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2.6 „Gott“: Erste religionswissenschaftliche und logische Annäherungen
ОглавлениеAttribute Gottes im Sinne des Theismus: Außerweltlichkeit, notwendige Existenz, Personalität, Allmacht, Allwissenheit, Omnipräsenz, Güte, Ewigkeit, Unveränderlichkeit, Einfachheit
Die theistischen Religionen beziehen sich auf ein zentrales Objekt, das im deutschen „Gott“ genannt wird. In der jüdisch-christlich-islamischen Religionsfamilie werden ihm bestimmte charakteristische Attribute zugeschrieben, die einerseits das religiöse Bewusstsein der Gläubigen prägen, andererseits aber auch seit Langem Gegenstand philosophischer Analysen und Kontroversen sind. Üblicherweise werden zu diesen philosophisch relevanten Attributen gezählt: Gottes Außerweltlichkeit und notwendige Existenz, Personalität, Allmacht, Allwissen, Omnipräsenz (d.h. Überall-Anwesenheit), Güte, Ewigkeit, Unveränderlichkeit, Einfachheit. Diese und ähnliche Attributlisten werden von Philosophen häufig als allgemeine Beschreibung des Theismus betrachtet (im Detail variieren die Vorschläge mitunter).
Weitere Attribute Gottes
Damit erschöpfen sich die religiös signifikanten Attribute Gottes aber noch nicht. Besonders vor einem christlichen Verständnishintergrund ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass die Dreifaltigkeit Gottes, sein Schöpfertum bezüglich der Welt, seine Selbstoffenbarung in der Geschichte sowie seine Menschwerdung in seinem Sohn Jesus Christus nicht zu dieser Liste von philosophisch fassbaren Kern-Attributen gehören. Obwohl gerade diese Attribute für das christliche Gottesverständnis zentral sind, stellen sie Sonderaspekte der christlichen Religion dar (Schöpfertum und Selbstoffenbarung werden auch von Judentum und Islam anerkannt). All diese Attribute sind kein Bestandteil des allgemeinen Theismus. Obwohl sie auch etliche interessante philosophische Fragen aufwerfen würden (siehe als Einführung die betreffenden Artikel in (17), (99a), (99b)), konzentrieren wir uns im Folgenden auf die Bestandteile des allgemeinen Theismus.
Außerweltlichkeit und notwendige Existenz
Obwohl Gott in den theistischen Religionen als höchst realer Gegenstand gedacht wird, wird er nicht als Bestandteil der Welt betrachtet, wie sie uns vordergründig zugänglich ist. Gott ist – im Gegensatz zum Pantheismus – auch nicht identisch mit der Summe der Dinge in der Welt. Im Gegenteil, Gott wird sogar ein Begründungsverhältnis zur Welt zugeschrieben, er wird als deren Daseinsgrund, deren Ursache oder deren inhaltsbestimmender Faktor gedacht. Mitunter wird er auch als Ziel des Weltlaufs verstanden, in dem sich alle Teile der Welt irgendwie vollenden oder zumindest in ihm enden werden. Gott erfüllt damit eine Erklärungsfunktion dafür, warum die Welt existiert. (Notabene: Daraus folgt noch nicht unbedingt, dass er auch der Schöpfer der Welt an einem Anfang der Zeit sein muss; die Frage nach einem zeitlichen Anfang der Welt ist mit der Frage nach der Weltbegründung nicht zu vermengen. Näheres siehe Abschnitt 3.3.) Wäre Gott ein Gegenstand innerhalb der Welt, würde er diese Funktion nicht erfüllen, weil er selbst erklärungsbedürftig wäre. Diese Außerweltlichkeit Gottes wird häufig auch als seine Transzendenz bezeichnet.
Es liegt auf der Hand, dass die präzise Darstellung dieser Verhältnisse auf sprachliche Grenzen stößt. Religionen, aber auch deren philosophische Reflexionen bedienen sich daher nicht selten indirekter, metaphorischer oder bewusst paradox klingender Umschreibungen dafür. So heißt es z.B., Gott sei nicht von dieser Welt, er sei die alles begründende Wirklichkeit, der Grund allen Seins, die ultímate reality, er sei überall und nirgends etc. Dieses Artikulierungsproblem ist übrigens nicht bereichstypisch für die Religion. Es ist ja schon nicht ohne Weiteres klar, was unter der „Welt“ zu verstehen ist: Gehören zu ihr nur die physikalischen Dinge, oder auch z.B. mathematische und ästhetische Gegenstände, gehören dazu auch die bloß möglichen Gegenstände, etc.? Mit derlei Fragen stößt man sofort in metaphysische Grundsatzdebatten (269), (275a).
