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1. Folge

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Mit der Geschichte:

Wer ließ Pepe fliegen?

Paul und Pauline liebten ihre Oma Berta sehr, obwohl sie gar keine Oma war. Doch zu ihr konnten die Zwillinge jederzeit kommen, wenn ihre Eltern arbeiten mussten oder keine Zeit für sie hatten. Oft blieben sie bei ihr auch über Nacht. Das taten sie gern, denn nirgendwo sonst konnten sie in einem so großen alten Doppelbett nebeneinander schlafen. Wenn Oma Berta sich dann abends noch ihren hohen Lehnsessel ans Bett zog und Geschichten erzählte, so kuschelten sie sich wohlig in die dicken Federbetten ein.

Und Oma Berta kannte viele Geschichten. Sie verstand es auch, sie spannend zu erzählen. Doch eines Tages wusste sie keine mehr, die sie den Kindern nicht bereits erzählt hätte. Wie sie es auch versuchte, sich neue auszudenken, es wollte ihr nicht gelingen. Bis sie eines Nachts kleine Geister aus einem Geisterland vor sich sah. Da wusste sie, von ihnen wird sie viele Geschichten erzählen können. Nur eins war ihr nicht klar, war ihr das einfach so eingefallen oder hatte sie davon geträumt.

Gleich, als die Kinder das nächste Mal bei ihr waren und sie sich abends an ihre Betten setzte, begann sie damit. Seltsam, sie brauchte keine langen Überlegungen vorher, sie sah alles so klar vor sich, als wäre sie dabei. Und sie begann:

*

„Weit entfernt, hinter Sonne und Mond, irgendwo zwischen den unzähligen Sternen des Universums verbirgt sich hinter einem wabernden grauen Nebel ein schwarzes Loch. Das ist das Tor von unserer Welt zur Geisterwelt. Dahinter liegt Magihexanien, das Land der Magihexer.“

„Magihexer, was sind das?“, fragte Paul und richtete sich in seinem Bett auf.

„Das sind Geistwesen mit blauen Wolkenkörpern und auf dem Kopf tragen sie einen Hut mit einem hohen roten Zipfel.“

Jetzt setzte sich auch Pauline auf. „Und wozu haben sie einen Hut mit einem so komischen Zipfel?“

„Da können sie hineinkriechen, wie bei uns eine Schnecke in ihr Haus.“

„Haha! Wie soll denn da ihr Körper reingehen?“ Paul ließ sich lachend zurückfallen.

„Das verstehe ich auch nicht“, bemerkte Pauline.

„Nun überlegt mal, sie können ihre Körper wie eine Wolke am Himmel aufplustern, strecken oder zusammenziehen. Da können sie sich doch ganz klein machen, dann passen sie leicht in so einen Zipfelhut.“

„Na, gut! Doch was machen diese komischen Geister? Kommen sie auch zu uns?“, wollte Paul wissen.

„Ja, sie kommen zu den Menschen.“

„Um uns Wünsche zu erfüllen?“ Gespannt neigte sich Pauline vor.

„Haha, so ein Quatsch! Geister, die Wünsche erfüllen, dir eine neue Puppe bringen, was?“ Paul tippte sich an die Stirn.

„Doch, Paul, auch dafür können sie sorgen, dass euch solche Wünsche in Erfüllung gehen.“

Ungläubig schüttelte Paul seinen Kopf. „Wie denn? Nur Mama und Vati haben das Geld dazu und können das.“

„Sie können aber Mama oder Vati so beeinflussen, dass sie dir diesen Wunsch erfüllen.“

„Du glaubst das wirklich?“ Nachdenklich rieb sich Paul die Nase. Dann richtete er sich auf und sagte: „Nein! Ich habe mir so sehr das neueste Modellauto von dem Jaguar für meine Sammlung gewünscht und sie haben beide nein gesagt. Was sollen deine Geister daran noch ändern?“

„Wenn es dir wichtig ist, dann können sie noch viel tun.“

„Mir ist das megawichtig!“ Paul grinste listig: „Eigentlich könnten sie mir jetzt beweisen, dass es sie gibt. Sie brauchen nur dafür zu sorgen, dass ich das Modellauto bekomme. Aber du wirst sehen, das geschieht nicht, weil es diese – wie nennst du sie? - die Magi-noch-was gar nicht gibt.“

Oma Berta lächelte nachsichtig. „Magihexer sind das. Und du willst sie also auf die Probe stellen?“

„So ein Blödsinn! Wenn es die wirklich gibt, wie sollen sie davon wissen?“

„Das sind doch Geister, die wissen alles“, ereiferte sich Pauline.

