Читать книгу Perry Rhodan 401: Aufbruch ins All - William Voltz - Страница 4

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Im Mai des Jahres 2401 wanderten wagemutige Terraner ins Sonnensystem Sapa aus, das 19.316 Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Als die Kolonisten ihr Ziel erreichten, verzichteten sie auf ihren ursprünglichen Plan, den Planeten Firmer zu besiedeln. Diese Urwelt mit ihren dampfenden Meeren, ihren monströsen Tieren und ihren völlig fremden Bakterien und Viren war den Kolonisten zu unheimlich. So untersuchten die Auswanderer Conyers, den Mond des Planeten Firmer und befanden ihn für geeignet, dieser kleinen Gruppe von Menschen eine neue Heimat zu werden ...

1030 JAHRE DANACH ...

1.

Firmer war am Horizont aufgegangen. Die VANGUARD hob sich zusammen mit ihrem Startgerüst deutlich gegen die helle Scheibe des Planeten ab.

Flaman Pantalone trat in die Nacht hinaus. Es war die Nacht vor dem Start, und Pantalone wusste, dass er keine Ruhe finden würde. Jetzt, so kurz vor der Verwirklichung seiner Träume, wurde er von Zweifeln geplagt. Er schüttelte den Kopf. Vielleicht war es nur ein wenig Müdigkeit, ausgelöst durch den jahrelangen Kampf gemeinsam mit Obmann Mous Makalet gegen alle Widersacher des Projekts.

Aber das Gefühl, dass er von diesem Flug nicht zurückkommen würde, ließ sich nicht so leicht vertreiben.

Pantalone setzte sich in Bewegung. Er ging ziellos über das große Feld, von dem aus in den letzten zehn Jahren alle bemannten Satelliten in eine Umlaufbahn gestartet waren. Der Zufall oder ein unbewusster Impuls führte ihn in die Nähe der Gedenktafel, die man zu Ehren der Raumfahrtpioniere am Rand des Feldes errichtet hatte.

Neben der Tafel bewegte sich ein Schatten.

»Hallo!«, rief Pantalone und wunderte sich, dass außer ihm noch jemand zu so später Stunde hier draußen war.

Der Schatten näherte sich und nahm die Gestalt von Lytton Addis an.

»Hallo!«, sagte Addis, und seine Stimme klang belegt.

Pantalone hatte die Tafel erreicht und stützte sich mit beiden Armen darauf.

»Ist es nicht seltsam, dass wir uns hier treffen – mitten in der Nacht?«, fragte Addis. Er schien beunruhigt. Vielleicht machte er sich Gedanken über die geheimen Triebe, die zwei als nervenstark bekannte Männer zu ungewöhnlicher Stunde an einem ungewöhnlichen Platz zusammenführte.

Pantalone sah ein Streichholz aufflammen; Addis hatte sich eine Zigarette angezündet.

»Du antwortest nicht«, sagte Addis.

Pantalones Blicke waren zum Startgerüst gerichtet. Firmer war inzwischen höher gestiegen, so dass sich nur noch die erste Stufe der VANGUARD gegen die Planetenscheibe abzeichnete. Die Fähre mit ihren Deltaflügeln sah aus wie ein Dreieck, das auf einer Leuchtscheibe auf einen bestimmten Punkt hinwies.

Addis warf seine Zigarette weg – anscheinend schmeckte sie ihm nicht.

Pantalone fuhr mit der flachen Hand über die Seite der Gedenktafel, und jede Rille, die seine Finger erkundeten, war der Buchstabe im Namen eines toten Mannes.

»Vielleicht denkst du, dass sie unsere Namen auch bald hier einschlagen werden«, fuhr Addis beharrlich fort. »Unsere und die von Faolain Strachey und Neiman Korhu.«

»Schon möglich«, sagte Pantalone.

Einige Zeit schwiegen beide. Einer wusste vom anderen, dass er an den Start dachte und an das, was danach kam.

»Glaubst du wirklich, dass unsere Vorfahren von Firmer gekommen sind?«, fragte Addis nach einer Weile.

