Читать книгу Ende gut, alles gut - William Shakespeare - Страница 6
Dritte Szene
ОглавлениеRoussillon.
Es treten auf die Gräfin, der Haushofmeister und der Narr.
GRÄFIN. Jetzt will ich Euch anhören. – Nun, was sagt Ihr von dem jungen Fräulein?
HAUSHOFMEISTER. Gnädige Gräfin, ich wünschte, die Sorgfalt, die ich angewandt, Euer Verlangen zu befriedigen, möchte in den Kalender meiner früheren Bemühungen eingetragen werden; denn wenn wir selbst sie bekannt machen, verwunden wir unsre Bescheidenheit und trüben die helle Reinheit unsrer Verdienste.
GRÄFIN. Was will der Schelm hier? Fort mit Euch, Freund! – Ich will nicht allen Beschwerden glauben, die gegen Euch verlauten: es ist meine Trägheit, daß ich's nicht tue; denn ich weiß, es fehlt Euch nicht an Torheit, solche Schelmstücke zu unternehmen, und Ihr seid geschickt genug, sie auszuführen.
NARR. Es ist Euch nicht unbekannt, gnädige Frau, daß ich ein armer Teufel bin.
GRÄFIN. Nun gut!
NARR. Nein, gnädige Frau, das eben ist nicht gut, daß ich arm bin (obschon viele von den Reichen zur Hölle fahren): aber wenn Elsbeth es nur bei Euer Gnaden erreicht, daß Ihr sie unter die Haube bringen helft, so wollen wir schon sehn, wie wir als Mann und Frau zusammen fortkommen.
GRÄFIN. Willst du denn mit Gewalt ein Bettler werden?
NARR. Ich bettle nur um Eure gnädige Einwilligung in diese Sache.
GRÄFIN. In welche Sache?
NARR. In Elsbeths Sache und meine eigne. Dienst ist keine Erbschaft, und ich denke, ich gelange nicht zu Gottes Segen, bis ich Nachkommenschaft sehe; denn, wie die Leute sagen: Kinder sind ein Segen Gottes.
GRÄFIN. Sag mir den Grund, warum du heiraten willst.
NARR. Mein armes Naturell, gnädige Frau, verlangt es.
Mich treibt mein Fleisch dazu, und wen der Teufel treibt, der muß wohl gehn.
GRÄFIN. Und das ist alle Ursach', die Eu'r Gnaden hat?
NARR. Die Wahrheit zu sagen, ich habe noch andre heilige Ursachen, wie sie nun so sind.
GRÄFIN. Darf die Welt sie wissen?
NARR. Ich bin eine sündige Kreatur gewesen, gnädige Frau, gerade wie Ihr, und wie alles Fleisch und Blut; und mit einem Wort, ich will heiraten, damit ich bereuen könne.
GRÄFIN. Deine Heirat mehr als deine Sündhaftigkeit.
NARR. Es fehlt mir an Freunden, gnädige Frau, und ich hoffe, um meiner Frau willen Freunde zu finden.
GRÄFIN. Solche Freunde sind deine Feinde, Bursch!
NARR. Ihr versteht Euch wenig auf gute Freunde, gnädige Frau; denn die Schelme werden das für mich tun, was mir zu viel wird. Wer mein Land ackert, spart mir mein Gespann und schafft mir Zeit, die Frucht unter Dach zu bringen; wenn ich sein Hahnrei bin, ist er mein Knecht. Wer mein Weib tröstet, sorgt für mein Fleisch und Blut; wer für mein Fleisch und Blut sorgt, liebt mein Fleisch und Blut; wer mein Fleisch und Blut liebt, ist mein Freund: ergo wer meine Frau küßt, ist mein Freund. Wären die Leute nur zufrieden, das zu sein, was sie einmal sind, so gäbe es keine Skrupel in der Ehe: denn Charbon. Der junge Puritaner, und Meister Poysam, der alte Papist, wie verschieden ihre Herzen auch in der Religion sind, läuft's doch mit ihren Köpfen auf eins hinaus; sie können sich mit ihren Hörnern knuffen, so gut, wie irgendein Bock in der Herde.
GRÄFIN. Willst du immer ein frecher, verleumderischer Schelm bleiben?