„Kinderquatsch!“, tat Paul es ab.

„Das ist kein Quatsch. Durch ihre Gedankenkraft wissen sie immer, wann ein Mensch sie braucht und was er denkt“, erklärte Oma Berta.

„Was ich denke, das sollen die wissen?“, ungläubig blickte Paul sie an.

„Ja, so ist es. Sie erfahren alles.“

„Aber ... aber, dann wissen sie ja schon das von dem Auto ... Wird Paul es bekommen?“, fragte Pauline neugierig.

„Vielleicht!“

„Schön wär’s! Da müssten sie Vati erst einmal dazu bringen, dass er es mir kauft. Wie soll das gehen?“

„Sie werden ihm dazu in seine Gedanken hineinwirken.“

„Und wie können sie das?“

„Sie haben die Fähigkeit jedem Menschen, auch dir, mit ihrer Gedankenkraft ins Ohr zu blasen, was er denken oder tun soll.“

„Was ist das: Gedankenkraft?“, wollte Pauline wissen.

„Ohne zu reden, nur mit ihren Gedanken können sie sich miteinander verständigen, auch über große Entfernungen gegenseitig rufen, wenn sie Hilfe brauchen.“

„Ha! Schade, dass wir die Gabe nicht haben, dann wüsste ich immer, wann du mich belügst.“

„Ich aber auch!“, antwortete Pauline spitz und überlegte weiter: „Dann weiß ja bei den Magihexern einer vom andern, was er denkt!“

„Nein, nur wenn sie sich mit einem andern verständigen wollen, geht das.“

Angestrengt dachte Pauline nach. „Mit uns können sie das aber nicht?“

„Nein, das wäre mir neu. Nur unsere Gedanken können sie beeinflussen. Wie oft mag sich ein Mensch darüber wundern, was ihm da gerade in den Sinn gekommen ist. Dabei war es ein Magihexer, der ihm das eingegeben hat.“

„ Und dazu müssen sie uns ins Ohr blasen?“

„Ja, so ist es.“

„Na, das soll mal einer bei mir versuchen. Blödsinn! Den klatsche ich weg, wie eine lästige Mücke“, ereiferte sich Paul.

„Bist du doof! Das merkst du doch gar nicht.“ Jetzt tippte Pauline sich an die Stirn.

„Das stimmt, Paul. Und doch sind sie oft um uns herum.“

„Auch jetzt?“

„Ja, vielleicht auch jetzt“, bestätigte Oma Berta.

Verstohlen suchend sah sich Pauline um. „Ich würde sie gerne sehen.“

„Selber doof! Wenn ich sie nicht an meinem Ohr merke, wie willst du sie dann sehen können?“, frohlockte Paul.

„Nein, sehen können wir sie nicht, obgleich sie viel für uns tun und uns helfen, ohne dass wir es merken. Oft greifen sie ein, wenn wir mal nicht wissen, wie es weitergehen soll.“

„Ich weiß nicht! Was sollen sie schon tun können, wenn ich es nicht will. Kinderkram! Das ist doch nur eine Geschichte“, wehrte Paul ab.

„Na und, ist es so schlimm, an eine Geschichte zu glauben? Was nicht zu beweisen ist, können wir immer nur glauben, Paul. Das hilft uns aber oft.“

„Ich glaube daran!“, beeilte sich Pauline zu versichern.

„Paul, was machst du?“, fragte Oma Berta erstaunt, als er begann, sich seine Pyjamajacke auszuziehen.