In Zusammenhang mit der Außerweltlichkeit Gottes wird auch behauptet, Gott existiere notwendigerweise im Gegensatz zu den Dingen der Welt, die immer auch nicht existiert haben könnten. Ja sogar die Welt insgesamt könnte auch nicht existiert haben (man nennt diese nicht-notwendige Form der Existenz kontingente Existenz). Die theistischen Religionen sagen von Gott aus, er könne nicht nicht-existieren. Die genaue Bedeutung dieser Redeweise wird uns vor allem bei der Besprechung des sogenannten ontologischen Arguments (3.2) sowie in Abschnitt 4.2 nochmals beschäftigen.
Personalität, aber Unkörperlichkeit
Gott wird in den theistischen Religionen nicht als unpersönliches Urprinzip der Wirklichkeit oder als kosmische Kraft gesehen, sondern als irgendwie personenartig zu denkender Gegenstand. Gott werden bestimmte personale Verhaltensweisen zugeschrieben, insbesondere jene der Liebe zu den Menschen, zu anderen Bestandteilen der Welt oder zur Welt insgesamt, kognitive (d.h. erkenntnisrelevante) Zustände wie Interesse, Wahrnehmen und Wissen, moralisch relevante Zustände wie Billigung, Missbilligung oder Präferenzen, zuweilen sogar emotionale Regungen wie Zorn, Reue oder Vergeltungsbedürfnisse. Auf menschlicher Seite bedeutet dies, dass die Menschen in eine persönliche Beziehung mit Gott eintreten können und dies sogar sollen. Das kann sich z.B. in Formen des Gebetes, der Zwiesprache mit Gott oder der Möglichkeit von offenbarenden Handlungen Gottes äußern.
Es ist klar, dass damit philosophisch gesehen zwei Probleme verbunden sind. Erstens wird damit das Problem der Bedingungen der Personalität aus der philosophischen Anthropologie in die Religionsphilosophie übertragen: Welche notwendigen oder hinreichenden Bedingungen kann man dafür angeben, dass ein Gegenstand eine Person ist? Aber auch wenn dieses Problem allseits zufriedenstellend gelöst wäre, verbleibt ein zweites: Gott kann ja keinesfalls eine Person genau wie innerweltliche Personen sein, vielleicht mit etwas außerordentlicheren Fähigkeiten (man denke an die griechisch-römischen oder altnordischen Göttergestalten), denn dann wäre er wohl ein Gegenstand innerhalb unserer Welt und nicht deren letzte Erklärung. Man nennt die Fehlertendenz, sich Gott nach Art menschlicher Personen zu denken, Anthropomorphismus (von griech. anthropos, Mensch und morphe, Gestalt/Form). Schon die jüdisch-christlich-islamische Religionsfamilie ist von einer zunehmenden Kritik am Anthropomorphismus gekennzeichnet; in der Abwehr von innerweltlichen Götzenbildungen durch Bilderverbote („Du sollst Dir kein Bild machen“: Altes Testament, Buch Exodus, Kap. 20, Vers 4; „Es gibt nichts Seinesgleichen“ (Koran, Sure 42:11)) steckt nicht nur die Abwehr von Fremdkulten, sondern durchaus auch ein religionsphilosophischer Gedanke.
Besonders klar tritt die eigentümliche Personalität Gottes in seiner Unkörperlichkeit zutage. Theistische Religionen sagen von Gott aus, dass er zwar eine Person ist, aber keinen Körper hat, wie das für menschliche Personen gilt. Zwar gibt es in manchen Religionen Aussagen, wonach sich Gott im Ausnahmefall menschlich-körperlicher Erscheinungsformen bedient hat, aber dies sind schon aus Sicht des religiösen Denkens nur Ausnahmen von der Regel. Gottes Unkörperlichkeit hat zur Folge, dass man bestimmte andere Aussagen von ihm ebenfalls nicht in genau derselben Weise machen kann wie von einem Menschen: Gottes Erkennen etwa muss ohne Sinnesorgane und ein zentrales Nervensystem, sein Handeln ohne Gliedmaßen und Sprechwerkzeuge vonstatten gehen.
