Читать книгу Aufgabe - William Stone - Страница 5
30 Kilometer
ОглавлениеDaniel wusste, was er wollte.
Er wusste immer, was er wollte. Und er bekam es auch immer. So wurde er erzogen und so verhielt es sich auch jetzt.
Er saß auf dem Fahrersitz eines kleinen Lieferwagens – er war allein.
Bedächtig, jedoch nicht auffällig langsam, fuhr er die kurvenreiche Landstraße bergauf. Die letzte halbe Stunde schon ging es nur bergauf. Und so würde es auch bis zu seinem Zielort bleiben. Die winterlichen Minusgrade machten ihm selbst nichts aus. Genauso wenig wirkten sie sich auf seinen Fahrstil aus. Wie auch – er hatte sich auf den heutigen Abend sehr lange vorbereitet. Verdammt lange, wie er sich täglich ermahnte. Er ermahnte sich bei jeder Gelegenheit, in welcher er seine Konzentration zu verlieren schien, in jedem Augenblick, in dem ein Ereignis in seinen festen Tagesablauf einzudringen versuchte.
Ein Leben außerhalb seiner Aufgabe hatte er schon seit einem Jahr nicht mehr. Er wusste nicht, was seine Freunde machten. Die Freunde, die er von heute auf morgen verlassen hatte, und die jetzt keine Freunde mehr waren. Sogar das hübsche Mädchen aus der Bäckerei an der Ecke, in welches er sich bereits beim ersten Mal verliebt hatte, war nicht mehr von der Weite seines Gedankenhorizonts erfasst. Genau genommen trug Daniel Scheuklappen.
Es gab kein rechts, kein links, kein oben und kein unten. Genauso wenig gab es jetzt noch wichtige Menschen für ihn. Er war wichtig, das wusste er. Doch auch er diente nur einem höheren Zweck.
Und so ließ er mit jedem gefahrenen Meter immer mehr Stücke seines Lebens auf dem Weg zurück. Ein Leben, das er eigentlich gemocht hatte. Doch ungleich den Protagonisten eines Kindermärchens, wollte Daniel auf keinen Fall gefunden werden oder etwa den Weg zurück an den Ursprung seiner Reise wiederfinden. Er blickte nicht zurück, denn sein Handeln kannte nur eine Destination – die erfolgreiche Erfüllung seiner Aufgabe, die vor ihm lag.
Nicht einmal in den Rückspiegel sah Daniel noch, vielleicht aus Angst, dieser könnte Erinnerungen und Sehnsüchte zeigen, vielleicht, weil er seine Fracht und sein Ziel bestens kannte und es keine Rückkehr gab.