NARR. Ein Prophet, gnädige Frau; ich rede die Wahrheit ohne Umschweif: –
Gedenkt nur an das alte Lied,
Es gilt noch heut wie gestern:
Was einmal sein soll, das geschieht,
Der Kuckuck sucht nach Nestern.
GRÄFIN. Geht nur, Freund, ich will die Sache ein ander Mal mit Euch verhandeln.
HAUSHOFMEISTER. Wär' es Euer Gnaden nicht gefällig, daß er Helena zu Euch riefe: ich wollte von ihr reden.
GRÄFIN. Freund, geh und sag dem jungen Fräulein, ich wolle sie sprechen: ich meine Helena.
NARR singt.
Verdient die Schöne, sprach sie dann,
Daß Troja ward zerstört?
O Narretei, o Narretei,
Herr Priam ward betört!
Worauf sie seufzt und weinen tut,
Worauf sie seufzt und weinen tut,
Und spricht: Da könnt ihr sehn,
Ist von neun Schlimmen eine gut,
Ist von neun Schlimmen eine gut,
Ist's eine doch von zehn.
GRÄFIN. Was? Eine gut von zehn? Du verdrehst ja das Lied, Bursch.
NARR. Eine gute Frau unter zehnen, Gräfin, das heißt ja die Ballade verbessern. Wollte Gott nur alle Jahr so viel tun, so hätte ich über die Weiberzehnten nicht zu klagen, wenn ich der Pfarrer wäre. Eine unter zehnen? Das glaub' ich! Wenn uns nur jeder Komet eine gute Frau brächte, oder jedes Erdbeben, so stände es schon ein gut Teil besser um die Lotterie: jetzt kann sich einer das Herz aus dem Leibe ziehn, ehe er eine trifft.
GRÄFIN. Werdet Ihr bald gehn, Herr Taugenichts, und tun, was ich Euch befahl?
NARR. Daß ein Mann einer Evastochter gehorchen muß, und es erfolgt kein Ärgernis! Zwar ist Ehrlichkeit kein Puritaner, aber dennoch soll sie diesmal kein Ärgernis geben und den weißen Chorrock der Demut über dem schwarzen Priesterkleide ihres unmutigen Herzens tragen. Ich gehe, verlaßt Euch drauf: ich soll an Helena sagen, hieher zu kommen. Ab.
GRÄFIN. Nun, also?
HAUSHOFMEISTER. Ich weiß, gnädige Frau, Ihr liebt Euer Fräulein von Herzen.
GRÄFIN. Allerdings; ihr Vater hinterließ sie mir, und sie selbst kann, abgesehn von ihren Vorzügen, mit allem Recht auf so viel Liebe Anspruch machen, als sie bei mir findet. Ich bin ihr mehr schuldig, als ich ihr zahle, und werde ihr mehr zahlen, als sie fodern wird.
HAUSHOFMEISTER. Gnädige Frau, ich war ihr neulich näher, als sie vermutlich wünschen mochte; sie war allein und sprach mit sich selbst, ihr eignes Wort ihrem eignen Ohr; sie glaubte – das darf ich wohl beschwören –, es werde von keinem Fremden vernommen. Der Inhalt war: sie liebe Euern Sohn. Fortuna, sagte sie, sei keine Göttin, weil sie eine so weite Kluft zwischen ihren Verhältnissen errichtet habe; Amor kein Gott, weil er seine Macht nicht weiter ausdehne, als auf gleichen Stand; Diana keine Königin der Jungfrauen, weil sie zugebe, daß ihre armen Nymphen überrascht werden, ohne Schutzwehr für den ersten Angriff, noch Entsatz im ferneren Kampf. Dies klagte sie mit dem Ausdruck des bittersten Schmerzes, in dem ich je ein Mädchen habe weinen hören. Ich hielt es für meine Pflicht, Euch eiligst davon zu unterrichten: sintemal, wenn hieraus ein Unglück entstehen sollte, es Euch gewissermaßen wichtig ist, vorher davon zu erfahren.
GRÄFIN. Ihr habt dies mit Redlichkeit ausgerichtet; behaltet's nun für Euch! Schon vorher hatten mich manche Vermutungen hierauf geführt; sie hingen aber so schwankend in der Waagschale, daß ich weder glauben noch zweifeln konnte. Ich bitte Euch, verlaßt mich nun! Verschließt dies alles in Eurer Brust, und ich danke Euch für Eure redliche Sorgfalt; ich will hernach weiter mit Euch darüber sprechen.
