschaft über die Pfalz aberkannt. Die pfälzische Kur fiel auf Betreiben des Kaisers an Maximilian von Bayern, wurde aber als Zugeständnis an die protestantischen Fürsten zunächst auf dessen Lebenszeit beschränkt.16 Über diesen Sachverhalt hatte nun Arundel im Jahre 1636 zu verhandeln, denn Elisabeth von der Pfalz, die Witwe des „Winterkönigs“, war eine Schwester des englischen Königs Karl I.

War für die katholische Partei mit der Schlacht am Weißen Berg um 1620 die Zeit einer anhaltenden militärischen Dominanz angebrochen, wandte sich das Kriegsglück knapp zehn Jahre später zugunsten der Protestanten: König Gustav Adolf von Schweden17 war am 6. Juli 1630 mit einer Armee von 13.000 Mann in Pommern gelandet – einer Armee, die sich innerhalb der nächsten Monate fast um das Vierfache vergrößern sollte. Kurfürst Friedrich, seit 1623 in Den Haag im Exil, hoffte nun mit Hilfe des Schwedenkönigs in seine früheren Ämter und Besitzungen wiedereingesetzt zu werden. Doch erwiesen sich diese Erwartungen bald als illusorisch, denn Gustav Adolf wollte seinen einmal im Reich gewonnenen Einfluss mit niemandem teilen. So ließ er zunächst Mainz, das er am 23. Dezember 1631 kampflos besetzt hatte und als Winterquartier nutzte, militärisch ausbauen. In dieser Zeit entstand gegenüber der Stadt an der Mainmündung die Festung Gustavsburg. Die ihm von den Engländern und Niederländern angebotene finanzielle und militärische Unterstützung zur Restitution des Pfalzgrafen nahm der schwedische König gerne entgegen, doch war er gegen ein selbstständig operierendes englisches Heer. Zudem behielt er sich in der unteren Pfalz weiterhin ein Besatzungsrecht vor, sollte er Friedrich wieder zu seinen Ämtern und Besitzungen verhelfen. Außerdem sollte den schwedischen Soldaten die freie Nutzung des Landes eingeräumt werden und die Bevölkerung müsse sich an den Kriegskosten beteiligen. Diese und weitere Bedingungen für eine Restitution der Pfalz glaubte der Pfalzgraf ablehnen zu müssen.

Dennoch zog Pfalzgraf Friedrich am 17. Mai 1632 an der Seite des Schwedenkönigs in das von diesem eroberte München ein. An anderen militärischen Unternehmungen beteiligte er sich allerdings nicht. Auch war Friedrich nicht am Unglücksort, als Gustav Adolf am 6./16. November 1632 nach der Schlacht von Lützen tot aufgefunden wurde. Keine zwei Wochen später starb der Pfalzgraf in Mainz an der Pest. Anwärter auf die zu restituierende Pfälzer Kurwürde war von nun an Karl Ludwig, der zweit älteste Sohn des „Winterkönigs“.

In dieser für die deutschen Protestanten aussichtslosen Situation reiste Arundel Anfang 1633 zum ersten Mal in die Niederlande, um den Generalstaaten und der kurpfälzischen Exilregierung die Unterstützung Englands in der pfälzischen Frage zuzusichern.18 Mit dieser zunächst einmal rein moralischen Unterstützung gelang eine Erneuerung der protestantischen Union unter der Führung Schwedens. Dieser Allianz trat auch Frankreich bei, mit verheerenden Folgen für die von Schweden besetzten Gebiete in Bayern. Wallenstein sah sich dazu veranlasst, mit der gegnerischen Seite zu verhandeln, fiel am Hof zu Wien in Ungnade und wurde am 25. Februar 1634 in Eger ermordet. Die Schweden hingegen konnten sich in Bayern nicht halten. In der Schlacht von Nördlingen am 5. und 6. September 1634 erlitten sie eine vernichtende Niederlage und mussten sich daraufhin mit ihren protestantischen Verbündeten an den Rhein zurückziehen. Dies führte in der Folge zum Prager Frieden von 1635, aber auch zum Eintritt Frankreichs in den Krieg und somit zum blutigsten Kapitel des Dreißigjährigen Krieges.