»Vieles deutet darauf hin«, erwiderte Pantalone. »Die Überreste der ausgegrabenen Kugelschiffe scheinen mir der eindeutigste Beweis zu sein.«

Addis sagte nachdenklich: »Bedauerlich, dass während des Atomkriegs vor achthundert Jahren alle Unterlagen vernichtet wurden. Es wäre beruhigend zu wissen, was uns auf Firmer erwartet.«

»Kein Fernrohr und kein Ortungsstrahl vermag diese wasserstoffgesättigte Wolkenatmosphäre zu durchdringen«, erwiderte Pantalone. »Wer wissen will, was auf diesem Planeten los ist, muss wohl oder übel hinfliegen – und genau das werden wir morgen tun.«

»Flaman?«

»Hm?«

»Glaubst du, dass wir zurückkommen werden?«

»Einige Zeit war ich davon überzeugt«, sagte Pantalone. »Nur so war es möglich, dass ich mich mit allen psychischen und physischen Kräften für das Projekt einsetzen konnte. Jetzt, da der Start sicher erscheint, muss ich zugeben, dass es eine Reihe von Unsicherheitsfaktoren gibt.«

»Werden wir auf Firmer mit unseren Vorfahren zusammentreffen?«

Pantalone hörte sich bitter auflachen.

»Die Geschichte lehrt, dass der Atomkrieg von Firmer aus auf Conyers übergriff«, antwortete er. »Wir müssen damit rechnen, dass sich die Saparen auf Firmer alle gegenseitig umgebracht haben.«

Mit aufflammender Begeisterung sagte Addis: »Aber wir werden die Überreste ihrer Kultur finden. Ganz bestimmt. Das wird von unschätzbarem Wert für uns sein. Eines Tages können unsere Raumschiffe vielleicht das Sapa-System verlassen und zu anderen Sternen fliegen.«

Pantalone zuckte mit den Schultern.

»Welchen Sinn hätte das?«, meinte er. »Wir Saparen sind die einzige intelligente Lebensform innerhalb des Universums, das ist ziemlich sicher.«

»Ich weiß«, stimmte Addis zu. »Trotzdem interessiere ich mich dafür, wie es auf anderen Welten aussieht.«

Pantalones Stimme bekam einen spöttischen Unterton. »Du interessierst dich für alles, was neu und abwechslungsreich ist.«

Addis wechselte das Thema.

»Ich hörte, dass du gestern noch einmal beim Obmann warst.«

»Das ist richtig«, nickte Pantalone.

»Wie geht es ihm?«

»Nicht besonders gut. Die Aufregungen der letzten Monate waren zuviel für ihn. Wir können nicht ermessen, was er für das Projekt getan hat. Er ...«, Pantalones Stimme erstarb.

»Er sieht in dir einen Sohn«, sagte Addis ruhig. »Schon einmal hat ein Pantalone Geschichte gemacht. Vor achthundert Jahren war es ein Mann deines Namens, der den Atomkrieg beendete und die Einheitsregierung auf Conyers gründete.«

»Das ist lange her«, sagte Pantalone.

»Ich gehe schlafen«, verkündete Addis unvermittelt und ging davon.

Pantalone schwang sich auf den Gedenkstein hinauf und ließ die Beine hin und her pendeln. Er fragte sich, was Strachey in diesem Augenblick tun würde oder Korhu. Faolain Strachey war bestimmt das einzige Teammitglied, das jetzt schlief. Pantalone lächelte, als er an Strachey dachte.

Neiman Korhu dagegen würde lesen. Korhu war ein Mann, der allen Dingen auf den Grund ging. Es war bestimmt kein Zufall, dass Korhu zur Besatzung der VANGUARD gehörte.

Pantalone erinnerte sich an ein Gespräch zwischen Korhu und Proctor, dem technischen Leiter des Projekts. Proctor hatte Korhu gefragt, was einen Mann dazu bewegen könnte, sich an diesem gefährlichen Flug zu beteiligen.

