Читать книгу Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) - William Shakespeare, William Shakespeare - Страница 176

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FÜNFTE SZENE

Inhaltsverzeichnis

Helsingör. Ein Zimmer im Schlosse

Die Königin , [und ] Horatio und ein Edelmann treten auf.

KÖNIGIN

Ich will nicht mit ihr sprechen.

[HORATIO ] EDELMANN

Sie ist sehr dringend; wirklich, außer sich;

Ihr Zustand ist erbarmenswert.

KÖNIGIN

Was will sie?

[HORATIO ] EDELMANN

Sie spricht von ihrem Vater, sagt, sie höre,

Die Welt sei schlimm, und ächzt und schlägt die Brust;

Ein Strohhalm ärgert sie; sie spricht verworren

Mit halbem Sinn nur; ihre Red ist nichts,

Doch leitet ihre ungestalte Art

Die Hörenden auf Schlüsse; man errät,

Man stückt zusammen ihrer Worte Sinn,

Die sie mit Nicken gibt, mit Winken, Mienen,

So daß man wahrlich denken muß; man könnte

Zwar nichts gewiß, jedoch viel Arges denken.

[KÖNIGIN ] HORATIO

Man muß doch mit ihr sprechen; sie kann Argwohn

In Unheil brütende Gemüter streun.

KÖNIGIN

Laßt sie nur vor! -

Horatio ab. Der kranken Seele, nach der Art der Sünden, Scheint jeder Tand ein Unglück zu verkünden, Von so betörter Furcht ist Schuld erfüllt, Daß, sich verbergend, sie sich selbst enthüllt. Horatio kommt mit Ophelia.

OPHELIA

Wo ist die schöne Majestät von Dänmark?

KÖNIGIN

Wie gehts, Ophelia?

OPHELIA

singt.

Wie erkenn ich dein Treulieb

Vor den andern nun?

An dem Muschelhut und Stab

Und den Sandelschuhn.

KÖNIGIN

Ach, süßes Fräulein, wozu soll dies Lied?

OPHELIA

Was beliebt? Nein, bitte, hört:

Singt.

Er ist lange tot und hin,

Tot und hin, Fräulein!

Ihm zu Häupten ein Rasen grün,

Ihm zu Fuß ein Stein.

Oh!

KÖNIGIN

Aber sagt, Ophelia -

OPHELIA

Bitt Euch, hört:

Singt.

Sein Leichenhemd weiß wie Schnee zu sehn -

Der König tritt auf.

KÖNIGIN

Ach, mein Gemahl, seht hier!

OPHELIA

singt.

Geziert mit Blumensegen,

Das unbetränt zum Grab mußt gehn

Von Liebesregen.

KÖNIG

Wie gehts Euch, holdes Fräulein?

OPHELIA

Gottes Lohn, recht gut! Sie sagen, die Eule war eines Bäckers Tochter. Ach Herr, wir wissen wohl, was wir sind, aber nicht, was wir werden können. Gott segne Euch die Mahlzeit!

KÖNIG

Anspielung auf ihren Vater.

OPHELIA

Bitte, laßt uns darüber nicht sprechen; aber wenn sie Euch fragen, was es bedeutet, sagt nur:

Singt.

Auf morgen ist Sankt Valentins Tag,

Wohl an der Zeit noch früh,

Und ich 'ne Maid am Fensterschlag

Will sein eur Valentin.

Er war bereit, tät an sein Kleid,

Tät auf die Kammertür,

Ließ ein die Maid, die als 'ne Maid

Ging nimmermehr herfür.

KÖNIGIN

Holde Ophelia!

OPHELIA

Fürwahr, ohne Schwur, ich will ein Ende machen:

Singt.

Bei unsrer Frau und Sankt Kathrin!

O pfui! was soll das sein?

Ein junger Mann tuts, wenn er kann,

Beim Himmel, 's ist nicht fein.

Sie sprach: Eh Ihr gescherzt mit mir,

Gelobtet Ihr mich zu frein.

Er antwortet:

Ich brächs auch nicht, beim Sonnenlicht!

Wärst du nicht kommen herein.

KÖNIG

Wie lang ist sie schon so?

OPHELIA

Ich hoffe, alles wird gut gehn. Wir müssen geduldig sein; aber ich kann nicht anders als weinen, wenn ich denke, daß sie ihn in den kalten Boden gelegt haben. Mein Bruder soll davon wissen, und so dank ich euch für euren guten Rat. Komm, meine Kutsche! Gute Nacht, Damen, gute Nacht, süße Damen, gute Nacht, gute Nacht!

Ab.

KÖNIG

Folgt auf dem Fuß ihr doch; bewacht sie recht!

