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Der will nur spielen
ОглавлениеMein Verhältnis zu Hunden ist seit frühester Kindheit gestört.
Ich fuhr siebenjährig und durch die Straßenverkehrsordnung legitimiert mit dem Fahrrad auf dem Bürgersteig meines Heimatbezirkes, um Oma im Garten zu besuchen.
„Achte auf die Fußgänger“, hatten mir alle eingetrichtert. Ich war bemüht, mich daran zu halten und glaubte mit kindlichem Stolz behaupten zu können, dass es mir gelang.
Der Garten war bereits in Sichtweite, Oma stand winkend am Gartenzaun, als von links aus der Einfahrt der Werft zähnefletschend ein dunkles Monster auf vier Beinen auf mich zu galoppierte, hochsprang und mich von meinem Fahrrad stieß.
Der Hundebesitzer zog sein inzwischen über mir thronendes Vieh beiseite und schnauzte mich an, dass ich besser aufpassen solle und ging, ohne sich zu vergewissern, ob bei dem vor ihm liegenden Häufchen Elend eine medizinische Erstversorgung erforderlich gewesen wäre, mit seiner Töle genau dorthin, wo er hergekommen war.
Eingeschüchtert untersuchte ich, nachdem ich mich davon überzeugt hatte, dass kein weiterer Angriff auf mein Leben drohte, erst das Fahrrad und anschließend mich selbst nach Blessuren: Schutzblech verbogen, Rücklicht defekt, das rechte Knie und der Ellenbogen abgeschürft.
Fortan überblätterte ich die Seiten, auf denen Pluto, der Hund von Micky Maus, in den Comics auftauchte. Ungeachtet der vielen Leben, die Lassie im Laufe ihres filmischen Daseins gerettet haben mag, sah ich hinter der Maske des Vierbeiners die Bestie.
Heute wohne ich, selbstverständlich ohne Hund, dafür mit Frau und Kind, in einer idyllischen und abgelegenen Gegend am Stadtrand Berlins. Dort, wo Fuchs und Hase nicht lange suchen müssen, um sich „Gute Nacht“ zu sagen und es in einigen Straßen nicht einmal Bürgersteige gibt, die man hochklappen könnte. Immobilienmakler beschreiben es als ruhige Wohngegend. Sie irren.
Jeder Zweite hält hier einen Hund, der auf das noch nicht abgezahlte Eigenheim aufpassen soll. Den wenigsten Hundehaltern will es gelingen, ihrem Liebling all die schlechten Hundegewohnheiten auszutreiben. Immer wieder beobachte ich Köter, die an fremden Menschen hochspringen und ihre Pfoten, mit denen sie zuvor in den Exkrementen ihrer Artgenossen umher tapsten, an deren Beinkleidern säubern. Fluglärmgegner, die in Bürgerinitiativen zu Sitzblockaden auf Start- und Landebahnen aufrufen, halten das laut anhaltende und uninspirierte Bellen ihres Lieblings offenbar für eine schubert´sche Sonate und stören sich nicht daran, dass Rex, Hasso und Sultan die Nachbarschaft in den Wahnsinn kläffen.
Seit einigen Tagen trage ich mich nunmehr mit dem Gedanken, die Konsequenzen zu ziehen und nicht etwa Haus und Hof verkaufend das Weite zu suchen, sondern mir ebenfalls ein Haustier zuzulegen.
Ich habe an einen Löwen gedacht und freue mich bereits jetzt schon darauf, endlich auch einmal die magischen Worte sagen zu dürfen:
Der will nur spielen.