Und Korhu, der Mann mit der ruhigen Stimme, hatte erwidert: »Das ist doch offensichtlich: Firmer gibt mir Rätsel auf, die ich lösen möchte.«

Korhu gehörte zu jenen Menschen, die einen am Wegrand liegenden Stein aufheben, um zu ergründen, was sich darunter verbirgt.

Was sind wir doch für vier grundverschiedene Männer, dachte Pantalone erstaunt.

Seine Absätze schlugen im Takt einer bekannten Melodie gegen die Gedenktafel.

Er dachte: Und doch werden wir zusammen in einem Schiff sitzen und nach Firmer fliegen:

Faolain Strachey, Neiman Korhu, Lytton Addis.

Und ich, Flaman Pantalone.

*

Es war schon immer qualvoll für Mous Makalet gewesen, am Ende eines langen Tisches zu sitzen und mit seinem Kabinett zu beraten. Unsichtbare Fäden schienen über den Tisch zu laufen und sich unmittelbar vor ihm zu einem unentwirrbaren Knäuel zu vereinigen. Bei hitzigen Debatten pflegte Makalet mit der Faust auf jene Stelle zu schlagen, wo er das Knäuel vermutete; eine Geste, die ihm von seinen politischen Gegnern als Mangel an Sachlichkeit angelastet wurde.

Jetzt, da es draußen bereits dämmerte, hatte der Obmann das Gefühl, er müsste die Tischplatte mit einem Schlag zerschmettern. Es war warm innerhalb des Beratungssaals, und die Gesichter der Männer waren gerötet. Makalet hatte mit diesem letzten Angriff der Opposition gerechnet, obwohl er nicht geglaubt hatte, dass seine Gegner sich solch raffinierter Argumente bedienen würden, wie sie es in den letzten Stunden getan hatten. Makalet brauchte nur in die Gesichter seiner Anhänger zu blicken, um auch darin Zweifel zu sehen.

Aber solange er am Ende dieses Tisches saß, würde das Projekt nicht abgebrochen werden.

»Obmann!«, rief Bascomb Canton, der Führer der Opposition. »Würden Sie uns noch einmal den Namen jener Ärzte nennen, die für die Abschlussuntersuchung der Raumfahrer verantwortlich waren.«

Makalets Augen zogen sich zusammen, so dass sich in seinem Gesicht zahllose Falten bildeten. Wer den Obmann kannte, wusste, dass dies ein Zeichen höchster innerer Erregung war.

»Sie kennen diese Namen genau«, sagte Makalet. »Es ist überflüssig, dass ich sie Ihnen noch einmal nenne.«

Canton blickte sich im Kreis der Abgeordneten um, als wollte er sie alle als Zeugen für eine unverantwortliche Tat aufrufen.

»Gewiss, ich kenne diese Namen«, sagte Canton. »Deshalb habe ich jedem von Ihnen eine Liste mit diesen Namen anfertigen lassen.« Er öffnete eine Mappe und entnahm ihr einen Stapel Papiere. »Meine Herren! Sie können sich davon überzeugen, dass man in erster Linie Psychologen zur Behandlung der vier Raumfahrer herangezogen hat. Der Öffentlichkeit gegenüber wurde jedoch immer wieder behauptet, dass man auf ganz Conyers keine ausgeglicheneren Männer finden könnte als Flaman Pantalone und sein Team.«

Canton sprang auf und deutete anklagend auf Makalet.

»Es scheint sich jetzt jedoch herauszustellen, dass der Obmann keinerlei Wert auf die psychische Eignung der Raumfahrer legte. Besonders in einem Fall nicht: Flaman Pantalone. Es ist offensichtlich, dass der Obmann aus der Popularität dieses Mannes Propagandanutzen für das Projekt ziehen wollte und auch gezogen hat. Es ist ...«

Cantons nächste Worte gingen im Tumult unter. Alle außer Makalet waren aufgesprungen und schrien sich über den Tisch hinweg an. Hände wurden drohend gereckt.

Makalet fühlte, wie Cantons Blicke sich triumphierend auf ihn richteten.