Ziel des Prager Friedens war es, den Krieg zwischen den Reichsständen und dem Kaiser zu beenden sowie das Reich von fremden Truppen zu befreien und Herzog Maximilian von Bayern den Besitz der pfälzischen Kurwürde zu garantieren. Zwar beendete dieser Vertrag den Krieg zwischen den Reichsständen und dem Kaiser, denn bis auf Bernhard von Sachsen-Weimar und Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel hatten ihn nach und nach alle Fürsten ratifiziert. Ein allgemeiner Frieden konnte aber nicht hergestellt werden, da Frankreich und Schweden mit ihren deutschen Verbündeten Sachsen-Weimar und Hessen-Kassel weiter gegen das habsburgische Kaiserhaus kämpften.

Auf der Seite Frankreichs und Schwedens stand auch die Republik der Sieben Vereinigten Niederlande, die schon seit 1568 um ihre Unabhängigkeit von den spanischen Habsburgern kämpfte und auch dem entmachteten kurpfälzischen Hof Asyl bot. Da diese Seite einer habsburgischen Vorherrschaft in Europa nicht zuletzt aus konfessionellen Gründen ablehnend gegenüberstand und von einer Restitution des Pfalzgrafen als Kurfürst erheblich hätte profitieren können, war der Prager Friede für sie in der vorliegenden Form nicht annehmbar. An dieser Stelle hätte England die Rolle eines Schlichters zufallen können, denn Karl I. war nicht nur über seine Schwester mit dem entmachteten Pfalzgrafenhaus dynastisch verbunden, sondern auch selbst mit einer Schwester des französischen Königs verheiratet. Andererseits neigte er – aus dem Haus Stuart stammend – selbst latent dem Katholizismus zu und war schon aus kolonialpolitischen Gründen nicht daran interessiert, sich mit den mächtigen spanischen und österreichischen Habsburgern zu überwerfen.

In dieser Situation schickte er den Earl of Arundel, seinen ranghöchsten Diplomaten, an den kaiserlichen Hof, um dort hinsichtlich einer endgültigen Lösung der pfälzischen Frage zu sondieren und die Option einer englischhabsburgischen Allianz in Aussicht zu stellen. Ihm unterstand John Taylor, der die Verhandlungen über die Restitution des Pfalzgrafen am kaiserlichen Hof in Wien eröffnet hatte.19 In seinen Berichten nach London hatte dieser immer wieder die Auffassung vertreten, dass sich der Kaiser sicherlich zur sofortigen Restitution der Rheinpfalz und zur Rückübertragung der Kurwürde an den Pfalzgrafen Karl Ludwig nach dem Tod Maximilians von Bayern bewegen lassen würde. Arundel aber konnte nach seinem Zusammentreffen mit dem Kaiser in Linz diese Auffassung nicht mehr teilen.20 Dies lag indessen an beiden Seiten, denn im Vorfeld der Verhandlungen hatte der König von England als Gegenleistung für die Restitution des Pfalzgrafen eine englisch-habsburgische Allianz in Aussicht gestellt. Davon war in Arundels Instruktion jedoch nur noch in sehr verklausulierter Form die Rede. Die kaiserlichen Räte betrachteten jedoch gerade darin den eigentlichen Verhandlungsgegenstand und verwiesen darauf, dass man bereits im Februar 1636 angeboten habe, große Teile der Rheinpfalz zurückzugeben und auch den Bann gegen den Pfalzgrafen aufzuheben. Als Vertreter der englischen Seite hatte Arundel also wenig anzubieten; er sollte sich aber mit nichts weniger zufriedenzugeben als der vollständigen Restitution der Pfalz und der Rehabilitation des Pfalzgrafen. Dies kam, zumindest aus Sicht Maximilians von Bayern, einer Kriegserklärung gleich und sorgte noch in Linz für heftige Kontroversen, so dass Arundel bereits dort erwog, die Mission abzubrechen und nach England zurückzukehren.21