Gottes Allmacht; Grenzen und Paradoxien
Theistische Religionen sagen von Gott ferner aus, dass er Handlungen setzen kann und in diesen, anders als wir Menschen, nicht von irgendwelchen Grenzen der eigenen Fähigkeiten oder der Umweltumstände eingeschränkt ist. Gott ist also allmächtig. Wie Gott überhaupt in der Welt und in der Geschichte handeln kann, wird bereits im religiösen Denken unterschiedlich beantwortet. Es gibt Vorstellungen eines direkten Eingreifens Gottes in den Weltlauf (teils in der Erscheinungsform als menschliche Person, teils ohne solche), aber auch Vorstellungen, dass Gott sich des Denkens, Entscheidens und Handelns natürlicher Personen bedient, indem er es in seinem Sinne beeinflusst. Mit beiden Formen ist häufig die Vorstellung verbunden, dass Gott auch den naturgesetzlich vorgezeichneten Lauf der Dinge durchbrechen kann. Viele Religionen rechnen sogar mit Wundern (als auffälligen Durchbrechungen dieser Art). Etliche Religionen kennen darüber hinaus die Vorstellung, Gott (durch Gebete oder ähnliches) um bestimmte Eingriffe zu bitten.
Dass die spontane Vorstellung vom allmächtigen Gott auch bestimmte logische und sachliche Grenzen haben muss, ist seit langem bekannt. Etwa kann auch ein allmächtiger Gott die Vergangenheit nicht verändern, keine logisch widersprüchlichen Sachverhalte herbeiführen (z.B. keine Dreiecke mit parallelen Seiten schaffen) und keine notwendigen Sachverhalte herbeiführen oder abändern (z.B., dass 4 durch 2 teilbar ist). Mit Gottes Güte und Ewigkeit wäre es z.B. auch unvereinbar, wenn er seine Existenz unterbräche oder jemandem grundlose Übel zufügen würde.
Die präzise Bedeutung von Gottes Allmacht ist seit langem Gegenstand von paradox scheinenden Aufgabestellungen. Ein Paradox lautet z.B.: Kann Gott einen derart schweren Stein schaffen, dass er ihn danach nicht mehr heben kann? Wie immer man antwortet, Gottes Allmacht schiene dadurch begrenzt. An Lösungen für dieses Problem wurde u.a. vorgeschlagen, dass die Schaffung eines derart schweren Steines logisch unmöglich wäre (eben weil dies gegen Gottes Allmacht verstieße!), oder aber, dass eine Rede von „davor/danach“ auf Gott bezogen sinnlos sei, da er außerhalb der Zeit sei (siehe dazu weiter unten). Gott könne sowohl alle Steine schaffen als auch heben, das Problem sei also falsch, aus unserer menschlichen Perspektive eines zeitlichen Nacheinanders, gestellt. Man ersieht aus solchen und ähnlichen Paradoxa auch, dass die Attribute Gottes nicht voneinander unabhängig sind. Wir kommen darauf noch mehrmals zurück (siehe Abschnitte 4.2 und 5.5).
Allwissenheit
Das religiöse Denken sagt von Gott aus, er wisse um sämtliche Sachverhalte der Welt, und zwar direkt und ohne Dazwischentreten von Sinnesorganen, Zeugenberichten u.a. (Auch hier wird wiederum eine Verbindung zu einem anderen Attribut Gottes, seiner Unkörperlichkeit, sichtbar.) Ein spezielles Problem stellt dabei Gottes Wissen um zukünftige Sachverhalte dar, und zwar insbesondere sein Wissen um die Handlungen freier Handlungssubjekte wie uns Menschen. Einerseits scheint es, dass Gottes Allwissenheit diese Handlungen mit erfassen müsste. Andererseits würde dies bedeuten, dass diese Handlungen schon vorher absehbar sind bzw. festliegen. Dies wiederum scheint die Freiheit dieser Handlungen aufzuheben, damit aber auch z.B. ihre moralische Löblichkeit oder Vorwerfbarkeit. Eine bekannte Lösung dieses Problems ist, dass Gottes Allwissenheit sich doch nicht auf zukünftige Handlungen erstrecke, weil Wissen sich immer nur auf Wahrheiten erstrecken kann, Sätze über zukünftige Tatsachen aber weder wahr noch falsch sind. Mit religiösen Aussagen z.B. der Bibel scheint dies allerdings schwer vereinbar. Daher wurde auch hier mitunter auf die Außerzeitlichkeit Gottes (siehe unten) verwiesen: Wenn Gott alle Zeitpunkte gleichermaßen nahe bzw. fern sind, weil es in ihm kein Nacheinander gibt, weiß er natürlich auch um alle (aus unserer, aber nicht seiner Sicht!) zukünftigen Sachverhalte.