Wenn es Bascomb Canton in dieser Nacht gelang, den Start aufzuschieben und ein anderes Team vorzuschlagen, würde die VANGUARD niemals starten.

Endlich gelang es dem Sitzungspräsidenten, sich Gehör zu verschaffen.

»Meine Herren!«, rief er. »Lassen Sie den Abgeordneten Canton doch bitte zu Ende sprechen.«

»Es gibt nichts mehr zu sagen«, schloss Canton seine Ausführungen. »Ich stelle hiermit den Antrag, dass der Start verschoben wird. Ein neues Team muss ausgebildet werden.«

Alle blickten Makalet an.

Makalet wusste, dass er es nicht zu einer Abstimmung kommen lassen durfte. Seine Gruppe verfügte nur über eine Mehrheit von vier Abgeordneten, und in der augenblicklichen Situation war es fraglich, ob überhaupt alle Anhänger des Obmanns für den Start stimmen würden.

Stanwell Rebbie, den Makalet in einem Streitgespräch einmal spöttisch den Hofnarr Cantons genannt hatte, bat durch Handzeichen um das Wort. Makalet wusste, was jetzt kommen würde. Rebbie würde den Antrag stellen, dass über eine Verschiebung des Starts abgestimmt wurde. Das war so durchsichtig, dass Makalet unbewusst lächeln musste, obwohl ihm das Projekt, noch niemals so stark gefährdet erschienen war wie in diesem Augenblick.

»Das Wort hat der Abgeordnete Stanwell Rebbie!«, rief der Sitzungspräsident.

In diesem Augenblick stand Makalet auf. Als fühlten die anderen Männer, dass etwas Ungewöhnliches geschehen würde, blickten sie alle zum Ende des Tisches, wo dieser alte Mann stand, der seit zwölf Jahren Obmann auf Conyers war.

»Ich bin überzeugt davon, dass der sehr ehrenwerte Abgeordnete Stanwell Rebbie eine durchdachte Rede vorbereitet hat«, sagte Mous Makalet. Er hob eine Hand zum Mund und gähnte. Dann drehte er sich mit aufreizender Langsamkeit um und blickte zur Uhr über der Eingangstür. »Andererseits«, fuhr er gelassen fort, »ist die Zeit schon zu weit fortgeschritten, als dass wir dieses Problem noch länger diskutieren könnten. Im Interesse Ihrer und meiner Gesundheit erkläre ich die außerordentliche Sitzung hiermit für beendet.«

Ein paar Sekunden unheimlicher Ruhe folgte der empörte Aufschrei Bascomb Cantons.

»Sie haben kein Recht, die Sitzung zu beenden, Obmann! Das darf nach dem Gesetz nur der Sitzungspräsident.«

»Ich bin sicher nicht der erste übermüdete Sapare, der sich über die Gesetze hinwegsetzt«, erwiderte Makalet.

»Das ... das ist Diktatur!«, stieß Canton hervor.

Makalets Berater sprang auf und packte den Obmann am Arm.

»Das dürfen Sie nicht tun, Mous«, sagte der erregte Mann. »Das kostet Sie Ihren Titel und unserer Partei die Führung.«

»Ja, das ist richtig«, stimmte Makalet zu und wandte sich vom Tisch ab.

»Unsere Partei hat ebenso wie ich ihre Aufgabe erfüllt«, sagte Makalet, als er auf die Tür zuging. »Canton und seine Freunde werden uns mit Recht ablösen. Aber das wird ein paar Tage dauern.« Makalet grinste. »Wo, glauben Sie, wird die VANGUARD zu diesem Zeitpunkt sein?«

Sein Berater blickte ihm mit offenem Mund nach.

»Dieser hinterlistige alte Gauner«, sagte Canton mit einer gewissen Anerkennung in der Stimme. »Jetzt hat er es also doch geschafft. Aber wer konnte wissen, dass er alles zu opfern bereit war, um diese vier Verrückten in einem riesigen Metallsarg nach Firmer zu schießen?«

*

Gegen Morgen fiel Flaman Pantalone in einen unruhigen Schlaf, aus dem er wieder erwachte, als das Tischtelefon läutete. Pantalone glaubte zunächst, dass man ihn zum Startturm rufen wollte, doch ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass er noch zwei Stunden Zeit hatte.