„Ich ...? Ach ..., ich weiß nicht!“, stotterte er verlegen und zog sie sich wieder an.

Da schlug Pauline vor Vergnügen mit den Händen auf das Bett und lachte: „Und du glaubst nicht an die Magihexer? Da war bestimmt einer gerade an deinem Ohr und hat dir das eingegeben.“

„Blödsinn!“, knurrte Paul ärgerlich.

„Und wenn du nun das Auto von Vati bekommst?“, herausfordernd sah Pauline ihn an.

„Träum weiter!“

„Ja, Paul, soll ich die Geschichten von ihnen nicht erzählen, weil du sie anzweifelst?“

„Nein, nein! Geschichten höre ich schon gern“, beeilte sich Paul zu versichern.

„Gibt es viele Magihexer?“, wollte Pauline jetzt wissen.

„Oh, ja!“

„Und haben sie alle einen Namen?“

„Auch das. Dazu gehört zu jedem noch ein Beiname, der etwas über sie und ihr Wesen aussagt, das wichtig sein kann, wenn sie bei den Menschen eingesetzt werden.“

„Und einer von ihnen ist der Böse“, vermutete Paul.

„Oh, nein, Paul! Zwar gibt es Satano, den Quäler, der einem Menschen wehtun kann. Doch das tut er nur, wenn sonst nichts hilft, um ihn davon abzuhalten, Böses zu tun.“

„Dann sind alle nur lieb? Das ist ja langweilig.“

„Warum? Hast du Angst, dass es keinen Streit gibt? Das können die Magihexer so gut wie die Menschen. Außerdem haben sie auf der Erde Feinde. Mit denen gibt es Streit genug. Das sind die blauen Eisluchse. Katzenhafte Erdgeister, die ihnen neiden, dass sie hinaus ins Universum fliegen können, während sie mit ihren zotteligen Beinen an die Erde gebunden sind. Wie aus dem Nichts tauchen sie auf, wie ins Nichts verschwinden sie wieder. Sie versuchen oft zu verhindern, dass die Magihexer Menschen zum Guten beeinflussen, weil sie die Hartherzigen und Bösen von uns für ihr eisiges Reich am Nordpol erbeuten wollen. So kommt es oft sogar zum Kampf zwischen ihnen.“

Da richtete sich Paul auf. „Und die hauen sich richtig?“

„Ja, das kommt vor.“

„Das geht doch nicht! Wie soll man sich denn mit einer Wolke schlagen?“ Paul war hellwach.

„Alles sind Geistwesen, Paul. Die haben keine Körper wie wir. “

„Aber wirklich verletzen können sie sich nicht?“, fragte Pauline besorgt.

„Doch, doch! Wenn sie so richtig miteinander kämpfen.“

„Dann hängen die Wolken in Fetzen. Geil!“, freute sich Paul.

„Du bist gemein! Das muss ihnen wehtun!“, empörte sich Pauline.

„Ach was! Wie sollen denn Wolken Schmerzen haben?“

„Du irrst, Paul! Auch wenn ihre Körper anders sind als unsere, so können sie Schmerzen empfinden wie wir. Nun ist es aber genug für heute. Jetzt schlaft!“

„Und ... und das Auto? Glaubst du, Paul wird es bekommen?“ Das wollte Pauline noch unbedingt wissen.

Paul sagte nichts mehr dazu.

„Vielleicht!“, antwortete Oma Berta. Sie stand auf und wollte gerade das Licht löschen, da klingelte das Telefon. „Nanu, wer ruft so spät noch an?“, wunderte sie sich.

Es war die Mutter. Anders als verabredet, sollten die Kinder morgen gleich nach der Schule nach Hause kommen. Doch dann ließ sie Paul noch einen Gruß ausrichten: Der Vater hatte für ihn heute das Modellauto von dem Jaguar gekauft. Als Oma Berta das Paul sagte, rief Pauline sofort: „Das haben bestimmt die Magihexer so gemacht!“

Paul aber fragte zunächst ungläubig: „Vati hat das wirklich getan?“ Dann richtete er sich auf, schlug vor Freude mit den Händen auf das Bett und rief: „Wouh! Da kann man ja glatt glauben, dass es diese Geister wirklich gibt.“

Lächelnd löschte Oma Berta das Licht, ging aus dem Zimmer und legte sich selbst schlafen.

