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ОглавлениеVorwort
Im Sommer 2017 waren Wolf-Dieter Storl und ich mit einer kleinen Gruppe in der Mongolei und in Sibirien. Es ging vorrangig um eurasische Pflanzenheilkunde und Schamanismus. Dort in den Steppen ist der Vorhang zur Anderswelt dünn und transparent, sodass das Manifeste und das Feinstoffliche einen viel engeren Kontakt haben als hier in Mitteleuropa. Dies ist keine verbrämte Esoterik von verklärten Spinnern, sondern von jedem mehr oder weniger stark empfindbare Realität. Die Gruppenteilnehmer waren Ethnologen und Therapeuten, Menschen, die mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen stehen. Wie schön war es doch zu sehen, dass die beiden Welten, die ohne scharfe Abgrenzung ineinander übergehen, ohne Grundsatzdiskussionen, ohne Wenn und Aber akzeptiert wurden!
Wolf-Dieter Storl nennt sein Buch Wolfsmedizin. Dieses Tier spielt in der mongolischen Tradition und Schöpfungsgeschichte eine große Rolle. Dschingis Khan hatte den Beinamen »der blaue Wolf«. Die Nomaden verehren und fürchten dieses Tier. Auf der einen Seite ist der Wolf Teil ihrer Ideologie, auf der anderen der Fressfeind ihrer Zuchttiere. Bei einer früheren Mongoleireise hörte ich des nachts mal Wölfe, krabbelte aus dem Zelt und wurde von zähnefletschenden Hunden der Nomaden umringt. Allerdings standen sie so, dass sie nach außen geiferten. Was kurzzeitig wie ein aggressiver Akt mir gegenüber aussah, war genau das Gegenteil: Sie wollten mich in Schutz nehmen vor ihren wilden Verwandten!
Sowohl in der Mongolei als auch in Sibirien ist der Schamanismus lebendig. Er war es immer, selbst als er in Sowjetzeiten als »konterrevolutionär« verfolgt wurde. Der Schamanismus ist dort in den Völkern so tief und fest verankert, dass politische Gegenmaßnahmen nur wenig aus- und anrichten konnten. Der Schamane als Verbinder zwischen den Welten hat einen festen Stellenwert im Alltag dieser ethnischen Gruppen. Milch- und Wodkaopfer vor dem Kühlergrill der Jeeps bei der Weiterfahrt, das Anhalten, Umrunden und Steineopfern bei Owoos als Symbol für das Erbitten einer guten Reise zeigen diese Verbundenheit mit der anderen Dimension. Bei manchen Autos, mit denen wir dort gefahren sind, war dieser Schutz auch bitter nötig!
Schon an den Überschriften in diesem Buch konnte ich erkennen, dass es sich um eine Art Tagebuch handelt, denn sie beziehen sich tatsächlich auf Geschehnisse auf dieser Fahrt. Da ich bisher alle Bücher von Wolf-Dieter gelesen habe, freue ich mich besonders, nun eine Reisedokumentation von ihm vorliegen zu haben.
Peter »Pitt« Germann
Dortmund, Mai 2018