Pantalone ergriff den Hörer.

»Sie können ruhig die Bildübertragung einschalten, junger Mann«, sagte die vertraute Stimme von Mous Makalet. »Keiner von uns beiden ist so hässlich, dass er sich seines Gesichts schämen müsste.«

Pantalone lächelte und schaltete den Bildschirm ein. Er erschrak, als er den Obmann sah. Makalets Gesicht war eingefallen und grau. Trotzdem machte der Obmann einen gutgelaunten Eindruck.

»Wenn ich geahnt hätte, dass Sie schlafen, hätte ich nicht angerufen«, sagte Makalet. »Ich dachte, Sie würden keine Ruhe finden.«

»So ist es auch«, bestätigte Pantalone. »Ich träumte gerade, dass ich zusammen mit Strachey von firmerschen Amazonen entführt wurde.«

»Lassen Sie das nicht Canton hören«, sagte Makalet. »Er unterschiebt Ihnen eine Sexualneurose und verhindert den Start.«

Pantalone ließ sich durch das Verhalten des Obmanns nicht täuschen. Etwas war passiert. Aber Makalet wäre niemals so gesprächig gewesen, wenn jemand das Projekt ernsthaft gefährdet hätte.

»Was ist geschehen, Obmann?«, fragte der Raumfahrer.

»Ich werde unmittelbar nach dem Start der VANGUARD zurücktreten«, berichtete Makalet. »Das gilt auch für mein Kabinett.«

»Was?«, entfuhr es Pantalone.

»Es war die einzige Möglichkeit, das Projekt zu retten«, sagte Makalet. »Canton wollte eine Aufschiebung des Startes erreichen. Ich musste zu einem ziemlich ... äh ... außergewöhnlichen Mittel greifen, um das zu verhindern. Canton verlangt jetzt meinen Kopf, aber ich werde ihn ihm vor die Füße werfen, bevor er ihn abschlagen kann.«

Pantalone wusste nicht, was er sagen sollte.

»Es ist nicht so schlimm«, fuhr Makalet fort. »Wenn Sie zurückkommen, werden auch die Gegner des Raumflugs die Notwendigkeit dieses Projekts einsehen.«

»Jeder vernünftige Sapare ...«, begann Pantalone.

»Hören Sie damit auf!«, unterbrach ihn der Obmann. »Von achthundertsiebzig Millionen Saparen kann nicht jeder vernünftig sein. Manchmal glaube ich sogar, dass wir die Unvernünftigen sind. Übrigens: Ich werde den Start nicht miterleben, auch nicht auf dem Bildschirm. Ich fliege in einer Stunde nach Gove und bleibe dort, bis man mich vielleicht noch einmal braucht.«

Gove!, dachte Pantalone benommen. Ein riesiger Garten, ein See, ein weißer Bungalow und ein paar zahme Aljew-Adler. Genau der richtige Ort, um einen Mann wie Makalet umkommen zu lassen.

»Ich wünschte, Sie könnten mitfliegen, Obmann«, sagte Pantalone. »Es ist Ihr Schiff.«

»Es ist ebenso mein Schiff wie Ihres«, erwiderte Makalet. »Es ist ein Schiff, das jedem Saparen gehört. Sie fliegen nicht für mich nach Firmer, Flaman, sondern für das Volk der Saparen. Vergessen Sie das nie.«

»Bestimmt nicht!«, versprach Pantalone.

Makalet brach die Verbindung ab, ohne sich zu verabschieden.

Pantalone wusste, dass er nun bestimmt keinen Schlaf mehr finden würde. Er stand auf und kleidete sich an. Sein Frühstück stand schon bereit. Obwohl Makalet wegen des Startes zuversichtlich gewesen war, machte Pantalone sich Sorgen. Er kannte Bascomb Canton. Dieser Mann war klug. Canton brachte es fertig, den Start vielleicht doch noch zu verhindern.