Komisch, bald war ihr, als streiche jemand immer wieder über ihre Nase, über ihre Stirn und zupfte an ihren Haaren. Unwirsch schlug sie mit der Hand nach einer vermeintlichen Fliege.

Doch da summte keine Fliege. Drei Magihexer waren es, die sie mit ihren blauen Wolkenkörpern und roten Zipfelhüten umschwebten.

„Sehen kann sie uns nicht. Doch schaut, wenn ich sie berühre oder an ihren Haaren ziehe, dann merkt sie es und reagiert darauf“, kicherte Babahu, der Schabernack, und zog gleich noch einmal daran.

Oma Berta richtete sich kurz auf und strich sich ihr längeres graues Haar, das sie am Tage zum Dutt aufsteckte, wieder glatt.

„Übertreibe es nicht, Babahu! Sonst errät sie noch, dass wir es sind“, mahnte Jojotu, der Tröster, ängstlich.

„Wenn sie aber nichts von uns weiß, wie kann sie dann von uns erzählen?“, wunderte sich Imada, der Eifrige.

„Zufall! Sie hat sich das ausgedacht und es passt zufällig auf uns“, versuchte Babahu es abzutun.

„Und die Eisluchse, auch Zufall? Du weißt, dass es bei den Menschen keine Zufälle gibt. Sie glauben es zwar, doch immer sind wir es, die den so genannten Zufall herbeiführen. Das muss einen anderen Grund haben“, überlegte Jojotu.

„Wir müssen Malipu danach fragen. Der weiß alles. Er braucht sicher nur in sein schlaues Buch zu schauen“, meinte Imada.

„Was wohl die andern dazu sagen werden, dass Oma Berta von uns erzählen kann? Das wird eine Sensation für sie sein. Kommt, ich kann es kaum erwarten, ihnen davon zu berichten“, drängte Babahu.

„Wer weiß, ob Malipu das überhaupt gefällt“, wandte Jojotu noch ein.

Babahu hörte nicht mehr hin. Er streckte sich bereits für den Heimflug und ermahnte Imada: „Stell dich jetzt beim Durchschweben der Mauer nicht wieder so an wie vorhin, als wir herkamen.“

„Nein, nein!“, versicherte Imada, glitt sogleich auf die Wand zu und verschwand darin.

Doch Jojotu und Babahu waren längst durch die Mauer geschwebt und saßen wartend auf der Straße vor dem Haus, da kam Imada noch immer nicht heraus. Vom Schornstein holten sie ihn am Ende herunter. Wie war er da nur hingekommen? Dann flogen alle drei an Mond und Sonne vorbei, weiter durchs Universum, heim nach Magihexanien.

*

Währenddessen saß Malipu, der Wissende, in den Bergen von Magihexanien vor seiner Höhle und schaute in sein schlaues Buch. Darin notierte er sich alles Wissenswerte. Jetzt aber konnte er nichts mehr darin lesen.

„Verdreibelte Magiwut! Was ist das nur?“, schimpfte er vor sich hin.

Er nahm seine Brille ab, wischte sich über die Augen und setzte sie wieder auf. Doch nichts hatte sich verändert. Das Buch war voll. Gestern hatte er noch mit Müh und Not eine Notiz unterbringen können. Wo war sie heute? Er blätterte die Seiten um und um. Doch die Buchstaben drängelten sich. Sie tanzten umeinander, rutschten hinauf oder hinunter, verschwanden und kamen wieder. Wörter drehten sich um sich selbst. Er glaubte sogar, sie stöhnen zu hören. Wie konnte er da noch etwas lesen. Wie aber sollte er weiterhin alles neue Wissen um die Welt, die Erde und die Menschen im Kopf behalten, war der doch auch voll genug. „Herr des Lebens, hilf!“, dachte Malipu, schlug das Buch zu und schaute sich um.