Omnipräsenz
Von Gott wird in den Religionen gesagt, dass er an jedem Punkt des Universums anwesend sei. Diese Omnipräsenz (nichtklassisches Latein, von omnis, alle und praesentia, Anwesenheit, „Überallanwesenheit“) hängt sachlich zusammen mit der bereits besprochenen Allmacht und Allwissenheit Gottes. Da Gott keinen Körper hat, kann diese Anwesenheit kein Bedecken einer Raum/Zeit-Stelle sein wie bei menschlichen Personen (in manchen religiösen Traditionen wird gesagt, Gottes Gegenwart sei „geistig“). Es gibt also kein Problem der Kollision bzw. Überlappung zwischen Gott und den innerweltlichen Dingen. Allerdings stellt sich dann die Frage, wie man den Unterschied zwischen Gott und den innerweltlichen Dingen hinreichend klar aufrechterhalten kann. Gott soll weder etwas bloß Gedachtes noch die Zusammennahme aller Dinge noch eine Art alle Dinge durchsetzendes Prinzip sein, weil dies die Grenze zum Panentheismus oder Pantheismus verwischen würde.
Gottes Güte
Güte bzw. vollkommene Güte wird von Gott in einem zweifachen Sinne ausgesagt. Einerseits kann damit gemeint sein, dass Gott das höchste Gut ist, d.h. der Ursprung aller innerweltlichen Gutheit, aber auch das Ziel innerweltlicher Strebevorgänge, etwa auch das vollendende Ziel menschlichen Lebens (im Einzelnen können diese Vorstellungen unterschiedlich ausgestaltet sein). Von Gott wird aber auch Güte in ähnlicher Weise ausgesagt, wie wir sie von guten Menschen aussagen, d.h. in einem moralischen Sinne. Da Gott dieses Attribut in einem vollkommenen, innerweltlich nicht vorfindlichen Grade zeigt, wird mitunter auch von Allgüte gesprochen. Gottes Allgüte bedeutet, dass er das Beste für seine Geschöpfe will, und zwar mehr als Menschen je dazu fähig wären. Die beiden hauptsächlichen Probleme im Zusammenhang mit Gottes Güte sind einerseits das Faktum, dass manche religiöse Traditionen von Gott auch Regungen wie Zorn, Rache und Zerstörungslust aussagen, und andererseits das Faktum, dass es unverdientes und sinnloses Übel in der Welt gibt. Beide Probleme werden bereits seit Langem innerhalb der Religionen und ihrer Theologien diskutiert (man denke etwa an das bekannte Buch Ijob im Alten Testament, ca. 6. Jh. v. Chr.). Sie stellen jedoch auch die Basis für einige zentrale religionskritische Argumente dar, auf die wir noch ausführlicher eingehen werden, insbesondere das Argument aus dem Übel (siehe Abschnitt 4.3).