Pantalone verließ sein Zimmer und ging zu Strachey hinüber. Der Navigator lag mit dem Rücken auf dem Bett und schnarchte. Am Boden lagen zwei leere Bierdosen. Pantalone schob sie mit den Füßen unter das Bett. Der Lärm ließ Strachey aufwachen.

»Ist es soweit?«, erkundigte er sich, als er Pantalone neben dem Bett stehen sah. Dann blickte er zur Uhr und gab sich die Antwort selbst.

»Was soll das?«, erkundigte er sich ärgerlich.

»Du hast Bier getrunken«, stellte Pantalone fest.

»Natürlich«, bestätigte Strachey angriffslustig. »Was ist dabei?«

»Dr. Kelsonby sieht das nicht gern.«

»Faolain Strachey, überlegen Sie doch bitte, welche Folgen der Genuss von einem halben Liter Bier für das Projekt haben könnte«, sagte Strachey und ahmte dabei die Sprechweise des Arztes nach.

»Makalet tritt zurück«, sagte Pantalone.

Strachey setzte sich auf.

»Deshalb bist du so gereizt«, sagte er. »Ich dachte doch gleich, dass etwas nicht in Ordnung ist. Und das Projekt?«

»Scheint gesichert. Auf jeden Fall werden wir starten. Wenn wir zurückkehren, stellt man uns vielleicht auf einen Scheiterhaufen.«

Strachey starrte auf seine Fingernägel. Es kam selten vor, dass er so nachdenklich wirkte.

»Sind wir nicht Narren?«, fragte er. Pantalone fühlte, dass diese Frage nicht ihm galt. Strachey versuchte vielmehr, selbst darauf eine Antwort zu finden.

»Warum tun wir das eigentlich? Wahrscheinlich werden wir nicht überleben. Vielleicht explodieren wir, oder wir ersticken. Es kann aber auch sein, dass wir verglühen. Es gibt mindestens zwanzig verschiedene Todesarten, durch die wir bedroht sind.«

»Sei still, Faolain!«

»Warum soll ich still sein? Es ist doch die Wahrheit.« Strachey schwang die Beine aus dem Bett und trommelte mit den Füßen auf den Boden, als müsste er sie erwärmen. Dann stieß er einen gemeinen Fluch aus. Pantalone beobachtete ihn. Strachey war Phlegmatiker, aber jetzt hatte es ihn gepackt. Pantalone lächelte. Er war froh, dass Strachey auch mit dem Herzen dabei war und nicht nur mit seinem Verstand.

»Wirf mir mal meine Hose 'rüber«, sagte Strachey.

Pantalone tat ihm den Gefallen. Als Strachey frühstückte, kam Korhu herein. Neiman Korhu war klein und hager. Besonders auffallend wirkte er durch seine blasse Gesichtshaut. Fast alle Saparen waren braun im Gesicht. Korhu hatte schwarze Haare, die an den Schläfen bereits grau wurden.

»Guten Morgen, Kommandant!«, begrüßte er Pantalone. »Guten Morgen, Faolain.«

»Hallo, Hexer!«, brummte Strachey.

»Jetzt fehlt nur noch der Junge«, sagte Pantalone.

Weil Lytton Addis, der Funker, der jüngste war, nannten sie ihn oft den »Jungen«, aber nur dann, wenn er nicht zugegen war.

Pantalone fand, dass Strachey zu lange brauchte, um sein Frühstück zu beenden. Korhu hatte dem Kommandanten zu verstehen gegeben, dass er noch ein paar Probleme diskutieren wollte. Als Ingenieur und Kybernetiker war Korhu nach Pantalone der wichtigste Mann des Teams. Einige seiner genialen Einfälle hatten den Bau der VANGUARD erheblich erleichtert. In Korhus Hosentaschen fanden sich stets ein paar schmierige Zettelchen, auf die er in aller Hast Berechnungen kritzelte, die sich später oft als brauchbar erwiesen.