„Aber, flixdiwix! Ich kann sonst alles um mich herum deutlich erkennen. Was ist los mit mir?“, murmelte er vor sich hin. Und er sah die Berge mit ihren bunten Gipfeln, die funkelten, als wären sie aus lauter Edelsteinen zusammengesetzt. Auch bei dem Lebensstrom im Tal war ihm, als könne er darin verfolgen, wie die goldenen Lebenstropfen, die aus dem ewigen, unendlichen See des Lebens kommen, zum schwarzen Loch fließen. Danach schweben sie als kleine Nebel zur Erde, dringen ein in alles, was wachsen soll, und bringen ihm die Lebenskraft, ein Mensch, ein Tier oder eine Pflanze zu werden. Malipu konnte auch den höchsten Berg mit dem gelben Gipfel und darunter die Quelle erkennen, von der sich alle Geistwesen ernährten. Nur lesen konnte er nicht mehr. Dabei war ihm im Kopf so seltsam zumute. Noch einmal nahm er die Brille ab und fuhr sich über die Augen. Es änderte sich nichts. Mutlos setzte er sie wieder auf. Den andern wollte er davon noch nichts sagen. Sie, die Respekt vor ihm hatten und auf ihn hörten, würden sich sicher ängstigen, weil es so etwas bei ihnen noch nie gegeben hatte. Bereits damals, als ihm Magifa, der Magier, - der für sie alle auch Arzt und Heiler ist - seine Brille herbeigezaubert hatte, waren sie darüber sehr erregt gewesen und jeder hatte befürchtet, es könnte ihm ebenso ergehen. Dabei hatte er die Brille nur gebraucht, weil er so viel in seinem schlauen Buch lesen musste. Nein, es war besser, wenn er ihnen davon noch nichts sagte. Also erst einmal abwarten. Vielleicht war das ja morgen wieder vorbei.

So hoffte Malipu, streckte sich und schwebte hinunter zu dem Platz am Ufer des Lebensflusses, an dem die Magihexer gern zusammenkamen, wenn ein Heimkehrer erzählte, was er auf der Erde erlebt hatte.

Kaum saß er dort und blickte das Tal zum schwarzen Loch entlang, ob die von Oma Berta heimkehrenden Magihexer zu sehen wären, schwebte Magifa heran. Auch er wollte nach den dreien Ausschau halten. „Sorgst du dich um sie?“, fragte er Malipu, plusterte sich auf und ließ sich neben ihm nieder.

„Nein, nein! Nicht, wenn sie bei Oma Berta und den Kindern waren.“

„Bisher ist auch noch keiner von uns auf der Erde verloren gegangen, seit all der Magizeit, die es uns gibt.“

„Das stimmt! Dennoch, die Erde ist nicht ungefährlich für uns. Nicht allein die Eisluchse können uns Schaden zufügen. Denk nur an das Wasser von Seen und Flüssen und das Eis darauf im Winter, mit dem wir nicht in Berührung kommen dürfen. Es kann einfach zu viel geschehen. Sicher sein können wir nie“, gab Malipu zu bedenken.

„Aber dass sich unsere Wolkenkörper im Wasser auflösen, dass wir beim Berühren von Eis erstarren und dann auf der Erde verdampfen würden, das ist jedem von uns bekannt. Und was die Eisluchse angeht, verletzen können sie uns, doch wann haben sie gegen uns gesiegt?“, fragte Magifa. Dann schaute er irritiert zu Malipu.

Der fuhr sich gerade unter der Brille heftig über die Augen und legte für einen Moment seine Hand auf die Stirn.

„Was machst du? Stimmt etwas mit deinen Augen nicht?“, fragte Magifa besorgt.

„Ach, nein! Mir war nur ein Moment so komisch. Es ist wieder vorbei“, wich Malipu aus, blinzelte aber noch, als könne er nichts richtig erkennen. Dann sah er in einiger Entfernung die drei heimkehrenden Magihexer angeschwebt kommen. „Da, schau, jetzt sind sie bald hier“, lenkte er ab.

„Und mit dir ist wirklich alles in Ordnung?“, hakte Magifa noch einmal eindringlich nach.