Horatio ab. O dies ist Gift des tiefen Grams, es quillt Aus ihres Vaters Tod. Und seht nun an, O Gertrud, Gertrud, wenn die Leiden kommen, So kommen sie wie einzelne Späher nicht, Nein, in Geschwadern. Ihr Vater umgebracht; Fort Euer Sohn, er selbst der wüste Stifter Gerechten eignen Banns; das Volk verschlämmt, Schädlich und trüb in Wähnen und Vermuten Vom Tod des redlichen Polonius; Und töricht wars von uns, so unterm Husch Ihn zu bestatten; dann dies arme Kind, Getrennt von sich und ihrem edlen Urteil, Ohn welches wir nur Bilder sind, nur Tiere. Zuletzt, was mehr als alles in sich schließt: Ihr Bruder ist von Frankreich insgeheim Zurückgekehrt, nährt sich mit seinem Staunen, Hält sich in Wolken und ermangelt nicht Der Ohrenbläser, um ihn anzustecken Mit giftgen Reden von des Vaters Tod, Wobei Verlegenheit, an Vorwand arm, Sich nicht entblöden wird, Uns zu verklagen Von Ohr zu Ohr. O liebste Gertrud, dies Gibt wie ein Traubenschuß an vielen Stellen Mir überflüßgen Tod. Lärm hinter der Szene.

KÖNIGIN

O weh! Was für ein Lärm?

[Ein Edelmann kommt. ]

KÖNIG

Herbei!

Wo sind die Schweizer? Laßt die Tür bewachen.

Ein Edelmann kommt. Was gibt es draußen?

EDELMANN

Rettet Euch, mein Fürst!

Der Ozean, entwachsend seinem Saum,

Verschlingt die Niedrung ungestümer nicht,

Als an der Spitze eines Meutrerhaufens

Laertes Eure Diener übermannt.

Der Pöbel nennt ihn Herrn, und gleich als finge

Die Welt erst an, als wär das Altertum

Vergessen und Gewohnheit nicht bekannt,

Die Stützen und Bekräftger jedes Worts,

Schrein sie: Erwählen wir! Laertes werde König!

Und Mützen, Hände, Zungen tragens jubelnd

Bis an die Wolken: König sei Laertes!

Laertes König!

KÖNIGIN

Sie schlagen lustig an auf falscher Fährte.

Verkehrt gespürt, ihr falschen Dänenhunde!

Lärm hinter der Szene.

KÖNIG

Die Türen sind gesprengt.

Laertes kommt bewaffnet. Dänen hinter ihm.

LAERTES

Wo ist denn dieser König? - Herrn, bleibt draußen!

DÄNEN

Nein, laßt uns mit hinein!

LAERTES

Ich bitt, erlaubt mir!

DÄNEN

Gut, wie Ihr wollt.

Sie ziehen sich hinter die Tür zurück.

LAERTES

Dank Euch! Besetzt die Tür! -

Du schnöder König, gib mir meinen Vater.

KÖNIGIN

Guter Laertes, ruhig!

LAERTES

Der Tropfe Bluts, der ruhig ist, erklärt

Für Bastard mich, schilt Hahnrei meinen Vater,

Brandmarkt als Metze meine treue Mutter,

Hier zwischen ihren reinen, keuschen Braun.

KÖNIG

Was ist der Grund, Laertes, daß dein Aufstand

So riesenmäßig aussieht? - Laßt ihn, Gertrud,

Befürchtet nichts für Unsere Person,

Denn solche Göttlichkeit schirmt einen König:

Verrat, der nur erblickt, was er gewollt,

Steht ab von seinem Willen. - Sag, Laertes,

Was bist du so entrüstet? - Gertrud, laßt ihn! -

Sprich, junger Mann.

LAERTES

Wo ist mein Vater?

KÖNIG

Tot.

KÖNIGIN

Doch nicht durch ihn.

KÖNIG

Laßt ihn nur satt sich fragen.

LAERTES

Wie kam er um? Ich lasse mich nicht äffen.

Zur Hölle, Treu! Zum ärgsten Teufel, Eide!

Gewissen, Frömmigkeit, zum tiefsten Schlund!

Ich trotze der Verdammnis; so weit kams:

Ich schlage beide Welten in die Schanze,

Mag kommen, was da kommt! Nur Rache will ich

Vollauf für meinen Vater.

KÖNIG

Wer wird Euch hindern?

LAERTES

Mein Wille, nicht der ganzen Welt Gebot,

Und meine Mittel will ich so verwalten,

Daß wenig weit soll reichen.

KÖNIG

Hört, Laertes,

Wenn Ihr von Eures teuren Vaters Tod

Das Sichre wissen wollt: Ists Eurer Rache Schluß,

Als Sieger in dem Spiel so Freund als Feind,

Gewinner und Verlierer fortzureißen?