Ewigkeit und Unveränderlichkeit
Dass Gott immer schon existiert hat und immer weiter existieren wird, gehört zum inhaltlichen Grundbestand vieler Religionen. Es ist auch ein Aspekt der welt-erklärenden Funktion, die die Existenz Gottes hat. Wie allerdings diese Ewigkeit Gottes näher zu verstehen ist, dafür gibt es – wie bereits bei der Allwissenheit und der Allmacht angedeutet – zwei hauptsächliche Deutungsvorschläge: Einerseits die Vorstellung einer unendlichen Dauer, d.h. einer unendlich langen, ununterbrochenen Abfolge von Zeitpunkten, zu denen Gott existiert hat und existieren wird (z.B. (197)), andererseits die Vorstellung einer außerzeitlichen, nicht der Abfolge von vorher/nachher unterworfenen Existenzweise. Während Gottes zeitliche „Existenzspanne“ in der ersten Deutung grundsätzlich ähnlich ist wie jene innerweltlicher Dinge, nur gleichsam nach vorne und hinten unendlich verlängert, existiert er in der zweiten Deutung in einer ganz anderen Weise, die nur metaphorisch veranschaulichbar ist. Mitunter wurde als Verständnishilfe etwa vorgeschlagen, anstatt eines gerichteten Zeitpfeils, auf dem Gott immer nur einen Punkt durchlebt, an eine kreisförmig angeordnete Menge von Zeitpunkten zu denken, die Gott gleichermaßen präsent sind.
Eng verbunden mit dieser Vorstellung von Ewigkeit ist die Vorstellung von Gottes Unveränderlichkeit. Wenn Gott außerhalb der Zeit existiert, dann kann es in ihm auch keine Veränderung geben, denn Veränderung setzt schon begrifflich die Zeitunterworfenheit des sich Verändernden voraus. Eine andere Wurzel des Gedankens der Unveränderlichkeit ist Gottes Vollkommenheit und seine Überordnung über die Welt. Was veränderlich ist, könnte sich noch vervollkommnen (oder auch verschlechtern) – beides soll aber von Gott ausgeschlossen sein. Und aus Gottes Überordnung über die Welt folgt, dass Sachverhalte und Vorgänge in der Welt nicht auf ihn einwirken können. Diese Unveränderlichkeit hat z.B. auch zur Folge, dass Gottes „Kenntnisstand“ sich angesichts geschichtlicher Entwicklungen in der Welt nicht verändert, dass er gleichsam nichts dazulernen kann (und dies wegen seiner Allwissenheit auch nicht braucht).
Wie bereits weiter oben gezeigt, bringt diese Konzeption von Außerzeitlichkeit und Unveränderlichkeit gewisse religionsphilosophische Vorteile für das Verständnis z.B. von Allmacht und Allwissenheit (sofern man das begriffliche Problem einer solchen außerzeitlichen Existenzweise als lösbar erachtet). Mit religiösen Sichtweisen des Handelns Gottes steht sie dagegen in Spannung, denn dort wird oft so gesprochen, als sei Gott im erstgenannten Sinne ewig. Die Bibel etwa sagt von Gott aus, er verfolge den Lauf der Welt mit Interesse und nehme das Handeln der Menschen zur Kenntnis, etwa indem er deren Gebete erhöre oder nicht. Mitunter reuten ihn seine früheren Handlungen angesichts menschlichen Fehlverhaltens, und im Christentum wird Gott in Gestalt seines Sohnes sogar während einer bestimmten Zeitspanne ein Mensch. Diese Spannung hat innerhalb der Theologie zu verschiedensten Lösungsvorschlägen geführt. Manche Theologen sind bereit, bestimmte anthropomorphe Züge in ihr Gottesbild aufzunehmen, um dadurch z.B. die biblischen Redeweisen von Gottes Emotionen und Handlungen weniger stark uminterpretieren zu müssen; andere kritisieren dies allerdings als Rückfall in ein mythologisches Gottesbild. Die sogenannte Prozesstheologie (sie geht auf Alfred North Whitehead und Charles Hartshorne zurück) geht einen anderen Weg. Sie schlägt vor, gleichsam zwei Pole oder Schichten in Gottes Wesen zu unterscheiden: eine „vorgängige Natur“ (primordial nature), die unveränderlich ist, und eine veränderliche „nachfolgende Natur“ (consequent nature), die sich ebenso verändert wie die Welt, die daher Gottes Mitleben und Mitleiden mit der Welt verständlich machen soll. Ein naheliegender Einwand gegen diese Position (sofern sie sich klar formulieren lässt) ist jene, dass diese Aufspaltung in Gottes Natur das Ausgangsproblem nur verschiebt und einige neue erzeugt. Es fragt sich nämlich, wie man sich dann den Zusammenhang zwischen primordial und consequent nature erklären kann, ohne einen dritten Faktor ins Spiel zu bringen, und ob ein solcherart veränderlicher Gott wirklich eine taugliche letzte Erklärung der Welt wäre und nicht vielmehr nur ein Faktor in ihr.