„Wenn ich es dir sage!“, knurrte Malipu.

Weiter konnten sie nicht miteinander reden. Auch die andern Magihexer hatten mitbekommen, dass die drei nach Hause kamen. So schwebte einer nach dem andern heran, plusterte sich auf, setzte sich dazu und sah erwartungsvoll den drei Ankömmlingen entgegen.

*

Als Erster von ihnen schwebte Babahu, der Schabernack, heran. Er plusterte sich auf und setzte sich in den Kreis. Ebenso, aber erschöpft, ließ sich Jojotu, der Tröster, nieder. Dann kam Imada, der Eifrige. Verschusselt, wie er war, streckte er sich zuerst. Das tat er auch noch so hastig, dass er ein Stück in die Höhe schoss. Dort plusterte er sich zu früh auf, verlor das Gleichgewicht, rief angstvoll: „Oh! Oh!“, drehte sich wie eine Kugel um sich selbst und fiel herab. Die andern zogen schnell ihre Köpfe ein, nur Pontulux, dem Zwicker, nützte es nichts, Imada landete genau auf ihm, rutschte an ihm ab und fiel um.

„Verdreibelter Tollpatsch! Kannst du nicht aufpassen!“, schimpfte Pontulux und hielt seinen Zipfelhut fest.

Alle lachten. Besonders schadenfroh Babahu. „Flixdiwix! Das war komisch! Nein, war das komisch!“ Er schüttete sich aus vor Lachen. Das gönnte er Pontulux, der oft missmutig herummeckerte. Das war ja besser als jeder Streich, den er ihm hätte spielen können.

„Verzeih! Das wollte ich nicht!“, murmelte Imada, setzte sich und duckte sich schuldbewusst.

Pontulux warf ihm einen unversöhnlichen Blick zu. Er geriet schnell in Rage. „Beinahe hättest du mir meinen Zipfelhut vom Kopf geschlagen. Was bist du für ein Magihexer? Weißt du nicht, wie gefährlich das ist, dass die Zipfelhüte ein Eigenleben haben und versuchen werden, uns zu entfliehen, wenn wir den Kontakt zu ihnen verlieren?“

„Doch, doch!“, murmelte Imada und quoll verlegen hin und her.

„Nun, es ist ja noch einmal gut gegangen und nichts passiert“, griff Jojotu, der Tröster, ein.

Und Malipu wollte endlich wissen: „Warum seid ihr so lange weg gewesen?“

„Es ging nicht schneller“, antwortete hastig Babahu. „Außerdem hat Imada wieder … Aber willst du nicht lieber selbst erzählen, wie das war?“, forderte er Imada auf.

Der druckste herum.

„Wie soll er das?“, kam ihm Jojotu zu Hilfe. „Soll ich es erzählen?“

„Ja, mach das!“, beeilte sich Imada zuzustimmen und lief rot an.

Da grinsten schon einige Magihexer. Das schien eine lustige Geschichte zu werden. Manchmal konnte man sich ja über die Tollpatschigkeit von Imada richtig ärgern, doch oft war es einfach zum Lachen.

Imada schwieg verlegen, während Jojotu davon berichtete, wie Imada davor zurückscheute, bei Oma Berta durch die Wand ins Haus zu gleiten. Aufgeregt hatte er nach einem offenen Fenster gesucht und war um das Haus geschwebt. Doch da war kein Fenster offen. An die Hand haben sie ihn schließlich genommen und mit durch die Wand gezogen.

Darüber amüsierten sich bereits alle. Für jeden von ihnen war es selbstverständlich, dass sie auf der Erde durch jede Mauer gleiten konnten. Nur durch gewachsenen Felsen, Lebendiges und Glas war ihnen das unmöglich. Keinem hat es jemals etwas ausgemacht, in einer Mauer nichts sehen zu können. Das war nicht anders als im schwarzen Loch. Dort dauerte es sogar viel länger, bis sie wieder herauskamen. Wie alle glitt auch Imada dort hindurch. Warum er auf der Erde vor einer Mauer in Panik geriet, verstand keiner.