LAERTES

Nur seine Feinde.

KÖNIG

Wollt Ihr sie denn kennen?

LAERTES

Den Freunden will ich weit die Arme öffnen

Und wie der Lebensopfrer Pelikan

Mit meinem Blut sie tränken.

KÖNIG

So, nun sprecht Ihr

Als guter Sohn und echter Edelmann.

Daß ich an Eures Vaters Tode schuldlos

Und am empfindlichsten dadurch gekränkt,

Soll Eurem Urteil offen dar sich legen,

Wie Tageslicht dem Aug.

DÄNEN

hinter der Szene. Laßt sie hinein!

LAERTES

Was gibts? Was für ein Lärm?

Ophelia kommt, phantastisch mit Kräutern und Blumen geschmückt. O Hitze, trockne Mein Hirn auf! Tränen, siebenfach gesalzen, Brennt meiner Augen Kraft und Tugend aus! Bei Gott, dein Wahnsinn soll bezahlt uns werden Nach dem Gewicht, bis unsre Waagschal sinkt! O Maienrose! Süßes Kind! Ophelia! Geliebte Schwester! - Himmel, kann es sein, Daß eines jungen Mädchens Witz so sterblich Als eines alten Mannes Leben ist? Natur ist fein im Lieben; wo sie fein ist, Da sendet sie ein kostbar Pfand von sich Dem, was sie liebhat, nach.

OPHELIA

singt.

Sie trugen ihn auf der Bahre bloß,

He non nonni, nonni, he nonni!

Und manche Trän fiel in Grabes Schoß -

Fahr wohl, meine Taube!

LAERTES

Hättst du Vernunft und mahntest uns zur Rache,

Es könnte so nicht rühren.

OPHELIA

Ihr müßt singen: »'nunter, hinunter, und ruft ihr ihn 'nunter!« O wie das Rad dazu klingt! Es ist der falsche Verwalter, der seines Herrn Tochter stahl.

LAERTES

Dies Nichts ist mehr als Etwas.

OPHELIA

Da ist Vergißmeinnicht, das ist zum Andenken; ich bitte Euch, liebes Herz, gedenkt meiner! - Und da ist Rosmarin, das ist für die Treue.

LAERTES

Ein Sinnspruch im Wahnsinn: Treue und Andenken bezeichnet.

OPHELIA

Da ist Fenchel für Euch und Aglei - da ist Raute für Euch, und hier ist welche für mich; wir können sie Sonntagsgnadenkraut nennen. - Ihr könnt Eure Raute mit einem Zeichen tragen. - Da ist Maßlieb - ich wollte Euch ein paar Veilchen geben, aber sie welkten alle, da mein Vater starb. - Sie sagen, er nahm ein gutes Ende. -

Singt.

Denn traut lieb Fränzel ist all meine Lust -

LAERTES

Schwermut und Trauer, Leid, die Hölle selbst

Macht sie zur Anmut und zur Artigkeit.

OPHELIA

singt.

Und kommt er nicht mehr zurück?

Und kommt er nicht mehr zurück?

Er ist tot, o weh!

In dein Todesbett geh,

Er kommt ja nimmer zurück.


Sein Bart war so weiß wie Schnee,

Sein Haupt dem Flachse gleich:

Er ist hin, er ist hin,

Und kein Leid bringt Gewinn;

Gott helf ihm ins Himmelreich!

Und allen Christenseelen! Darum bet ich! Gott sei mit euch.

Ab.

LAERTES

Seht Ihr das? O Gott!

KÖNIG

Laertes, laßt mit Euerm Gram mich sprechen,

Versagt mir nicht mein Recht. Entfernt Euch nur,

Wählt die verständigsten von Euren Freunden

Und laßt sie richten zwischen Euch und mir.

Wenn sie zunächst Uns, oder mittelbar,

Dabei betroffen finden, wollen Wir

Reich, Krone, Leben, was nur Unser heißt,

Euch zur Vergütung geben; doch wo nicht,

So seid zufrieden, Uns Geduld zu leihn;

Wir wollen dann, vereint mit Eurer Seele,

Sie zu befriedigen trachten.

LAERTES

Ja, so sei's.

Die Todesart, die heimliche Bestattung,

Kein Schwert noch Wappen über seiner Gruft,

Kein hoher Brauch noch förmliches Gepräng,

Alles ruft laut vom Himmel bis zur Erde,

Daß ichs zur Frage ziehn muß.

KÖNIG

Gut, das sollt Ihr,

Und wo die Schuld ist, mag das Strafbeil fallen.

Ich bitt Euch, folget mir!

Alle ab.

Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch)

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