Haushofmeister ab.
So mußt' ich's, als ich jung war, auch erleben:
Natur verlangt ihr Recht; der scharf Dorn
Ward gleich der Jugendrose mitgegeben,
Die Leidenschaft quillt aus des Blutes Born.
Natur bewährt am treusten ihre Kraft,
Wo Jugend glüht in starker Leidenschaft;
Und denk' ich jetzt der Fehl' in vor'gen Stunden,
Hab' ich den Irrtum damals nicht gefunden. –
– Es macht ihr Auge krank, ich seh' es wohl.
Helena tritt auf.
HELENA.
Was wünscht Ihr, gnäd'ge Frau?
GRÄFIN.
Du weißt, mein Kind, ich bin dir eine Mutter.
HELENA.
Meine verehrte Herrin!
GRÄFIN.
Eine Mutter –
Warum nicht Mutter? Bei dem Worte: Mutter
Schien's, eine Schlange sähst du: wie erschreckt dich
Der Name Mutter? Ich sage, deine Mutter;
Und trage dich in das Verzeichnis derer,
Die ich gebar. Wetteifern sehn wir oft
Pflegkindschaft mit Natur, und wundersam
Eint sich der fremde Zweig dem eignen Stamm;
Mich quälte nie um dich der Mutter Ächzen,
Doch zahlt' ich dir der Mutter Liebe dar –
Um's Himmels willen, Kind! Erstarrt dein Blut,
Weil ich dich grüß' als Mutter? Sag, wie kommt's,
Daß dir die kranke Heroldin des Weinens,
Die mannigfarb'ge Iris, kränzt dein Auge? –
Weil du mir Tochter bist?
HELENA.
Das bin ich nicht! –
GRÄFIN.
Bin ich nicht deine Mutter?
HELENA.
Ach, verzeiht! –
Graf Roussillon kann nie mein Bruder sein;
Ich bin von niederm, er vom höchsten Blut;
Mein Stamm gering, der seine hochberühmt:
Er ist mein Herr und Fürst: mein ganzes Leben
Hab' ich als Dienerin ihm treu ergeben:
Nennt ihn nicht meinen Bruder; –
GRÄFIN.
Und mich nicht Mutter?
HELENA.
Ja, meine Mutter seid Ihr; wärt Ihr doch
– Müßt' Euer Sohn nur nicht mein Bruder sein! –
Ganz meine Mutter; wärt uns beiden Mutter:
Das wünscht' ich, wie ich mir den Himmel wünsche:
Nur ich nicht seine Schwester! Ist's nur dann vergönnt,
Wenn er mir Bruder wird, daß Ihr mich Tochter nennt?
GRÄFIN.
Wohl, Helena!
Du könntest meine Schwiegertochter sein. –
Hilf Gott! Du denkst es wohl? Mutter und Tochter
Stürmt so auf deinen Puls: nun wieder bleich?
Mein Argwohn hat dein Herz durchschaut; nun ahnd' ich
Das Rätsel deiner Einsamkeit, die Quelle
Der bittern Tränen: offenbar nun seh' ich,
Du liebst ihn, meinen Sohn: Verstellung schämt sich,
Dem lautern Ruf der Leidenschaft entgegen,
Mir nein zu sagen; darum sprich die Wahrheit:
Sag mir, so ist's; denn deine Wangen, Kind,
Bekennen's gegenseitig; deine Augen
Sehn es so klar in deinem Tun geschrieben,
Daß sie vernehmlich reden; nur die Zunge
Fesseln dir Sünd' und höll'scher Eigensinn,
Die Wahrheit noch zu hehlen. Ist's nicht so?
Wenn's ist, so schürztest du 'nen wackern Knoten!
Ist's nicht, so schwöre: Nein; doch wie's auch sei,
Wie Gott mir helfen mag dir beizustehn,
Ich fodre, daß du Wahrheit sagst.
HELENA.
Verzeihung!
GRÄFIN.
Sprich! Liebst du Bertram?
HELENA.
Teure Frau, verzeiht!
GRÄFIN.
Liebst du ihn?
HELENA.
Gnäd'ge Frau, liebt Ihr ihn nicht? –
GRÄFIN.
Das frag' ich nicht. Ich habe Pflicht und Grund
Vor aller Welt für mein Gefühl. Nun wohl!