Auch nicht Jojotu, als er weiter erklärte: „Nachdem das bereits Zeit gekostet hatte, hielt er uns am Ende vor dem Heimflug erst noch richtig auf … Aber erzähl das lieber selbst Imada!“

Der druckste herum: „Na ja, ich wollte diesmal nicht zögern wie sonst und bin vor Babahu und Jojotu in die Wand. Doch dann ...“

„Was dann?“, drängten die andern ungeduldig.

„Da hat er nicht wieder herausgefunden.“ rief Babahu feixend dazwischen.

„Ich konnte doch nichts sehen“, verteidigte sich Imada.

„Wer kann das schon!“ antworteten alle und lachten.

„Statt nun an einem Fleck zu bleiben, damit wir ihn finden könnten, sauste er wie verrückt durch das Mauerwerk des Hauses, hinauf und hinunter, quer durch Decken und Fußböden“, erzählte Jojotu weiter.

„Wie schaffst du es nur, dabei nicht aus der Mauer herauszukommen?“, wunderte sich einer.

„Das ist mir auch ein Rätsel“, meinte Babahu.

„Ich versuche es ja. Ich weiß nicht, warum es mir nicht gelingt“, klagte Imada.

„Na, jedenfalls, was glaubt ihr, wo wir ihn am Ende nach langer Zeit gefunden haben?“

„Wo?“ Alle schauten gespannt zu ihm.

„Oben auf dem Dach. Auf dem Schornstein saß er, völlig verwirrt und schwarz vom Ruß. Wie eine drohende Gewitterwolke auf der Erde sah er aus.“

„Da hat er sich aber lange schütteln müssen, um die Rußflocken wieder aus seinem Wolkenköper herausfliegen zu lassen.“ Rief einer und schlug sich bei der Vorstellung vor Vergnügen mit beiden Händen an seinen Zipfelhut.

Die Berge schallten wider vom Lachen der Magihexer. Das war ein Spaß! Nur Imada saß bedrückt dabei. Auch Malipu wirkte müde und hörte kaum noch zu, weil ihm Augen und Kopf wieder schmerzten.

„Ich denke, irgendwann wird auch Imada das lernen“, bemerkte Magifa. „Doch was könnt ihr von Oma Berta und den Kindern berichten?“

„Ja, was gibt es Neues von ihnen?“, drängten auch alle andern zu erfahren.

Einer fragte allerdings: „Hat sie den Kindern wieder eine spannende Geschichte erzählt?“

„Und ob!“, rief Babahu sofort.

„Das glaubt ihr nicht!“, versicherte aufgeregt Jojotu.

„Sie hat von uns erzählt“, verkündete jetzt Imada die sensationelle Tatsache:

Verblüfftes Schweigen.

„Jawohl, von uns!“, wiederholte Imada und nickte dazu, um die Wichtigkeit dessen, was er gesagt hatte, zu betonen.

„Ach, kommt! Das geht gar nicht!“, riefen schließlich einige.

„Doch! Sie weiß alles!“, bekräftige Babahu.

„Es war richtig unheimlich, was sie alles von uns wusste, als wäre sie ständig dabei“, erklärte Jojotu und schüttelte sich.

„Wer war das?!“ Wie mit einem Messer schnitt Malipus Frage jedes weitere Wort ab. Bis eben noch geistesabwesend, saß er jetzt hellwach da und sein streng forschender Blick traf jeden in der Runde.

„Was?“, wollten einige verständnislos wissen.

„Na, wer hat ihr die Fähigkeit dazu eingegeben?“

Bedrückt sah einer den andern an. Da, ein Zipfelhut duckte sich auffällig. Er gehörte Tatani, dem Träumer, der den Menschen gute oder schlechte Träume bringen kann. „Ich!“, meldete er sich kläglich.

„Du?“ Alle blickten fragend zu ihm.

„Es heißt doch, wir sollen alles für Oma Berta und die Kinder tun. Oder?“, verteidigte sich Tatani.

„Und das war wichtig, warum?“, fragte Malipu scharf.