Einfachheit
Der zuletzt beschriebene Ausweg widerspricht allerdings einem anderen Attribut, das in den theistischen Religionen Gott zuschreibt, nämlich seiner Einfachheit. Dieses Attribut hat keine deutlichen Wurzeln in der religiösen Rede von Gott, sondern ist eher ein Produkt philosophischer Überlegungen. Die Einfachheit besagt, vergröbert ausgedrückt, dass es keinerlei Zusammengesetztheiten in Gott gibt. Zunächst heißt das, dass Gott keine räumlichen oder zeitlichen Teile hat – was nach den obigen Überlegungen zur Unkörperlichkeit und Ewigkeit verständlich erscheint. Nach Meinung vieler (nicht aller) Philosophen besagt die Einfachheit aber auch, dass es bestimmte metaphysische Unterscheidungen, die man bei innerweltlichen Gegenständen macht, in Gott nicht gibt. Bei solchen Gegenständen unterscheiden wir z.B. wesentliche und notwendige von unwesentlichen und kontingenten Eigenschaften (man denke etwa an das Belebtsein und die Sonnenbräune beim Menschen), wir betrachten mehrere notwendige Eigenschaften als voneinander unterschieden (etwa das Belebtsein und die Ausgedehntheit), und wir unterscheiden zwischen dem Wesen eines Dings (das man sich auch bloß denken kann) und seiner realen Existenz. Im Falle Gottes dagegen fallen alle diese Unterscheidungen weg. Alle seine Attribute hat er wesentlich bzw. notwendig (was im Lichte seiner Unveränderlichkeit verständlich ist). Alle seine Attribute sind in Wirklichkeit aber ein einziges, das ein und dasselbe ist, also z.B. seine Güte und seine Allwissenheit. Man könnte dies in erster Näherung so erläutern, dass diese Attribute nur unsere unterschiedlichen Beschreibungen für ein und dieselbe göttliche Natur sind, ähnlich wie „Morgenstern“ und „Abendstern“ zwei unterschiedliche Beschreibungen der Venus sind. Überdies fallen in Gott Wesen („Essenz“) und Existenz zusammen, d.h. seine Existenz gehört zu seinem Wesen, bzw., präziser, sie ist sein Wesen. Dies wiederum hängt mit Gottes notwendiger Existenz zusammen (siehe dazu z.B. (17), Kap. 31, oder (99). Kap. 232 und 233). Alle Attribute Gottes, so könnte man zusammenfassen, fallen letztlich in eins, nämlich das „Super-Attribut“, eben Gott zu sein.
Der methodologische Status dieser Attributionen
In einem Teil der religionsphilosophischen Literatur wird diese (oder eine ähnliche) Zusammenstellung der Attribute Gottes als etwas Geschlossenes, als „das theistische Gottesbild“ präsentiert. Mitunter wird es als etwas geradezu Selbstverständliches allen weiteren Überlegungen vorangestellt. Es ist aber wichtig, sich über den methodologischen Status dieser Attributionen im Klaren zu sein. Sie sind einerseits nicht einfach Ergebnisse religionsphänomenologischer Erhebungen, etwa der Befragung religiöser Personen. Eine solche Erhebung würde wohl auch deutlich andere Attributzuschreibungen zutage fördern. Andererseits können sie auch nicht nur Resultate philosophischer Überlegungen sein, dazu ist die Abhängigkeit von religiösen Vorstellungen doch wieder zu offenkundig. Worauf stützen sich diese Attributzuschreibungen also? In den vorstehenden Erläuterungen wurde bereits angedeutet, dass die Quellen dieser Zuschreibungen durchaus unterschiedlich sind: Manche Attribute haben ein klares Gegenstück in den religiösen Traditionen, andere nicht; manche sind eher Resultate nachträglicher philosophischer Klärungen, insbesondere beeinflusst von der antiken griechischen Philosophie, und sie sind erst im Laufe der Zeit vom religiösen Denken und von dessen theologischer Reflexion übernommen worden. Dies gilt etwa für Gottes Außerzeitlichkeit, die erstmals von Boëthius (475/80-524) präzisiert wurde, aber bis heute nicht allgemein akzeptiert wird (siehe etwa (197)). Wir haben auch gesehen, dass es zwischen manchen dieser Attributen logische Zusammenhänge zu geben scheint, zwischen manchen auch vordergründige Widersprüche, die philosophische Präzisierungsbemühungen angeregt haben (z.B. das berühmte „Laktanz-Trilemma“: Wie kann ein theistisch gedachter Gott z.B. zugleich allwissend, allmächtig und allgütig sein, denn anscheinend weiß er nichts vom Übel in der Welt, oder er kann es nicht ändern, oder er will es nicht? – Wir kommen darauf nochmals in Abschnitt 4.2 zurück.).