Neiman Korhu war das Teammitglied, zu dem Pantalone am schwersten persönlichen Kontakt bekam. Korhu lebte zu sehr in wissenschaftlichen Problemen.

»Ich war gestern Abend bei Proctor«, sagte Korhu, als Strachey sich endlich zurücklehnte und genießerisch aufatmete. »Wir haben uns wegen der Booster in die Haare gekriegt.«

Die Booster, erinnerte sich Pantalone, waren vier Zusatztriebwerke der untersten, atomar betriebenen Raketenstufe. Sie arbeiteten mit Feststofftreibladung und sollten ein Startgewicht und 13.500 Tonnen in eine Höhe von 45.000 Meter tragen. Danach mussten sie abgestoßen werden, und die erste Stufe sollte zünden.

»Ist etwas nicht in Ordnung?«, erkundigte sich Pantalone besorgt. Er wusste, dass eine Aussetzung des Countdowns schließlich zu einem Sieg Cantons führen konnte.

»Es geht darum, dass Proctor die Booster als verloren ansieht«, erklärte Korhu. »Ich dagegen bin der Ansicht, dass mit einer kleinen Konstruktion alle vier Zusatztriebwerke nach dem Ausbrennen sicher zur Conyersoberfläche zurückzubringen wären.«

Pantalone unterdrückte ein erleichtertes Aufatmen.

»Wie lange würde es dauern, die Booster nach deinen Wünschen auszurüsten?«, fragte er.

»Vier Tage«, erwiderte Korhu.

»Solange können wir nicht warten«, mischte sich Strachey ein. »Flaman hat mir gesagt, dass Makalet heute zurücktreten wird. Also müssen wir heute starten.«

»Strachey hat recht«, sagte Pantalone.

Korhu war enttäuscht. Er konnte nicht verstehen, dass vier wertvolle Treibstoffbehälter politischen Manipulationen zum Opfer fallen mussten.

»Es gibt noch etwas, worüber ich mit euch sprechen wollte«, eröffnete Korhu den beiden anderen. »Es wäre jedoch besser, wenn der Junge dabei sein könnte, denn es handelt sich um die Funkanlage.«

»Du willst sie umbauen«, erriet Pantalone grimmig.

Korhu blinzelte verwirrt.

»Woher weißt du das?«, erkundigte er sich erstaunt.

Pantalone breitete die Arme aus und grinste.

»Ich bin der Kommandant«, sagte er.

*

Zwei und zwei hintereinander traten sie in das Sonnenlicht hinaus, die Helme unter den Armen und in den ungefügen Anzügen eher seltsamen Tieren ähnlich als Saparen.

An der Spitze gingen Flaman Pantalone und Faolain Strachey, der mit schweren Schritten über den Platz stampfte. Dahinter kamen Addis und Korhu mit gesenkten Köpfen, die freie Hand in den Gürtel gehakt.

Zu beiden Seiten der Astronauten rollten Kamerawagen. Die große Stahlrohrtribüne zwischen Verwaltungsgebäude und Kontrollturm war vollbesetzt. Eine halbe Stunde vor dem Start würden die Zuschauer ihre Plätze räumen und sich zweitausend Meter zurückziehen müssen.

Pantalone überlegte, dass auch die Gegner des Projekts zu den Beobachtern des Starts zählten, gleichgültig, ob sie in der Nähe waren oder vor dem Fernsehgerät saßen. Was ging in den Saparen vor, die den Flug nach Firmer für sinnlos hielten? Wünschten sie einen Fehlschlag? Ersehnten sie den Tod von vier Männern, die den Traum eines alten Mannes zu verwirklichen trachteten.

Der Gedanke an Makalet ließ Pantalone einen Augenblick seine Umgebung vergessen. Er traute dem Alten zu, dass er jetzt seelenruhig in seinem Garten in Gove stand und die Adler fütterte.

»Gibt es überhaupt noch einen Platz ohne installierte Kameras?«, fragte Faolain Strachey.