„ Weil … weil Oma Berta wieder so traurig war, dass sie keine Geschichten mehr für die Kinder wusste. Wir aber erleben und erzählen uns hier so viele. Da dachte ich ...“

„… dass es ja nichts ausmacht, ihr im Traum die Fähigkeit ins Ohr zu blasen, alles in ihr Unterbewusstsein aufzunehmen“, vollendete Malipu zornig den Satz. „Dreimal verdreibelter Magidreck! Wie konntest du das tun?!“

„Aber sie weiß es doch nicht! Sie glaubt noch immer, dass sie alle Geschichten selbst erfindet, dass sie ihrer Fantasie entspringen. Weder sie noch die Kinder können wissen, dass es uns wirklich gibt“, behauptete Tatani bedrückt.

„Das glaubst auch nur du!“, fuhr Malipu ihn an. „Doch einer von uns hat den Vater so beeinflusst, dass er Paul das Modellauto gekauft und uns damit vielleicht bereits verraten hat. Wer war das? Wer hat das getan?“, fragte Malipu erbost.

„Das war ich“, gestand Jubila, der Glückliche, leise ein.

„Du hast was ...?“, rief Tatani überrascht. „Ich dachte, außer mir wüsste niemand davon, dass Oma Berta von uns erzählen kann?“

„Das wird ja immer besser! Wer hat noch davon gewusst und nichts berichtet?“ Das regte Malipu auf. Herausfordernd blickte er erneut in die Runde.

Es meldete sich niemand mehr.

„Wie konntet ihr das Gesetz der Magihexer brechen?“, hielt er ihnen erzürnt vor. „Kein Mensch darf von unserer Existenz etwas wissen. Stets sollen sie denken, dass der Zufall oder sie selbst etwas geregelt hätten. Sonst verlassen sie sich nur noch auf uns, geben sich keine Mühe mehr, ihre Probleme selbst zu lösen. Und wir verlieren ...“ Mitten im Satz brach er ab, fasste sich erneut an den Kopf, nahm seine Brille ab und fuhr sich wieder über Stirn und Augen.

„Was ist mit dir? Was wolltest du noch dazu sagen?“, drängte Magifa erneut besorgt.

„Ach, nichts. Es ist ja nicht mehr zu ändern“, wehrte Malipu ab.

„Geht es dir nicht gut?“ fragte jetzt auch Jojotu.

„Ich darf mich wohl nicht aufregen“, murmelte Malipu mehr zu sich selbst. Dann setzte er seine Brille wieder auf und sagte: „Ich bin müde. Muss in meine Höhle und in meinen Zipfelhut. Wir reden später noch darüber.“ Er streckte sich und schwebte hinauf in die Berge.

Ratlos sahen ihm die andern nach. Das hatten sie noch nie bei ihm erlebt. Beunruhigt rätselten sie, was mit ihm los sei und wussten es sich doch nicht zu erklären.

Eine Weile redeten sie noch über die ungeheuerliche Tatsache, dass ein Mensch nun von ihnen erzählen konnte, auch wenn er nicht wusste, dass es sie wirklich gab. Dann schwebte auch von ihnen einer nach dem andern aus dem Kreis der Magihexer vom Ufer des Lebensflusses zurück in die Berge.

Nur Jojotu, und Pontulux, spürten, dass sie zur Erde gerufen wurden. Pontolux, eben erst zurückgekehrt, knurrte unwillig: „Warum wieder ich?“

Doch es half ihm nichts. Wer gerufen wurde, der musste folgen. Noch ehe sie das schwarze Loch erreicht hatten, trafen sie mit einem Koboldiner zusammen. Der wurde auch zu den drei Schwestern gerufen, damit er dort auf einen kleinen Kanarienvogel Acht gab. Denn so, wie die Magihexer für die Menschen zuständig sind, so müssen sich die Koboldiner um die Tiere auf der Erde kümmern. Gemeinsam glitten sie durch den wabernden dunklen Nebel des schwarzen Lochs und flogen weiter durchs Universum zur Erde. Was würde sie dort erwarten?

Rätsel um Malipu

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