Man sollte also berücksichtigen, dass man es bei diesen Attributzuschreibungen mit philosophischen Konstrukten zu tun hat, die dem religiösen Bewusstsein des durchschnittlichen Gläubigen nicht fraglos entsprechen, obwohl es durchaus Beeinflussungen in beiden Richtungen gegeben hat.
Warum dieser Status berücksichtigt werden sollte
Es ist aus zumindest zwei Gründen wichtig, diesen methodologischen Status zu berücksichtigen. Erstens: Würde man diese Attributzuschreibungen als Beschreibung des faktischen religiösen Denkens der Menschen missverstehen, dann würde daraus folgen, dass es nur sehr wenige „vollständige“ religiöse Theisten gäbe, und dass deren Denken überdies meist unvernünftig, da widersprüchlich wäre. Dies deshalb, weil wohl nur wenige von ihnen eine ausgefeilte Lösung z.B. für das eben erwähnte Trilemma von Allwissenheit, Allmacht und Allgüte parat hätten. Dass dieses altbekannte Trilemma religiöse Menschen aber wenig erschüttert, ist ein weiterer Hinweis darauf, dass Religion und philosophisch-theologische Attributklärungen Gottes nicht auf derselben Ebene liegen. Man sollte also die oben in Abschnitt 2.4 angesprochene Unterscheidung von Religion und Religionsphilosophie berücksichtigen.
Ein zweiter, hier nur im Vorblick zu erwähnender Grund hängt mit dem richtigen Verständnis der traditionellen Argumente für Gottes Existenz (oft irreführend „Gottesbeweise“ genannt, siehe Abschnitt 5.2) zusammen. Es wäre verfehlt, sie als nachträgliche Argumente für die Existenz eines Gegenstandes zu verstehen, dessen Attribute aus anderen Erkenntnisquellen schon vorab feststehen. Denn diese Argumente haben u.a. auch die Funktion, wichtige Attribute Gottes als des Objekts der Religion erst im Laufe des Argumentationsganges zu klären, d.h. zu präzisieren, was die Rede von „Gott“ philosophisch gesehen eigentlich bedeutet. Dieser Punkt wird häufig übersehen, ist aber von entscheidender Wichtigkeit, um die Zusammenhänge des religiösen Redens über Gott mit unserer Rede über die Dinge der Welt klarer zu machen. Wir kommen darauf in Abschnitt 5.5 noch ausführlich zu sprechen.
Andere Gottesvorstellungen
Es wurde bereits erwähnt, dass die vorstehende Liste theistischer Attribute kein geschlossener Block ist, sondern dass es diesbezüglich unter religiösen Menschen, aber auch unter Theologen und Philosophen durchaus Auffassungsunterschiede gibt. Auch sind diese Attributionen nicht ausschließlich auf die jüdisch-christlich-islamische Religionsfamilie beschränkt. Auch in manchen Religionen, die man als polytheistisch kennzeichnen würde, werden manchen Götterfiguren Attribute zugeschrieben, die einigen der hier beschriebenen sehr nahe kommen (etwa Ewigkeit, Personalität und verschiedene Ausprägungen von Allwissenheit und Omnipräsenz). Daneben gibt es aber auch Religionen, die zwar an weltjenseitige, welterklärende und auch für unsere Lebensgestaltung irgendwie relevante Wirklichkeiten glauben, die sich aber mehr oder minder stark von der obigen Attributliste unterscheiden (ob man solche Wirklichkeiten dann als „göttlich“ ansprechen soll oder nicht, ist ein wenig fruchtbarer Streit um Worte). Näheres gehört in die Religionswissenschaft ((26), (94)).