Entdecke mir dein Herz; denn allzu laut
Verklagt dich deine Unruh'.
HELENA.
So bekenn' ich
Hier auf den Knieen vor Euch und Gott dem Herrn,
Daß ich vor Euch und nächst dem Herrn des Himmels
Ihn einzig liebe. Arm, doch tugendhaft
War mein Geschlecht: so ist mein Lieben auch.
Seid nicht erzürnt, es bringt ihm keine Kränkung,
Von mir geliebt zu sein: nie offenbart' ich
Ein Zeichen ihm zudringlicher Bewerbung;
Ich wünsch' ihn nicht, eh' ich ihn mir verdient,
Und ahnde nicht, wie ich ihn je verdiente!
Ich weiß, ich lieb' umsonst, streb' ohne Hoffnung;
Und doch, in dies unhaltbar lockre Sieb
Gieß' ich beständig meiner Liebe Flut,
Die nimmer doch erschöpft wird: gleich dem Indier,
Gläubig in frommem Wahne flehend, ruf' ich
Die Sonne an, die auf den Beter schaut,
Ohne von ihm zu wissen. Teure Herrin,
Laßt Euren Haß nicht meine Liebe treffen,
Weil sie dasselbe liebt wie Ihr. Nein, habt Ihr
Eu'r würdig Alter bürgt die lautre Jugend –
Jemals in solcher reinen Glut der Neigung
Treulich geliebt und keusch gehofft – daß Diana
Eins schien mit Eurer Lieb' – oh, dann hegt Mitleid
Für sie, die ohne Wahl und Hoffnung liebt,
Alles verlierend, stets von neuem gibt;
Nie zu besitzen hofft, wonach sie strebt,
Und rätselgleich in süßem Sterben lebt.
GRÄFIN.
Warst du nicht neulich Willens, nach Paris
Zu reisen? Sprich die Wahrheit!
HELENA.
Gnäd'ge Frau,
Das war ich.
GRÄFIN.
Und in welcher Absicht? Sag mir's!
HELENA.
So hört: ich schwör's Euch bei der ew'gen Gnade!
Ihr wißt, mein Vater ließ Vorschriften mir
Von seltner Wunderkraft, wie seiner Forschung
Vielfache Prüfung als untrüglich sie
Bewährt erfand: die hat er mir vererbt,
Sie in geheimster Obhut zu bewahren,
Als Schätze, deren Kern und innrer Wert
Weit über alle Schätzung. Unter diesen
Ist ein Arkan verzeichnet, viel erprobt,
Als Gegenmittel jener Todeskrankheit,
An der der König hinwelkt.
GRÄFIN.
Dies bestimmte
Dich nach Paris zu gehn?
HELENA.
Der junge Graf ließ mich daran gedenken,
Sonst hätten wohl Paris, Arznei und König
In meiner Seele Werkstatt keinen Eingang
Gefunden.
GRÄFIN.
Glaubst du wirklich, Helena,
Wenn du ihm dein vermeintes Mittel böt'st,
Er werd' es nehmen? – Er und seine Ärzte
Sind eines Sinns: Er, keiner könn' ihm helfen,
Sie: keine Hülfe gäb's. Wie trauten sie
'nem armen Mädchen, wenn die Schule selbst
In ihrer Weisheit Dünkel die Gefahr
Sich selber überläßt?
HELENA.
Mich treibt ein Glaube
Mehr noch als meines Vaters Kunst (des größten
In seinem Fach), daß sein vortrefflich Mittel,
Auf mich vererbt, von glücklichen Gestirnen
Geheiligt werden soll: und will Eu'r Gnaden
Mir den Versuch gestatten, setz' ich gern
Mein Haupt zum Unterpfand für unsres Herrn
Genesung zur bestimmten Zeit.
GRÄFIN.
Das glaubst du?
HELENA.
Ja, gnäd'ge Frau, gewißlich.
GRÄFIN.
Nun, wohlan!
So geb' ich Urlaub dir und Liebe mit,
Geld und Gefolg' und Gruß an meine Freunde
Am Hofe dort; ich bleib' indes daheim
Und fleh' um Gottes Segen für dein Werk.
Auf morgen geh, und glaub' mit Zuversicht:
Wo ich's vermag, fehlt dir mein Beistand nicht.
Beide gehn ab.