»Ich glaube nicht«, sagte Addis.

»Man hätte viel Geld sparen können, wenn man meinem Vorschlag gefolgt wäre und die automatischen Kameras mit Schienenführung aufgestellt hätte«, bemerkte Korhu.

»Da ist der Wagen«, sagte Pantalone und deutete auf das Fahrzeug, das sie zum Startturm bringen würde.

Bevor er einstieg, überblickte Pantalone noch einmal das Startfeld. Es schien ihm unglaublich, dass sie in zwei Stunden in der Spitze dieses einhundertzwanzig Meter hohen Ungetüms aus Stahl sitzen und die Qualen eines fürchterlichen Andrucks erdulden würden. Alles erschien in diesem Moment unglaubhaft. Pantalone hatte fast den Eindruck, Zuschauer bei einer Filmvorführung zu sein.

Im Innern des Wagens erwartete sie ein weißgekleideter Techniker.

»Öffnen Sie bitte alle Verschlüsse Ihrer Anzüge«, sagte er.

Der Wagen würde sie zum Lift fahren. Bevor sie die Fähre bestiegen, mit der sie auf Firmer landen sollten, würden die Wissenschaftler versuchen, Raumfahrer und Raumanzüge von Keimen zu reinigen, denn es sollten keine Mikroorganismen nach Firmer eingeschleppt werden.

Der Techniker vermied es, den vier Männern in die Augen zu blicken.

»Ich mache mir Sorgen um die erste Stufe«, erklärte Korhu, während er am Brustverschluss seines Anzugs nestelte.

»Wer hätte das gedacht«, bemerkte Strachey grimmig.

»Das kernchemische Triebwerk wurde nicht gründlich genug erprobt«, sagte Korhu. »Zum ersten Mal wird einer der neuen Kompaktreaktoren auf Kernspaltungsbasis zu einer derartigen Aufgabe benutzt.« Er schloss die Augen und stellte sich vor, wie die freiwerdende thermische Energie in einen Wärmeaustauscher strömte, wo der Wasserstoff, den man als Arbeitsmedium benutzte, aufgeheizt und unter hohen Austrittsgeschwindigkeiten und mit hoher Impulsdichte aus den Düsen gestoßen wurde.

Die beiden anderen Stufen waren weniger problematisch, weil sie nach dem vielfach erprobten Prinzip chemischer Antriebe arbeiten würden.

Die eigentliche Fähre besaß neben einem chemischen Raketentriebwerk ein Staustrahltriebwerk, mit dem sie in der Atmosphäre von Firmer weite Strecken zurücklegen wollten. Aber das lag noch in der Zukunft.

»Hör jetzt auf, darüber nachzudenken, was alles passieren könnte«, sagte Pantalone zu Korhu.

Der Wagen hielt an.

»Jetzt gibt es kein Zurück mehr«, sagte Strachey.

»Es gibt mindestens noch hundert Möglichkeiten, die zu einer Verzögerung des Starts führen können«, erwiderte Addis gereizt.

Sie stiegen aus dem Wagen. Ein Techniker erwartete sie, um sie zum Lift zu begleiten. Bei mehreren simulierten Startversuchen hatte Pantalone schon an gleicher Stelle gestanden, aber niemals zuvor war ihm die Rakete so riesig erschienen.

Sie betraten den Lift. Addis hustete nervös.

Allein würde ich das nicht durchstehen, dachte Pantalone in diesem Augenblick. Es ist gut, dass die anderen dabei sind.

*

Kurz nach dem Start sah Mous Makalet einen weißen Streifen am Himmel. Er nahm an, dass es die VANGUARD war. Es war aber auch möglich, dass er sich getäuscht hatte.

Sein Adjutant kam in den Garten.

»Ich habe den Start beobachtet, Obmann«, sagte der Mann aufgeregt. »Es klappt alles wunderbar.«

»Schreien Sie hier nicht so herum«, verwies ihn Makalet. »Sehen Sie nicht, dass Sie die Adler nervös machen?«

Perry Rhodan 401: Aufbruch ins All

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