Auf einen Blick
Es gibt zwei Arten von Versuchen, „Religion“ zu definieren: essentialistische (die einen Wesenskern aller Religionen annehmen) und funktionalistische (die Religion über ihre Funktion in der Gesellschaft definieren wollen). Da beide Arten in unlösbare Engpässe führen, herrscht gegenwärtig weitgehend Konsens darüber, dass es wohl keine allgemeine Definition von Religion gibt. Daher wurde in diesem Text der Ausweg beschritten, von einigen typischen Beispielen von Religionen auszugehen, insbesondere vom Christentum. Anhand dieses Beispiels wird besonders deutlich, dass Religionen komplexe Phänomene sind: Sie haben soziale, rituelle, moralische, historische, aber auch theoretisch-kognitive Seiten (und andere mehr).
Nach der vorläufigen Klärung einiger später immer wieder gebrauchter Termini („Theismus“, „Atheismus“, „Agnostizismus“, „Offenbarung“ und andere mehr) wurden die Eigenarten der verschiedenen Wissenschaften herausgearbeitet, die sich mit den Religionen beschäftigen (Religionspsychologie, -soziologie, -geschichte u.a.). Ob es daneben so etwas wie eine „allgemeine oder vergleichende Religionswissenschaft“ gibt, wird heute vielfach bezweifelt, weil eine solche Wissenschaft keine eigenen Methoden jenseits der psychologischen, soziologischen und anderen hätte. Einen Sonderfall stellt die Theologie dar, die das Glaubensverständnis bestimmter Religionen darzustellen versucht; sie ist also eine normative Wissenschaft und einer bestimmten Religion verpflichtet.
Religionsphilosophie (und auch philosophische Gotteslehre als „metaphysische Religionsphilosophie“) sollen dagegen logisch unabhängig von der Glaubenszustimmung zu einer bestimmten Religion vorgehen. In der philosophischen Literatur sind allerdings sehr verschiedene Konzeptionen von Religionsphilosophie erkennbar, die sich teilweise im Grenzbereich zu anderen Religionswissenschaften oder zur Theologie einer bestimmten Religion bewegen. Nach einer Klassifikation von fünf Konzeptionen wurde vorgeschlagen, als die zentrale Frage der Religionsphilosophie jene zu betrachten, ob und wie religiöse Überzeugungen zu rechtfertigen sind. Davon nicht ganz trennbar sind die Fragen, welche Bedeutung religiöse Rede hat und Erklärungen welcher Art die Religionen bieten. Eine solche Betrachtung geht mit einer gewissen Fokussierung der theoretischen, kognitiven Aspekte der Religion einher; die vielen anderen Aspekte der Religion werden dadurch aber nicht in Abrede gestellt.
Als ungefähre Richtungsangabe für das folgende wurden abschließend die wesentlichen Attribute Gottes (als des zentralen Objekts theistischer Religionen) skizziert, soweit sie philosophisch fassbar sind: Gottes Außerweltlichkeit, seine notwendige Existenz, seine Personalität, seine Allmacht, Allwissenheit und Omnipräsenz, seine Güte, seine Ewigkeit und Unveränderlichkeit sowie seine Einfachheit. Gott werden Attribute zugeschrieben, die sich von Eigenschaften der innerweltlichen Dinge stark unterscheiden (dies hängt damit zusammen, dass Gott als letzter Grund der Welt fungiert), es gibt jedoch auch inhaltliche Ähnlichkeiten (sonst wären die Behauptungen über Gott ja vollkommen unverständlich). An verschiedenen Punkten zeigt es sich außerdem, dass diese Attribute miteinander zusammenhängen. Sachlich gesehen sind diese Darstellungen freilich ein Vorgriff, denn die Frage, wie man diese Attributionen rechtfertigt, ist keineswegs trivial. Die Klärung dieser Attribute ist von der Frage, welche Argumente für und gegen Gottes Existenz es gibt und was sie leisten, nicht zu trennen. Wir werden daher in Abschnitt 5.5 nochmals auf sie zurückkommen.