Sein kunsthistorisches Interesse und die Option, dass sich auf dem Kurfürstentag in Regensburg neue diplomatische Konstellationen ergeben könnten, mögen ihn davon abgehalten haben. Die Zeit aber arbeitete für die kaiserliche Partei, denn Maximilian von Bayern hatte im Jahr zuvor in zweiter Ehe seine Nichte, Maria Anna von Österreich, geheiratet. Sie war eine Tochter Kaiser Ferdinands II. und es war bekannt, dass der bisher kinderlose Kurfürst ein Kind von ihr erwartete. Sollte dieses Kind ein Junge und damit ein männlicher Thronerbe sein, würden sich der Kaiser und der Kurfürst von Bayern mit allen Mitteln gegen eine Restitution der Kurwürde an das Pfalzgrafenhaus wehren. Die pfälzische Frage konnte auf dem Kurfürstentag in Regensburg nicht geklärt werden. Nachdem sich der Kaiser zuvor mit dem spanischen Botschafter und den Vertretern des bayerischen Kurfürsten beraten hatte, eröffnete man Arundel am 12. September 1636 die kaiserliche Resolution zur pfälzischen Frage: Die Kurwürde und die Oberpfalz sollten bei Bayern verbleiben, die Rheinpfalz sollte bei gleichzeitigem Wegfall des Bannes an die Erben des Winterkönigs restituiert werden. Arundel wies diese Erklärung erneut als völlig unzureichend zurück. Am 31. Oktober 1636 wurde Herzog Maximilian ein Erbe geboren: Ferdinand Maria.22

Nach dem Scheitern der Arundel-Mission sah König Karl I. von England in einer Annäherung an die französische Krone die nunmehr einzige Möglichkeit, eine vollständige Restitution der Pfalzgrafen doch noch erreichen zu können. Schon während Arundels Aufenthalt in Deutschland hatten englische Diplomaten am Hof in Paris zwei Entwürfe für einen englisch-französischen Bündnisvertrag ausgearbeitet. Der mit der Übermittlung dieser Entwürfe beauftragte Sekretär der englischen Botschaft in Paris traf etwa zeitgleich mit Arundel in London ein. Obwohl sich Arundel nach seiner Rückkehr sehr für diese Allianz einsetzte, kam es doch nicht zu einem konkreten Vertragsabschluss. Da aber die Umstände der Wahl Ferdinands III.23 auf dem Regensburger Kurfürstentag – die bayerische Kurstimme war anfechtbar24 und die Trierer Stimme wurde wegen der Inhaftierung des Kurfürsten ausgelassen – sowohl in London als auch in Paris große Entrüstung hervorgerufen hatte, kam es immerhin zu einer Art moralischer Allianz zwischen England und Frankreich.25 Wie zu erwarten war, protestierte auch Erbprinz Karl Ludwig von der Pfalz gegen die Wahl Ferdinands III., und die Generalstaaten gaben ihm Recht.26 Dies alles und auch das energische Auftreten Arundels müssen den Kaiser und Maximilian von Bayern dazu veranlasst haben, ihre Einstellung zur Pfälzischen Frage nochmals zu überprüfen – zumal beide an deren Lösung durchaus interessiert waren. So hatte Arundel nach Abbruch der Verhandlungen angedeutet, dass man die pfälzische Kurwürde auch bei Bayern belassen und den Pfalzgrafen mit einer achten Kurwürde restituieren könne.27 Ende 1636 war dies lediglich eine Idee – doch zwölf Jahre später, im Epochenjahr 1648, wurde diese Idee als wesentlicher Bestandteil der westfälischen Friedensverträge Reichsgrundgesetz.

Blutiger Sommer

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